(Grupo Barbaria) Ukraine, Russland und die Bedeutsamkeit/Tragweite von Fragen

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Ukraine, Russland und die Bedeutsamkeit/Tragweite von Fragen

Auch auf Italienisch

Wie in jedem Konflikt zwischen kapitalistischen Staaten drehen sich die ideologischen Debatten und die Propaganda um nationale Souveränität und Recht. Ob Russland das Recht hat, seinen Sicherheitsraum zu beanspruchen, ob die Ukraine ein souveränes Land ist, das über seine Bündnisse entscheiden kann, ob es richtig und legitim ist, dass die Vereinigten Staaten die Grenzen der NATO erweitern, ob die Europäische Union ihre strategische Autonomie bewahren muss, ob sich die europäische Bourgeoisie selbst darüber im Klaren ist, was dies bedeutet.

Genauso wichtig wie die Antwort ist aber auch das Terrain, auf dem sich die Frage befindet. Und all diese Fragen werden auf ein bourgeoises Terrain gestellt, das uns dazu bringt, einen kapitalistischen Staat gegen einen anderen zu unterstützen, gegen die Grundprinzipien des Internationalismus und der Autonomie der Klasse, die die proletarische Bewegung historisch definiert haben.

Denn in dem derzeitigen Disput zwischen Russland und der NATO geht es um die Verteilung unserer Ausbeutung und um die Beherrschung von Territorien. Die Entwicklung des Kapitalismus impliziert einerseits den Widerspruch zwischen der Notwendigkeit, die Arbeit auszubeuten, und der Notwendigkeit, sie mit neuen Technologien zu vertreiben, was sie in eine immerwährende ökonomische Krise stürzt, in die Erschöpfung ihres eigenen Mechanismus zur Produktion von Reichtum in Warenform. Andererseits lässt dieselbe Entwicklung die Fähigkeit einer kapitalistischen Macht, ihre Hegemonie über den Rest oder sogar über einen stabilen und robusten Block aufrechtzuerhalten, immer zweifelhafter werden, während sie gleichzeitig die verschiedenen Länder dazu drängt, miteinander zu konkurrieren, um regionale Mächte zu werden. Das Ergebnis ist nicht, wie manchmal behauptet wird, die Tendenz zur Ablösung der USA durch China in der globalen Gendarmerie (A.d.Ü., Weltpolizei), sondern die geopolitische Fragmentierung der verschiedenen Mächte zur Sicherung ihrer Kontrolle über die Region.

Dies ist die Anstrengung, die Russland unternimmt, um sich den USA und der NATO im aktuellen Konflikt mit der Ukraine entgegenzustellen. Für die USA wird es immer schwieriger, ihre globale Hegemonie aufrechtzuerhalten, wie ihr Rückzug aus Afghanistan zeigt. Es fällt ihr nämlich immer schwerer, die Kontrolle über ihr eigenes Territorium zu behalten, das von einer sozialen Polarisierung betroffen ist, die zumindest derzeit nicht einmal durch Kriegstrommeln eingedämmt werden kann. Russland seinerseits übt seine imperialistische Kontrolle über die umliegenden Staaten aus, um sich eine „strategische Tiefe“ zu sichern – einen Gürtel von Polsterstaaten, um seine eigenen Hegemonialansprüche militärisch abzufedern – selbst um den Preis der blutigen Unterdrückung des Proletariats, wie die militärische Intervention zur Niederschlagung der Aufstände in Kasachstan zeigt. Die Europäische Union, dieses Konglomerat alter Mächte auf der Suche nach verlorenem Ruhm und ohne die Fähigkeit, eine eigene Wirtschafts- und Militärpolitik zu vereinen, ist in diesen Abgrund (in den Zusammenprall von zwei Zügen die aufeinander krachen) geraten: Deutschland, das zwischen seiner Energieabhängigkeit von der russischen Gaspipeline und seiner Allianz mit den USA hin- und hergerissen ist, Frankreich, das frustriert versucht, seine Niederlage in Mali unter den Teppich zu kehren, indem es die europäische Diplomatie unabhängig von den USA führt, deren tragikomisches Ende das Scheitern der Verhandlungen zwischen Putin und Biden mit der Ankunft russischer Panzer im Donbass war.

Krieg gehört zum Wesen des Kapitalismus und zum Wesen eines jeden Nationalstaates. In diesem Sinne ist jeder Staat imperialistisch: Ob die USA, Russland oder die Ukraine, jeder Staat versucht, das Proletariat hinter seiner eigenen Bourgeoisie aufzureihen, um es als Kanonenfutter im imperialistischen Krieg zu verwenden. Die derzeitige Eskalation der Spannungen und der Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine hat einmal mehr zu einer Verschärfung des ukrainischen Nationalismus geführt, der auf der einen Seite pro-westlich und auf der anderen Seite pro-russisch ist, was nur dazu dient, den Klassencharakter dieses Konflikts unter den Schlagwörtern Demokratie, Souveränität und Völkerrecht zu verbergen.

Das ist nicht unser Terrain. Unser Terrain ist das der Verteidigung von Klasseninteressen außerhalb und gegen alle nationalen und imperialistischen Interessen. Der aktuelle Konflikt in der Ukraine kann nur durch die Grundprinzipien des revolutionären Defätismus verstanden werden: Klasseneinheit über alle Grenzen hinweg, Klassenkampf gegen die Bourgeoisie selbst, proletarische Weltrevolution.

22. Februar 2022

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