Klassenkampf im Kriege / G.I.K. (Holland), 1935

Gefunden auf der Seite Antonie Pannekoek Archives, wir haben diesen Text ausgegraben weil er erstaunliche viele Ähnlichkeiten zu der jetzigen Haltung im Krieg in der Ukraine, was letztens heißt gegenüber jeden Krieg, weil man die eigenen Positionen verdrehen kann wie man will, wie wir es ja schon oft seitens einiger angeblicher „Anarchistinnen und Anarchisten“ gesehen haben, aufweißt und uns zeigt dass man gänzlich nichts aus der Geschichte gelernt hat. Die Verfassende Gruppe, die GIK, aus Holland unterstreicht, wie viele andere damals und heute auch, eine Kritik an die patriotische und vaterländische Haltung der Linken des Kapitals, indem Falle der Sozialdemokratie, die sie aber haben muss, sie kann sich daraus nicht rausreden und raushandeln. Die Antwort ist ganz einfach, denn sie ist die Partei der kapitalistischen Ordnung, die nur durch den Schutz der eigenen kapitalistischen Nation funktionieren kann, dasselbe galt der SPD angesichts der Kriegskredite im ersten Weltkrieg.

Nun werden sich Anarchistinnen und Anarchisten fragen, was dies alles mit uns zu tun hätte, wir haben weder Parteien, wohlen auch keine, wie sind nicht die Sozialdemokratie, usw. Nun auch hier ist die Antwort leicht, die Rolle der Sozialdemokratie, wenn auch numerisch winzig im Vergleich, haben anarchistische Gruppe Weltweit übernommen die sich im Krieg für die Ukraine, oder für Russland positioniert haben. Beide Positionen ergeben sich aus einer falschen Dichotomie, wo das was zu schützen gilt, die Demokratie ist, ergo das Kapital. Daraus resultiert auch das beide Argumentationen, für die Beteiligung am Krieg, falsch sind.

Darum muß die herrschende Klasse vor allem die Arbeiterschaft ideologisch auf den Krieg vorbereiten. Eine systematische Propaganda mit allen Mitteln über welche die moderne Gesellschaft verfügt, beeinflußt seit langem schon das Denken der breiten Arbeitermassen und erweckt bei ihnen die Überzeugung, daß sie im Falle eines Krieges für die Verteidigung ihrer eigenen Interessen zu Felde ziehen.“ Klassenkampf im Kriege, G.I.K.

All dies wird uns noch lange beschäftigen, möge der historische und radikale Sinn für die Kritik wie die einer rätekommunistischen Organisation wie die G.I.K., sich auch mehr unter Anarchistinnen und Anarchisten verbreiten, soll die Geschichte uns dienen um den Scharfsinn der Kritik nicht zu verlieren, sondern ganz im Gegenteil, mehr und mehr zu erweitern, um aus der revolutionären Theorie des Anarchismus eine revolutionäre Praxis zu entwickeln.


Klassenkampf im Kriege / G.I.K. (Holland), 1935

Quelle: Klassenkampf im Kriege / g.i.k. (Holland). – In: Rätekorrespondenz, 1935, Nr.14 (Dezember); Quelle der Transkription: “Left Wing” Communism – an infantile disorder?. Offensichtliche Fehler sind korrigiert; in einigen Fällen ist die Sprache modernisiert; hier wieder korrigiert.

Der zweite Weltkrieg ist unabwendbar

Der erste Weltkrieg war die Folge des Emporkommens des deutschen Imperialismus, der die Machtposition von England und Frankreich ernsthaft zu bedrohen begann. Die deutsche Schwerindustrie, moderner ausgerüstet als die englische, war ein gefährlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt. Zugleich streckte der deutsche Imperialismus seine Fangarme nach Rohstoffgebieten, wo England und Frankreich die Vorherrschaft hatten. Die bekannte Entsendung des Kreuzers „Panther“ nach Nordafrika, um für die Bergwerksinteressen des deutschen Mannesmann-Konzerns in Marokko zu demonstrieren, war dafür ein beredtes Zeugnis. Hauptsächlich aber richtete sich die Machtentfaltung des deutschen Imperialismus nach Kleinasien und Indien (Bagdadbahn, Balkanpolitik, Annexion von Bosnien und Herzegowina durch Österreich, u.s.w.). Diese Entwicklung hatte schließlich, nachdem die Balkankriege vorausgegangen waren, den Weltkrieg zur Folge1.

Auch jetzt zeigen sich wieder solche Erscheinungen, mehren sich die Vorboten eines neueren Weltkrieges. Das ist auch nicht anders möglich, denn niemand kann die Entwicklung der Produktivkräfte aufhalten. Die Entwicklung der Produktivkräfte in immer neueren Ländern hat mit absoluter Sicherheit in Gefolge, daß diese neben den alten als neuere imperialistische Mächte auftreten und ihnen den Platz unter der Sonne streitig machen. Jetzt, wo auch die asiatischen Länder in den Kreis des Weltkapitalismus hineingezogen sind, hat auch dort die Maschinenproduktion ihren Einzug gehalten. Nicht zuletzt, weil sie mit einer Technik und einer Produktionsweise, die auf ihrer höchsten Entwicklungsstufe steht, beginnen, wachsen diese kapitalistisch jungen Länder zu enormer ökonomischer, politischer und militärischer Macht heran. Sie verlangen „ihren“ Anteil am Weltmarkt und wollen über Rohstoffgebiete verfügen können.

Japan, das nicht ohne Grund das Deutschland des Ostens genannt wird, erinnert in mancher Hinsicht an die Position, die Deutschland vor 1914 einnahm. Dabei darf man nicht vergessen, daß die halbfeudalen Zustände im Innern Japans, dort eine in den alten kapitalistischen Ländern heute nicht für möglich gehaltene Ausbeutung der Arbeiterbevölkerung möglich machen, so daß die japanische Produktion ein Konkurrent geworden ist, der mit ökonomischen Mitteln kaum mehr zu schlagen ist. (Siehe: „Die Grundlagen des gelben Imperialismus“, Rätekorrespondenz, Nr. 72).

Es ist dann auch kein Wunder, daß Japan die eine chinesische Provinz nach der andern sich einverleibt, während es die Länder der „weiteren Umgebung“, englisch und holländisch Indien, Australien, u.s.w., mehr und mehr ökonomisch beherrscht. Das dadurch vor allem die Schlagadern des englischen Imperialismus getroffen werden, ist bekannt und darum wird auch allgemein angenommen, daß die Geschehnisse in Ostasien nur ein Vorspiel des neueren Weltkrieges sind.

Die Entwicklung Rußlands zur industriellen und militärischen Großmacht ersten Ranges, verschärft diese Situation noch mehr. Auch Rußland versucht seinen Einfluß in China auszudehnen (Sowjet-China, Aufstände in Türkestan, Konflikt um die Ost-Eisenbahn 1929). Dabei wird von dem Zerfall des großen chinesischen Reiches, das sowohl im ökonomischen wie politischen Sinne keine Einheit mehr ist, geschickt Gebrauch gemacht.

Der große Kampf um eine neue Verteilung der Welt kann jeden Augenblick beginnen, und darum bewaffnen sich alle Länder in fieberhaftem Tempo. Dieser große Kampf wird sehr wahrscheinlich nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dabei darf man nicht aus dem Auge verlieren, daß er wohl nicht direkt als „Weltkrieg“ einsetzt, sondern als Konflikt zwischen zwei Staaten beginnt, worin immer mehr Länder mit hinein gezogen werden. Darum ist heute jeder bewaffnete Konflikt zwischen zwei Länder zugleich auch ein Vorpostengefecht des zweiten Weltkrieges.

Die ideologische Vorbereitung des zweiten Weltkrieges

In allen Ländern bereitet man sich fieberhaft, die Rüstungen zu vervollkommnen. Aber dabei geht es nicht nur um die Herstellung von Waffen materieller Art, wie Tanks, Giftgas, Bomben, u.s.w. Von noch größerer Wichtigkeit ist die ideologische Vorbereitung des Krieges, so daß vor allem die breiten Arbeitermassen willig, ja mit Begeisterung am Kriege teilnehmen. Eine Arbeiterschaft die gezwungen am Kriege teilnimmt, ist leicht geneigt sich zu widersetzen, und entstehen unter dem verschärften Druck des Krieges, allzu leicht Streiks, die der Kriegsführung gefährlich werden können. Die Militärmaschine mag technisch noch so gut ausgerüstet sein, sie ist im Falle eines Krieges nur zu verwenden, wenn die ganze arbeitende Bevölkerung, durch ihre Arbeit in den Betrieben, sie mit allem Nötigen versorgt. Darum muß die herrschende Klasse vor allem die Arbeiterschaft ideologisch auf den Krieg vorbereiten. Eine systematische Propaganda mit allen Mitteln über welche die moderne Gesellschaft verfügt, beeinflußt seit langem schon das Denken der breiten Arbeitermassen und erweckt bei ihnen die Überzeugung, daß sie im Falle eines Krieges für die Verteidigung ihrer eigenen Interessen zu Felde ziehen.

Diese ideologische Vorbereitung wird natürlich nicht erreicht, indem offen ausgesprochen wird, daß es nur um eine neue Verteilung von Absatz- und Rohstoffgebieten geht. Die Arbeiter werden aufgerufen ihre eigene (nationale) Kultur zu verteidigen. So tat man auch am Anfang des Weltkrieges 1914. Da war es das Schreckgespenst des blutdürstigen Zarentums mit seinen halbwilden Kosaken, wodurch Millionen deutscher Arbeiter der Kriegführung in die Arme getrieben wurden. Bei den französischen Arbeitern war es das preussische Gewaltregiment und der deutsche Militarismus die durch den Krieg gestürzt werden sollten, und die englischen und amerikanischen Arbeiter ließ man kämpfen um die Welt mit der Demokratie zu beglücken.

Und heute geschieht wiederum dasselbe.

Die hoffnungslosen wirtschaftlichen Verhältnisse in Mitteleuropa erzwangen eine Zusammenschweißung aller nationalen Kräfte, wodurch dem Monopolkapital die Kraft verliehen wird, den Kampf um eine neue Verteilung der Welt zu beginnen. Die faschistische Regierungsform, die alle Kapitals- und Arbeitskräfte der Nation gleichschaltet, ist darum auch die Vorbereitung dieser Länder auf den in Kurze beginnenden Kampf um die Verteilung der Welt. In diesem Sinne treibt der Faschismus und Nationalsozialismus ohne Frage zum Kriege. Aber das ist bei den Großmächten des Westens eben so gut der Fall, wenn auch in dem Sinne, daß es bei ihnen um die Verteidigung ihrer bevorrechteten Position geht. Was diese Mächte im Laufe der Jahre zusammengerafft und geraubt haben, das wollen sie behalten. Die faschistischen und demokratischen Mächte treiben daher von beiden Seiten zum Kriege. Das Kapital der faschistischen Länder will und muß seinen Machtbereich ausdehnen, das Kapital der „demokratischen“ Länder kann diese Expansion nicht zulassen, es schreit zum Kampf gegen den „Faschismus“ . Dieser Kampf des Kapitals zwischen den demokratischen und faschistischen Ländern wird von der herrschenden Klasse geschickt umgemünzt in einem Kampf, an der die breiten Arbeitermassen in erster Linie interessiert sind.

In den faschistischen Ländern sind es die großen Kapitalmächte des Westens, die sich die ganze Welt tributpflichtig gemacht haben und wogegen das ganze „Volk“ wie ein Mann zu kämpfen hat, um den Weg aus Not und Elend zu einer besseren Zukunft frei zu machen. In den westlichen Ländern dagegen erscheint der Faschismus und Nationalsozialismus als die Gewaltherrschaft die jede freie Meinung mit barbarischen Mitteln unterdrückt und vor allem die Arbeiterschaft ihrer politischen Rechte und aller selbständigen Organisation beraubt. Darum wird hier die Parole: „Gegen den Faschismus“! zum Sammelruf aller offenen und versteckten Parteigänger der herrschenden Klasse und dient dazu die breiten Volksmassen in die Kriegsfront einzureihen.

Revolutionäre Arbeiter lassen sich durch eine solche Propaganda nicht irre machen. Sie wissen sehr gut, daß es überhaupt nicht gegen den Faschismus geht, und daß umgekehrt der Siegeszug, der nach Weltgeltung drängenden faschistischen Kapitalmächte den Arbeitern dort keine glückliche Zukunft bringt.

Es kann ihnen gleichgültig sein, wer bei dieser neuen Verteilung der Welt gewinnt, denn daß sie die Rechnung bezahlen müssen, ganz gleich ob „ihr Land“ gewinnt oder nicht, wissen sie im Voraus.

Der Zustand der Arbeiter in den „demokratischen“ Ländern ist im Allgemeinen günstiger als dort wo der Faschismus herrscht. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß daran der Faschismus schuld ist. Wenn in Ländern wie England, Frankreich, Holland die Lebenslage der breiten Massen eine bessere zu nennen ist als z.B. in Deutschland dann darf dabei nicht vergessen werden, daß hier das Kapital über große Reserven verfügt, die durch eine nahezu unbeschränkte Ausbeutung der Kolonien versammelt wurden. Diese Ausbeutung der Kolonien macht das verhältnismäßig gute Leben der westeuropäischen Arbeiter im Augenblick noch möglich.

Die Kehrseite dieser Medaille ist das unermeßliche Elend von hunderten Millionen der kolonialen Bevölkerung. Übrigens zeigen z.B. die Verhältnisse im Kohlenbergbau in Belgien, daß dort von einem Wohlleben auch nicht gesprochen werden kann. (Siehe Artikel I dieser Rätekorrespondenz3.) Andererseits sank die Lebenslage in den heute faschistischen Ländern nicht, weil die Faschisten an die Macht kamen, sondern umgekehrt hat gerade der schlechter werdende wirtschaftliche Zustand die Faschisten an die Macht gebracht.

Ein neuer Krieg bringt nur noch größeres Elend und schärfere Ausbeutung der Arbeitermassen. Wer den Krieg gegen den Faschismus will um die weitere Verschlechterung des Lebensstandards aufzuhalten, betrügt sich selbst. Die Arbeiter haben kein Interesse aus diesem Grunde einen Krieg gegen die faschistischen Länder zu unterstützen.

Aber muß die Arbeiterschaft denn nicht die politische Rechte, die ihnen die bürgerlich demokratische Ordnung gewährt, gegen den Faschismus verteidigen? Darf sie ohne sich zu Wehr zu setzen, preisgeben, wofür Generationen von Arbeitern sich eingesetzt und was erst am Ende des Krieges verwirklicht wurde: das freie und allgemeine Wahlrecht, Vereinsrecht, Versammlungs- und Pressefreiheit, d.h. die bürgerliche Demokratie auch für die Arbeiterklasse? Niemand kann leugnen, daß der Faschismus, weil er diese eben erst erworbenen Rechte vernichtet, breiten Massen als Feind gegenübertritt. Wer daraus die Schlußfolgerung zieht, daß die Arbeiterschaft in den Ländern, wo die demokratische Ordnung herrscht, zusammen mit ihrer Bourgeoisie gegen die faschistische Länder in den Krieg ziehen muß, der betrügt nicht nur sich selbst sondern auch andere, nämlich die Arbeiterklasse.

Die herrschende Klasse in den demokratischen Ländern ist kein geringer Feind der Arbeiterklasse als die herrschende Klasse, die sich des Faschismus bedient. Denn wenn die Arbeiterschaft in den demokratischen Ländern glaubt, in den politischen Rechten der bürgerlichen Demokratie ein Mittel in Händen zu haben, womit sie in dieser Gesellschaft ihre Interessen vertreten kann, womit sie sich Geltung verschafft und daß sie schließlich als Sprungbrett gebraucht um die politische Macht zu erobern, dann ist das eine Illusion. Solche politischen Rechte hat die Arbeiterschaft nie besessen. Es ist vielmehr so, daß die politischen Rechte erst ergeben wurden, als die großen Arbeiterorganisationen die Sicherheit gaben, daß kein „Mißbrauch“ damit getrieben würde. Die Rechte durften nicht dienen um das Interesse der Arbeiterklasse gegen die Interessen der herrschenden Klasse durchzusetzen. Und wo das doch versucht wird, stellen sich die anerkannten Arbeiterorganisationen offen auf die Seite der herrschenden Klasse. Sie denunzieren solche Aktionen als ungesetzlich, erklären Streiks die sich ihrer ordnungsgemäßen, auf Zusammenarbeit mit den Kapitalorganisationen begründeten Führung, entziehen, als wild. Und dann werden die politischen Rechte, Versammlungs- und Pressefreiheit, Organisations- und Streikrecht, auch von der demokratischen Ordnung aufgehoben. Die bewaffnete Macht marschiert auf und demonstriert die absolute Herrschaft der besitzenden Klasse.

Die politische Rechte, von denen die Arbeiterschaft nur Gebrauch machen kann durch die anerkannten Arbeiterorganisationen, sie dienen nur dazu, um die Arbeiter in die demokratische Ordnung einzugliedern. Die politische Rechte sind zur Pflicht geworden, sich der Führung der Arbeiterorganisationen und dem Gebot der herrschenden Klassen zu unterwerfen. Aber je schärfer die Klassengegensätze werden, um so mehr ist die Arbeiterschaft gezwungen zu kämpfen ohne politische Rechte und gegen die Arbeiterorganisationen die sie der „Ordnung“ dieser Rechte unterwerfen.

Von diesem Zustand bis zur allgemeinen Aufhebung der politischen Rechte und Demokratie ist nur noch ein Schritt, der dann erfolgt, wenn die Arbeiterorganisationen nicht mehr im Stande sind, die Aktivität der Arbeiterklasse im Schach zu halten.

In Deutschland und Italien ist diese Maßnahme der herrschenden Klasse bereits durchgeführt und die unverhüllte Diktatur zur Tatsache geworden, und in den noch demokratischen Ländern läßt man kein Zweifel darüber bestehen, daß derselbe Weg eingeschlagen wird, wenn die breiten Arbeitermassen nicht mehr der Führung der vom Staat anerkannten Arbeiterorganisationen gehorchen. Unter der harten Notwendigkeit des sich zuspitzenden Klassenkampfes verfliegt auch in den demokratischen Ländern die Illusion daß die „politische Rechte“ zur Befreiung der Arbeiterklasse führen, und in demselben Maße wie die Arbeiterschaft den wahren Charakter der politischen Rechte erkennt, werden sie auch der unverhüllten Diktatur der herrschenden Klasse gegenüber stehen. In diesem Sinne ist die Bourgeoisie hier ebenso faschistisch wie dort, und mit diesem Faschismus hat die Arbeiterklasse zu tun. Es ist die eigene Bourgeoisie, die sie dem Kapitalsinteresse unterwirft, – mit „Demokratie“ und „politischen Rechten“, solange sich die Arbeiter dadurch binden lassen, und mit der unverhüllten, faschistischen Diktatur, wenn die Demokratie versagt.

Die Arbeiterschaft muß den Kapitalismus immer und überall bekämpfen, ganz gleich ob er sich demokratisch oder faschistischer Regierungsformen bedient. Sowohl im Faschismus wie unter der Demokratie werden die Lohnarbeiter vom Kapital ausgebeutet. Darum kann es für uns Arbeiter gleichgültig sein, wer im Kriege die Oberhand gewinnt. Ein klassenbewußter Arbeiter denkt einfach nicht daran die „eigene“ Bourgeoisie zu unterstützen, er hat nur einen Feind, und das ist die herrschende Klasse die ihn unterdrückt. Ob die Kriegsführung des „eigenen“ Landes dabei in Schwierigkeiten gerät, ob selbst die militärische Niederlage der „eigenen“ Bourgeoisie davon die Folge ist, das kann und darf nicht dazu führen, gegenüber der „eigenen“ besitzenden Klasse eine versöhnliche Haltung anzunehmen.

Die Arbeiter sind eine unterdrückte Klasse in der ganzen Welt, sie müssen überall und in jedem Lande die besitzende Klasse bekämpfen, wenn sie sich aus der Lohnknechtschaft befreien und die Produktion in eigene Verwaltung nehmen wollen.

Die „Arbeiterbewegung“ als Kriegshetzer!

Die sogenannte Arbeiterbewegung hat heute schon die Rolle auf sich genommen, die Arbeiterschaft an die Seite „ihrer“ nationalen Bourgeoisie in den Krieg zu treiben. Ebenso wie die besitzende Klasse nicht müde wird, ihre Friedensliebe zu betonen, inzwischen aber, angeblich um den Frieden zu sichern, sich stets schwerer bewaffnet, so nimmt auch die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbewegung für sich in Anspruch Vorkämpfer des Friedens zu sein, während sie in Wirklichkeit heute schon die Massen vorbereitet auf den Krieg gegen den Faschismus.

Die Parole der Bourgeoisie: „Wer den Frieden will muß sich auf den Krieg vorbereiten“, wird von der Arbeiterbewegung verdolmetscht in: Wenn wir den Frieden wollen, müssen wir uns auf den Krieg gegen die faschistische Länder Deutschland und Italien vorbereiten. Wohl erklären sie den Imperialismus der demokratischen Länder als feind der Arbeiterklasse (heute noch), doch der faschistische Imperialismus ist ihnen der Todfeind. Und die Arbeiterbewegung selbst, die sozialdemokratische Partei- und Gewerkschaftsorganisationen mit ihrer Bürokratie, sie steht dem demokratischem Staat nicht als Feind gegenüber. Sie ist von ihm anerkannt, ihre Funktion ist, in der demokratischen Ordnung zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu vermitteln. Der demokratische Staat ist die Grundlage ihrer Existenz. Dagegen bedroht ein Sieg des faschistischen Imperialismus ihre eigene Existenz. Er hebt im besiegtem Lande die demokratische Ordnung auf, er vernichtet mit der demokratischen Ordnung auch die Arbeiterorganisationen, die darauf aufgebaut sind, und bringt die heute schon bestehende faschistische Parteiorganisation an die Macht. Wenn der demokratische Staat durch einen Sieg des faschistischen Imperialismus unterworfen wird, so verschwindet die demokratische Organisation, also auch die Arbeiterorganisationen die in der Demokratie ihre Existenz finden. Die Klassen bleiben bestehen, sie werden faschistisch, nationalsozialistisch organisiert. Die besitzende Klasse der demokratischen Ländern kann zum Frieden kommen mit dem Faschismus, sie kann sich, selbst ohne im Kriege unterworfen zu sein, dem Faschismus unterwerfen, sie kann gleichgeschaltet, in den faschistischen Imperialismus eingeschaltet werden, sie kann die faschistische Herrschaftsform über das Proletariat zu ihrer eigenen machen. Die Bürokratie der Arbeiterorganisationen kann das nicht, sie ist auf Gedeih und Verderb mit der bürgerlichen Demokratie verbunden. Darum begeht sie auch keinen Verrat, sie verleugnet ihre Prinzipien nicht, wenn sie zum Krieg gegen die faschistischen Ländern auffordert. Sie verteidigt vielmehr diese Prinzipien mit äußerster Konsequenz, wenn sie die Vorbedingung derselben, die Arbeitsgemeinschaft zwischen Kapital und Arbeit, selbst durch einen Krieg aufrecht erhalten will.

Seitdem Rußland sich zur kapitalistischen Großmacht entwickelt hat, ist auch die Politik der III. Internationale eine andere geworden. Rußland hat den Weg der Bündnispolitik mit anderen kapitalistischen Mächten beschritten, und dieser Auslandpolitik Rußlands mußte auch die Politik der III. Internationale angepaßt werden.

Die Propaganda der III. Internationale, die schon seit längerer Zeit ihren revolutionären Charakter eingebüßt hatte, mußte nun ganz auf diese Bündnispolitik Rußlands eingestellt werden. In Frankreich, daß mit Rußland verbündet ist, hat darum die k.p.f. die Einheitsfront mit den Sozialdemokraten geschlossen und sich damit in die „nationale Front“ eingeschaltet. Auch in den anderen demokratischen Ländern von Westeuropa, wie in England, Holland, Belgien, wird diese Einheitsfront angestrebt. Das Leitmotiv dieser Anschlußmühen bei der Sozialdemokratie ist: alle Kräfte gegen den Faschismus zu versammeln. Denn, so schreibt die „Tribune“: (Kommunistische Partei Holland) vom 2. Oktober 1935: „Der Nazi-Faschismus mit seiner Filiale dem ‚Mussert-Faschismus‘ in Holland bedroht die Unabhängigkeit der Niederländischen Volksmasse […]. Was ist die Aufgabe der Kommunisten in einer solchen Situation? […] Die Kommunisten werden in der vordersten Reihe der Kämpfer für die nationale Unabhängigkeit stehen.“

Dieser nationalistische Erguß des Organs der holländischen k.p. ist in völliger Übereinstimmung mit den Ausführungen von Pieck4 auf dem 7-ten Kongreß der III. Internationale, der sagte: „Sollte der deutsche Faschismus die Unabhängigkeit kleiner Völker Europas antasten, so wird deren Krieg gegen den Faschismus ein gerechter Krieg sein, den wir unterstützen werden.“

Damit hat sich die III. Internationale unzweideutig in die Front der „ideologischen Bewaffnung“ eingereiht, sie arbeitet mit an der ideologischen Vorbereitung des Krieges, ohne welche ein moderner Krieg nicht geführt werden kann. In dieser Hinsicht liegen die Dinge anders als in 1914. Damals hatten viele Arbeiter das Zusammengehen von Sozialdemokratie und Gewerkschaften mit der Bourgeoisie nicht erwartet. So wie der Krieg „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ kam, so auch der „Verrat“ der Arbeiterbewegung. Heute, wo man davon überzeugt ist, daß jeden Augenblick der drohende Krieg zur Wirklichkeit werden kann, heute sind auch die Fronten schon besetzt. Heute besteht kein Zweifel mehr darüber, daß sie, wie August Bebel5 es 1912 sagte „in der Stunde der Gefahr das Gewehr auf die Schulter“ nimmt um das Vaterland zu verteidigen, sondern daß sie mit ihrer täglichen Propaganda heute schon an der Arbeit ist, um die breiten Arbeitermassen in die nationale Front einzureihen.

Nationale Unabhängigkeit und Leninismus

Die Frage der Nation, und im besonderen die Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit spielt in der Arbeiterbewegung eine große Rolle. Mit Marx sagen wir: „Die Arbeiter haben kein Vaterland!“ Die Nation ist der organisatorische Rahmen, worin die besitzende Klasse die Ausbeutung der unterdrückten Klasse regelt. Der Kampf der Arbeiterklasse aber ist auf die Aufhebung dieser Ausbeutung gerichtet und dabei ist ihr die eigene besitzende Klasse, mit ihrer nationalen Ausbeuterorganisation, ebenso feindlich wie die herrschende Klasse einer fremden Nation. In diesem Kampfe stehen die Arbeiter aller Länder den Ausbeuter aller Nationen gegenüber als Kampfgenossen, und ihr Ziel ist die kommunistische Organisation der Produktion in der ganzen Welt. Eine proletarische Revolution kann darum an den nationalen Grenzen nicht halt machen, sie durchbricht, wenn sie die Macht dazu hat, alle nationalen Grenzen um die kommunistische Weltgemeinschaft aufzubauen. Sie macht an den nationalen Grenzen nicht halt um diese nationalen Grenzen zu verteidigen, sondern sie strebt vielmehr nach der Aufhebung derselben, – nicht die Verteidigung des nationalen Unabhängigkeit, sondern die Vernichtung derselben ist ihre Aufgabe. Die siegreiche Arbeiterklasse errichtet die kommunistische Weltwirtschaft an Stelle der, sich im fortwährenden Kriegszustand miteinander befindlichen Nationen. Wenn sich diese Weltwirtschaft in Produktionsgebieten organisiert, so umgeben diese Gebiete keine „nationale Grenzen“, weil die Organisation keinen ausbeutenden Charakter hat, – sie steht nicht im Gegensatz zu anderen Gebieten.

Der revolutionäre Marxismus hat sich in dieser Frage seit langem unzweideutig ausgesprochen. Es war Lenin vorbehalten, diese Grundauffassung loszulassen und mit seiner Lehre, die seitdem als „Leninismus“ propagiert wird große Verwirrung im Lager der Arbeiter anzurichten. Der „Leninismus“ lehrt, daß unterdrückte Völker, die für ihre nationale Unabhängigkeit kämpfen Bundesgenossen des Proletariats sind. Darum verlangt diese Lehre auch von den Arbeitern in solchen Ländern, die als von imperialistischen Mächten unterdrückte oder bedrohte Nationen angesehen werden, daß sie ihre eigene Bourgeoisie im Kampfe gegen die fremden Unterdrücker unterstützen. So wurden die Arbeiter in Litauen durch die III. Internationale aufgerufen, ihr Vaterland gegen Polen zu verteidigen, das Proletariat der Türkei rief man auf, die herrschende Klasse bei der Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit zu unterstützen, wahrend Sowjet-Rußland bei dem wirtschaftlichen und militärischen Aufbau der türkischen Nation hilfreiche Dienste leistete. Die türkische Nation ihrerseits erstattet ihren „Dank“, indem sie mit barbarischer Strenge Streiks und andere Formen des Klassenkampfes unterdrückt.

In derselben Weise wurde der nationale Befreiungskampf in China als revolutionär im proletarischen Sinne angepriesen, und die chinesische Arbeiterschaft zur Unterstützung der Kuo-Min-Tang (Volkspartei)6 aufgerufen.

Der bürgerliche General Tschang-Kai-Tschek7 wurde von der kommunistischen Internationale als der Kommandeur der „chinesischen roten Armee“ gefeiert und man stellte es so hin, als ob nun (im Jahre 1927) die Weltrevolution von China aus ihren Lauf nehmen werde. Es hat nicht lange gedauert, und die von der III. Internationale verbreitete Illusion verschwand. Die junge chinesische Bourgeoisie hat geschickt gebrauch gemacht von der Unterstützung der Arbeitermassen in den großen Hafenstädten Kanton, Shanghai u.s.w. als es ging um die Erkämpfung der nationalen Unabhängigkeit gegenüber den fremden imperialistischen Mächten England, Amerika, Japan, u.s.w. Aber kaum saß sie im Sattel und sie kehrte sich gegen dieselben Arbeiter, auf deren Schultern sie sich empor geschwungen. Auf Befehl desselben „roten Generals“ Tschang-Kai-Tschek den die III. Internationale als Held gepriesen, wurden zehntausente Arbeiter niedergetatscht, Gefangenen der Kopf abgeschlagen, reihenweise aufgehängt. Es ist eine Abschlachtung von Arbeitern geworden von größerem Umfang als wie sie die französische Bourgeoisie verrichtete nach der Niederwerfung der Pariser Kommune. Die chinesischen Arbeiter standen diesem vernichtenden Schlag ihrer Bourgeoisie wehrlos gegenüber, sie waren darauf nicht vorbereitet, denn hatten nicht die Kommunisten selbst Tschang-Kai-Tschek als den roten General, den Führer der Revolution hingestellt?

Der Präsident der Vereinigten Staaten, Wilson8, hat den Zwillingsbruder dieser leninistischen Theorie in die Welt gebracht, nämlich das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Sie diente den als Sieger aus dem Weltkrieg hervorgegangenen imperialistischen Großmächten um die Donaumonarchie zu zerstückeln, die Macht Deutschlands geografisch und in Bezug auf seine Rohstoffe zu beschneiden und die Randländer von Rußland selbständig zu machen. Es kam für die Großmächte darauf an, daß sich aus diesen Ländern keine neue Großmacht bildet und hierbei leistet das „Selbstbestimmungsrecht der Volker“ gute Dienste.

Die „nationale Unabhängigkeit unterdrückter Nationen“ des Leninismus, hat, wenn sie verwirklicht wird, dasselbe Resultat als das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ von Wilson, beide sollen die Existenz von kleinen selbständigen Ländern gegenüber den imperialistischen Großmächten rechtfertigen, nur gehen die Meinungen natürlich auseinander wenn es darum geht wo und in welchem Falle die Lehre verwirklicht werden soll. Dann entscheiden, dort wo sie es können, die imperialistischen Großmächte, im Sinne der Sicherung ihrer Macht, und Sowjet-Rußland versucht damit den imperialistischen Mächten widerstrebende Kräfte anzufachen und selbständig zu machen, aber auch nur um seine eigene Machtposition tu stärken.

So spielt diese Lehre, gleich ob von Wilson oder Lenin formuliert eine Rolle in dem Machtstreben der herrschenden Klassen, sowohl in den jungen kapitalistischen Ländern, wo eine junge Bourgeoisie nach politischer Selbständigkeit strebt, als auch in der Politik der modernen Industrieländer (wozu auch Rußland gehört), die die nationale „Selbständigkeit“ oder „Unabhängigkeit“ unterstützen dort wo sie mit ihren Interessen in übereinstimmung ist, sie aber auch bekämpfen und vernichten, wenn sie ihnen im Wege ist.

Die III. Internationale setzte sich nicht nur für die „nationale Unabhängheit“ von der Türkei, von Litauen und China ein, auch Deutschland wurde in den Jahren 1921-1925 zu den vom Imperialismus unterdrückten Völkern, die einen nationalen Befreiungskampf zu führen haben, gerechnet. Der geheime Militärvertrag (Rapallo 19229) zwischen den bürgerlichen Deutschland und Sowjet-Rußland wurde damit gerechtfertigt. Dieser Vertrag ermöglichte es der deutschen Bourgeoisie in Rußland Fabriken zur Erzeugung von Kriegsgerät aufzurichten, die es nach dem Versailler Vertrag in Deutschland selbst nicht haben durfte. Mit Hilfe Rußlands wurde so die deutsche Bourgeoisie in ihrem Befreiungskampf gegen die imperialistischen Unterdrücker Frankreich-England bewaffnet. Daß diese „nationale Befreiung“ Deutschlands schließlich die Form der nationalsozialistischen Hitler-Regierung annahm, und damit Rußland feindlich gesinnt wurde, veränderte die Beurteilung Deutschlands durch die III. Internationale in ihr Gegenteil. Deutschland erscheint nun in der Propaganda als faschistischer Imperialismus, als der ärgste Feind der nationalen Unabhängigkeit kleiner Volker deren nationale Selbständigkeit vom „Hitler-Faschismus“ bedroht wird.

Die leninistische Lehre vom Kampf für die nationale Unabhängigkeit hat in der deutschen revolutionären Bewegung von 1921 ab, verheerend genug gewirkt. Der Leninismus verlangte durch die Propaganda der k.p.d. von der Arbeiterschaft ein Zusammengehen mit der eigenen Bourgeoisie bei der Abwehr der Sanktionen durch die Entente und der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen.

Die k.p.d. behauptete hierbei, die nationale Partei Deutschlands zu sein und Klara Zetkin10 bot dazu der Regierung die Hilfe des „Roten-Frontkämpfer-Bundes“ an. Und das alles zu derselben Zeit, wo an vielen Orten immer wieder breite Massen sich gegen die eigene Bourgeoisie empörten.

Und noch ist die Rolle des „Leninismus“ nicht ausgespielt. Im Jahre 1916 schrieb Lenin in „Gegen den Strom“ einen Artikel11, worin er auseinander setzte, daß auch in Europa in Zukunft nationale Befreiungskriege nicht ausgeschlossen seien. Die erste praktische Anwendung dieser Lehre erlebten wir in dem nationalen Befreiungskampf des „unterdrückten“ Deutschlands und heute kommt sie wiederum zur Anwendung in der „Einheitsfront“-Taktik die die kommunistischen Parteien vereint mit dem „Kampf für die nationale Unabhängigkeit“ der Länder die bedroht werden von dem „befreiten“, nunmehr faschistisch gewordenen Deutschland. Wir lesen darüber in der Tribüne vom 2. Oktober 1935: „Aber Lenin stellte damals schon genial fest – u.a. in seiner Besprechung der Junius-Broschüre von Rosa Luxemburg – daß auch in Zukunft in Europa nationale Kriege nicht ausgeschlossen blieben und nicht jeder Krieg in Europa ein imperialistischer zu sein brauche. Der VII-te Weltkongreß12 stellte diese Möglichkeit jetzt konkret. Warum? Weil der Sieg des deutschen Faschismus, der die vornehmste Kraft ist, die zum Kriege treibt, – die nationale Unabhängigkeit einer Anzahl kleiner Staaten in Gefahr bringt. Wir denken dabei an Länder wie Tschechoslowakei, die baltischen Länder, Österreich. Aber auch an Holland. Der Nazi-Faschismus mit seiner Filiale, dem Mussert-Faschismus in Holland bedroht die Unabhängigkeit der Niederländischen Volksmasse.“

Der VII-te Weltkongreß nahm als möglich an, daß in solch einem Falle der Krieg der nationalen Bourgeoisie als Abwehr eines solchen überfalles den Charakter eines nationalen Befreiungskampfes annehmen kann.

Obwohl nicht in erster Linie, kann Holland in einer derartige Position kommen! Wobei allerdings mit der Tatsache gerechnet werden muß, daß die Bourgeoisie der Niederlande nicht nur die Bourgeoisie eines kleinen Landes ist, sondern auch und vor allem die unterdrückende, imperialistische Bourgeoisie eines großen kolonialen Reiches.

Was ist die Aufgabe der Kommunisten in einer solchen Situation? Der VII-te Weltkongreß gab hierauf eine Antwort:

Die Kommunisten werden in der vordersten Reihe des Kampfes für die nationale Unabhängigkeit stehen.“ (kursiviert durch Rätekorrespondenz).

Wiederum wird die III. Internationale gebraucht, um die revolutionäre Arbeiterschaft für Interessen der Industriellen Großmacht Rußland in den Kampf zu werfen, ist es der Leninismus der die Theorie liefert zur Rechtfertigung der Tatsache, daß damit die Arbeiterschaft der nationalen Bourgeoisie in die Arme und in den Kriegstaümel hinein getrieben wird.

Die IV. Internationale (Trotzkistische Opposition der III. Internationale) und der „Leninismus“

Die schon mehrfach angekündete, aber bis jetzt noch nicht Wirklichkeit gewordene IV. Internationale, die Trotzki zu ihren Propheten erhoben hat, nimmt für sich in Anspruch die Unverfälschte Vertreterin des Leninismus zu sein. Sie propagiert die Unterstützung der unterdrückten Völker in ihre nationale Befreiung. So schreibt „Unser Wort“ (Halbmonats-Zeitung der i.k.b.), Nr 9 (September 1935):

Man muß unverzüglich einen internationalen Boykott gegen Italien und seine Verbündeten in dem Kriege Abessinien13 organisieren […] Jede Sendung, jeder italienische Schiff auf dem sich Waren aus oder für Italien befinden, muß angehalten werden.“

Und in Nr.11, 1935 desselben Blattes lesen wir:

Das Proletariat kann sich selbst, nur befreien, wenn es gleichzeitig für die Freiheit der unterdrückten Kolonialvölker kämpft. Das Proletariat kämpft daher für den Sieg Abessiniens und für die Niederlage Italiens. Die Frage ist nur, mit oder gegen die eigene Bourgeoisie […]. Wir müssen den Betrug der imperialistischen Sanktionen schonungslos enthüllen und für proletarische, revolutionäre Sanktionen gegen die Weltbourgeoisie eintreten“.

Das Proletariat muß durch seine eigenen Organisationen den Boykot nicht nur gegen Italiens Krieg, sondern auch gegen Großbritanniens Kriegsvorbereitungen organisieren. Der Transportarbeiterstreik in allen imperialistischen Ländern muß propagiert und organisiert werden.“

Des Weiteren, Neue Front, Nr 21 (1935):

Früher als alle anderen sind wir für die entschiedene Verteidigung Abessiniens eingetreten (siehe Aufruf der a.i.g. Mitte August) früher als alle anderen sind wir aber auch gegen die Sanktionen des Völkerbundes und für Sanktionen der Arbeiterklasse eingetreten (siehe Nr.17 der Neuen Front und die ganze musterhafte Arbeit der uns befremdeten i.l.p.) […] Läßt man die Sanktionen in der Hand der Imperialisten, so verliert die Arbeiterklasse jede Kontrolle über den weiteren Verlauf der Dinge und steht ins besondere der aus den Sanktionen notwendig herauswachsenden Kriegsgefahr ohnmächtig gegenüber.“

So fordert u.a. auch die „Nieuwe Fakkel“ vom 6. September 1935, Organ der r.s.a.p.14 in Holland (die sich zur IV. Internationale bekennt) auf, „die Rechte des abessinischen Volkes“ zu verteidigen, zwar nicht in Gemeinschaft mit der Englischen Regierung, weil diese „nur das Prestige und die Macht des Englischen Imperialismus im Auge habe“.

Nun gut dann, sie wollen es also durch selbständige Aktionen der Arbeiterklasse tun. Aber abgesehen davon, daß solche angestrebte selbständige Aktionen sich in der Wirklichkeit doch in die Aktionen der Englischen Regierung (oder des Völkerbundes und der II. und III. Internationale) einreiht, so erhebt sich doch zuerst die Frage: „Was sind das doch für eigenartige Rechte, die Rechte des abessinischen Volkes“? Soweit wie uns bekannt ist, besteht für die revolutionäre Arbeiterschaft kein „Volk“, sondern nur für die herrschende Klasse. Die „unabhängige Nation“ besteht aus Klassen, die in unüberbrückbarem Gegensatz zueinander stehen. Nur der Bürger macht diese Klassen in der Phrase zum „Volk“, um die unterdrückten Klassen besser ausbeuten zu können und für seine Ziele zu gebrauchen. Die „Rechte eines Volkes“ sind nie etwas anderes gewesen als die Rechte der herrschenden Klasse.

Und Abessinien macht davon keine Ausnahme.

Übrigens hat es mit der „Unabhängigkeit“ auch noch seine eigene Bewandtnis. Der Krieg zwischen Italien und Abessinien erscheint oberflächlich gesehen, als ein Krieg zwischen zwei Ländern, wobei Abessinien seine Unabhängigkeit verteidigt. Aber in Wirklichkeit wird hierbei ein Konflikt innerhalb des Weltkapitalismus ausgefochten, hier zwischen Italien und England. So wie bekannt, haben die großen Mächte Abessinien schon lange aufgeteilt, nur nicht zur Zufriedenheit der italienischen Bourgeoisie. Diese verlangt Ausdehnung ihres Interessengebietes und die freie Verfügung über die noch zu hebenden Bodenschätze. Was die feudale Ausbeuterkaste von Abessinien „will“ oder „nicht will“, hat wenig zu bedeuten.

Diese Kaste, die an der Erhaltung der dort noch bestehenden mittelalterlichen Ausbeutungsverhältnisse interessiert ist, hat sich völlig an den Völkerbund, das ist hier an England-Frankreich, unterworfen. Abessinien kämpft insoweit für seine nationale Unabhängigkeit als es die geltenden Ausbeutungsverhältnisse verewigen will. Aber es hat sich in diesem Kampf für seine „nationale Unabhängigkeit“ zu richten nach dem, was die Großmächte wollen. Abessinien ist nicht mehr wie eine Figur auf dem politischen Schachbrett, die von den Großmächten geschoben wird. Das „unabhängige“ Abessinien hat darum auch in dieser ganzen Frage keinen einzigen unabhängigen Schritt getan, sondern sich seine Haltung von Beginn an von England vorschreiben lassen. Die Verhandlungen und Reden der abessinischen Vertreter im Völkerbund, der Notenwechsel mit Italien, es trägt alles den Stempel einer raffinierten Diplomatie, wobei die Sprache dient um die Gedanken zu verbergen, und die deutlich die Hand einer darin erfahrenen Diplomatie verrät. Italien führt diesen Krieg nicht gegen ein „unabhängiges Abessinien“ sondern gegen England, ein Krieg, der vorläufig noch auf Abessinischem Boden ausgefochten wird, weil England solange es möglich ist, seine eigenen Kräfte für noch größere Konflikten bereit halten muß.

Im Konflikt Italien-Abessinien sind die imperialistische Gegensätze der Großmächte unüberbrückbar zusammen gestoßen. Bis jetzt ist dieser Konflikt noch ein Vorläufer des kommenden zweiten Weltkrieges, er kann zur brennenden Fackel werden wodurch die ganze Welt in Flammen gesetzt wird. Aber damit ist noch keinesfalls gesagt, daß er unmittelbar den Weltkrieg im Folge haben muß. Die herrschenden Mächte werden sicherlich nichts unversucht lassen, um so lange es geht, diesem Weltbrand zu entgehen, denn wenn sie auch wissen wo sie beginnen, so kann doch niemand sagen welches Ende er nehmen wird. Doch schließlich entscheidet auch hier nicht der Wille der herrschenden Mächte, sondern die Notwendigkeiten des Kampfes für die Erhaltung ihrer Herrschaft. Um so mehr ist es die Aufgabe der revolutionären Propaganda dafür zu kämpfen, daß die Arbeiterklasse sich aus dem geistigen Heerbann der Bourgeoisie loslöst um der Vernichtung durch die herrschenden Klassen ein Halt zu gebieten.

Die IV. Internationale aber, die unter der Führung Trotzkis auch noch als Opposition, Sowjet-Rußland verteidigen will, hat den Leninismus als politische Richtschnur genommen. Der Leninismus aber ist eine Theorie, die der Entwicklung Rußlands zur industriellen Großmacht angepaßt ist, und treibt die Arbeiter, die ihr folgen unwiderruflich in eine der imperialistischen Fronten.

Verhinderung des Krieges

Wenn man sich vor Augen hält, welche Haltung die Organisationen der Arbeiterschaft in der Kriegsfrage einnehmen, dann ist das sicher kein erhebendes Bild. Die sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien und Gewerkschaften haben sich bereits in die nationalen Fronten eingereiht. Die IV. Internationale u.a. auch die r.s.a.p. in Holland nimmt eine zweideutige Haltung ein. Sie will gegen den Faschismus und für die „Unabhängigkeit unterdrückter Nationen“ kämpfen, aber zugleich auch gegen die eigene Bourgeoisie. Zweideutigkeit aber in einer solchen Frage ist eine Unmöglichkeit; die Folge ist entweder der völlige politische Bankrott oder sie spielt eine Rolle wie die frühere s.d.p. später c.p.h. in Holland während der Kriegszeit die mit Worten sowohl den deutschen wie den englischen Imperialismus bekämpfte, in der praktischen Politik aber den englischen Imperialismus unterstützte. (Siehe „Het Opportunisme in de c.p.h.“ von H. Gorter15.)

Außerdem sind noch verschiedene Gruppen, Pazifisten, Gefühlsrevolutionäre, Anarchisten, linke Marxisten u.s.w. vorhanden, die, an Zahl nur gering, sich nicht vom Strudel des Nationalismus mitreisen lassen und ihre Anstrengung darauf richten, den Krieg zu verhindern.

Die Frage ist nur, kann der Krieg „verhindert“ wurden? Wir können darauf nur eine Antwort geben, wenn wir uns Rechenschaft geben von dem, was die Arbeiterklasse tun kann, wenn wir beurteilen können, über welche Kräfte sie verfügt, welche Möglichkeiten des Kampfes oder Widerstandes vorhanden sind und welchen Zielen dadurch nachgestrebt wird.

Wir fragen: Werden die breiten Massen, wenn der zweite Weltkrieg zur Wirklichkeit wird, eine selbständige Politik führen?

Werden sie in Gegensatz zu allen politischen Parteien, Gewerkschaften, und der Regierung, eine Mobilmachung mit dem Generalstreik oder dem Aufstand beantworten? Bis zu diesem Augenblick ist damit nicht zu rechnen. Die Massen müßten den Kampf aufnehmen gegen den Staat und gegen die gesamte sogenannte „Arbeiterbewegung“, und sie müßten ihn selbständig, unter eigener Leitung führen, weil niemand es für sie tun kann. Wohl sind schon hier und dort Anzeichen für eine solche Kampfweise zu bemerken, doch angesichts der gewaltigen Macht, der sie beim Ausbrechen des Krieges gegenüberstehen, hat das wenig zu bedeuten.

Diese Macht ist gewaltig groß. Man darf nicht vergessen, daß die besitzende Klasse in allen Ländern nur darum alle Macht auf die Kriegsführung konzentriert, weil es für sie eine Frage von Sein oder Nichtsein als besitzende Klasse ist. In dieser Lebensfrage will sie selbst entschließen und dabei nicht durch pazifistische Bestrebungen oder widerspenstige Arbeiter gehindert werden. Darum wird sie schon bevor es so weit ist, alle Macht anwenden um jeden Versuch zur Verhinderung des Krieges zu ersticken; sie wird jeden Versuch mit den schärfsten Mitteln niederschlagen. Darum kann der Kampf gegen den Krieg nicht geführt werden in dem Sinne, daß ein Krieg „verhindert“ wird, der „Verhinderung“ des Krieges geht der Kampf um die ganze Macht in der Gesellschaft voran. Es geht nicht um die „Verhinderung des Krieges“, sondern darum, ob die Arbeiterklasse die Bourgeoisie völlig niederwerfen und ihre eigene Macht errichten kann.

Die bloße Propaganda des Generalstreiks als Mittel um den Krieg zu verhindern rechnet mit diesen Umständen so gut wie nicht. Wohl wird in anarchistischen Kreisen an die Generalstreikpropaganda die andere Parole angehängt: „Durch Generalstreik zur sozialen Revolution“. Aber in dieser Form ist diese Parole zur Unfruchtbarkeit verdammt, weil sie uns ein vollkommen verkehrtes Bild vom Prozeß der Revolution gibt. Denn der Generalstreik so wie ihn die Anarchisten sich vorstellen ist eine Illusion. Seine Voraussetzung ist, daß alle Arbeiter wie ein Mann die Arbeit niederlegen. In Wirklichkeit aber folgt die große Masse der Arbeiter heute den bekannten Arbeiterorganisationen und ist im Banne nationaler Auffassungen. Die Kriegsgegner sind beim Kriegsbeginn nur eine kleine Minderheit. Die Illusion des Generalstreiks und der sozialen Revolution die darauf folgen soll, stürzt dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Und das Resultat ist nur Enttäuschung und Verwirrung bei den Arbeitern, die darauf ihre Hoffnung gesetzt hatten.

Anders wird es, wenn die soziale Revolution nicht als ein Anhängsel des Generalstreiks gesehen wird, sondern als ein Prozeß, der sich im Laufe der Zeit, durch „Frieden“ und „Krieg“ hindurch, vollzieht. Dieser Prozeß ist der Entwicklungsprozess der Massenbewegungen unter eigener Führung. Die offizielle Arbeiterbewegung kommt für die Verteidigung der Klasseninteressen der Arbeiter nicht mehr in Frage, weil ihr Lebenselement die Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit ist und daraus nur noch eine Verschlechterung der Lebenslage der Arbeiterschaft geboren werden kann. Nur durch den schärfsten Klassenkampf gegen Bourgeoisie und alte Arbeiterbewegung können die Klasseninteressen des Proletariats verteidigt werden. Diese Einsicht bricht sich langsam Bahn.

Daß sie sich durchringt, beweisen die Massenbewegungen der letzten drei Jahre in Spanien, Frankreich, Belgien und Holland. In der Arbeiterschaft setzt sich die Einsicht durch, daß jede freundschaftliche Beziehung zur Bourgeoisie verbrochen werden muß, daß die Arbeiterklasse sich nur durch rücksichtslosen Klassenkampf gegenüber der besitzenden Klasse aufrecht erhalten kann.

So wird der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat unüberbrückbar und findet das Weltproletariat seine Einheit gegenüber der Weltbourgeoisie. Diese Einheit entsteht durch heftigen Klassenkampf in allen Ländern. In diesem Kampfe verlieren die Massen ihre alten, nationalen Auffassungen, die auf die Zusammenarbeit mit der eigenen Bourgeoisie gerichtet sind, um Platz zu machen vor einer neuen Zielsetzung, die die Niederwerfung der nationalen Bourgeoisie, die Vernichtung des Kapitalismus, die Aufhebung der Lohnarbeit und die Durchführung einer planmäßigen kommunistischen Weltwirtschaft in sich schließt. – Das ist der Entwicklungsprozess der Massenbewegungen. Das ist das Werden der sozialen Weltrevolution.

Wenn auch ein Generalstreik um den Krieg zu verhindern zweifelsohne nur als Illusion besteht, so ist es doch möglich, daß große Gruppen Widerstand leisten. Solcher Widerstand kann, u.a. in Form von Massenstreiks, auch ohne allgemein zu sein, von größer Bedeutung für den Kampf gegen den Krieg sein, den Krieg verhindern können sie nicht. Solche Massenstreiks bei Kriegsausbruch sind von größer Bedeutung für den zukünftigen Kampf der breiten Massen gegen den Krieg, weil sie den Weg Zeigen, den die Masse schließlich selbst einschlagen muß. Sie zeigen durch die Tat, daß sie durch den nationalen Taumel nicht vom Klassenstandpunkt abgebracht sind, und daß sie den Klassenkampf auch während des Krieges fortsetzen, sie zeigen in der Praxis wie die schwachen Stellen der Kriegsführung sind, und lassen keinen Zweifel daran, daß es für sie darum geht, ihre eigene Bourgeoisie niederzuwerfen. Massenstreiks als Aktion gegen den Krieg tragen ausgesprochen politischen Charakter, sie sind nicht nur Aktionen gegen den Krieg und gegen die Bourgeoisie, sondern viel mehr noch ein Aufruf an die ganze Klasse, dem Beispiel zu folgen. Gerade in der Kriegszeit, wo jede Propaganda unter den breiten Massen unmöglich gemacht wird, dann sind solche politischen Massenstreiks für den revolutionären Klassenkampf unentbehrlich. Sie sind Aufruf, sie sind Beispiel, sie werden zum Programm des allgemeinen Aufstandes und der proletarischen Revolution.

Der Feind steht im eigenen Lande!

Der revolutionäre Arbeiter kennt kein Vaterland. Die besitzende Klasse der ganzen Welt ist sein Feind, die englische, die französische Bourgeoisie ebenso gut wie seine „eigene“. Aber wenn er als Klasse sich von der bourgeois Herrschaft befreien will, kann er es nur, wenn er die Bourgeoisie bekämpft und niederwirft, die ihn selbst unmittelbar beherrscht. Der Feind ist die „eigene“ Bourgeoisie. Liebknecht prägte hierfür den Satz: „Der Feind steht im eigenen Lande!“ Es müßte richtiger heißen: Der nächste Feind, der Feind mit dem wir unmittelbar zu tun haben, steht im eigenen Lande. Denn die Bourgeoisie der anderen Länder ist nicht weniger Feind wie die eigene Bourgeoisie, nur ist es die Arbeiterklasse dort, die unmittelbar mit ihr abzurechnen hat.

Aber man täusche sich nicht, bei Kriegsausbruch sind größere Teile der Arbeiterschaft nicht revolutionär. Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach der nationalen Propaganda erlegen, von nationalistischen Taumel erfaßt. Sie wollen die Niederlage des Landesfeindes; die nationale Propaganda wird schon dafür sorgen, daß es die fremde Bourgeoisie ist die als Feind erscheint. Und weil Massenstreiks gegen die Herrschaft der eigenen Bourgeoisie während des Krieges, zugleich die fremde Bourgeoisie stärker machen, weil die Niederlage der eigenen Bourgeoisie im Kriege zugleich der Sieg der fremden Bourgeoisie ist, darum werden sich diese Teile der Arbeiterschaft gegen solche Aktionen kehren. Das geht so weit, daß selbst Gruppen revolutionärer Arbeiter, die sich zu der Parole: „Der Feind steht im eigenen Lande“ bekennen, in dieser Frage eine zweifelhafte Stellung einnehmen. Aus sehr begreiflichen Gründen, auf die wir weiter aber bereits hingewiesen haben, ist die Furcht vor dem faschistischen Imperialismus größer als vor dem demokratischen.

Diese Furcht kommt heute schon zum Ausdruck in der Haltung der trotzkistischen IV. Internationale gegenüber dem Kriege Italien-Abessinien, wo sie auffordern alles zu tun, wodurch eine Niederlage Italiens herbeigeführt, und umgekehrt Abessinien geholfen werden kann. Um wieviel mehr wird die Furcht vor dem Faschismus die Politik dieser Gruppen beeinflussen, wenn ihr eigenes demokratischen Land von dem faschistischen oder demokratischen nationalsozialistischen Landesfeind bedroht wird. Und wenn man sich sagen muß dass durch den Kampf gegen die eigene Bourgeoisie der faschistische Landesfeind gestärkt und zum Siege gebracht wird, dann kann man mit Sicherheit Voraussagen, daß sie vor dieser Konsequenz des revolutionären Klassenkampfes zurückschrecken. Die Arbeiterschaft selbst aber hat als Klasse kein Vaterland, keine besondere Positionen und auch keine bürgerliche Demokratie mit ihren demokratischen Rechten zu verteidigen. Der Krieg läßt Not und Elend bis ins Unermeßliche anschwellen und zwingt die breiten Massen sich dagegen zur Wehr zu setzen. Dann wird deutlich, daß der unmittelbare Feind tatsächlich im eigenen Lande steht. Der Widerstand der Arbeitermassen wächst und treibt zu Massenbewegungen. Dann aber wird sich zeigen in welchem Maße der wesentliche Charakter dieser Massenbewegungen von der Arbeitern selbst begriffen wird, denn davon hängt nicht zuletzt der Verlauf dieser Bewegungen ab. Je mehr den Arbeitern selbst bewußt ist, daß Massenbewegungen, von den Arbeitern selbst geleitet und durchgeführt, nicht nur Aktionen aus Not und Verzweiflung sind, sondern zugleich alle Elemente der kommunistischen Gesellschaft enthalten, um so mehr werden diese Bewegungen direkt revolutionär. Sie richten sich dann bewußt auf den Sturz der Bourgeoisie und die Herrschaft der Arbeiterräte.

Die Aufgabe der revolutionären Arbeiter, die von der Arbeiterklasse als Ganzes nicht zu trennen ist, ist damit vollkommen klar. Wer sich von der Zauberformel „Generalstreik als Auftakt zu sozialen Revolution“ losgemacht hat, wer auch mit dem „Leninismus“ und mit der, von demselben propagierten Verteidigung der „Unabhängigkeit“ unterdrückter Nationen abgerechnet hat, wer begreift, daß die Verhinderung des Krieges nur möglich ist, wenn die Arbeiterklasse die Macht erobert und wenn es gleichgültig ist, ob die „eigene Bourgeoisie“ oder der „Feind“ als Sieger aus dem Kriege hervorgeht, für den ist die Aufgabe klar und einfach gestellt:

Die Arbeiter in allen Ländern, von der Tradition der alten Bewegung mit ihren demokratischen und sonstigen Illusionen befreit, haben nur ein Ziel vor Augen: Die Entfaltung und Forderung der selbstständigen Massenbewegung der Arbeiterschaft in der ganzen Welt, im „Frieden“ sowohl wie im Kriege, bis die breiten Massen des Proletariats alle gesellschaftlichen Funktionen an sich gerissen haben und dadurch die kommunistische Gesellschaft in der ganzen Welt errichten.


1Siehe: Erster Weltkrieg.

2Rätekorrespondenz, Nr. 7 (Januar [=Februar] 1935).

3Der Bergarbeiterstreik in Belgien, Mai 1935. – In: Rätekorrespondenz, Nr. 14 (Dezember 1935). Dieser Artikel erwähnt Fragmente aus einem mündlichen Bericht aus einer Arbeiterversammlung, der wahrscheinlich erstattet ist von Cajo Brendel der sich zu dieser Zeit unter den Bergarbeitern in der Borinage befand.

4Wilhelm Pieck, der spätere Präsident der d.d.r.

5August Bebel (1840-1913), Deutscher Sozialdemokrat.

6Kuomintang, Nationale Volkspartei Chinas‘ begrundet 1912.

7Chiang Kai-shek (1887-1975), ab 1925 Führer der Kuomintang.

8Woodrow Wilson (1856-1924), ein u.s.-amerikanischer Politiker der Demokratischen Partei und von 1913 bis 1921 Präsident der Vereinigten Staaten; siehe auch: Das Wilsonsche Programm/ Anton Pannekoek. – Wien: Kommunistische Partei Deutsch-österreichs [Verlags-Genossenschaft „Neue Erde“ (VII, Mariahilfestrasse, 74a, III/19)], 1919.– S. 6

9Vertrag von Rapallo, 1922, zwischen dem Deutschen Reich und der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik.

10Clara Zetkin (1857-1933), Mitglied der Spartakusgruppe, 1932 Alterspräsidentin des Parlaments für die k.p.d., 1933 ins Exil in die Sowjetunion; ihre Urne wurde wenig später von Stalin selbst getragen.

11Lenin, Werke, Bd. 22 und Bd. 23.

12Der VII. und letzte Weltkongress vom 25. Juli bis 20. August 1935 worin die „Theorie des Sozialfaschismus“ der Sozialdemokratie wird umgesetzt in einen Aktionspakt mit derselben Sozialdemokraten.

13Der Abessinienkrieg, 1935-1936, im heutigen Äthiopien.

14Die Revolutionair-Socialistische Arbeiderspartij (r.s.a.p.) wurde während der deutschen Besatzung weiter geführt als Marx-Lenin-Luxemburg-Front, die sich im Mehrheit verweigerte die u.s.s.r. zu verteidigen. Nachdem Sneevliet und neun weitere Genossen von den Nazis erschossen wurden, nahm der weiterhin proletarisch-internationalistische Rest des m.l.l.-Fronts, nach einer Spaltung mit Trotskisten, Genossen der g.i.k. auf in die Communistenbond „Spartacus“.

15Het opportunisme in de Nederlandsche Communistische Partij / H[erman]. Gorter. – Amsterdam: J.J. Bos, 1921. – 32p. (The Opportunism of the Communist Party of the Netherlands).

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