Prozess, RAZ, RL, Radikal

Urteilsverkündung und letzter Prozessbericht im RAZ-RL-radikal-Prozess, 22. Verhandlungstag.

Der 22. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten begann am 01.12.21 mit unglaublich viel Verspätung erst um 11:03 Uhr. Angekündigt war der Termin um 09:00 wie an fast allen anderen Verhandlungstagen. Eine Kundgebung fand vor dem Gerichtsgebäude statt, an der mehrere solidarische Personen trotz des fürchterlichen Wetters, es regnete fast ununterbrochen, teilnahmen, die Berliner Polizei war selbstverständlich auch da, doppelt so viele wie wir, sowie ein unerwünschter Gast.

Schon gleich am Anfang bevor bekannt wurde, dass sich der Verhandlungstag verspäten würde, machten einige teilnehmenden Personen auf einen Mann aufmerksam, der bereits auf der Demonstration für die Freilassung von Cem, welche am letzten Sonntag, den 28.11.21, stattgefunden hatte, anwesend gewesen sei, angeblich die Demonstration abfotografiert habe und mit den Bullen mitgelaufen sei, es wurde geäußert, dass es sich hierbei um einen Faschisten handelt. Es wurde versucht, wenn auch etwas theatralisch, dass sich dieser nicht nur entfernen sollte, sondern dass er auch überhaupt gar nicht in das Gerichtsgebäude reingehen könne, um am Verhandlungstag teilnehmen zu können. Dies führte dazu, dass die Bullen intervenieren mussten und den unerwünschten Gast etwas abseits stellten. So warteten wir bis eine Angestellte aus dem Gericht uns informierte, dass sich der Prozess verspäten würde, weil corona-bedingt einige Schließer krank seien und es nicht genügend Personal geben würde. Nach über zwei Stunden des Wartens durften am Ende elf Personen in das Gericht, wobei der unerwünschte Gast mit Bulleneskorte als erster hineinkam und der Prozess begann, wie schon gesagt, um 11:03 Uhr. Anwesend waren auch zwei Vertreter der bourgeoisen Presse, einmal die TAZ und die Junge Welt, um den Artikel der jW lesen zu können muss man ein ABO haben.

Als allererstes wollte die Richterschaft weitere Beweise aufnehmen und diese sollten in Augenschein genommen werden. Hierbei handelte es sich um Ausdrucke aus dem Internet von der Eisdiele „Eis36“ sowie Bewertungen von einigen Gästen, die vorgelesen wurden, dabei handelte es sich vor allem um Beschreibungen des Inneren sowie der Art des Lokals. Die Bilder wurden von der Staatsanwaltschaft, von den Schöffen, der Verteidigung und vom Angeklagten in Augenschein genommen, es waren Farbausdrucke.

Der Richter wollte als nächstes ein Video zeigen, aber offensichtlich waren die Schließer nicht in der Lage die richtige Länge für Kabel zu organisieren, genauso wenig den Beamer, über den die Aufnahmen laufen sollte, so einzustellen, dass das Bild korrekt auf die Leinwand projizierte. Dazu aber gleich mehr.

Während die Schließer alles organisierten und den Beamer umbauten, die Richterschaft war selbst sehr genervt, würde später sogar darüber noch lachen, wahrscheinlich weil es schon zum Zirkus wurde, wurden andere Fotos in Augenschein genommen.

Dabei handelte es sich um Fotos vom Zentrum Kreuzberg, „Eis36“, dem Kottbusser Tor mit Sicht auf die Adalbertstraße und dem Café Kotti. All dies sollte auch als Beweiusaufnahme ins Protokoll. Als nächstes folgten Fotos von „Eis36“, wo ein Schild oder Plakat zu sehen war, wo „Zur Zeit geschlossen“ draufstand.

Da der Beamer am Ende zu funktionieren schien, sollte ein Video von YouTube in Augenschein genommen werden, auf dem ein Interview mit dem Betreiber des Café Kotti, Ercan, zu sehen war. Die Richterschaft erwähnte, dass es zwar Lautsprecher gebe, aber auf den Ton würde es nicht ankommen, sondern nur auf die Bilder. Aber das Einstellen des Beamers war noch nicht fertig und wir konnten endlich alle das erste Mal sehen, wie auch die Strafgesetzbücher wirklich nützlich werden konnten, denn es würden drei Bände benötigt werden um die erwünschte Höhe zu erreichen, damit auch via Beamer ein Bild auf der Leinwand zu sehen war. Beim Video konnte das Innere des Café Kotti gesehen werden, genauso wie die Umgebung, die Balustrade, von der so oft die Rede war, das Zentrum Kreuzberg, der Außenbereich des Café Kotti. Drei Screenshots aus dem Video wurden als Fotos verteilt und in Augenschein genommen.

Dann wurde ein Auszug aus dem Internet verlesen, dabei handelte es sich um eine Beschreibung von „Eis36“ und das dort mittlerweile ein anderes Lokal drinnen ist. Da der frühere Inhaber von „Eis36“ aber in Ecuador lebt, wäre dieser nicht zu verfahrensorientierten Fragen erreichbar. Mit dem beendete die Richterschaft die Beweisaufnahme. Gleich darauf verlangte die Verteidigung eine Pause von fünf bis zehn Minuten, um sich über die neuen Beweise zu beraten.

Zu den neuen Beweisen gab es seitens der Verteidigung keine Erklärung. Somit war die Beweisaufnahme geschlossen. Die Richterschaft fragte die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung, ob diese zu den neuen Beweisen etwas hinzuzufügen hätte. Erstere äußerte, dass sie nichts an der letzten Aussage verändern würde, dass der Angeklagte schuldig sei und dass sie eine Strafe von einem Jahr und elf Monaten ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung immer noch beantrage. Die Verteidigung fügte hinzu, dass diese neuen Beweisen immer noch nicht beweisen würden, dass Cem sich schuldig in Form vom Verschicken von Bekennerbriefen gemacht hätte und dass daher dieser freigesprochen werden müsste. Die Richterschaft fragte dann Cem selbst nochmals, ob er etwas hinzuzufügen hätte und dieser antwortete, dass er nichts sagen würde und sich der Forderung seiner Anwälte anschließen würde.

Die Richterschaft zog sich zurück und würde sich beraten, eine Pause von 30 bis 45 Minuten wurde bis zur Urteilsverkündung ausgerufen.

Das Gericht verurteilte Cem für die Beihilfe bei zwei Brandanschlägen zu einem Jahr und sechs Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, dazu 360 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Die Begründung dazu war Folgende:

1- Die Straftaten fanden vor zehn Jahren statt.

2- Es wäre ein sehr umfangreicher Prozess gewesen mit vielen Akten und vielen Beschuldigten (Anfangs neun Personen)

3- Es gab eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, da erst nach vielen Jahren Anklage erhoben wurde.

4- Es gab viele Zeugen aus den Reihen des LKA, des BKA und des BfV und der LfVs, die sich an nichts erinnern konnten, woran das liegen mag, darüber wollte die Richterschaft nicht spekulieren, dies sei auch der Grund, warum Cem in allen Anklagepunkten freigesprochen worden ist, außer der Beihilfe zu zwei Brandanschlägen.

5- In diesem Fall habe es sich um einen klassischen Indizienprozess gehandelt, es sei wie ein Puzzle bzw. Mosaik gewesen, es habe keine Tatzeugen bzw. unmittelbaren Beweise gegeben.

6- Über den Beschuldigten gab es keine Informationen.

7- Seit 2009 agierte in Berlin eine linksradikale Gruppe die Anschläge verübte, diese Gruppe wurde auch als die Nachfolgeorganisation der MG (militanten Gruppe) gesehen.

Der Angeklagte habe mit maximal zehn weiteren Personen die Gruppe, die sich RAZ und RL nannte, gebildet. Hierbei handelt es sich um ein und dieselbe Gruppe, die Mitglieder waren in beiden und es gab nicht zwei unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Mitglieder, so die Richterschaft. Also keine Dachgruppe mit einem revolutionären Arm. Diese Gruppe habe klandestin gehandelt, die Entscheidungen wurden kollektiv getroffen, diverse Anschläge wurden mit ideologischen Vorgang gegen staatliche Institutionen begannen/unternommen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Damit dies auch passieren könne, mussten diese in die Medien, ohne dies hätten aus der Sicht der Gruppe, so die Richterschaft, die Aktionen keinen Sinn ergeben.

Im Falle der radikal würde es sich hier um eine Publikation handeln, die seit 1976 existiert, die sich unter anderem auch mit der Auflösung der MG befasste. Darin wurden diverse Dinge publiziert unter anderem aber auch Bekennerbriefe (Kommuniqués). Die radikal war daher das propagandistische Organ der RAZ und der RL.

Alle Aktionen wurden nachts durchgeführt und es gab immer Bekennerbriefe im Internet und in den Medien dazu.

– Am 30.12.09 ein Anschlag gegen das Jobcenter in Wedding (was in diesem Prozess nicht zur Anklage stand).

– Am 04.02.10 ein Anschlag gegen das Haus der Wirtschaft (war ein Anklagepunkt), für diese Aktion ging einen Tag später ein Bekennerbrief bei der Presse ein, noch etwas später tauchte dieser in einer Ausgabe der radikal auf.

Am 18.11.10 ein Anschlag gegen das Bundeshaus in Berlin (was in diesem Prozess nicht zur Anklage stand). Der Bekennerbrief für diese Aktion würde später in der radikal erscheinen.

– Mitte März 2011 die Versendung von Patronen

– 18.03.11 die Versendung der Bekennerbriefe an verschiedene Zeitungen, etwas später dann auch bei der Süddeutschen Zeitung und in der radikal veröffentlicht.

Auch wenn es keine Beweise gibt, dass Cem an irgendeiner dieser Taten beteiligt gewesen sein mag, deute alles daraufhin, dass Cem daran beteiligt war, so der Vorsitzende Richter.

– Am 28.04.11 ein Anschlag gegen die Senatsverwaltung und das Amtsgericht in Wedding. Am selben Tag wurden die Bekennerbriefe der RAZ an elf Tageszeitungen verschickt. Dann ein Tag später auch in der BZ und nochmals später wieder in der radikal abgedruckt.

Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass seitdem keine weiteren bekannten Aktionen durchgeführt worden sind und dass nach der Kenntnis der Richterschaft nur eine weitere Ausgabe der radikal veröffentlicht worden sei.

Es ist auch festzustellen, dass Cem ein Kommunist ist, dass er Mitglied beider Gruppen war, dass er mit den Tätern, die die Aktionen durchführten, organisiert war, ob er mitgewirkt hat beim Schreiben von Texten oder bei der Durchführung von Aktionen, dazu gibt es keine Beweise.

Die psychische Beihilfe kommt daher zustande, weil eine Beteiligung ohne eine politische Verbindung keinen Sinn ergebe, man wüsste nicht ob er die Postfächer für Mails eingerichtet habe, ob er die Mails verfasst habe. Nach der Versendung eines Bekennerbriefes habe man ihn durch eine Observation nach Hause gehen sehen. Er wurde mit seinem Laptop während der Observation gesehen und beobachtete, dass er nach Alt-Glienicke gefahren ist, wo er Zettel zerrissen und diese weggeworfen haben soll. Unter den Zetteln sei die genaue Reihenfolge der Email-Adressen von Zeitungen vorgefunden worden, wie sie auch verschickt worden sind. Dabei war auch ein Brief aus dem Jobcenter, ein Zettel mit vermeintlichen Bezug auf die Patronenversendung, ein Deckblatt der Interim und ein Artikel der radikal und die Anweisung wie man Bekennerbriefe verschicken soll.

Bis 2018 wurden zusätzlich die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Der Prozess fand mit einer Verzögerung von sechs Jahren statt, wäre dies nicht der Fall gewesen, dann wäre auch der Ausgang, das Urteil für diesen Prozess anders gewesen, fügte der Vorsitzende Richter hinzu.

Zu den Feststellungen, Cem machte keine Aussagen und es gab keine Zeugen, die zu den Taten irgendwelche Informationen hätten beitragen können. Daher auch keine Informationen zu den Tätern. Weder Fingerabdrücke noch Fasern oder DNA war vorhanden, bzw. konnten an den Tatorten ermittelt werden, nur durch die Sprühereien des Akronyms RAZ an den Tatorten konnte eine direkte Verbindung zu der RAZ und der RL hergestellt werden, genauso wie durch die eine Ausgabe der radikal unter einem Auto in der Nähe eines Tatortes.

Zu dem Anklagepunkt Nummer Eins, eine Ausgabe der radikal wurde unter einem Auto gefunden und Cem hat evtl. den Bekennerbrief in einen Copyshop fotokopiert. Da die Zeugen des BfV keine Erinnerungen zu der Observation hatten, wo Cem dabei beobachtet worden sein soll, gab es dazu keine Beweise und auch keine Indizien. Dass die Beamten des BKA ausgerechnet aus dem richtigen Kopierer ein Beweisstück beschlagnahmten, kann auch ein Zufall gewesen sein. Da es auch nicht festzustellen war, wann die Ausgabe der radikal erschien war, die unter einem Auto platziert wurde, konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte mit der Fertigstellung in Verbindung stand. Auch die Internetrecherchen dazu konnten nicht festgestellt werden, weil der Provider die ganzen Informationen zum Internetverlauf von Cem schon gelöscht hatte. Daher wurde Cem in diesem Anklagepunkt freigesprochen.

Zu den Anklagepunkten Nummer Zwei und Drei, auch hier keine konkreten Beweise an der Teilnahme der Aktionen, es gab ja sogar die Überwachungsaufnahmen, wo man Cem seine Wohnung vor den Taten betreten und erst am nächsten Tag verlassen sieht. Es war nicht festzustellen, ob er die Wohnung anders verlassen hatte. Aber an seiner Beteiligung an der Verschickung der Bekennerbriefe sei kein Zweifel, weil die Papierfetzen im Müllkorb in der S-Bahn Haltestelle in Alt-Glienicke vorgefunden wurden. Ein Bulle, der als Zeuge vorgeladen wurde, konnte sich an Cem erinnern sowie dass er, angeblich, die Fetzen in den Müll warf. Dazu komme, dass unter den Fetzen ein Brief aus dem Jobcenter war, mit den Personalien einer Person, mit der Cem ein Telefongespräch geführt hatte. All dies mache es sehr unwahrscheinlich, dass es sich hier um einen Zufall handeln könnte und daher würde dies beweisen, dass es eine Verbindung gab.

Zum Gutachten und zur Analyse der Schrift im Allgemeinen, im Adressbuch, das in der Wohnung von Cem beschlagnahmt wurde, war das Wort Mutter auf Türkisch, Anne, und da Cem selbst die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, konnte dieses Mysterium aufgeklärt werden, dass hier eine Verbindung bestehen könnte. Die Handschrift wurde im Vergleich des Urhebers mit anderen Beweisstücken verglichen und es wurde festgestellt, dass es sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit um denselben Urheber handeln würde, vor allem bei den zerrissenen Fetzen, die im Müllkorb in Alt-Glienicke gefunden wurden. Die Kritik der Verteidigung sei nicht greifbar, wo gesagt wurde, dass die Untersuchung nicht wissenschaftlicher Natur war, weil auf elementare Untersuchungen verzichtet wurde, sei dies nicht notwendig gewesen sei, weil es sich in diesem Fall nicht um eine Fälschung handeln würde und daher diese elementaren Untersuchungen nicht notwendig gewesen seien. Da die Sachverständige eine lange Liste an Akkreditierungen und eine lange berufliche Erfahrung hatte, konnte an ihrem Urteil nichts ausgesetzt werden.

Auch seine Teilnahme an der Fertigstellung der Publikation radikal sei nicht anzuzweifeln, da er in einem Telefonat über sein Mitwirken an einer „Postille, die es seitdem gibt, als ich noch in den Windeln lag, gab“ spricht, auch in den sogenannten Fetzen Stichpunkte eines Artikels waren, der der Richterschaft zufolge alle Merkmale aufwies, dass es sich hier um einen Artikel für die radikal handeln würde. Dass eben auch kurze Zeit nach der Versendung der Bekennerbriefe diese Papierstücke/Fetzen entsorgt worden seien, wir erinnern uns an die Liste der E-Mails der Redaktionen mehrerer Zeitungen, und dass eben alle Bekennerbriefe der RAZ-RL in der radikal abgedruckt wurden. Also muss Cem ein Teil der Redaktion gewesen sein.

Die Sprache der Artikel stand im Einklang mit der der MG, und da klandestin gehandelt wurde, muss er sich im inneren Kreis aufgehalten haben, da es sich um politische Aktionen handelte, ist der Bezug zum Inhalt essentiell. Außerdem stand Cem in Kontakt mit einen Mitglied der MG, nämlich Oli Rast, der zu einigen Jahren Knast für die Aktionen der MG verurteilt wurde. Cem habe auch im Internet für politische Themen recherchiert.

Zurück zu den Patronen nochmals, die Richterschaft hält es für unwiderlegbar, dass sich Cem im „Eis36“ aufhielt, dazu würde es einen Bericht des LKA Sachsen-Anhalt geben. Der Einsatzleiter der Observation, der als Zeuge eingeladen wurde, irrte sich in der Beschreibung der Örtlichkeit, denn dieser sprach in Wirklichkeit vom Café Kotti, dies wäre irrelevant, den Cem habe sich in der Eisdiele „Eis36“ aufgehalten.

Im Falle der Eisdiele „Eis36“, hier handelt es sich nicht exklusiv um eine Eisdiele, sondern um eine Kneipe in der damals häufig kulturelle Veranstaltungen mit Schwerpunkt auf Lateinamerika stattfanden. Ob es festzustellen sei, dass diese wirklich zu dem besagten Zeitpunkt geschlossen war, was mit dem Steuernachweis belegt wurde, ließe sich zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht beweisen und überprüfen, denn der damalige Inhaber ist nicht nur außer Landes, es gibt auch noch das Steuergeheimnis und man würde nicht so leicht an die Unterlagen kommen können.

Warum also dieses Urteil, hier handelt es sich um keinen minder schweren Fall, zu berücksichtigen ist aber, dass Cem nicht vorbestraft ist und dass es keine Feststellungen gegeben hat, dass Cem sich in den letzten zehn Jahre strafbar gemacht hat. Und dennoch gegen ihn wurde wegen zwei Brandanschlägen ermittelt, die nicht einfach nur irgendwelche waren, wie z.B., gegen eine Scheune, sondern hier handelt es sich um Angriffe gegen staatliche Institutionen bzw. die Gebäude, wo diese untergebracht sind, die politische Motivation dahinter war das Ziel den Staat abzuschaffen. Hätte dieser Prozess früher stattgefunden, wäre eine Haftstrafe unumgänglich gewesen. Cem selbst habe aber in der ganzen Zeit keine Nachteile gehabt.

Daher, wird Cem anteilig die Kosten des Verfahrens tragen müssen, da er teilweise freigesprochen wurde, und er wird zu einem Jahr und sechs Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, dazu 360 Stunden gemeinnützige Arbeit verurteilt. Er wird keinen Bewährungshelfer kriegen. Wie üblich kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden.

Ende des 22. Verhandlungstages.


Prozessbericht vom 21. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Der 21. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten begann am 17.11.21 um 9:05 Uhr. Am Mittwoch waren zwölf solidarische Personen im Gericht anwesend, ob im Verlauf des Verhandlungstages weitere Personen noch vor dem Gericht waren, wissen wir nicht.

Bevor die Schlussreden der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gehalten wurden, fragte die Richterschaft die Verteidigung, ob noch weitere Erklärungen oder Anträge zu veröffentlichen, bzw. noch zu beantragen wären. Die Frage wurde verneint, ebenso verneinte der Mandant die Frage, ob er noch etwas zu sagen habe. Da keine Beweisanträge offen seien und es kein Verständigungsgespräch gegeben hatte, ging es zum Plädoyer über.

Die Staatsanwaltschaft begann. Sie sei aufgrund der Beweise davon überzeugt, dass die RAZ – eine sozialrevolutionäre, antiimperialistische, kommunistische, marxistisch-leninistische Gruppe – durch den Klassenkampf und gewalttätige Aktionen die BRD stürzen wollen würde, damit auch die freiheitliche demokratische Grundordnung, mit dem Ziel eine klassenlose und staatenlose Gesellschaft aufzubauen. Diese habe sich zu ihren Taten bekannt und diese auch mit dem Namen früherer Revolutionärer unterschrieben, was auf ihre historische Bezugnahme hindeuten sollte. Die Aktionen waren Anschläge gegen ein Jobcenter, das Haus der Wirtschaft und das Bundeshaus, das Versenden von Patronen an mehrere Personen, die Verschickung der Kommuniqués in Form von Mails – wo der Staatsanwalt natürlich nochmal erinnern musste, dass darin stand, dass in Zukunft die nächsten Patronen per Express verschickt werden würden –, Anschläge auf die Senatsverwaltung sowie das Amtsgericht Wedding und dass dem Angeklagten eine Mitwirkung bei drei Aktionen vorgeworfen wird.

Zu dem ersten Anklagepunkt, es geht um den Anschlag auf das Haus der Wirtschaft, sehe die Staatsanwaltschaft keine Beteiligung des Angeklagten im strafrechtlichen Sinne. Dennoch gehe er davon aus, dass der Angeklagte die Kommuniqués verschickt habe, trotz der Beweiswürdigung und trotz seiner Verweigerung sich zu äußern, würde es Beweise durch die Polizeiermittlung geben, die dies beweisen würden, so der Staatsanwalt. Er habe nämlich mit Aufmerksamkeit die Medien übers Internet verfolgt, als ein Aktion stattgefunden hatte und er die Kommuniqués verschickt haben soll. Auch wenn dies nicht bewiesen werden konnte und auch die Beweise des BfV vernichtet worden sind, die anscheinend nach zehn Jahren die eigenen Akten vernichten, sowie es unklar sei, ob er sich zum Zeitpunkt der Aktionen überhaupt zu Hause befand bzw. ob er dort allein war, ob er nun im Copyshop gewesen sei und dort Kopien gemacht hätte, all dies ließe sich nicht mehr feststellen. Daher würde der Staatsanwalt in diesem Fall die Anklage fallen lassen.

Zu den Anklagepunkten II;III (die Anschläge auf ein Gebäude der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin-Mitte und auf das Amtsgericht Wedding), was das Zerreißen von Papierfetzen in der S-Bahnhaltestelle von Alt-Glienicke gewesen wäre, so ergebe sich Cems Schuld laut dem Staatsanwalt durch das glaubhafte Wiedererkennen des Beamten der Cem an diesem Tag observiert hatte, außerdem sei mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schrift auf den Papierfetzen urheberidentisch mit der von Cem. Da auf den Zetteln auch die exakte gleiche Anordnung von E-Mailadressen von Zeitungen und Journalisten drauf stand, wie sie später auch in dieser Reihenfolge von einer E-Mail aus mit einem Kommuniqué versendet wurden, wäre doch klar festzustellen, dass Cem von den Taten mindestens informiert sein musste. Es sei gedanklich möglich, aber höchst unwahrscheinlich, dass er erst nach der Tat darüber informiert worden sei.

Nicht dass er informiert war, sondern auch zum inneren Kreis gehören musste. Dies sei auch der Fall bei dem Verschicken der Patronen, die er verschickt haben muss. So seien die Selbstbezichtungsschreiben von Cem per Mail verschickt worden, da diese laut des Providers über das WLAN der Eisdiele „Eis36“ am Kottbusser Tor verschickt wurden und Cem sich, laut der Aussage des Bullenzeugen von vor ein paar Wochen, genau dort zur selben Zeit aufgehalten habe. Daraus wäre zu schlussfolgern dass Cem eine führende Stellung hatte, er habe vor der Ausführung der Tat den Versand des Selbstbezichtigungsschreibens zugesagt. Aus der rechtlichen Würdigung ließe sich zwar keine Straftat beweisen, aber er habe sich bei der Beihilfe zu schweren Brandstiftungen strafbar gemacht, da keine unmittelbare Teilnahme nachweisbar sei. Auch wären strafmildernde Umstände zu berücksichtigen, wie dass die Taten vor über zehn Jahren stattgefunden haben und sich Cem in der ganzen Zeit nicht strafbar gemacht hat. Deswegen würde der Staatsanwalt eine Strafe in der Höhe von einem Jahr und elf Monaten, mit vier Jahre zur Bewährung, beantragen.

Weiterhin begründete der Staatsanwalt dies auch damit, dass die RAZ und die RL in den letzten zehn Jahren keine Aktion mehr gemacht hätten, worunter zu verstehen wäre, dass diese nicht mehr existieren würden und von Cem keine Gefahr mehr ausgehe.

Da es um Beihilfe gehen würde, wiederholte der Staatsanwalt noch einmal, verlange er eine Strafe von einem Jahr und elf Monaten zu vier Jahren auf Bewährung. Somit beendete die Staatsanwaltschaft im Namen des Volkes ihr Plädoyer.

Als nächstes war die Verteidigung an der Reihe. Da sich die beiden Anwälten das Plädoyer aufteilten, baten sie zunächst um Verzeihung, dass sich einige evtl. Wiederholungen in den jeweiligen Plädoyers nicht vermeiden ließen.

Dieses Verfahren sei doch nur aufgrund des BfV ins Rollen gekommen, diese Behörde habe eine tragende und orchestrierende Rolle gespielt, aber im Verlauf des Verfahrens nichts beigetragen. Es hätte sich nur um Spekulationen und Schlussfolgerungen gehandelt und als das BKA die Ermittlung übernahm konnten keine Beweise ermittelt werden. Die Beweisaufnahme habe nur die Aktenlage bestätigt. Eine sportliche Anklage, die ja auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft zusammengedampft sei. Das BfV habe versucht die orchestrierende Rolle beizubehalten durch falsche Tatsachenbehauptungen, was Linksradikale alles getan haben sollen, was für eine Gefahr diese wären, ohne Beweise dafür geliefert zu haben. Die Prozessbeobachtung wurde aufgebauscht, aus der oberflächlichen Beschreibung der verkleideten Mitarbeiter wurde eine abstrakte Gefahrenlage konstruiert. Auch der Zirkus aufgrund der Gefahr, der sie angeblich ausgesetzt waren und sich wegen einer möglichen Wiedererkennung verkleiden mussten, sei der Versuch Stimmung gegen die Öffentlichkeit und ihren Mandanten zu machen. Die genaue Funktion der Zeugen des BfV konnte auch der Vorsitzende Richter nicht sagen, und auch der Versuch ausschließlich dem Gericht einen Bericht vorzulegen, verdeutliche das Verhalten dieser Behörde in diesem Prozess. Die Zeugen haben auch unisono behauptet, an Observationen teilgenommen zu haben, bei denen sie sich an nichts erinnern konnten, sie sollen aber daran dennoch teilgenommen haben. Auffallend war auch ihr nervöses Auftreten, denn die Verteidigung habe über die Jahre mehrmals Angehörige des BfV, des BKA und der LKAs verhört, die Undercover-Observationen gemacht haben und da traf man Personen an, die resolut und sich ihrer selbst sicher waren. Denn aufgrund ihres Berufes müssen sie auch schnell wichtige Entscheidungen treffen können, um eben nicht aufzufallen und damit deren Observation nicht gefährdet ist. Dies alles alles aber bei den Zeugen des BfV nicht der Fall gewesen. Ob es sich bei den Zeugen nicht um Innendienstmitarbeiter gehandelt habe würde man niemals erfahren, aber es deute darauf hin. Als aber der BfV Tacheles reden sollte, als es darum ging unter Whrheitspflicht etwas zu sagen, ließ dieser die Staatsanwaltschaft im Regen stehen, aus dieser Behörde kam nichts mehr. Der Zeuge, der sich als Experte des Leninismus präsentierte – wir wiesen darauf hin, dass sein Wissen nicht für einen Lehrstuhl beim Institut für Marxismus-Leninismus gereicht hätte – , habe selber zu konkreten Fragen nur gerätselt, spekuliert und Zirkelschlüsse vorgetragen. Ein Beispiel: Die Verdächtigen kannten sich ja, weil sie sich des öfteren trafen und zueinander im Kontakt standen. Wie dies in Bezug zu einem konspirativen Verhalten stand, oder stehen könnte, konnte der Zeuge selbst nicht beantworten.

Zu den Anklagepunkte II; III, sprich zu der Versendung Selbstbezichtigungsschreiben zu den Patronenverschickungen aus der Eisdiele „Eis36“: Zu der besagten Zeit war die Eisdiele geschlossen. Es gibt ein Bericht, welcher feststellt, dass sich Cem im „Eis36“ aufgehalten haben soll, der Leiter der damaligen Observation äußerte sich dazu und sprach über einen Lokal, was sich in einem ersten Stock am Kottbusser Tor hinter einer Balustrade befinde, die Eisdiele „Eis36“ befand sich aber im Erdgeschoss. Weiter zu den Anklagepunkte II; III: Das angebliche konspirative Verhalten, die Rolle, die Cem als Helfershelfer eingenommen haben soll, ergibt keinen Sinn, weil eben solche Helfershelfer nach einer Tat eingeweiht werden. Sollten solche Helfershelfer davor in Kenntnis gesetzt werden, könnten sie ja die Tat, die noch nicht stattgefunden hat, gefährden. Daher sei dies eine Behauptung und eine Spekulation, auch dass Cem nach der Tat über diese ermittelt, geforscht haben soll. Außerdem wohnte er zu dem besagten Zeitpunkt nicht alleine und es lässt sich nicht feststellen, ob er derjenige war der via Internet danach gesucht hat.

Zu der Urheberschaft der Aktionen selbst sprühte die RAZ ihren Name vor Ort und bekannte sich damit sofort für die Aktion. Die psychologische Beihilfe an der Cem durch weiteres Versenden von Bekennerschreiben teilgenommen haben soll, ist daher nicht gegeben, da dies keine weitere Bestärkung in der Tat darstelle. Es gab im Jahr 2010 einen ähnlichen Fall als Verena Becker, ehemaliges Mitglied der Roten Armee Fraktion, aufgrund des Mordes an Buback, oder der Feststellung wer nun Buback erschoss, in Beugehaft eingesperrt wurde, später wurde sie wieder rausgelassen, weil eine Fluchtgefahr nicht mehr befürchtet wurde, weil Speichelspuren von ihr an einem Brief gefunden wurden. Die psychische Beihilfe soll darin gelegen haben, dass sie bei einigen Treffen der RAF vor der Aktion der Aktion zugestimmt haben soll. Der Speichel am Brief beweist, so entschied sich das Gericht 2010, nur eine spätere Mitwisserschaft, weil andersrum habe ihr Mitwissen diese Aktion in Gefahr bringen können. Um die psychologische Beihilfe zu begründen, wurde nur auf das Bestärken der Aktion auf den vorangegangen Treffen rekurriert. Als letztes forderte der erste Anwalt der Verteidigung, dass Cem in allen Anklagepunkten freigesprochen werden muss.

Der zweite Anwalt der Verteidigung begann, dass die dubiose Rolle des BfV in diesem Prozess erwähnt worden sei, ebenso dass die angebliche Versendung der Kommuniqués keine psychologische Beihilfe sei. Im Anklagepunkt Nummer I gäbe es keine ausreichende Beweislage, daher gehe es nur noch um die zwei weiteren Fällen, sprich um Teilnahme durch das Versenden von Bekennerbriefen. Dieses Verfahren wurde nach vielen Jahren, mit Bergen an Akten und Berichten der Ermittlungen über alles mögliche am Ende aufgerollt. Als Löwe gestartet und als Bettvorleger geendet. Im September 2018, siebeneinhalb Jahre nach Begehung der Straftaten, konnte die Staatsanwaltschaft endlich eine umfangreiche Anklage erheben, nicht mehr wie am Anfang, da die vermeintliche Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, §129, schon ausfiel, weitere drei Jahre später fing das Verfahren am Ende doch noch an. Die Anklageschrift von 2018 verwende eine verräterische Sprache, alles war voller Mutmaßungen und Schlussfolgerung, in keinen Moment konnte aber die Beziehung zwischen der RAZ und der RL festgelegt und festgestellt werden, nur ihre Nähe zu der Publikation radikal. Es handelt sich hier also um eine Konstruktion die auf Mutmaßungen und nicht auf Feststellungen basiert, der Versuch zu verkleistern, dass diese Konstruktion von Unwissenheit geprägt ist. Der Zeuge Damm des BKA, der schon damals gegen die Militante Gruppe ermittelte, also quasi ein Experte auf diesem Gebiet, tappte am Ende immer im Dunkeln, wenn es um das interne Leben dieser Gruppe, also der RAZ und der RL, ging. Es konnte nicht festgestellt werden, genauso wenig ausgeschlossen werden, wer was wann und wie machte, ob es Außenstehende gab, oder ob diese selbst für das Verschicken der Patronen, usw., verantwortlich waren. Der Versuch die RAZ und die RL gleichzustellen und das Cem eine führende Rolle innerhalb dieser spielte, all dies konnte nicht bewiesen werden. Der zweite Verteidiger müsse in einem Punkt seinem Kollegen widersprechen, nämlich bezüglich des angeblichen Wissens über den Leninismus, den der Zeuge des BfV vorgegeben hatte zu haben. Es handele sich hier bloß um die Karikatur eines Kleinbürgers, wie sich dieser den Leninismus vorstelle. Ob nun der Leninismus eine kleinbürgerliche Ideologie ist, werden wir in diesem Verfahren nicht mehr erfahren. Unseres Erachtens ist dem so, hat aber mit der Sache am nichts Hut.

Zu den Anklagepunkten II; III, eine unmittelbare Beteiligung von Cem konnte zu keinen Moment nachgewiesen werden, genauso wenig wie wer daran beteiligt gewesen sein konnte. Aufgrund der Aufnahme eines Überwachungsvideos, wo man sieht wie Cem seine Wohnung betritt und erst am darauffolgenden Tag verlässt, sei deutlich, dass er an den Taten gar nicht teilgenommen haben konnte, da er Zuhause war. Zu der Versendung der Kommuniqués, bzw., der zerrissenen Fetzen-Papierstücke die Cem in Alt-Glienicke an der S-Bahn Haltestelle weggeworfen haben soll: Der Zeuge konnte sich an die Observation erinnern, aber nicht an das Zerreißen der Papiere selbst, bzw., er hatte damals gesagt, dass er dies selbst nicht gesehen hatte. Er hatte außerdem keine Erinnerungen an die Papiere,weder wie viele es waren noch welche, obwohl er den Observationsbericht nochmals gelesen hatte. Der Zeuge wollte auch nach zehn Jahren Cem wiedererkannt haben, was kaum vorstellbar sei, weil der Zeuge doch über die Jahre an vielen Observationen teilgenommen haben wird. Was die Sicherstellung der Papierfetzen angeht, was wurde dort gefunden, ein Papier, auf welchem der Name eines Mitarbeiters des Jobcenters war, der Cem zum damaligen Punkt betreute, dann waren noch die Adressen der Zeitungen und ein mögliches Kommuniqué.

Beim Zettel mit den Adressen war eine Bemerkung zu lesen, wo drauf stand „Mails verschicken“, da aber nicht festzustellen sei, wie viele Zettel weggeworfen sein sollen, können diese auch von einer anderen Person weggeworfen sein. Dass es sich dabei um eine Handlungsanweisung handele, sei ebenfalls nur eine Hypothese. Die Staatsanwaltschaft berufe sich auf das Gutachten der Handschrift, ob die handschriftliche Stücke alle vom selben Urheber seien. In diesem Falle handelte es sich um eine Kopie und wie die geladene Gutachterin schon darauf hinwies, nämlich dass aus Kopien die Urheberschaft schwierig nachzuvollziehen sei, dieses Beweisstück nur eine geringe Rolle spielen könne. Hinzu komme, dass der Ersteller eines Dokumentes in der Regel das Original bei sich trägt und nicht eine Kopie.

In diesem Moment machte die Richterschaft eine Schöffin auf ihren körperlichen Zustand aufmerksam, ob es ihr gut gehen würde. Da diese äußerte gerade Kopfschmerzen zu haben, wurde eine Pause von fünf Minuten einberufen.

Weiter ging es, dass eben keine Feststellungen oder Kenntnisse vorhanden wären, ob Cem nun die Bekennerbriefe versendet hatte oder nicht, genauso wenig ob er überhaupt auch selbst daran geschrieben hatte. Das Gutachten der Sachverständigen in Fragen Schrift halte selbst auch keiner wissenschaftlichen Überprüfung stand, denn die Untersuchung wich von den Standard-Richtlinien, die für solche Fälle angewendet werden, ab. Nur ein Mikroskop, so die Gesellschaft für Forensische Schriftuntersuchung, reiche für eine Untersuchung nicht aus, es gebe weitere Verfahrensweisen, die aber damals in der Untersuchung des BKAs nicht berücksichtigt, bzw. ausgelassen wurden. Auch waren die Feststellungen und die Darlegung des Beweismaterials der Sachverständigen für die Verteidigung nicht nachvollziehbar, wie als es um die Buchstaben und die Form dieser ging. Die Berufserfahrung und die subjektiven Eindrücke der Zeugin reichten wohl aus, um die Urheberähnlichkeit auf die zweithöchste Stufe zu stellen, aber wie dies zustande kam, woher die erkennbaren Übereinstimmungen kamen, alles blieb unklar. Sollte das Gericht bei dieser Frage einer anderen Meinung sein, sollte dieses der Meinung sein, dass Cem alles weggeworfen habe, dann sei es dennoch nicht feststellbar, ob er die Kommuniqués tatsächlich verschickte, oder ob er diese nur wegwarf.

Zu den angeblichen Recherchen im Internet nach Informationen und Nachrichten über die Aktionen, sei die Zielgerichtetheit der Recherche nicht bewiesen worden. Der Themenbereich der Recherche kann auch in Zusammenhang mit der Tätigkeit für das GI gestanden haben.

Nochmals zurück zu der Eisdiele „Eis36“ und das Versenden der Mails in Bezug auf die Patronen: Der Zeuge, damals Einsatzleiter der Observation, machte selbst keine Wahrnehmungen, sondern schrieb sich das auf, was seine Kollegen observierten und berichteten. In diesem Fall vom KK Pietsch, der mittlerweile verstorben ist, wir berichteten schon darüber. Zusätzlich gibt es Lücken im Bericht, wodurch klar ist, dass die Bullen Cem nicht die ganze Zeit ununterbrochen sehen konnten, innerhalb einer Stunde konnte Cem nur dreimal gesehen werden. Wie viele Menschen sich nun im Lokal befanden, das wusste der Zeuge nicht mehr. Dass Cem dort Kontakt zu anderen Gästen hatte, sei nicht auszuschließen. Hinzu die Beschreibung der Örtlichkeit, denn das, was der Beamte beschrieben hatte, stimmte eher mit dem Cafe Kotti überein. Genauso wenig ist belegt worden, ob Cem sich in das WLAN von „Eis36“ eingeloggt hatte, noch ob er irgendetwas verschickt hatte. Dass eine weitere Person, aus der naheliegenden Umgebung eine Mail über das WLAN verschickt haben könnte, kann nicht ausgeschlossen werden.

Der Verteidiger wiederholte, dass die Beschreibung des Zeugen nicht der tatsächlichen damaligen Lage des „Eis36“ entspreche. Sollte das Gericht, dies anders sehen, werde die Verteidigung veranlassen, dass das Bezirksamt aufgefordert wird Auskunft über die damalige Lage des „Eis36“ zu geben. Dies werde dem Gericht mitteilen, dass sich das „Eis36“ im Erdgeschoss befunden habe, darüber hinter einer Balustrade das Café Kotti und das Wettbüro Hattrick. Es wurde von den Bullen also nicht das „Eis36“, sondern das Café Kotti beobachtet.

Des Weiteren habe das „Eis36“ als Eisdiele nur in der warmen Zeit geöffnet gehabt. Eine Anfrage beim Finanzamt werde ergeben, dass das „Eis36“ zum fraglichen Zeitpunkt, 18.03. , geschlossen war und erst am 09.04. seine Türen wieder öffnete, daher seien die Aussagen des Zeugen nicht zutreffend. Falls das Gericht glaube, dass es hier nur die Namen verwechselt worden seien, dann beantrage die Verteidigung, das der Betreiber des Café Kottis geladen werde. Dieser werde dem Gericht mitteilen können, dass er das Café Kotti seit 2009 betreibt und dass das WLAN des „Eis36“ von dort nicht erreichbar war.

Cem kann weder die Beteiligung am Erstellen noch am Versenden der Kommuniqués nachgewiesen werden. Daher verlangt die Verteidigung einen Freispruch in allen Anklagepunkten.

So endete der 21. Verhandlungstag.

Der letzte Prozesstermin ist am 01. Dezember um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str


Prozessbericht vom 20. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Der 20. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten begann am 28.10.21 um 9:15 Uhr. Im Laufe des Tages waren sechs solidarische Menschen anwesend.

Geladen war die 64-jährige Sachverständige für Handschriften, die bereits zum 14. Prozesstag am 16. September vor Gericht erschienen war. Das Gericht teilte mit, dass inzwischen die Dokumentationsunterlagen eingetroffen seien, bestehend aus vier Konvoluten: zwei Listen, Vergleichsschriften und Befundmaterial. Die entsprechenden handschriftlichen Notizen und exemplarisch herausgenommenen Buchstaben wurden während der Vernehmung per Beamer auf eine Leinwand projiziert. Zunächst erläuterte die Sachverständige, dass ihre Aufgabe darin bestand, die Asservaten zu vergleichen und zwar einerseits dahingehend, ob sie sich untereinander gleichen, d.h. ob es sich um denselben Urheber handelt, und andererseits wurden sie mit handschriftlichen Notizen von Oliver Rast verglichen, wobei es vor allem um zwei Asservate ging, einmal linierte Blätter mit Namen und Telefonnummern sowie die Kopie eines zerrissenen Zettels.

Hierzu seien zunächst die Großbuchstaben und dann die Kleinbuchstaben miteinander verglichen worden, allerdings müsse man nicht immer zwingend in dieser Reihenfolge vorgehen. Auf dem Befundmaterial wurden die Buchstaben entsprechend nummeriert, es werde aber nicht jeder Befund erhoben, wie die Sachverständige auf Nachfrage des Richters mitteilte, für die Auswahl eben dieses einen konkreten A’s gebe es keinen Grund, sie seien sich alle ähnlich ohne große Unterschiede. Dann wurden unter Zuhilfenahme der Projektion auf der Leinwand von der Sachverständigen ausgewählte Buchstaben verglichen (A, K, P, k und E). Dabei wies sie auf Ähnlichkeiten hin, auch wenn es immer wieder Varianten gebe, an Kurrentschrift bzw. Druckschrift angelehnte. Wir erfuhren von K’s mit Mittelösen und solchen ohne, überwölbten Einleitungen beim P und solchen, die in einem Zug geschrieben wurden, sehr schöne k’s, die auch in einem Zug gefertigt waren usw. Zwischendurch wies sie auch noch darauf hin, dass die Gesamterfassung, also die verschiedenen Proportionen der Buchstaben (Ober- und Unterlängen), einen Hinweis auf eine Urheberidentität geben würde. Es folgten auf Nachfrage des Richters noch Anmerkungen zum allgemeinen Schriftbild, es sei in diesem Fall durch viele Winkelzüge gekennzeichnet und die Art und Weise wie Buchstaben verbunden werden, sei hier betrachtet worden. Auch bei den Buchstaben m, n, und u werde untersucht ob die Bögen eher rund oder winklig sind. Von hier aus gehe man dann auf die Einzelbuchstabenuntersuchung über. Bei dem untersuchten Material habe sich gezeigt, dass sowohl die Schriftlage als auch die Proportionen einheitlich seien, es gebe vielgliedrige Übereinstimmung und es weise eine „graphische Ergiebigkeit“ auf. Es gebe keine nicht erklärbaren Diskrepanzen und zahlreiche Übereinstimmungen, daraus ergebe sich die Schlussfolgerung, dass alle Schreibleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Hand stammen. Nachdem die Sachverständige diese Schlussfolgerung geäußert hatte, berief das Gericht eine zehnminütige Pause ein, um sich kurz zu beraten.

Nach der Pause fragte das Gericht die Sachverständige zur Wahrscheinlichkeit, die, wie bereits schon zuvor festgestellt wurde,in diesem Fall eine subjektive Wahrscheinlichkeit ist, welche Abstufungen es da gebe und wie diese zu verstehen seien. Das Ganze folge dem Bayesschen Ansatz1, so die Sachverständige, es gebe eine klare Methode, eine hypothesentestende Vorgehensweise, die Merkmalserhebung führe zu Folgerungen, die entsprechend kategorisiert werden: non liquet (bis zu 50%), leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit (bis zu 75%), überwiegende Wahrscheinlichkeit (bis zu 90%), hohe Wahrscheinlichkeit (bis zu 95%), sehr hohe Wahrscheinlichkeit (bis zu 99%) , mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (bis zu 99,99%). Die Zahlen seien aber nicht fest, sie dienen lediglich der Veranschaulichung. Wie häufig denn das Ergebnis einer sehr hohen oder noch höheren Wahrscheinlichkeit vorkomme, wollte das Gericht wissen. Die Sachverständige antwortete, dass dies schon vorkomme, dazu müsse aber das Ausgangsmaterial ideal sein, dasselbe Schreibmaterial etc. Nun wurde auf Anregung des Gerichts der Vergleich mit dem Handschriftenmaterial von Oliver Rast nachvollzogen, wobei die Sachverständige darauf hinwies, dass hier schon Unterschiede zu sehen seien, so seien die Proportionen anders und einzelne Buchstabenverbindungen seien auch nicht zu finden. Es wurden die P’s, die G’s und die E’s verglichen, die Sachverständige wies auf Unterschiede hin bis das Gericht zu dem Entschluss kam, dass dies nun genüge. Die Sachverständige gab noch einmal das Ergebnis des Gutachtens bekannt, bei dem fraglichen Material gebe es mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Urheberidentität mit dem Material von Oliver Rast. Nachdem der Staatsanwalt keine Fragen an die Sachverständige hat, beginnt die Verteidigung mit der Befragung.

Zuerst wollte die Verteidigung ganz allgemein wissen, welche Untersuchungsmethode angewendet worden sei. Es sei die wissenschaftliche Methode des Schriftvergleichs angewendet worden, so die Sachverständige, dabei werde in einer Vorabprüfung zunächst das Material analysiert, ob es hinreichend ist in Hinsicht auf die Ergiebigkeit, danach komme es zu einer systematischen Erhebung, wobei zuerst allgemeine Merkmale und dann besondere Merkmale untersucht werden, nach dieser vollständigen Erhebung folge dann die Bewertung und die Gesamtbewertung führe zu den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten. Ob beim Vergleich rein visuell vorgegangen worden sei oder ob maschinelle Unterstützung herangezogen worden sei, war die nächste Frage. Es sei ein Stereomikroskop genutzt worden, das maximal eine 40-fache Vergrößerung ermögliche, um Feinheiten erkennen zu können. Je nach Fragestellung oder wenn der Auftraggeber darauf bestehe, werde auch weitere Technik verwendet, dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Auf die Frage, ob hier also die physikalisch-technische Untersuchung nicht angewendet worden sei, antwortete die Zeugin, dass die stereomikroskopische Untersuchung Teil der physikalisch-technischen Untersuchung sei. Der Auftraggeber sei ST 12 (Staatsschutzabteilung beim BKA) gewesen, dieser habe keine weiteren technischen Untersuchungen angefordert, warum dies so war, könne sie nicht sagen. Nun folgte ein kleines hin und her zwischen Richter und Verteidiger, da ersterer unterbrach und wissen wollte, wo das alles jetzt hinführen werde, woraufhin letzterer sich beschwerte, dass seine Befragungen immer wieder vom Gericht unterbrochen werde. Schlussendlich fuhr die Verteidigung mit der Befragung fort und zitierte aus den Richtlinien der Gesellschaft für Schriftforensik, wobei es darum ging, dass die physikalisch-technische Untersuchung integraler Bestandteil eines jeden Schriftvergleichs zu sein habe. Auf dem Wege vieler weiterer Detailfragen zur genauen Erhebung, weist die Verteidigung darauf hin, dass das Schriftgutachten nicht nachvollziehbar sei, es bestehe nur aus sechs Seiten, Methodik und Ergebnis werden dargestellt, aber die konkreten Erhebung seien nicht enthalten. Es werde einfach etwas präsentiert, das könne man akzeptieren, aber nicht nachvollziehen. Die weiteren Fragen der Verteidigung zielen auf die genaue Vorgehensweise ab und die Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit des Schriftvergleichs: spiele es eine Rolle wie häufig bestimmte Merkmale in der Gesamtpopulation auftauchen, ob es eine Mindestanzahl an Worten/Buchstaben gebe, um Aussagen über eine Übereinstimmung abgeben zu können, so wie es bei der Stimmanalyse ist, wo es eine Mindestzeit gebe. Die Sachverständige teilt mit, dass es keine Mindestanzahl an Buchstaben gebe, es komme auf die Wertstärke eines Merkmals an, es habe viel mit Erfahrung zu tun, die allgemeine Verbreitung spiele keine Rolle, es gebe keine festen Kriterien, für die Aussagekräftigkeit von Merkmalen, es werde nicht nach Unterschieden gesucht. Die Verteidigung verwies darauf, dass es beim Internvergleich doch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Buchstaben gebe, was die Sachverständige leugnete und meinte, dass sie Ähnlichkeiten sehe. Die Frage ,woran man denn festmache, welche Merkmale von Relevanz seien und welche nicht, wird von der Sachverständigen nicht klar beantwortet. Danach geht es um die Ziffer 3, die im Material immer wieder anders ausgeführt erscheint, worauf die Sachverständige meinte, dass diese keine systematische Unterschiedlichkeit aufweisen würden. Die Frage, ob die von der Sachverständigen zur Nummerierung der Zeilen geschriebene Ziffer 3 auf dem Material einen systematischen Unterschied zu den anderen 3en aufweise, konnte sie nicht beantworten. Um 12:30 Uhr wurde die Sachverständige entlassen und es folgte die Mittagspause bis 13:20 Uhr.

Nach der Pause wurde dann der Internvergleich des Schriftmaterial offiziell nochmal in Augenschein genommen sowie der Vergleich von Internvergleich mit Vergleichsschriftmaterial. Danach wurde der Verfahrensgang festgestellt: Das Gericht verlas chronologisch die Dokumente beginnend mit dem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses vom 06.05.2013 bis zum Beschluss der Eröffnung der Hauptverhandlung und der Versendung der Ladungen.

Abschließend wurde darauf hingewiesen, das beim nächsten Termin die Plädoyers zu erwarten sind, was bedeutet, dass es beim übernächsten Termin höchstwahrscheinlich zur Urteilsverkündung kommen wird.

Um 14:15 endete der Verhandlungstag.

Der nächste Prozesstermin ist am 17. November um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str

 

1Der Bayessche Wahrscheinlichkeitsbegriff interpretiert Wahrscheinlichkeit als Grad persönlicher Überzeugung, d.h. als Sicherheit in der persönlichen Einschätzung eines Sachverhalts, und nicht als relative Häufigkeit wie das andere Wahrscheinlichkeitsbegriffe tun.


Die aktuell noch angesetzten Termine

Donnerstag, 28.10.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 17.11.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 01.12.21, 9:00 Uhr
Montag, 13.12.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 12.01.22, 9:00 Uhr


Prozessbericht vom 19. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Vorab, der angesetzte Termin vom 21.10. wurde aufgehoben, das heißt der nächste Prozesstermin ist am Donnerstag, den 28.10.2021.

Mit etwas Verspätung begann am 19.10. um 9:35 Uhr der 19. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten, wobei acht solidarische Beobachterinnen und Beobachter sowie ein Pressevertreter anwesend waren. Zu Beginn wurde vom vorsitzenden Richter festgestellt, dass die Richterschaft und Schöffen die Urkunden des Selbstleseverfahrens zur Kenntnis genommen und allen anderen Prozessbeteiligten dies ebenfalls möglich war.

Danach folgte eine ganze Reihe von Inaugenscheinnahmen und Verlesungen von Urkunden. Zunächst wurde eine Lichtbildmappe bezüglich des Anschlags auf das Jobcenter in Augenschein genommen, danach Fotos vom Bundeshaus und dann nochmal dieselben Fotos in besserer Qualität. Im Anschluss wurden der Reihe nach die Ausgaben 161 (Sommer 2009), 163 (Sommer 2010) und 164 (Sommer 2011) der Zeitschrift radikal in Augenschein genommen, wobei laut dem Gericht das Augenmerk auf das Schriftbild und die Bilder und Zeichen gerichtete werden sollte, dennoch ließen sich die Schöffen und Verteidiger Zeit beim Durchgehen der Zeitschriften, während der Staatsanwalt gelangweilt auf seinen Laptop starrte und den Anschein erweckte jeden Moment einzunicken.

Daraufhin verlas das Gericht die von KHK (Kriminalhauptkommissar) Buchholz verfasste Strafanzeige bezüglich des Brandanschlags auf das Bundeshaus vom 18.11.2010. Die Anzeige lautete auf schwere Brandstiftung, der Schaden wurde (vermutlich vorläufig) auf einen Euro festgesetzt. Dann wurde der Brandortbericht zur selben Sache, der auch vom selben Beamten verfasst worden war, verlesen und erneut Fotos dazu, zum Augenschein verteilt, teilweise dieselben wie schon zuvor.

Nun fragte das Gericht, ob es Bedenken gegen das Verlesen des Vermerks des KOK (Kriminaloberkommissar) Leibniz im Brandbericht zum Anschlag auf das Amtsgericht Wedding gebe. Nachdem weder Staatsanwalt noch Verteidigung etwas dagegen einzuwenden hatten, berief das Gericht eine dreiminütige Unterbrechung ein und verließ mit den Schöffen den Saal. Nach seiner Rückkehr gab das Gericht den Beschluss bekannt, dass der Vermerk des KOK Leibniz verlesen werden soll. Laut diesem Vermerk habe sich die Schadenssumme nach der Aussage des BIM (Berliner Immobilien Management) auf 28.919,85 Euro belaufen.

Fortgesetzt wurde mit der Verlesung des Asservatenverzeichnisses des BKA vom 22.05.2013, worin die bei der Durchsuchung bei Cem beschlagnahmten Gegenstände – mit Fundort und durchnummeriert – aufgelistet sind. Der Vollständigkeit halber hier die Gegenstände: eine externe Festplatte, ein Notebook HP, ein Laserdrucker HP, ein Scanner, eine Maus, ein Mobiltelefon, zwei USB-Sticks, ein Zettel mit einer Telefonnummer und Namen, ein Passwort, eine PIN-Nummer, ein Notizbuch mit Telefonnummern, fünf Zettel DIN-A5, ein Buch Shabnam Holliday: Defining Iran, ein Buch Karl Held: Das Lebenswerk des Michael Gorbatschow, ein Buch Walter Ulbricht: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung, ein Buch Lenin: Über Krieg, Armee und Militärwissenschaft, ein Thinkpad, zwei Zettel DIN-A4, vier verpackte Tastaturen, eine verpackte Maus, ein Notebook von Dell. Dazu wurde noch ein Vermerk verlesen, dass eine Asservatennummer zweimal vergeben wurde und das Buch von Holliday deshalb ein neue Nummer zugewiesen bekommt.

Weiter ging es mit der Verlesung der zwei sichergestellten DIN-A4 Blätter, diese wurden im Anschluss auch in Augenschein genommen. Dabei soll es sich um Notizen handeln, in denen Überlegungen zu kurz-, mittel- und langfristiger Ziele, für den Aufbau proletarischer Autonomie, sowie der Bezug auf andere revolutionäre Bewegungen und Erfahrungen die es in der Vergangenheit gegeben hat, sowie in der Gegenwart präsent sind, niedergeschrieben wurden. Darin soll erwähnt worden sein, dass dies im Zusammenhang mit einer Postille – es wird kein Name erwähnt – überprüft werden soll, ob dies auch funktioniere. Danach wurden die fünf beschlagnahmten DIN-A5 Zettel in Augenschein genommen, wobei es sich um sechs Blätter handelte, da es auch eine Rückseite gab.

Das Gericht wies noch auf die Aufhebung des Termins am 21.10. und darauf, dass am 28.10. die Sachverständige für Handschriften erwartet wird sowie dass der Termin vom 16.11. auf den 17.11. verschoben wird, hin. Daraufhin endete der Prozesstag um, 10:40 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 28. Oktober um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str


Prozessbericht vom 17. und 18. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

17. Verhandlungstag

Am Dienstag, den 05.10.21, begann der 17. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten pünktlich um 9:00 Uhr. Im Laufe des Tages waren sieben solidarische Menschen als Prozessbeobachterinnen und -beobachter im Gerichtssaal anwesend.

Der erste Zeuge war ein Herr Hoffmann, 65 Jahre alt und ehemaliger Bulle vom BKA. Die Richterschaft wollte zunächst die Aufgabe des BKA-Beamten bei den Ermittlungen gegen den Beschuldigten erfahren, da er etwas dazu sagen könnte, wie und welche internetfähigen Endgeräte damals Cem zuzuordnen waren und welche Recherchen dieser damit getätigt habe. Der Zeuge sagte, dass er sich an die Ermittlungen erinnern könne, dass seine Aufgabe gewesen wäre sich mit dem Beschuldigten zu beschäftigen, seine Vita zu erforschen und die Ermittlungsmaßnahmen zu betreuen. Dazu habe er die Ausländerakte studiert und in Cems Geburtsstadt Nachforschungen angestellt. Auf die Frage des Gerichts, was für Erkenntnisse sich daraus ergeben hätten, äußerte er sich über die familiären Beziehungen und den Aufenthaltsstatus des Angeklagten. Zu dessen beruflichen Werdegangs wusste er nicht zu sagen, nur dass er Internetseiten designt und in Berlin verschiedene Kellnerjobs übernommen habe. Nun kam das Gericht auf die überwachte Internetrecherche zu sprechen und wollte wissen, wie die Behörden auf den Anschluss gekommen seien und wie sie bestimmte Geräte dem Angeklagten zuordnen konnten. Konkret gehe es dem Gericht auch darum, was sich der Angeklagte in einem bestimmten Zeitraum vermeintlich im Internet angesehen habe. Da Cems Mobiltelefon sowie das Mobiltelefon und der Festnetzanschluss seiner damaligen Freundin bereits überwacht worden sei, haben die Ermittler feststellen können, dass er zu diesem Zeitpunkt in einer WG lebte, so der Zeuge. Die Telekommunikationsüberwachung habe gezeigt, dass er auch den dortigen Festnetzanschluss nutzte, weshalb daraufhin die Telefonate, E-Mails und der Datenverkehr, die über den Anschluss der WG liefen, überwacht worden seien. Dabei wurde beobachtet, dass zwei Rechner über den DSL-Anschluss ins Netz konnten, wovon einer Cem zugeordnet wurde, da dieser in Cems Abwesenheit von der Wohnung nicht genutzt wurde und sich durch technische Daten (User-Agent) zeigte, dass die beiden Rechner unterschiedliche Betriebssysteme hatte. Zusätzlich sei nur über einen der beiden Rechner in türkischer Sprache kommuniziert worden. Genauere technische Details könne der Zeuge nicht liefern, er habe nur die Daten ausgewertet. Die Frage des Gerichts, ob der in den Protokollen der TKÜ angegebene User-Agent bei der Überwachung mitgeliefert werde, wurde vom Zeugen bejaht. Dass damals bereits Daten vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das BKA übermittelt wurden, sei dem Zeugen bekannt, jedoch welche Daten und ob da bereits der User-Agent dabei gewesen war, könne er nicht mehr sagen, sie hätten die Daten vermutlich einfach entgegengenommen. Nun wurde der Zeuge gefragt, welche Internetseiten aufgerufen wurden. Aufgrund seiner Vorbereitung könne er sich daran erinnern, dass es im Anschluss an den Anschlag Recherchen dazu gegeben hatte. Auf die Frage, ob er sich an einen Vermerk im Überwachungsprotokoll zum 27.04. ab 04:17 Uhr erinnere, antwortet der Zeuge, dass es in dieser Nacht Anschläge im Wedding und auf das Gebäude der Senatsverwaltung gegeben habe. Ab 8:00 Uhr hätten sie dann Recherchen bei Zeitungen und Nachrichtenportalen wahrgenommen, jedoch nichts konkretes zu den Anschlägen, es sei nach Aktuelles, Polizeibericht, Tatort usw. gesucht worden. Ob die Recherche denn zu irgendwelchen Ergebnissen geführt habe, wollte das Gericht nun wissen. Nein, es seien keine Presseberichte zu den Anschlägen aufgefunden worden, am nächsten Tag seien dann auf Indymedia und linksunten Bekennerschreiben aufgetaucht, die auch vom Nutzer des überwachten Rechners aufgerufen worden seien. Ob der Nutzer sich denn auch andere Nachrichten angesehen habe oder nur vermeintlich nach diesen Anschlägen gesucht habe, war die nächste Frage des Gerichts. Der Nutzer sei damals sehr umtriebig im Internet gewesen, also habe auch andere Seiten besucht, so der Zeuge, im Vermerk seien aber nur verfahrensrelevante Sachen notiert worden. Auf Nachfrage gibt der Zeuge noch an, dass der Nutzer vor allem in den Abend- und Nachtstunden im Internet unterwegs gewesen sei, es war also nicht ungewöhnlich, dass er an diesem Tag um diese Uhrzeit im Internet war, was sich ja auch an den Protokollen zeige.

Nun wollte das Gericht wissen, ob im Zeitraum vom 19.03. – 03.04.2011 etwas auffällig gewesen sei. Der Zeuge antwortete, dass es da ja Patronenverschickungen gegeben habe und am 18.03.2011 sei ein Bekennerschreiben dazu per Mail verschickt worden. In dem fraglichen Zeitraum sei über den Rechner, der dem Beschuldigten zugeordnet wurde, dann versucht worden sich einen Überblick über die Personen zu verschaffen, die Patronen erhalten haben, d.h. es wurden ihre Namen und Funktionen recherchiert. Ob es im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das Bundeshaus am 18.11. 2010 etwas Auffälliges gegeben habe, war die nächste Frage an den Zeugen. Es sei festgestellt worden, dass zu diesem Anschlag Recherchen erfolgten, im Zusammenhang mit den Recherchen zu den Patronenversendungen seien auch Bilder des Anschlags auf das Bundeshaus von der Seite linksunten aufgerufen worden, so die Antwort. Die Frage, ob festgestellt werden konnte, wer sich am 27.04.2011 in der Wohnung aufgehalten habe, wurde vom Zeugen dahingehend beantwortet, dass der Hauseingang videoüberwacht wurde und Observationen stattgefunden haben, aus den Erkenntnissen dieser Maßnahmen habe man das feststellen können. Der Staatsanwalt, dem der Zusammenhang zwischen Patronenversand und dem Anschlag auf das Bundeshaus nicht ganz klar war, wurde vom Zeugen auf seine entsprechende Dokumentation in den Akten verwiesen.

Die Verteidigung wollte nun wissen, in welchen Themenbereichen denn die anderen Recherchen stattgefunden hätten, wozu der Zeuge angab, nichts sagen zu können. Was für politische Themen denn recherchiert wurden? Es seien Internetseiten von Publikationen und ähnlichem aufgerufen worden, so der Zeuge, wie etwa das Gefangenen Info, Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, Zusammen Kämpfen. Ob der Zeuge konkretisieren könne, in welche Richtungen diese Recherchen gingen? Der Beschuldigte schien maßgeblich an einer Publikation beteiligt gewesen zu sein, habe Druckaufträge über das Internet recherchiert und aufgegeben und an seine Adresse schicken lassen, antwortete der BKAler. Ob es also Recherchen im Bereich der militanten, radikalen Linken gegeben habe, wurde bejaht, allerdings könne er jetzt nicht mehr sagen, was konkret recherchiert worden sei. Die Erkenntnisse zum Gefangenen Info seien in die Dokumentation eingeflossen, vieles andere aber nicht. Nun wollte die Verteidigung wissen, mit welchen Unterlagen sich der Zeuge denn vorbereitet habe. Dieser antwortete, er habe die eigenen Vermerke und Protokolle sowie die Anklageschrift gelesen. Nachdem die Verteidigung fragte, woher er denn die Anklageschrift erhalten habe, teilte er mit, dass er sie von seiner Dienststelle bekommen habe. Da der Zeuge zunächst nicht sagen konnte, ob es sich dabei um die gesamte Anklageschrift gehandelt hat, bestätigte sich dies anhand des vom Zeugen genannten Seitenumfangs eben dieser, worauf die Verteidigung anmerkte, dass also das wesentliche Ermittlungsergebnis darin enthalten sei. Der Zeuge sagte, dass die Anklageschrift nicht nach Auffassung der Dienststelle, sondern für ihn selbst, relevant gewesen sei. Ob er danach gefragt habe? Nein, er hätte Einblick in die Dokumente erhalten und da sei die Anklageschrift dabei gewesen.

Die Verteidigung kam daraufhin auf die Recherche bezüglich der Patronenverschickungen zurück und wollte wissen, ob es ab dem 19.03. eine konkrete Suche im Internet dazu gegeben habe. Es sei nur allgemein nach Presseinformationen gesucht worden, diese Suche habe auch keine Treffer ergeben, die irgendwelche Hinweise auf die Patronenversendung enthalten hätten, so der Zeuge. Auf weitere Nachfrage sagt der Zeuge, dass es erst am 20., also zwei Tage nach Auftauchen des Bekennerschreibens, eine konkrete Recherche gegeben habe. Also war da davor nichts, stellte die Verteidigung fest. Auf die Frage, ob E-Mails von dem Rechner geschrieben worden seien und ob da denn etwas relevantes festgestellt werden konnte, antwortet der Zeuge, dass die ein oder andere E-Mail-Adresse erstellt worden sei, es hätten sich aber keine Bezugspunkte zu Straftaten ergeben. Dann wurde der Zeuge entlassen.

Die Verteidigung erklärte, dass sie der Verwertung der Aussage des Zeugen widerspreche, der Zeuge habe, da ihm die gesamte Anklageschrift vorgelegen habe, mehr Einblick in das wesentliche Ermittlungsergebnis erhalten als die Schöffen, es sei nicht mehr davon auszugehen, dass es sich bei den Aussagen um originäre Erinnerungen handle. Die Erklärung wurde vom Gericht aufgenommen und eine Pause von fünf Minuten einberufen.

Nach der Pause wurde der nächste Zeuge vorgeladen, ebenfalls ein pensionierte Beamter vom BKA, 62 Jahre, namens Roland Achilles. Er habe sich vor der Vorbereitung noch vom Namen her an die Sache erinnern können, in die näheren Ereignisse und Inhalte habe er sich aber erst wieder „reinfuchsen“ müssen. Hierzu habe er zuerst den Richter angerufen und nach dem Beweisthema gefragt und dann von der Dienstelle die Akten gezogen, konkret sei es die komplette Verfahrensakte gewesen, die Anklageschrift habe ihm nicht vorgelegen.

Das Gericht wollte nun bezugnehmend auf einen Vermerk des Zeugen vom 13.09.2010 Näheres zur Zuordnung der internetfähigen Endgeräte erfahren. Der Zeuge antwortete darauf, dass es drei verschiedene Geräte gewesen sein, ein iPhone und zwei PCs, die sich eingeloggt haben, wobei der User-Agent mitgeloggt wurde. Dabei sei festgestellt worden, dass die beiden Rechner unterschiedliche Betriebssysteme nutzten, ein Rechner verwendete ein Windows-System, der andere ein Linux-System. Durch weitere TKÜ-Maßnahmen und Observationen wurde festgestellt, dass der Linux-Rechner nur in Cems Anwesenheit in der Wohnung genutzt wurde und umgekehrt, so dass dieser von den Behörden Cem zugeordnet wurde. Das Gericht fragte, ob der Zeuge das selbst recherchiert habe, also die An- und Abwesenheit des Beschuldigten. Hierauf antwortete der Beamte, dass sie sich Überwachungsvideos angesehen hätten, aber die Zuordnung hauptsächlich Ergebnis der Telefonüberwachung gewesen sei, da man mitgehört habe, dass über die Abwesenheit der Personen gesprochen wurde. Die Videoüberwachung sei immer unsicher und nicht genau genug, da es zu viele Variablen gebe, beispielsweise Wetterverhältnisse, Lichtbedingungen, weitere Ein- und Ausgänge, etc. weshalb man sich zur Verifikation des Aufenthalts bzw. der Abwesenheit in der WG auf die Telefonüberwachung bezogen habe. Außerdem seien nur über den Linux-Rechner türkische Seiten aufgerufen worden und der damalige Mitbewohner habe den Erkenntnissen der Behörden nach kein Türkisch gesprochen. Ob diese Gespräche über die Abwesenheit des jeweils anderen Mitbewohners häufig gewesen seien? Er glaube, dass sechs oder sieben mal etwas notiert worden sei, antwortet der Zeuge und fügt hinzu, dass die Standortabfrage des Mobiltelefons ebenfalls zu unsicher gewesen sei. Das Gericht erwähnt, dass entsprechende Vermerke zur Abwesenheit des Angeklagten in den Akten zu finden seien. Ob sich der Zeuge mit der Auswertung der Internetrecherche des Linux-Rechners beschäftigt habe, kann er auf Nachfrage des Gerichts nicht mehr beantworten. Ob er etwas über die Auswertung des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zur Recherche wisse? Das sage ihm nichts, so der Zeuge. Auf die Frage des Gerichts, was seine sonstige Tätigkeit gewesen sei, antwortet er, dass er hauptsächlich mit der chronologischen Aktenführung beschäftigt gewesen sei, eine sehr aufwendige Tätigkeit.

Nun begann die Verteidigung mit der Befragung des Zeugen und wollte von diesem bezüglich seiner Vorbereitung wissen, ob er selbst nach den Verfahrensakten gefragt habe. Nein, er sei hingefahren und habe durch den Herrn Arendts (oder Ahrens?), dem ehemaligen Ermittlungsführer, Zugang zu den Akten erhalten. Ob das üblich sei, wollte die Verteidigung wissen. Dies bejahte der Zeuge, wenn die Ermittlungen zehn Jahre zurückliegen sei dies schon üblich. Ob das alle Kollegen machen könnten? Nur die Kollegen, die vor Gericht geladen werden, könnten Zugang zu den kompletten Akten erhalten, antwortete der Zeuge und begründete auf eine entsprechende Frage den Blick in die Akten damit, dass ja vor Gericht nochmal konkret nachgefragt werde. Was er denn ohne das „Reinfuchsen“ noch gewusst hätte? Nachdem der Richter im Telefongespräch den User-Agent erwähnt habe, habe er sich daran erinnert, dass es da zwei bis drei gab, da dies das erste Verfahren gewesen sei, wo bei ihm in der Behörde so etwas genutzt worden sei, lautete die Antwort. Wie viele Beamte an dem Vermerk beteiligt gewesen waren, fragte die Verteidigung, worauf der Zeuge antwortete, dass er den Vermerk alleine geschrieben habe, aber wie viele Beamte da etwas zu geliefert hätten, das wisse er nicht mehr, die Arbeit zu dem User-Agent stamme jedenfalls originär von ihm. Auf eine diesbezügliche Frage teilte der Zeuge mit, dass er im Vorfeld nicht gewusst habe, dass der Kollege Hoffmann (vorheriger Zeuge) ebenfalls geladen war, er habe ihn gerade eben erst vorhin getroffen. Ob die Vorbereitung auf eine Ladung vor Gericht einem festen, formalisierten Ablauf folge? Das könne man so nicht sagen, nicht das er wüsste, so der Zeuge. Die Verteidigung wollte nun mit mehreren Fragen noch einmal genauer wissen, wie die Vorbereitung abgelaufen sei, ob der Zeuge selbst direkt nach Akten gefragt habe, was ihm angeboten wurde… Der Zeuge erläutert, dass die Ladung zuerst bei besagtem Herrn Arendts eingegangen sei, dieser sie an den Zeugen weitergeleitet habe, worauf der Zeuge sich telefonisch beim Richter nach dem Thema erkundigt habe, daraufhin habe er bei Herr Arendts um Recherche in den Akten gebeten, nach Dokumenten wo sein Name, also der Name des Zeugen, auftaucht. Die Anklageschrift sei ihm nicht angeboten worden, er hätte sie aber sicher bekommen, wenn er danach gefragt hätte. Daraufhin wird der Zeuge entlassen, das Gericht weist darauf hin, dass der nächste Termin erst um 11 Uhr beginnen werde und dass dann mit einer vorläufigen Einschätzung des Gerichts zum Verfahren zu rechnen sei und entlässt die Prozessbeteiligten um 10:35 Uhr in die Mittagspause bis 13:00 Uhr.

Nach der Pause erschien der nächste Zeuge, wie üblich bei den Vertretern seines Metiers, nur unter folgenden Arbeitspersonalien vor Gericht: Name: Michael Engelbrecht, 66 Jahre alt, Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Ruhestand, sei dort Referatsgruppenleiter gewesen, Dienststelle Köln. Nur um den geneigten Leserinnen und Lesern unserer Berichte einen Eindruck vom Zeugen und der Stimmung im Gerichtssaal zu vermitteln, sei erwähnt, dass es sich um einen langen, schlanken Mann handelte, vermutlich mit falscher Gesichts- und Kopfbehaarung, aber das interessiert eh niemanden, der sichtlich darum bemüht war, einen souveränen und selbstsicheren Eindruck abzuliefern, was sich an der Art wie er zwischenzeitlich zurückgelehnt mit ausgestreckten Beinen auf seinem Stuhl saß, seine Aussagen mit dem Nicken bzw. Schütteln des Kopfes unterstrich und seiner aufgesetzten Eloquenz zeigte. Auch versuchte er immer wieder mit seinem vorgeblichen Wissen über die marxistisch-leninistischen Klassiker auftrumpfen zu wollen, was ihm allerdings nur bedingt glückte, da es diesem eindeutig an Breite mangelte, wie sich im Verlauf der Vernehmung offenbarte, auch wenn wir nicht in Abrede stellen wollen, dass er sich sicherlich bis zu einem gewissen Grad in diese Thematik eingearbeitet hat, aber für einen Lehrstuhl am Institut für Marxismus-Leninismus hätte es definitiv nicht ausgereicht. Anzumerken sei noch, dass auch der Staatsanwalt auffiel, weil er zwischendurch wie ein aufgeregtes Kind, das nicht mehr stillsitzen kann, vorgebeugt auf seinem Drehstuhl hibbelte. Doch kehren wir nun wieder nach diesem kurzen Exkurs der subjektiven Eindrücke zurück zur chronologischen Berichterstattung der Ereignisse im Gerichtssaal.

Die erste Frage des Gerichts an den Zeuge, ob er den wisse, worum es hier gehe, bejahte dieser, es gehe um die Rolle des Angeklagten in den Revolutionären Aktionszellen (RAZ) und der Revolutionären Linken (RL) und wie „das Phänomen RAZ/RL“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz eingeschätzt worden sei. Was denn Referatsgruppenleiter genau bedeute, wollte das Gericht als nächstes wissen. Als Referatsgruppenleiter, habe er in einem Referat die verschiedenen Gruppen geleitet, so der Zeuge, seine Aufgabe sei das Lesen von Berichten und Texten gewesen, diese auf Plausibilität zu prüfen, zusammenzufassen und an die Amtsleitung weiterzugeben. Die Zeitschrift radikal habe er aus eigenem Interesse „segmentarisch“ gelesen, das Interview mit der mg sei beneidenswert gut gewesen, wenn auch radikal verfassungsfeindlich. Was er zu der Gruppe sagen könne und woher die entsprechenden Erkenntnisse stammen würden, fragte das Gericht den Zeugen. Die Erkenntnisse würden aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und Textanalysen stammen, antwortete dieser, mehr könne er dazu nicht sagen. Es sei von der Gruppe eine Teilung von Theorie und Praxis vorgesehen worden, wobei ein Vielheit von Kämpfern suggeriert werden sollte, die über viele kleine Nadelstiche die Herrschenden angreifen und so am Herrschen hindern sollten. Es habe sich dabei um etwa zehn Leute gehandelt, wobei jeder jeden kannte und alles wusste, diese Personen seien vor allem in Berlin gewesen, aber auch einzelne in Magdeburg und Stuttgart, es sei eine radikal leninistische Gruppierung gewesen mit dem Ziel des Parteiaufbaus und man habe sich mit der Herausgabe der radikal beschäftigt. Diese leninistische Ausrichtung habe sich auch an der Zeitschrift radikal gezeigt, die laut dem Zeugen, der Zeitung Iskra von Lenin entsprechen würde, denn auch in der radikal seien die Kritiken an Rosa Luxemburg wiederholt worden. Wieso es nur zehn Personen gewesen sein sollen, fragte das Gericht. Das dürfe er nicht sagen, antwortete der Zeuge, aus Erkenntnissen seiner Behörde habe sich ergeben, dass es höchstwahrscheinlich zehn Personen gewesen seien. Wie der Zeuge denn darauf komme, dass jeder alles wusste? Bei zehn Leuten sei es sehr wahrscheinlich, dass alles gemeinsam gemacht werde, war die Antwort des Zeugen, die Gruppe sei klein gewesen, habe sich häufig getroffen. Auf die Frage, ob sich denn alle gemeinsam getroffen hätten, antwortete der Zeuge, dass es Treffen von vier, fünf Leuten gegeben habe, er könne sich nicht erinnern, dass sich alle gemeinsam getroffen hätten. Der Richter fragte nun, ob es Erkenntnisse gab, wie in der Gruppe Entscheidungen getroffen worden seien. Wie Entscheidungen getroffen wurden, dazu wisse man nichts, aus Sicht der Behörde habe es aber führende Mitglieder gegeben, unter anderem sei dies Cem gewesen, da er zuvor im Unterstützerkreis der DHKP-C aktiv gewesen sei und dort für die Zeitung und Aktionen zuständig gewesen sein soll und das Modell dieser Organisation entspreche dem der RAZ/RL, so der Verfassungsschützer. Woher der Zeuge wisse, dass die Zeitung maßgeblich von Cem gemacht worden sei, dass dürfe er nicht sagen, diese Erkenntnisse wurden über einen längeren Zeitraum gesammelt. Nun fragte das Gericht noch einmal nach, dass der Zeuge doch zuvor gesagt habe, man wisse nicht, wie in der Gruppierung Entscheidungen getroffen wurden, wieso jetzt von Führung in der Gruppe die Rede sei. Der Zeuge antwortete, dass es keine offiziellen Führer, sondern nur informelle Führer gegeben habe und wiederholt, dass die Gruppe nach dem Vorbild der DHKP-C gegründet worden sei. Im Behördenzeugnis wird eine Waffe erwähnt, was könne der Zeuge dazu sagen, fragte das Gericht. Das sei nur Spekulation gewesen, weil Patronen verschickt worden seien, habe er diese Sturmgewehr recherchiert, auch weil sich das Kommando nach einem Terroristen benannt habe, und die Erwähnung, dass die nächste Patrone per Express zugestellt werden könnte, da habe er diese Waffe zur Kenntnis genommen. Ob es einen Kontakt zwischen Oliver Rast und Cem gegeben habe, war die nächste Frage des Gerichts. Das wisse er nicht, eventuell stand dazu etwas im Behördenzeugnis, lautete die Antwort. Der Richter las daraufhin eine entsprechende Stelle vor, die darauf hindeutet, dass es ein Treffen zwischen beiden gegeben habe und ein Text besprochen worden sei. Die Frage, ob er etwas mit dem MG-Verfahren zu tun gehabt habe, wird vom Zeugen bejaht. Ob er damals unter dem Namen Guido Engelbrecht zur Struktur der MG ausgesagt habe? Ja, da sei es wohl zu einer Verwechslung des Vornamens gekommen, so etwas passiere bei einer so großen Behörde schon mal. Ob der Zeuge etwas zur Ähnlichkeit zwischen MG und RL bzw. RAZ sagen könne? Das habe sich aus dem Interview zur Auflösung der MG ergeben, worin auch eine Fortführung in einer anderen Form angekündigt worden sei, weshalb seine Behörde die RAZ und RL, die er auch als eine Einheit betrachte, als Nachfolgeorganisation der MG eingestuft habe, so die Antwort des Zeugen. Das Gericht fragte nun, ob denn die Brandanschläge, die der RAZ zugeordnet werden, etwas Neues seien? Die Brandanschläge seien eine Fortführung, auch die MG habe Patronen verschickt, antwortet der Zeuge und führt weiter aus, dass sich nach den Patronenversendungen die entsprechenden Personen an ihn gewendet hätten und gefragt hätten, ob sie nun bedroht seien. Auf eine entsprechende Nachfrage, sagt der Zeuge, dass RAZ im Unterschied zur MG eine weitere Zellenstruktur gehabt habe und zur Nachahmung anregen wollte. Auf die Frage wie lange denn der Observationszeitraum war, antwortete der Zeuge, dass er dies nochmal nachfragen müsste.

Nun begann der Staatsanwalt mit der Befragung und wollte wissen, was der Zeuge dazu sagen könne, dass die Einheit von RAZ und RL auf szeneinternen Plattformen geäußert und dort auch dementiert worden sei. Dies sei eine strategische Behauptung gewesen, um den Staat anzugreifen, durch viele kleine Nadelstiche sollte eine revolutionäre Situation geschaffen werden, so der Zeuge. Woher stamme letztlich die Einschätzung des Zeugen, dass es sich um eine Gruppe gehandelt habe, war die nächste Frage des Staatsanwalts. Dies habe sich aus der Verwendung gleicher Kernbegriffe ergeben und im ähnlichen Sprachverlauf gezeigt, auch hätten beiden Gruppen nach leninistischen Prinzipien gearbeitet, Tatbekenntnisse mit Namen ehemaliger bzw. verstorbener Terroristen seien zwar nur von der RAZ gekommen, seien aber in der radikal erschienen, bevor diese öffentlich erreichbar gewesen sei, antwortete der Zeuge leicht stotternd in unvollständigen Sätzen. Es habe auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse gegeben, dass es sich um einen Personenkreis gehandelt habe, lautet die Antwort auf eine entsprechende Farge des Staatsanwalt. Die nächste Frage war, woran festgemacht wurde, dass es sich um eine streng dogmatisch leninistische Gruppierung gehandelt habe. Der Zeuge antwortete, dass sie sich „außergewöhnlich, ich muss sagen, beneidenswert gut“ mit den Klassikern auskannten, was sich auch an dem „recht gut geschriebenen“ Text „Militanz ohne Organisation ist wie Suppe ohne Salz“ zeige, wo auch auf die Bedeutung der Gegebenheit der historischen Bedingungen verwiesen werde. Die letzte Frage des Staatsanwalts zielte auf die Mitgliedschaft und Rolle des Angeklagten in der RAZ/RL, welche Anhaltspunkte es dazu gegeben habe. Genau könne er das nicht sagen, es handele sich dabei um eine Vermutung seinerseits, so der Zeuge, der Angeklagte habe linke Buchläden besucht, wo auch Ausgaben der radikal aufgetaucht seien, daher liege die Vermutung nahe, dass er für die Verteilung zuständig gewesen sei, habe alle Aufgaben übernommen. Die Verteidigung bittet um eine zehnminütigen Pause, um sich vor der Befragung des Zeugen beraten zu können.

Um 13:45 Uhr stellte die Verteidigung ihre erste Frage an den Zeugen und wollte wissen, welches denn das Gründungsdatum der RL gewesen sei. Dies sei 2009 gewesen, so der Zeuge, mit Erscheinen der radikal. Ob es eine Gründungserklärung gegeben habe? Nein, die habe es nicht gegeben, die Erkenntnisse zum Gründungsdatum seien aus dem Interview mit der MG geschlossen worden. Wie viele Personen haben die RAZ denn zur Zeit der Gründung umfasst? Dazu habe er keine Erkenntnis, 2011 seien es elf Personen gewesen, also 2009 vielleicht zwei bis drei weniger, antwortet der Zeuge und fährt fort, dass RAZ und RL für ihn eins seien. Wann seien denn die RAZ das erste Mal aufgetaucht, war die nächste Frage der Verteidigung, worauf der Zeuge antwortet, dass dies mit dem Bekennerschreiben in der radikal 162 gewesen sei. Ob es Personen gab, die nicht zeitgleich in beiden Gruppen waren? Ob die Personenidentität absolut war zwischen RAZ und RL? Zu beiden Fragen sagte der Zeuge, dass es keine Erkenntnisse dazu gebe, dass er nur sagen könne, dass die Personen, die sie verdächtigten, in beiden Gruppen waren. Auf Nachfrage betonte er erneut, dass das BfV von einer Einheit beider Gruppen ausgehe. Nun fragte die Verteidigung nach der Tätigkeit der RL. Dies sei die Herausgabe der radikal gewesen, antwortet der Zeuge und fügt auf eine entsprechende Nachfrage hinzu, dass es keine Erkenntnisse dazu gebe, welche Personen, an einzelnen Artikeln mitgewirkt hätten. Ob er denn ausschließen könne, dass es zwischen den Gruppen nur eine politische Schnittmenge gegeben habe und diese sich daher aufeinander bezogen hätten, wurde vom Zeugen nicht beantwortet, die Verteidigung merkte dazu noch an, dass er ja nicht sagen wolle, woher diese Erkenntnisse dazu stammten und fährt mit der Frage fort, warum denn dann zwei doch recht unterschiedliche Namen existieren. Dies wird vom Zeugen dahingehend beantwortet, dass keine Trennung beobachtbar gewesen sei, die zwei Namen nur nach außen getragen worden seien, als Simulation, um Leute anzustiften und der Repression entgegenzuwirken. Ob es denn interne Texte gebe, die dies belegen, also dass nur nach außen der Anschein erweckt werden sollte, dass es sich um zwei Gruppen handle? Nein, die gebe es nicht, so der VSler, es sei eine kleine Gruppe und daher nicht notwendig gewesen, Textanalyse und Beobachtung habe den Eindruck hinterlassen, dass es eine Gruppe gewesen sei. Die Verteidigung weist darauf hin, dass es sich hier doch um Zirkelschlüsse handle, außerdem habe es doch keine Treffen von acht bis zehn Personen, d.h. keine Gesamttreffen gegeben, worauf der Zeuge erwidert, dass es sich um Schlussfolgerungen handle, es gebe keine Erkenntnisse dazu, dass Gericht müsse das jetzt einfach würdigen, dass seine Behörde sage, dass es nur zehn Leute gewesen seien. Die nächste Frage bezog sich darauf, welche Personen die RAZ bzw. RL angestoßen haben und auf das ideologische Fundament der Gruppierungen, welche Erkenntnisse es dazu gebe. Der Zeuge antwortete, dass sich die Ideologie im Interview mit der MG zeige, Cem sei zuvor im Umfeld der DHKP-C tätig gewesen und es bestehe da ja eine Namensgleichheit mit Revolutionäre Linke. Auf die konkretere Nachfrage zu den vermeintlichen Gründungspersonen Cem, Oliver Rast antwortet der Zeuge, dass es dazu keine Fakten oder Erkenntnisse gebe, es liege nahe, weil es Kontakt zwischen Oliver und Cem gegeben habe. Zur Frage der Soliarbeit für die DHKP-C antwortet der Zeuge, dass der Beschuldigte dieser bei Tayad nachgegangen sei. Ob er das Gefangenen Info kenne, bejaht der Zeuge, ob sich dieses nur mit der DHKP-C beschäftigt habe, konnte er allerdings nicht sagen. Ob alle Mitglieder bei Tayad der DHKP-C zuzurechnen seien, wurde vom Zeugen ebenfalls bejaht, ebenso wie die Frage, ob das Organisationsmodell von DHKP-C und RAZ identisch sei, allerdings merkte er hierzu noch an, dass es sich bei diesem Modell mit Aufteilung von Partei und Kämpfern nicht um ein Alleinstellungsmerkmal handele, die RAZ habe keinen hierarchischen Aufbau gehabt. Hier hakte die Verteidigung nach, dass die DHKP-C doch eine streng hierarchische Kaderorganisation sei mit Generalsekretär und so weiter, worauf der Zeuge erwiderte, dass man das nicht vergleichen könne (wozu die Verteidigung einwirft, dass er doch genau das getan habe), die RAZ sei viel zu klein gewesen. Auch habe es keine Erkenntnisse dazu gegeben, dass die RAZ vorgehabt hatte eine Kaderorganisation/Partei aufzubauen, auch habe es keinen konkreten Bezug auf die DHKP-C gegeben, aber auf andere Parteien in Brasilien und Südamerika.

Nun wollte die Verteidigung vom Zeugen wissen, ob ihm das Foltersystem in der Türkei bekannt sei und ob er sich vorstellen könne, dass Menschen sich einfach aus humanitären Gründen bei Organisationen wie Tayad engagieren, was dieser beides bejaht. Ob V-Leute eingesetzt wurden, dürfe er nicht sagen und verweist auf das Behördenzeugnis, dass daraufhin dahingehend vom Gericht und der Verteidigung überprüft wurde. Die anschließende Frage, ob die Erkenntnisermittlung aus eigenen oder externen Quellen stamme, will er auch nicht sagen, nur die Frage, ob sie durch nachrichtendienstliche Mittel erlangt wurden, bejahte der Zeuge, könne aber nicht sagen welche. Nun kam die Verteidigung auf die Brandanschläge zu sprechen und stellte Fragen zur Größe der Kommandos, welche Verbindung es zwischen diesen gegeben haben soll und zur Personenidentität in den Kommandos. Zur Größe der einzelnen Kommandos gebe es keine Erkenntnisse, nur dass sie den RAZ zugeordnet wurden, zu den Personen in den Kommandos gebe es auch keine Erkenntnisse. Dass es laut den ML-Klassikern, die der Zeuge doch gelesen habe, klandestin gehalten werden sollte, wer noch Teil der Gruppe ist, wird vom Zeugen dahingehend abgetan, dass ja auch die historischen Bedingungen berücksichtigt werden müssten. Auf die weitere Frage, wie denn solche Gruppen vorgehen würden, um zu verhindern, dass sie durch Verhaftung einzelner Mitglieder zerschlagen werden, nennt der Zeuge das Dreiecks-Prinzip, welches in der Gruppe aber nicht notwendig gewesen sei, allerdings lägen hierzu keine Erkenntnisse vor. Ob es nicht auch möglich gewesen wäre, dass es bei den Treffen gar nicht um die radikal ging, sondern beispielsweise um das Gefangenen Info oder allgemein über politische Gefangene sich ausgetauscht wurde? Dies sei möglich, so der Zeuge. Ob der Zeuge denn ausschließen könne, dass sich nur zwei oder drei Personen getroffen haben und die Anschläge gemacht haben ohne die anderen? Nein, das könne er nicht ausschließen, sei aber wegen der kleinen Größe der Gruppe unwahrscheinlich, da hätten alle Wissen über das nächtliche Losziehen anderer gehabt, so die Vermutung des Zeugen. Ob denn alle Mitglieder identifiziert werden konnten? Ja, sie hätten zehn Namen, die Erkenntnisse dazu stammten aus nachrichtendienstlichen Mittel über einen längeren Zeitraum, ob diese auch dem BKA oder der Bundesanwaltschaft übermittel worden sind, wusste der Zeuge jedoch nicht. Nachdem der Zeuge die Frage, ob die Gruppe konspirativ organisiert gewesen sei bejaht hatte, wollte die Verteidigung wissen, wie das denn mit einem öffentlichen Kongress in Magdeburg zusammenpasse. Dies beantwortet der Zeuge dadurch, dass er sagte, der angekündigte Kongress habe ja nie stattgefunden. Dann versicherte sich die Verteidigung beim Zeugen erneut, dass es ja noch in zwei weiteren Städten außer Berlin Mitglieder gegeben habe und es dort keine Anschläge gegeben hat und wollte wissen, wie das denn nun zusammenpasse. Der Zeuge vermutete, dass es in den anderen Städten nicht genug Leute gewesen seien. Ob bei den erwähnten Besuchen des Beschuldigten in verschiedenen Buchläden nicht auch das Gefangenen Info oder die Zeitschrift Strike verteilt worden hätte sein können? Das könne sein, so der Zeuge, man habe dort aber auch aktuelle Ausgaben der radikal gefunden. Ob die unterschiedliche technische Durchführung bei den Anschlägen nicht auch auf eine personelle Differenz hindeute, wurde von dem Zeugen beantwortet, indem er sagte, dass es keine Differenz in der politischen Ausrichtung gegeben habe, das zeige sich in den Bekennerbriefen, es sei nur Spekulation. Zur Frage, ob der modus operandi als bei den Ermittlungen keine Rolle gespielt habe, schweigt der Zeuge. Die Verteidigung fragte den Zeugen, dass er doch im MG-Prozess ausgesagt habe, ob er etwas zum „runden Tisch der Militanten“ sagen könne. Ja, antwortete der Zeuge, sie seien damals davon ausgegangen, dass es eine militante Organisation gab. Daraufhin erläuterte die Verteidigung dem Zeuge, dass in dem Beitrag sieben Militante diskutiert haben, die Behörde des Zeugen behauptete hatte, dass sie diese sieben Personen kenne, als Stichwort sei Antonio genannt. An dieser Stelle wurde die Verhandlung kurzzeitig unterbrochen, damit die Verteidigung dem Gericht erklären konnte, worum es ihr ging.

Um ca. 14:45 Uhr wurde die Verhandlung fortgesetzt und die Verteidigung fragte den Zeugen, ob ihm in der Pause wieder etwas in Erinnerung gekommen sei, was dieser verneinte. Ob es denn stimme, dass im MG-Prozess zuerst ein völlig falscher Personenkreis beschuldigt worden war? Der Zeuge, dessen aufgesetzte Souveränität an dieser Stelle sichtlich einige Risse bekam, antwortete, dass er sich zu erinnern meine, dass es in den Ermittlungen einen „Erkenntniswechsel“ gegeben habe, mehr wisse er nicht. Die Beschuldigung dieses falschen Personenkreises basierte maßgeblich auf Erkenntnissen des BfV, so die Verteidigung, ob sich der Zeuge oder die Behörde schlussendlich dazu geäußert habe? Er habe keine Erinnerung daran, antwortete dieser und er wüsste auch nicht mehr, auf entsprechende Frage der Verteidigung, seit wann er sich mit der MG befasst habe, darauf habe er sich nicht vorbereitet, habe mehrmals die Position gewechselt. Die Verteidigung sagte, dass sich seit 2001 dienstlich mit der MG befasst worden sei, das Verfahren 2008/2009 stattgefunden habe, laut damaliger Aussagen habe sich der Zeuge seit dem ersten Auftauchen dieser Gruppe damit befasst, wozu der Zeuge aber keine klare Aussage machte. Ob ihm denn der runde Tisch der Militanten etwas sage? Nein, da müsste er sich einarbeiten, so der Verfassungsschützer. Daraufhin stellte die Verteidigung einen Antrag den Zeugen erneut zu laden und erklärt, dass es sich beim runden Tisch der Militanten um Personen gehandelt habe, die sich als „Libertad“ um Gefangene gekümmert hätten und aufgrund von Erkenntnissen des BfV fälschlicherweise Beschuldigte im MG-Verfahren geworden seien. Ob es Ermittlungen oder Beschuldigungen gegen Cem wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C gegeben habe? Nein, keine Erinnerung, lautete die Antwort des Zeugen. Nun ging die Verteidigung auf die Namen der Kommandos ein, ob dem Zeugen der Name Georg von Rauch etwas sage? Ja, dieser sei als Mitglied der Bewegung 2. Juni von der Polizei erschossen worden. Ob er diesen dem kommunistischen Spektrum zuordnen würde? Nein, eher dem anarchistischen Spektrum. Ob so eine Namensgebung zur DHKP-C passen würde? Nein, eher nicht. Laut dem Behördenzeugnis habe die Führungsebene der RAZ 2012 einen Anschlag geplant, was der Zeuge dazu zu sagen habe? Dieser antwortete, dass es zu diesem Anschlag nicht gekommen sei, er habe keine Erinnerung warum. Die Verteidigung merkte noch an, dass auch Erscheinungsdaten der radikal vom Verfassungsschutz falsch eingeschätzt worden seien und der Zeuge wurde entlassen.

Nun wurden Fotos vom Eingangsbereich des Internetcafés Eis36 in Augenschein genommen und der Richter verlas die Behördenauskunft zur Aufenthaltsermittlung des damaligen Mitbewohners des Beschuldigten. Die Verteidigung erwähnte noch, dass sie einen Beweisantrag zu dem Internetcafé geplant habe und wollte vom Gericht wissen, ob dieses nach Betrachten des Fotos davon ausgehe, dass sich das Café im 1. Stock befände, was vom Gericht verneint wurde. Um kurz vor 15:00 Uhr wird der Verhandlungstag beendet.


18. Verhandlungstag

Am 7.10.2021, einem Donnerstag, begann, während sieben solidarische Menschen anwesend waren, der 18. Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Freund und Gefährten um 11:00 Uhr in Moabit damit, dass das Gericht eine Erklärung bezüglich des Ergebnisses seiner Vorberatung abgab. Die Strafkammer gehe nach der bisherigen Beweisaufnahme in Fall 1 (Anschlag auf das Haus der Wirtschaft) von keiner Tatbeteiligung des Angeklagten aus. In den Fällen 2 und 3 gehe die Kammer von einheitlicher Beihilfe zur Brandstiftung aus. Der Angeklagte habe sich vor der Begehung der Straftaten durch unbekannte Täter mit diesen getroffen und sich bereit erklärt, Bekennerbriefe zu versenden, wodurch er psychologische Beihilfe geleistet habe. Der Verteidigung werde Zeit gegeben sich entsprechend darauf vorzubereiten.

Im Anschluss kündigte das Gericht ein Selbstleseverfahren an, dass drei Ausgaben der radikal, das Urteil im MG-Verfahren, einen Observationsbericht vom 19.03.2011, Kopien der weggeworfenen Papierschnipsel, einen Vermerk vom 19.05.2011, wo es konkret um die Internetadressen gehe, eine E-Mail, wo die Empfänger im BCC von Interesse seien, umfasst. Die Verteidigung merkte an, dass sie das Verlesen des Observationsberichts kritisch sehe, worauf der Richter erwiderte, dass der Verwertung ja auch noch im Nachhinein widersprochen werden könne. Die entsprechenden Dokumente wurden verteilt. Nachdem keine Bedenken zur Verlesung des Tätigkeitsberichts des Bullen Grasse, der als Zeuge geladen war, aber wegen coronabedingter Terminverschiebung bisher nicht erscheinen konnte, zum Bekennerschreiben an die Berliner Zeitung geäußert wurden, wurde dieser vom Richter verlesen. Auf die Vernehmung des Zeugen Grasser wurde einvernehmlich verzichtet.

Die Verteidigung gab noch eine Erklärung zu dem Zeugen Engelbrecht vom vorherigen Verhandlungstag ab. Es seien von diesem nur Spekulationen geäußert worden und Zirkelschlüsse der Art: es waren zehn Leute, weil wir nur zehn Leute gesehen haben und weil es nur zehn Leute waren, deshalb … Alternativhypothesen seien nicht geprüft worden und auch bezüglich des Kongresses in Magdeburg habe der Zeuge zugegeben, dass dies nicht zu einer klandestinen und konspirativen Gruppe passe. Der Kongress sei dem BKA und den Behörden bekannt gewesen, Herr Engelbrecht habe angegeben, keine Kenntnis davon zu haben, vermutlich weil das nicht in seine Argumentation passe. Der Verhandlungstag endete um 11:22 Uhr.

 

Der nächste Prozesstermin ist am 19.Oktober um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom 16. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Um 10:05 Uhr begann der 16. Verhandlungstag am Donnerstag den 23. September 2021. An diesem Tag zeigten sechs Personen ihre Solidarität mit dem Beschuldigten durch ihre Anwesenheit im Gericht.

Als erster wurde der Zeuge Steffen Binder vorgeladen. Dieser ist ein Polizist aus Magdeburg, vom LKA Sachsen-Anhalt und 50 Jahre alt. Als die Richterschaft ihn nach dem Grund für seine Einladung fragte, antwortete dieser, dass er wüsste worum es gehe, dass er auch den Observationsbericht, um den sich im Laufe des Tages noch vieles drehen wird, unterschrieben hätte und dass es um eine Observation in Berlin gehe. Zur Frage, ob er sich an den Einsatz erinnern würde, sagte dieser, dass er dies täte, wenn auch nicht in Gänze, dass er auch nochmals zu dem Fall was gelesen hatte. Die Richterschaft sagte auch, sie habe mit dem Zeugen telefoniert und dieser fügte hinzu, dass teils teils durch die Akten, aber auch durch das Telefont, Erinnerungen aufgetaucht seien.

Um zu beleuchten, worum es geht, begann der Zeuge mit seiner Schilderung von den zwei Ereignissen, die sich ihm nach eigener Aussage eingeprägt hätten. In der Nacht vom 17. auf den 18. März 2011 oder vom 16. auf den 17. März, der Zeuge war sich nicht mehr ganz sicher, soll Cem angeblich mehrere Briefumschläge eingeworfen haben. Dies soll in der Nähe der Frankfurter Alle passiert sein. Das Format der Umschläge sei A4 gewesen, vermutlich beinhalteten sie Zeitschriften. Die observierenden Beamten hätten diese Umschläge markiert und etwas nachgeworfen, wodurch sie am nächsten Tag, die entsprechenden Umschläge identifizieren wollten, als sie sie rausholten. Ob der Zeuge dies mit seinen eigenen Augen gesehen habe, fragte die Richterschaft als nächstes. Dies sei nicht so gewesen, er habe es über den Funk mitgehört. Als nächstes wurde gefragt, ob der Zeuge die Observation koordiniert habe. Dies sei der Fall gewesen, so die Antwort, er sei die ganze Zeit in unmittelbarer Nähe gewesen und könne auch noch den Namen des Kollegen nennen, der den Vorgang beobachten haben will. Die Richterschaft wollte wissen, soweit es die Aussagegenehmigung erlauben würde, ob der Zeuge doch bitte schildern könne, wie so eine Observation von statten gehe und was dieser gehört haben soll. Der observierende Kollege schildere über Funk, was dieser sehe. Und was hätte dann der Zeuge gemacht, fragte die Richterschaft? Dieser würde taktische Überlegungen, bzw. Entscheidungen treffen, wie weiter vorzugehen sei. Ob der Zeuge Notizen gemacht hätte? Die Verteidigung intervenierte darauf und sagte dass der Vorgang von Überwachungen im Allgemeinen bekannt seien. Die Richterschaft will diese Fragen aber dennoch stellen, wer habe dies nun gesehen, fragte sie weiter. Ein Florian Karacheck (oder Karasek). Arbeitet dieser noch in der Behörde? Ja, antwortete der Zeuge. Was sich dem Zeugen denn ansonsten noch von der Observation eingeprägt hätte? Er wisse nicht mehr genau an welchem Tag, es sei auf jeden Fall nachts und am Kottbusser Tor in Kreuzberg gewesen, der Angeklagte sei in ein Internetcafé reingegangen und habe sich mit seinem Notebook in das dortige WLAN eingeloggt. Der Zeuge könne sich daran erinnern, weil aus den Ermittlungen des BKA herausgekommen sei, dass über dieses WLAN-Netz ein Kommuniqué verschickt worden sei. Wie viele Tage später habe er dies vom BKA erfahren, fragte die Richterschaft. Einen Tag später. Ob an dem Tag auch über Funk kommuniziert worden sei. Ja und er wüsste noch, welcher Kollege die Observation durchgeführt habe, dieser sei aber inzwischen verstorben. Nahmen andere Kollegen an der Observation direkt teil? Der Zeuge sagt, er könne sich nur an diesen erinnern. Im Bericht seien ja Vermerke vorhanden, sagte die Richterschaft. Ja, dies wäre richtig, die wären im Nachhinein gemacht worden. Woher der Zeuge denn wüsste, dass der Angeklagte derselbe von damals sei? Dieser antwortete, er würde ihn wiedererkennen, da er ihn zwei Wochen lang observiert habe und während der Observation habe er ihn auch selbst gesehen. Ob er sich an irgendwelche Details erinnern könne? Er soll diesen, den Angeklagten, in der U-Bahn, zu Fuß gesehen haben, so alltägliche Sachen halt. Die Richterschaft wollte wissen, ob der Zeuge gesehen habe, dass sich der Angeklagte mit dem Notebook im Internetcafé in das WLAN eingeloggt hat. Nein, er habe dies nicht gesehen. Also wäre dies nur eine Schlussfolgerung, fragte die Richterschaft als nächstes. Ja, dies sei eine Schlussfolgerung. Ob er den Observationsbericht kennen würde? Ja, dies tat er. Wann wird so ein Bericht gefertigt? Normalerweise gleich, so der Zeuge, kann aber ein paar Tage gedauert haben, er wüsste es nicht mehr. Dieser beginne nämlich am 16.03.11 von 14:30 Uhr bis 22:00 Uhr setze sich am 17.03.11 von 13:45 Uhr bis 03:01 Uhr fort sowie am 18.03.11 von 14:13 Uhr bis 01:05 Uhr und zuletzt von 18:00 Uhr am 19.03.11 bis 02:30 Uhr am nächsten Tag. Ob der Bericht dann am 19.03.11 fertig gestellt worden sei, wie würde so etwas gemacht werden? Die Berichte würden jeden Tag verschriftlicht werden, wenn drinnen steh,t dass dieser mit dem 19.03 datiert ist, dann wurde es auch an diesem Tag gemacht. Die Richterschaft sagte, dass ihr bekannt sei, dass es auch interne Berichte gebe. Dies wäre richtig, antwortete der Bulle, aber diese sind wahrscheinlich schon vernichtet worden. Andere Zeugen, die an Observationen teilgenommen haben, fügte die Richterschaft hinzu, haben ähnliches erzählt. Der Zeuge soll doch bitte was vom verstorbenen Kollegen erzählen, Herr Pitsch, ob dieser ein versierter und erfahrener Ermittler gewesen war. Dieser sei damals schon seit fünf Jahren dabei gewesen und soll ein guter Ermittler gewesen sein, lautete die Antwort.

Zwecks des Verschriften der Berichte, wie würde dies gemacht werden, mache er sich Notizen während des Funkverkehrs? Unterschiedlich, der Zeuge habe ein Aufnahmegerät dabei gehabt und am Abend die Erkenntnisse verschriftet. Die Richterschaft wüsste von anderen Verfahren, dass nach so einem Einsatz, die Kollegen in Berlin sich in der Regel zusammen hinsetzen und diesen besprechen würden, wegen eventueller Unklarheiten. Normalerweise, antwortete der LKA Beamte aus Sachsen-Anhalt, würden Unklarheiten während der Observation geklärt werden. Aber auch später mit den Kollegen.

Nochmals zurück zum Café und den Erinnerungen daran, was würde der Zeuge unter einen Internetcafé verstehen, fragte die Verteidigung nun. Eine Bar mit Internet, wo man was trinken und auch arbeiten kann. Es gebe ja auch solche, wo schon Geräte vorhanden sind und solche, wo man die eigenen mitbringen kann, sagte die Verteidigung als nächstes.. Der Zeuge wüsste dies nicht mehr, wie das dort gewesen sei. Könne es sich auch um eine normale Kneipe gehandelt haben? Ja, könne es. Welcher denn der Name sei? Es wüsste es nicht mehr. Wie denn nun die Kommunikation zwischen dem Zeugen und den Kollegen gewesen sei? Gab es eine Standleitung? Der Zeuge antwortete, dass diese möglich war und er habe die Mitteilungen des Kollegen vollständig in den Bericht geschrieben. In dem Observationsbericht seien drei Sequenzen verfasst worden, ob diese vom Kollegen stammen? Der Zeuge geht davon aus. Ob er es denn nicht mehr wüsste, wollte die Verteidigung wissen. Da es zehn Jahre her war, könne er sich nicht mehr daran erinnern. Ob es eine längere Fassung geben würde? Nein, es gebe nur eine weitere mit der jeweiligen Zuordnung der unterschiedlichen Observatoren. Wie sei es mit den Aussagen von Herrn Pitsch? Diese wurden aufgenommen. Die Observation vom Café habe über eine Stunde lang gedauert, wieso stünde dann so wenig im Bericht darüber, wenn doch alles vollständig darin aufgenommen worden sei? Es sei nicht mehr gesehen worden als dort niedergeschrieben wurde. Weil verdeckt ermittelt wurde und man halt nicht auffliegen will, fügte er auf Nachfrage der Verteidigung hinzu. Ob die konkrete Basis für die Behauptung des Zeugen eine Erinnerung oder eine Vermutung sei, wollte die Verteidigung als nächstes wissen. Eine konkrete Erinnerung habe er nicht. Warum der Zeuge das denn dann hier berichten würde, wenn es sich nur um Vermutungen handele. Nun sollte der Zeuge aus der Erinnerung berichten, ob es bei der Observation Unterbrechungen der Wahrnehmungsmöglichkeiten des Kollegen gegeben habe. Dies sei auszuschließen, so der Zeuge, man habe den Angeklagten immer gesehen, wäre dies nämlich der Fall gewesen, sei dies vermerkt worden sein. Der Kollege soll aber im Bericht geschrieben haben, dass eine ununterbrochene Überwachung nicht möglich gewesen sein soll, sagte die Verteidigung. Das sei möglich, Herrn Pitsch habe dies zwei Tage nach dem Bericht als Vermerk aufgeschrieben, antwortete der Zeuge. Ob Herr Pitsch dem Zeugen von Unterbrechungen in der Beobachtung erzählt habe? Daran konnte sich der Zeugen nicht erinnern. Wie lange denn diese Unterbrechung gedauert haben soll? Der Zeuge wüsste es nicht mehr. Im Bericht stehen nur drei Uhrzeiten, kann es sein, dass nur zu diesen Uhrzeiten Wahrnehmungen gemacht wurden? Dies sei nicht möglich, aber er habe dazu keine konkreten Erinnerungen. Wenn er doch keine konkreten Erinnerungen habe, wie könne dann der Zeuge dies sagen, wollte die Verteidigung wissen? Dieser antwortete, wenn es eine Zeitlücke gebe oder stattfinde, dies vermerkt werden würde. Also habe der Kollege in bestimmten Momenten keine Überwachung machen können, fragte die Verteidigung. Dies sei möglich war die Antwort. Wie viele Menschen sich im Café aufgehalten hätten? Der Zeuge wusste es nicht mehr. Wie groß dieses sei? Nicht groß, es soll Platz für um die 20 Personen gehabt haben. Wie viele Menschen sollen in dem besagten Zeitraum drinnen gewesen sein? Er könne sich nicht mehr erinnern, dass der Kollege Pitsch sagen konnte, wie viele Leute im Café waren, aber er erinnere sich, dass da etwa zwei bis drei Leute drin gewesen sind. Wieso der Zeuge jetzt auf einmal eine Erinnerung daran habe, fragte die Verteidigung und fährt fort, dass im Bericht die Rede von mehreren Personen sei. Dies würde doch nach mehr als nur zwei bis drei Personen klingen. Waren Rechner vorhanden? Konnte man diese sehen? Der Zeuge könne dies nicht ausschließen. Wenn dann, müsste es Herr Pietsch gesehen haben. Wie es mit dem WLAN anderer Bars wäre? Ob dies untersucht wurde? Es soll in der Nähe Imbissläden gegeben haben, der Zeuge wüsste es nicht mehr. Ob dem Zeuge der Name Café Kotti was sagen würde, wollte die Verteidigung wissen. Der Name würde ihm was sagen, aber könne das jetzt nicht einordnen. Ob der Zeuge irgendwelche Erinnerungen an die Umgebung habe? Ob es sich hier um ein singuläres Haus handeln würde? Der Zeuge meinte, dass es diese mittels Google Maps zeigen könnte. Daraufhin antwortete die Verteidigung, dass man dazu alleine im Stande wäre. Der Zeuge gibt eine grobe Erklärung vom Kottbusser Tor ab, das Gebäude, in dem sich das Café befand, gehe um den Platz herum, zum Café musste man eine Treppe rauf auf eine Balustrade, es sei quasi im 1. Obergeschoss gewesen. Würde es sich hier um einen Hochhaus handeln? Ob viele Wohnungen vorhanden waren? Neubau, Altbau? Der Zeuge antwortete dass die Bauart aus den 70ern; 80ern stammen würde, es wäre kein „Zwanziggeschosser“, kein niedriges Haus. Ob Clubs in der Umgebung seien? Der Zeuge habe dazu keine Erinnerung, Imbissläden soll es gegeben haben.

Wenn also im ersten Stock eine Balustrade war, muss dies doch die Observation erschwert haben, gab es denn mehrere Zugänge dorthin? Eine Treppe im Außenbereich, es könnte sein, dass es mehrere Treppen gab, es sei ein weitläufiges Haus. Ob es auch mehrere Eingänge zum Internetcafé gab? Der Zeuge antwortete, dass er sich nur einen Eingang erinnere. Hatte der Kollege dies überprüft, fragte die Verteidigung? Dem Zeugen sei dies nicht bekannt.

Im Observationsbericht ist die Rede von drei Zeiten und man habe sich ja nicht neben den Beschuldigten hingesetzt, hatte es ausgereicht den Eingang zu überwachen? Der Zeuge sagte, dass dies prinzipiell so gewesen sei, der Laden habe zusätzlich auch große Fenster. Von wo wurde überwacht, wenn der Laden am ersten Stock gewesen sei? Die Überwachung soll im Außenbereich stattgefunden haben, von dort aus konnte man alles sehen. Auch den Angeklagten? Ja, auch ihn, antwortete der Zeuge. Würde es denn nicht auffallen, wenn eine Person, eine Stunde lang auf der Balustrade stehen würde, um diese Uhrzeit? Der Zeuge antwortete, dass das Kottbusser Tor ein belebter Ort sei und dort viel los sei, ob aber auf der Balustrade auch noch viel Betrieb war, könne er nicht mehr sagen. Aus dem Bericht könne man lesen, dass der Angeklagte rein ging und dann später raus ging, ansonsten nur eine Bemerkung, wieso? Er habe alles aufgeschrieben, was ihm der Kollege gemeldet hatte. Gab es denn evtl. nur eine Information und nur diese, weil es ansonsten nichts gab worüber man berichten konnte, fragte die Verteidigung. Dies könnte der Fall sein, vielleicht hatte der Kollege noch Beiläufiges gesagt, was der Zeuge nicht aufgeschrieben habe, so die Antwort. Irgendwelche konkreten Erinnerungen dazu? Er habe dazu keine, so der Zeuge.

Fast zuletzt fragte noch ein Schöffe, ob das Betreten des Internetcafés erst nach der Information des BKA von Relevanz gewesen sei und somit in den Bericht aufgenommen wurde? Der Zeuge bejaht die Frage.

Die Befragung ist vorbei und die Richterschaft entlässt den Zeugen.

Eine fünfminütige Unterbrechung wird ausgerufen.

Die Richterschaft, die an dem Ableben des Beamten Pitsch keinen Zweifel hegt, liest daher dessen Bericht vor. Dass nämlich Cem, am 18.03.11 um 00:15 in einer Bar, mit dem Rücken zur Wand saß und nicht gesagt werden kann, was er machte und ob jemand anderes Zugriff auf das Notebook hatte.

Die Verteidigung weist auf den Vermerk und sagt, dass es keine ununterbrochene Beobachtung gab, dass diese offensichtlich nur zu den drei im Bericht vermerkten Zeitpunkten möglich gewesen sei. Die Richterschaft nimmt es zu Protokoll und vermerkt dies. Die Verteidigung fügt hinzu, dass das, was vom Zeugen beschrieben wurde, nicht das vermeintliche Lokal war, wo sich Cem aufhielt, denn dieses, mittlerweile geschlossen, befand sich im Erdgeschoss. Die Richterschaft will dies überprüfen lassen.

Der Richter beendet die Sitzung um 11:07.

Der nächste Prozesstermin ist am 05.Oktober um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom 15. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Vorab, der nächste Prozesstag, also am 23.09.21 fängt nicht um 09:00 Uhr, sondern um 10:00 Uhr an.

Heute am 21.09.21 fand der 15. Prozesstag im Fall RAZ-RL-radikal statt. Im Verlauf des Tages waren fünf solidarische Personen anwesend.

Um 09:05 Uhr fing die Sitzung an und der erste Zeuge des Tages war ein Matthias (evtl. Mates, aber Namen sind hier vermutlich noch stärker als ohnehin schon nur Schall und Rauch) Kassel, 45 Jahre alt, Verwaltungsbeamter, Dienststelle Weißenfels (Sachsen-Anhalt). Ein ehemaliger Angestellter des BfV, jetzt in der Bundeswehr tätig.

Die Richterschaft begann den Zeugen zu befragen. Dem Zeugen war es bekannt, worum es in diesem Prozess ging und dass er an einer Observation teilgenommen hatte. Er hätte aber keine Erinnerungen mehr, was diese angeht, es sei zu lange her. Er habe an einem Treffen teilgenommen, wo er auf die Abläufe vor Gericht vorbereitet worden sei. Des Weiteren seien ihm die Zusammenhänge im Fall nicht mehr bekannt, diese würden ihm nichts mehr sagen. Er habe auch einen Bericht über die Abläufe erhalten. An die Observation von 2010 selbst habe er keine Erinnerungen mehr, er habe an mehreren Observationen teilgenommen. Dass ein Teleshop und ein Coffeeshop überwacht worden seien, daran könne er sich auch nicht mehr erinnern. Die Richterschaft fragte auch, ob er an anderen Observationen in Berlin teilgenommen habe, dazu machte der Zeuge keine Aussage, weil ihm keine Aussagegenehmigung vorliege. In dem Bericht, den er erhalten hatte, gehe es nur um das Verhalten vor Gericht und das Gesprächzur Vorbereitung sei ein Einzelgespräch gewesen mit Kollegen habe er auch nicht über den Fall gesprochen.

Die Verteidigung fragte den Zeugen, ob dieser noch im BfV tätig sei, was dieser verneinte, denn er sei jetzt in der Bundeswehr. Warum der Zeuge, im Gegensatz zu seinen ehemaligen Kollegen, nicht verkleidet war, darauf durfte dieser keine Angaben machen. Ob das Gespräch, was er hatte, mündlich, also von Angesicht zu Angesicht, gewesen sei, bejahte dieser. Ob dieses Gespräch mit Mitarbeitern des BfV gewesen sei, dazu machte der Zeuge keine Aussage. Warum er dies denn nicht machen würde, sprich eine Aussage, dazu antwortete dieser, es liege im keine Aussagegenehmigung vor. Wie sei die Vorbereitung der Abläufe gewesen, fragte die Verteidigung als nächstes. Es seien nur förmliche Sachen gewesen. Welche diese denn gewesen wären, war die nächste Frage. Wie das Verhalten vor Gericht sein sollte, wo er sitze werde, antwortete er. Wie lange habe dieses Treffen gedauert? Dazu machte der Zeuge keine Aussage wieder mit Verweis auf seine Aussagegenehmigung. Die Verteidigung bemerkte als nächstes, dass normale Zeugen ja eigentlich nicht geschult werde. Dazu meinte der Richter, dass Polizeibeamte schon geschult werden würden und der Staatsanwalt äußerte, dass dies nichts mit der Sache zu tun hätte. Daraufhin fragte die Verteidigung den Zeugen, ob dieser denn überhaupt vorbereitet werden wollte. Dieser verneinte die Frage, denn es gehe ja eigentlich um die eigenen Erinnerungen, die er selbst zum Fall habe. Nachdem der Zeuge die Frage, ob das, gemeint ist die Einladung zum Vorbereitungsgespräch, also von den uns unbekannten Personen, mit denen das Gespräch geführt wurde, komme, erneut nicht beantworten wollte, wegen seiner Aussagegenehmigung, wollte die Verteidigung als nächstes wissen, ob der Zeuge die Aussagegenehmigung dabei habe, denn die Verteidigung hätte sich diese gerne mal angeschaut. Der Zeuge antwortete, dies sei nur nach einer Rücksprache möglich (wir denken, er meinte wohl mit seiner ehemaligen Dienststelle). Daraufhin merkte er der Richter an, dass die Aussagegenehmigung dem Gericht ja vorliege und überreichte diese der Verteidigung. Die Verteidigung fragte ob, dieser nicht gesagt haben sollte, dass er das Behördenzeugnis nicht zur Verfügung gehabt habe, in der Aussagegenehmigung stehe etwas anderes. Dazu keine Antwort. Ob dem Zeugen diese überhaupt gegeben wurde? Keine Antwort. Sollte diese der Fall sein, so die Verteidigung, würde die Aussagegenehmigung nicht stimmen, auch gebe es keine Unterschrift und es sei nicht ersichtlich, welche Behörde diese Genehmigung ausgestellt habe, auf welcher Rechtsgrundlage könne man dies rechtfertigen? Keine Aussage. Wie lange das Gespräch gedauert haben sollte? Der Richter intervenierte und sagte diese Frage sei schon gestellt worden. Die Verteidigung beendet die Vernehmung des Zeugen mit dem Satz, „beenden wir diese Farce“. Der Richter entlässt den Zeugen.

Die Verteidigung fragte, ob dies der letzte Zeuge der Observation gewesen sei. Dies wurde von der Richterschaft bestätigt. Darauf wünschte die Verteidigung eine Erklärung abzugeben. Nämlich, dass zehn Zeugen unisono keine Erinnerungen hätten, diese kollektive Totalamnesie sei vom BfV orchestriert, warum dies so sei, darüber will die Verteidigung nicht spekulieren. Der ans Paranoide grenzende Ton habe sich verschärft, auch nachdem grobe Beschreibungen von Beamten des BfV im Netz aufgetaucht sind, die, auch wenn das BfV anderes behauptet hat, nicht zu der Identifizierung dieser beitragen würden. Die Verteidigung kenne das Verhalten der Mitarbeiter von Behörden wie BKA, LKA, BfV, weil sie diese auch ihrerseits des öfteren vernommen gehabt habe. Normalerweise haben die Zeugen die verdeckt ermitteln, Observationen durchführen, ein souveränes Verhalten, denn in ihrem Job müssen sie schnelle Entscheidungen treffen, sich unbemerkt bewegen können. Doch alle Zeugen, bis auf einen, die vorgeladen wurden, waren paranoid, ängstlich, haben nervöses Verhalten vor Gericht gezeigt. Diese Mitarbeiter seien doch eher vom Innen- als vom Außendienst. Diese Zeugen sind jetzt und waren auch damals, keine die an Observationen teilgenommen haben. Warum dies so ist, lässt sich nicht erklären.

Weiter fragte die Verteidigung, ob nicht alle Aussagen die aus Erkenntnisse des BfV stammen, seien diese direkt oder indirekt, ignoriert werden müssten, da diese nur mutmaßlicher Art seien. Die Richterschaft fragt die Verteidigung, was damit konkret gemeint wird? Dazu antwortete die Verteidigung, die Vergleichskopien (zur Feststellung aus welchen Kopierer angeblich Kopien stammen) seien gemeint, wie es denn dazu gekommen sei, denn die nächste Zeugin Frau Alice werde dazu evtl. ausholen und vermutlich nicht nur aus ihren eigenen Ermittlungen sprechen, sondern auch von Informationen, die man beim BKA vom BfV erhalten hätte. Dazu äußerte sich auch der Staatsanwalt, dass diese Rechtssicherheitsargumentation nicht nachvollziehbar sei, da die kommende Zeugin ihre Erinnerungen schildern würde. Die Verteidigung bezog sich auf einen Bericht der Zeugin Frau Alice. Die Richterschaft erklärte, dass es noch zu klären sei, woher denn die Erkenntnisse kommen würden und es noch Fragen gebe, wozu die Zeugin alles aussagen müsse. Danach wurde die Sitzung unterbrochen.

Pause bis 13:00

Nach der Pause verlas der Richter eine Mail vom 11.08.21 einer Frau Kunckel. Dabei handelte es sich um einen Vermerk, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ein striktes Löschverfahren mit kurzen Löschfristen habe, das auch für Dokumente gelte, die an andere Landesämter weitergegeben werden. Daher lasse sich aus den Dokumenten nicht mehr rekonstruieren, wer mal an welcher Maßnahme beteiligt war. Es könne nur ein Behördenzeugnis ausgestellt werden

Die Zeugin Ulrike Alice wurde dann aufgerufen, 53 Jahre alt, Dienststelle Meckenheim, BKA, sie wüsste worum es geht. Sie hätte viele Vermerke während der Ermittlung gemacht, so der Richter und diese wären jetzt von Bedeutung, so weit sie nur aus ihren eigenen Erinnerungen erzählt und sich nicht auf die damaligen Informationen des BfV stützen würde.

Nun am 23.03.10 ging die Zeugin Alice mit einem Kollegen, den Herrn Nollte, in zwei Copyshops, um Vergleichskopien anzufertigen. Sie hatten die Infos dazu am Vortag vom VS erhalten und fertigten diese Vergleichskopien an. Zunächst Leerkopien, d.h. ohne ein Blatt einzulegen, dann mit Kopiervorlagen, also ein weißes Blatt wurde kopiert und schließlich wurde ein Blatt mit Text kopiert. Auf die Frage, um was für einen Text es sich gehandelt hätte, da hatte sie keine Erinnerung mehr. Sie war also nun in den Läden mit dem Kollegen, in einem war nur ein Kopierer vorhanden (Kaffeeladen) und im Kopierladen (Copyshop) waren acht Kopierer vorhanden, nummeriert und man bekommt einen zugewiesen. In beiden Fällen handelte es sich um Geschäfte, die in der Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg sind. Bei der Nachfrage wie viele Kopierer im Laden vorhanden seien, meinte die Zeugin es hätte sich aber auch um neun Stück handeln können, sie wüsste es aus der Erinnerung nicht mehr wirklich. Der Richter liest aus dem Bericht vor, dass es sich um acht gehandelt habe. Das Anfertigen der Vergleichskopien und das Verhalten in den jeweiligen Läden sollte so unauffällig wie möglich sein, da man verdeckt arbeitete, nicht auffallen wollte, da es ja sein könnte, das Angestellte der Läden die verdächtige/zu observierende Person kennt usw. Im Kopierladen wurden die Kopien nur an einem Kopierer gemacht, man wurde ja zugewiesen. Die Richterschaft fragte darauf, ob dann der Erfolg der Recherche nicht davon abhänge, an welchem Kopiergerät man die Vergleichskopie anfertige? Ja, sie hätten das vom Ergebnis des Gutachtens abhängig gemacht. Und was wäre bei einem negativen Ergebnis passiert, ob dann aus den anderen Kopierern Vergleichskopien gefertigt worden wären? Ja, vermutlich hätte man dann gegebenenfalls bei den anderen Kopierern Vergleichskopien gemacht. Die nächste Frage der Richterschaft zielte auf die Ergebnisse des Gutachtens ab, worauf die Zeugin antwortete, dass sich aus den Vergleichskopien habe feststellen lassen, dass sie genau an dem Gerät gemacht worden wäre. Die Richterschaft fragte auch nach dem Hersteller der Geräte, die im Kopierladen vorhanden waren, es handelte sich ausschließlich um Kopierer der Firma Canon, so die Zeugin.

Nun setzte die Verteidigung mit der Befragung an die Zeugin fort und wollte wissen, woher die Information an das BKA gekommen sei, auf welchem Wege. Das BfV hätte telefonisch Kontakt mit dem BKA aufgenommen. Wann dies gewesen sei? An das Datum konnte sich die Zeugin nicht erinnern. Wie lange der Zeitabstand zwischen Telefonat und Überprüfung gewesen sei? Daran konnte sich die Zeugin nicht erinnern. Ob Informationen über die Läden gesammelt wurden, bei denen die Vergleichskopien gemacht wurde, wurden diese aufgeklärt? Sie wüsste nichts davon, ob dies stattgefunden habe. Gebe es dafür spezielle Gründe? Warum wurde denn nicht vorher aufgeklärt, wie viele Kopierer es im Laden gab? Das wisse sie nicht. Hatte sie Informationen, an welchem Kopiergerät die Vergleichskopien anzufertigen seien? Nein, das glaube sie nicht, das hätte sie dann aufgeschrieben. Auch in Bezug auf eventuelle weitere Kopien, alles mögliche hätte passieren können, schon aufgrund des Wartens auf die Ergebnisse des Gutachtens. Warum wurde denn solange gewartet? Die Zeugin hatte dazu keine Antwort. Seien denn örtliche Kollegen vom BKA mit dem Anfertigen weiterer Kopien oder anderen Aufgaben beauftragt worden, sei das erwogen worden? Sie wüsste es nicht mehr, antwortete sie. Ob die Zeugin überrascht gewesen sei, so viele Kopierer im Laden vorzufinden, auch daran könnte sie sich nicht mehr erinnern. Da sie ja Ermittlungsführerin gewesen sei, ob das Anfertigen von den Kopien im Team besprochen wäre? Weiß ich nicht mehr, war die Antwort.

Sie wäre doch im Ermittlungsteam im Falle der MG (Militanten Gruppe) gewesen. Ja, das sei richtig. Ob es auch in diesen Ermittlungen eine Undercoveruntersuchung gegeben hätte? Der Staatsanwalt intervenierte und sagte, dass dies nichts mit dem Prozess zu tun habe. Die Verteidigung könnte dies erläutern, wenn die Zeugin den Saal verlasse und erinnerte an den Antrag des ersten Prozesstages. Um dies zu klären unterbricht der Richter die Verhandlung.

Nach ca. 20 Minuten ging die Verhandlung um 13:40 Uhr weiter.

Die Verteidigung fragte die Zeugin, ob es während der Ermittlungen im MG-Verfahren auch Undercoveroperation des BKA gegeben habe. Sie wüsste nicht, was damit gemeint sei, antwortete die Zeugein. Ob es Akten gegeben habe, die nur für das BKA waren, also Akten, die nicht in den Gerichtsakten auftauchten. Die Zeugin schweigt dazu. Die Erststellung eines Beitrages zur Militanzdebatte in der Interim, bekannt als die zwei aus der Muppetshow, stammte doch vom BKA. Wenn sie das als Undercoveroperation bezeichnen, ja dann stimme dies, so die Zeugin. Eine detaillierte Aussage wäre gut, da nicht alle im Saal Anwesenden mit dem MG-Verfahren vertraut sind. Es habe sich dabei um einen Beitrag zur Militanzdebatte gehandelt, der von Mitarbeitern des BKA erstellt wurde und als Verfasser seien die zwei aus der Muppetshow angegeben worden. Ob dies auch so in den Akten vermerkt worden sei? Wahrscheinlich nicht, antwortete die Zeugin. Hatten sie Kenntnisse über diese Operation, fragte die Verteidigung. Ja, sie habe irgendwann welche dazu erlangt. Ob es dazu auch im BKA Besprechungen gegeben habe. Sie bejahte dies. Ob es dazu Besprechungen gab, wo es darum ging ob all dies in den Akten auftauchen sollte? Dies wüsste sie nicht mehr. Ob dies damals gang und gäbe gewesen sei, das Akten manipuliert wurden, da sie sich gar nicht mehr erinnern könne? Dies sei der Zeugin nicht kundig. Also es würde sich hier um ein Unikat handeln, fragte die Verteidigung. Die Zeugin ging davon aus.

Wie sei es danach gewesen, als dies aufflog? Keine Antwort. Weil ja damals Herr Damm als Zeuge aussagte, dass zwei Akten geführt wurden, wodurch diese Doppelaktenführung herauskam und publik wurde.

Die Richterschaft fragte, ob es nur diese Maßnahme gegeben habe, oder ob es sich hier um mehrere handelt. Die Verteidigung antwortete, es seien mehrere gewesen, weil das BKA interne Akten geführt habe und die, die sie der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft damals gaben andere waren. Die Frage des Richters, ob sie das noch wisse, verneinte die Zeugin. Die Verteidigung fragte weiter, ob sie nicht mehr wisse, dass Kollegen von ihr, diesen Beitrag bewertet und analysiert haben, dahingehend ob dieser authentisch sei. Die Zeugin antwortete, nein, das wüsste sie nicht mehr und in dem Referat in dem sie tätig war, seien solche Dinge nicht ihre Aufgabe gewesen, man habe sich mit anderen Dingen befasst. Wurde denn darüber in und von ihrem Referat dazu ermittelt? Die Zeugin antwortete sie sei Ermittlungsführerin zu der Ermittlung gegen Personen gewesen. Ob all dies Folgen nach sich gezogen habe, fragte die Verteidigung, ob es in diesem Verfahren ähnliche Vorgänge gegeben hatte? Ob es eine Genehmigung von der Bundesanwaltschaft dazu gegeben habe? Die Zeugin wusste dies nicht. Ob es in diesem Verfahren ähnlichere Vorgänge gegeben hätte, Ermittlungen die nicht in den Akten auftauchen? Dies wusste die Zeugin nicht. Gäbe es denn Sicherheitshinweise, Sicherheitsmaßnahmen, die so etwas verhindern würden? Der Zeugin wäre dies nicht bekannt. Ob es denn Anweisungen an das Ermittlerteam gab, damit so etwas nicht mehr passieren würde? Keine Ahnung, aber sicherlich wurde so etwas besprochen, was konkret wüsste die Zeugin nicht.

Der Staatsanwalt fragte noch, ob die Zeugin noch konkret etwas in den Ermittlungen getätigt hätte, was noch nicht zur Sprache gekommen sei, außer dass sie Berichte zusammengefasst habe. Die Antwort darauf war nein, alles was mit der Zeugin direkt zu tun hatte, wäre schon berichtet worden. Die Richterschaft entließ die Zeugin.

Daraufhin fragte die Richterschaft ob noch Erklärungen abgegeben werden sollten? Die Verteidigung bejahte dies, nämlich zwecks der Produktionseinheit des Canon Kopierers, des BfV, der Schrift, der Erkennung von Personen auf dem Video – die Kammer hat sich diesbezüglich noch nicht entschieden. Zu dem Handschriftengutachten erklärte das Gericht, dass es die Mitteilung bekommen habe, dass es bis zum 20.10. dauern werde, bis das Gutachten angefertigt ist, dann müsse die entsprechende Zeugin erneut geladen werde. Auf die Frage der Verteidigung, ob das Gericht eine Zwischenmitteilung/-fazit abgeben werde, erklärte der Richter, dass die Kammer vorhabe nach der Zeugenvernehmung am 5.10. zusammenzutreten, um zu klären wo sie stehen und das auch transparent machen werde, vermutlich dann am 19.10.

Der Richter beendet die Sitzung um 14:00.

Der nächste Prozesstermin ist am 23. September um 10:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom 14. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Am 16. September begann um 09:00 Uhr morgens der 14. Verhandlungstag. Es waren drei solidarische Personen im Publikum anwesend. Die Verhandlung begann mit dem Verhör eines Sachverständigen, Dieter Härtlein, für Kopiertechnik und sonstiges was mit Kopierern zu tun hat. Er hat sich eine Asservate angeschaut, es handelt sich um eine Kopie, ein DINA4-Blatt (Bekennerschreiben), welches nach der Untersuchung ein gewisses einzigartige Merkmale vorgewiesen haben soll. Von der Ermittlern bekam er mehrere Vergleichskopien, die aus zwei Kopierläden stammten. Da das Tonermaterial entweder magnetisiert oder nicht magnetisiert übertragen wird, konnte einer der Kopierläden ausgeschlossen werden. Der Zeuge führte dann noch weiter aus, wie so ein Fotokopiergerät funktioniert, was wir hier leider nicht im Detail wiedergeben können, weil die technischen Einzelheiten zu viele waren, um sie auf die Schnelle mitzuschreiben. Jedenfalls konnten spezielle Merkmale festgestellt werden, beim Schriftbild fand man zwei Punkte, die sich wiederholten. Diese entstehen durch einen Defekt auf der Fotoleitertrommel, so ein Merkmal ist individuell, durch solche Merkmale kann man Asservaten mit dem Kopierer vergleichen. Gleich darauf wurde das Beweisstück (Bekennerschreiben) von den Schöffen, der Verteidigung und dem Staatsanwalt in Augenschein genommen. Der Zeuge wies darauf hin, dass der Zeitabstand zwischen dem Vergleich und dem Beweisstück zwischen sechs und acht Wochen lag, das bedeutet, dass eine gewisse Anzahl von Verfälschungen von Merkmalen immer hinzukommt. Der Richter fragte, ob das Beweisstück, was der Zeuge vorbrachte, nicht auch Defekte haben könnte und deshalb nicht verwendet werden könnte.

Daraufhin wurde eine 15 minütige Pause einberufen, um Kopien anzufertigen, es handelt sich hier um das Beweisstück, was der Zeuge mitgebracht hatte, diese Kopie war Teil der Auswertungsunterlagen.

Um 10:40 Uhr ging es weiter. Gleich darauf fragte der Richter nach den individuellen Merkmalen und wie wahrscheinlich es denn ist, dass dies zweimal vorkommen könnte. Denn es handelt sich hier um eine Fläche von 28.000 mm², ob es nicht auszuschließen sei, dass es ein zweites Gerät gibt, das denselben Defekt haben könnte. Der Zeuge antwortete, dass dies sehr unwahrscheinlich sei, da es sich hier um zwei Punkte handeln würde, wäre es nur einer, dann wäre es wahrscheinlicher. Als nächstes fragte die Richterschaft nach der Berufserfahrung des Zeugen. Dieser übe diesen Beruf seit sehr langem aus, wäre seit über elf Jahren Sachverständiger. Ob diesem bei anderen Fällen so deutliche Merkmale untergekommen wären? Dies bejahte er und meinte er hätte sogar noch deutlichere Merkmale bei anderen Fällen festgestellt. In diesem Falle handelt es sich um ein sogenanntes wanderndes Merkmal. Der Staatsanwalt fragte nochmal nach und der Zeuge erklärte es ihm mehrfach, mit Handzeichen und danach mit einer Zeichnung, um dieses wandernde Merkmal plastisch zu erklären.

Die Verteidigung fragte, wozu die Infrarotspektroskopie gut sei, bzw. warum diese nicht durchgeführt worden sei? Dieser Vorgehen weise auf den verwendeten Toner hin, da das darin enthaltene organische Material angezeigt werden kann. Dieses Vorgehen war in diesem Fall nicht notwendig, weil aufgrund der Magnetisierung das Kopiergerät bereits ausgeschlossen werden konnte (so haben wir es zumindest verstanden). Ob man erkennen könnte, ob es sich hier um einen Schwarzweiß- oder Farbkopierer gehandelt habe, fragte die Verteidigung. Die Antwort war, dass bei Farbkopierern häufig Farbsprengsel zu finden sind, er sich aber nicht hundertprozentig sein kann. Ob der Sachverständige denn Kenntnisse über das konkrete Kopiergerät hätte? Ja, es handelte sich um einen Canon imageRUNNER 2530. Aber er selbst war nicht daran beteiligt den Kopierer sicherzustellen, man untersuchte ja nicht das Modell, sondern die von den Bullen sichergestellten Kopien. Könnte die Trommel gewechselt werden, war die nächste Frage der Verteidigung? Ja, dies findet statt, um diese zu reinigen, zwecks Reparatur, Wechseln, usw. Wie lang war der Zeitablauf, zwischen den Vergleichskopien und dem Beweismaterial? Es vergingen sechs bis acht Wochen antwortete der Zeuge, dies sei wichtig gewesen, weil dabei auch die Trommel identifiziert wurde. Die Verteidigung fragte gleich darauf, ob es nicht von einem anderen Gerät aus hätte sein können? Eher nicht, weil die Trommel dann ausgetauscht worden und nicht woanders eingebaut worden wäre, wo sich dasselbe Merkmal aufgefunden hätte. Wer wechselt die Trommel der Kopierer? Machen das nur Servicetechniker, oder auch versiertes Personal, das im Kopierladen arbeitet, fragte die Verteidigung? Sowohl als auch, war die Antwort, es wird nicht immer vom Servicetechniker gemacht, weil dies zusätzliche Kosten für die Läden sei. Da sich im Laden acht Geräte befanden, ob die direkte Zuweisung zum Gerät nicht ein Zufall war, denn das individuelle Merkmal könnte doch ein Produktionsfehler sein? Der Zeuge sagte, dass dies sein könnte, aber nicht das mit dem Produktionsfehler, es handelt sich um ein individuelles Merkmal, Produktionsfehler in einer Größenordnung, wie es die Verteidigung meine, hätte er noch nie gesehen. So was spricht sich unter Kollegen und auf Messen herum. Die nächste Frage an den Zeugen war, ob er denn noch wüsste wie viele solcher Kopierer er im Jahre 2010 untersucht hätte. Dieser wusste es nicht mehr. Ob er noch andere Merkmal außer diesen gefunden hätte? Ja, es sei weiteres Gesprengsel gefunden worden. Wie wird das Gesprengsel von den Defekten auf der Trommel unterschieden? Zweite wiederholen sich im selben Abstand. Wichtig sei immer der Vergleich, so der Zeuge, wenn man eine defekte Kopie kopiert, wird es schwierig herauszufinden, ob beide aus demselben Kopierer kommen. Die Verteidigung fragte, ob Kopierer ein digitales Gedächtnis hätten? Damals noch nicht alle, aber heutzutage schon. Ob solche Speicher heutzutage beschlagnahmt werden würden? Seine Antwort war, dass für die Ermittler, dies sogar wichtiger sei, als die Kopiermerkmale. Warum sie das Kopiergerät in diesem Fall nicht sicher gestellt haben, weiß der Zeuge nicht zu sagen. Als nächstes fragte die Verteidigung, ob der Zeuge auch die Adressaufkleber untersucht habe, die für die Versendung der Patronen verwendet worden sind. Ja das hätte er, aber es seien keine Merkmale gefunden worden und daher sei es nicht festzustellen, woher diese stammen. Zeuge wird entlassen.

Unterbrechung bis 10:55 Uhr.

Der nächste Zeuge nach der Pause war ein gewisser Florian Knaup, 38 Jahre alt, vom BKA. Er war bei der Hausdurchsuchung im Jahr 2013 bei der damaligen Lebensgefährtin von Oliver Rast dabei. Er wüsste noch grob, worum es geht, hatte damals auch nur eine unterstützende Rolle, ist mit dem Verfahren wenig vertraut. Die Lebensgefährtin habe die Tür geöffnet und eine Bekannte als Durchsuchungszeugin sei ebenfalls anwesend gewesen. Insgesamt waren zwei BKA-Beamte, mehrere Berliner Landespolizisten sowie Diensthundeführer mit entsprechenden Hunden beteiligt gewesen. Auf die Frage wonach gesucht wurde, antwortete der Zeuge, dass nach Datenträgern und Schriftstücken, aber auch nach Waffen und Sprengstoff gesucht wurde. Er habe auch noch grobe Erinnerung an die Wohnung, diese sei um die 40m². Zwei USB-Sticks, die dem Beschuldigten zugeordnet wurden, wurden von den Berliner Bullen sichergestellt sowie auch der Laptop. Genauso wurde sichergestellt, wem was genau gehört, der Laptop von ihr wurde kurz angemacht, um sicherzustellen, dass dieser ihr gehöre. Als nächstes wird ein Zettel mit Thesen revolutionärer Art gefunden und beschlagnahmt. Bezüglich dieses Zettels konnte oder wollte sich die Lebensgefährtin nicht äußern. Der beschlagnahmte Zettel wird per Beamer dem Gerichtsteilnehmern gezeigt, der Zeuge bestätigt, dass es sich hierbei um den fraglichen Zettel handele.

Die Verteidigung fragte, ob und wo ein Gespräch mit ihr stattgefunden hätte. Der Zeuge hat keine konkrete Erinnerung an den Ort des Gesprächs, vermutlich das Wohnzimmer. Ob er alleine mit ihr gesprochen habe. Nein, ein weiterer Kollege des BKA, Herr Villach, habe hauptsächlich mit ihr gesprochen. Die Verteidigung fragt nach dem damaligen Aussehen der damaligen Lebensgefährtin und der BKAler gibt eine grobe Beschreibung. Wie er sich vorbereitet habe? Hauptsächlich durch seine Erinnerungen und das Lesen der Unterlagen, war seine Antwort. An wie vielen Hausdurchsuchungen er seitdem beteiligt war? Geringer zweistelliger Bereich, war die Antwort. Wie es denn sei, dass sich der Zeuge nach acht Jahren an diese Hausdurchsuchung erinnern könne? Er wüsste es nicht. Ob er sich an die darauffolgende Hausdurchsuchung erinnern könne? Nein, der Zeuge konnte es nicht. Ob sich dieser überhaupt an eine desselben Jahres erinnern könne? Nein. Wieso dann gerade an diese? Wegen der Ladung und weil er sich an die Kunst, die auf dem Laptop der Lebensgefährtin zu sehen war, erinnern könnte. Wie viele Fenster das Wohnzimmer hätte und in welche Richtung diese zeigten, war die nächste Frage. Das wüsste er nicht mehr. Auch zur Einrichtung des Wohnzimmers konnte er nichts sagen, außer dass sich dort ein Schreibtisch auffand. Auf die Frage, wo im Zimmer sich den der Tisch befand, konnte der Zeuge keine Antwort geben, nur dass es viele Unterlagen gab. Er bestätigte, dass er kein konkretes Bild mehr vom Wohnzimmer hatte, aber das Protokoll und den Durchsuchungsbericht gelesen habe. Die Verteidigung fragte, ob dort die Größe der Wohnung aufgeschrieben ist. Er bestätigte dies. Ob er dies vor dem Lesen der Berichte gewusst hätte? Der Zeuge antwortete, er hätte es aus der Erinnerung, die er hat, geschätzt.

Der Richter fragte den Zeugen nach einer Skizze, die der Zeuge von der Wohnung gemacht habe. Der Zeuge bestätigte die Urheberschaft dieser und dass diese nicht nach Maßstab gefertigt wurde. Nachdem auf der Skizze drei Tische im Wohnzimmer zu sehen waren, konnte der Zeuge den Tisch ausmachen auf dem der Zettel mit den sogenannten Thesen sich befand. Die anderen Tische erkannte er nicht. Der Zeuge wird entlassen.

Zum Augenschein wird eine Videoaufnahme gezeigt, bei der eine nicht identifizierbare Person zu sehen ist, alle sind sich darüber einig, dass man nicht sagen kann, wer zu sehen ist.

Als nächstes gibt die Verteidigung eine Erklärung ab, nämlich dass das BKA nicht in der Lage war, zur inneren Struktur der RAZ etwas zu sagen. Weder wie diese intern funktionieren, handeln, wer alles in diesen Mitglied war, noch ob es Außenstehende gab, die einbezogen wurden, ob nach dem Dreiecksprinzip usw. Bezüglich der Erscheinungsdaten der radikal habe sich das BKA auf die Auskünfte von BfV und LKA Berlin verlassen. Also, alles nur Spekulation.

Der Richter verlas als nächstes das Pressekommuniqué/Mail der RAZ zur Patronenversendung, von der Zelle Georg von Rauch, am 18.03.11. (den Text kann man im Internet finden, hier ein Link)

Danach wird noch ein Fax von der Rechtsabteilung von GMX verlesen, das eine Tabelle zu den Bestandsdaten des E-Mail-Accounts enthält. Ein Schreiben von Vodafone an das BKA wird ebenfalls verlesen, wo es um das Auskunftsersuchen zu einer IP-Adresse geht, die von Vodafone nicht wiedergegeben werden kann. Auch wird die Strafanzeige des Hauptkommissars Chimchak (keine Ahnung, wie der Name richtig geschrieben wird) zu der Brandstiftung an dem Jobcenter Wedding 2009. Auch der Tatortbericht vom 08.01.2010 wird verlesen. Mittagspause bis 13 Uhr.

Nach der Mittagspause war die nächste Zeugin eine dipl. Psychologin und Schriftsachverständige, die ein Gutachten vom 29.08. erstellt hatte. Der Richter fragte sie zunächst nach ihrem beruflichen Werdegang. Sie habe 1976 an der Uni Mannheim Psychologie studiert und sei dort auf den Schriftpapst für forensische Schriftuntersuchung in Deutschland gestoßen. Ihre erste behördliche Anstellung habe sie dann 1985 beim bayerischen Kriminalamt gehabt und sei dann zum BKA gewechselt, wo sie seit 2008 den Bereich der Handschriftenuntersuchung geleitet hat. Bei dem konkreten Gutachten habe es sich um einen Auftrag des BKA gehandelt, das ihr fragliches Schriftmaterial zugesandt hatte. Darunter befand sich altes Material, das sie bereits untersucht hatte, sowie neues und die Frage war, ob bei diesem Material ein oder mehrere Urheber in Betracht kommen würden. Das fragliche Material wurde an eine Leinwand projiziert. Der Richter fragte nach der Qualität des Materials, worauf die Zeugin meinte, das Material sei hinreichend auswertbar gewesen bis auf ein Dokument, das eine Kopie war, wo es immer gewisse Einschränkungen gäbe, da Manipulationen nicht nachgewiesen und somit nicht ausgeschlossen werden können. Bei einem Dokument sei ein flüssiges Schreibmittel verwendet worden, was auch nicht so gut auswertbar war, wie beispielsweise ein Kugelschreiber. Sie geht auf Details ihres Faches ein, wobei von der Annahme ausgegangen wird, dass es keine zwei identischen Handschriften auf der Welt gibt, da ab dem Erlernen der Schulschrift jeder Mensch eigene Merkmale in seiner Schrift entwickelt. Der Richter fragte, ob desto länger ein Text ist, desto besser die zu erhaltende Information sei. Die Zeugin bejahte dies. Die angewendete Methodik sei wissenschaftlich anerkannt und es wird nach allgemeinen und besonderen Merkmalen in der Schrift gesucht, dabei ist Kombination aller Merkmale von Bedeutung (z.B. Schriftlage, -weite, Größe und Höhe der Buchstaben, usw., und die Kombination all dieser Merkmale). Am Ende werde aus den Einzelbewertungen eine Gesamtbewertung gemacht, was dann zu einem Schluss führe, ob es sich um identische Urheber der Schriften handelt. Dieser Schluss sei immer Wiedergabe einer subjektiven Wahrscheinlichkeit eines Gutachters (empirische Wissenschaften). Der Richter fragte, nach welchen Kriterien Schlussfolgerungen gemacht werden. Die Zeugin sagte, sie schreibe das im Gutachten nie detailliert auf, aber sie habe hier exemplarisch eine Liste mit Buchstaben mitgebracht. Diese händigte sie dem Gericht aus. Sie erklärt noch, dass Schrift nie statisch sei, sondern sie immer Varianten hat, alles andere würde auf Fälschung hinweisen.

Mitten in den Ausführungen der Zeugin wies die Verteidigung darauf hin, dass sie überfordert war, dass man hier Unterlagen bekommen habe, zu denen man keine vorherige Einsicht hatte und quasi wenig bis nichts verstehe. Deswegen wurde ein anderer Termin für diese Zeugin verlangt, so dass eine umfassende Auswertung erstellt und den Prozessbeteiligten zugänglich gemacht werden kann. Der Richter fragte, wie lange sie für eine Auswertung brauchen würde. Die Zeugin konnte dies nicht genau beantworten und verwies auf eine Kollegin. Deren Telefonnummer wurde auf Bitten des Staatsanwalts, da auch wir im Saal sitzen, dem Richter schriftlich überreicht, nachdem sie schon begonnen hatte ihm diese mündlich mitzuteilen. Bevor sie entlassen wurde, teilte sie noch Zettel mit der Schrift von Oliver Rast aus. Die Einvernahme der Zeugin wurde unterbrochen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Der Verhandlungstag endete um 13:45 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 21. September um 10:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom 13. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Heute am 14.09.21 fand um neun Uhr morgens der 13. Verhandlungstag gegen Cem statt. Im Laufe des Tages waren fünf solidarische Menschen anwesend.

Die Richterschaft rief als ersten Zeugen einen Beamten des BKA auf, einen gewissen Andy Milach, evtl. Vilach, 55 Jahre alt. Er war an der Durchsuchung in der Wohnung von der damaligen Lebensgefährtin (wir haben uns entschieden sie anonym zu lassen) von Oliver Rast beteiligt. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Knast. Er selbst nahm an der Ermittlung in der Sache RAZ-RL-radikal ab Dezember 2012 teil. Dass es sich um die Wohnung von der Lebensgefährtin handelte, bzw. dass sie auch damals ein Paar waren, war bekannt, so der Zeuge.

Bei der Hausdurchsuchung, die um 06:00 Uhr morgens durchgeführt wurde, der Keller wurde auch durchsucht, nahmen vier Beamte des LKA, zwei vom BKA, sowie 2 Diensthundeführer – es handelte sich um Sprengstoffspürhunde – teil. Die Wohnung wurde mit dem Beschluss für die Hausdurchsuchung betreten, ein Einsatz des SEK wurde als nicht notwendig empfunden.

Gleich darauf fragte die Richterschaft nach der Wohnung, wie diese aussah, wo diese gewesen sei und der Zeuge beschrieb diese, wie auch die Umgebung.

Zeitgleich wurde auch die Zelle von Oliver Rast im Knast durchsucht. Auf die Frage, ob dieser in der Wohnung seiner Lebensgefährtin wohnen würde, denn Oliver genoss damals schon einige Male Hafturlaub, bejahte der Zeuge dies, denn in der Wohnung seien viele linke und antiquarische Bücher vorhanden gewesen und es war bekannt, dass Oliver Rast viel Umgang mit antiquarischen Büchern pflegte. Der Zeuge konnte sich heute nicht mehr daran erinnern, ob die Lebensgefährtin sich zu der Wohnsituation von Oliver äußerte. Gesucht wurde nach Sprengstoff, Schusswaffen, Datenträgern, Schriftstücken und allem, was in Zusammenhang mit krimineller Organisation in Verbindung stehen konnte.

Es wurden vier Gegenstände beschlagnahmt, dabei handelte es sich um einen Laptop, zwei USB-Sticks und einen Zettel mit handschriftlichen Notizen, die von einer Postille und der Beschäftigung mit einen Projekt handelten. Zu dem Laptop soll sich die Lebensgefährtin von Oliver so geäußert haben, dass dieser ihm gehört habe, dass sie nicht wüsste, wem die USB-Sticks gehören und dass bei dem Zettel, sie nicht wüsste, ob dieser von Oliver wäre, da sie die Handschrift nicht erkannte. Der Zeuge äußerte noch, dass sich ab einen gewissen Zeitpunkt im Wohnzimmer alle Bullen befanden, um die Bücher zu durchkämmen, da es sich um viele handelte.

Abgesehen von der Hausdurchsuchung hatte der Zeuge noch einige TKÜ-Maßnahmen betreut, wusste aber nicht genau, was er da gemacht hat bzw. worum sich dabei handelte. Der Staatsanwalt fragte bezüglich dieser Maßnahmen nach und wollte wissen, ob sich aus der TKÜ zum E-Mailverkehr von Oliver Rast Erkenntnisse ergeben hätten. Bei diesen gab es keine Hinweise, es ginge hauptsächlich um Bücher (sein Job), aus den E-Mails war auch ersichtlich, dass er und Cem sich kannten (insgesamt handelte es sich um 14 Mails). Bei einer dieser E-Mails ging es um einen „proletarischen“ Comic, den Cem Oliver gezeigt hatte, der Zeuge wusste aber nicht mehr genau, ob dieser im Gefangenen Info, oder in der Zeitschrift „Strike“ der IWW, veröffentlicht werden sollte. In diesem Comic soll eine Person mit Flugblatt abgebildet gewesen sein, auf dem Flugblatt soll ein fünfzackiger Stern und die Aufschrift Klasse gegen Klasse gestanden haben. Anfangs konnte der Zeuge das nicht zuordnen, aber später wurde er darauf hingewiesen, dass sich dieses Logo und der Schriftzug auch einige Male in der radikal 163 bis 165 zu finden seien. Auf die Frage, ob es eine Recherche im Internet zu dem Namen Klasse gegen Klasse gab, verneinte der Zeuge dies, er wüsste nicht, was zusätzlich mit diesem Begriff in Verbindung gesetzt werden kann. Er sagte dazu, dass dies wahrscheinlich kein Alleinstellungsmerkmal sei.

Auf die Frage ob er noch spontane Erinnerungen habe, antwortete der Zeuge, dass es ruhig und sachlich ablief. Was aber beschlagnahmt wurde, daran konnte er sich erst beim Lesen des Verzeichnisses der Asservaten erinnern, eigene Erinnerungen waren da nicht mehr vorhanden.

Die Verteidigung befragte den Zeugen, ob die Ermittlungsgruppe, in der er tätig war, sich mehrmals getroffen habe und ob es bei diesen Treffen auch ungewöhnliche Ermittlungsvorschläge gegeben habe, wie z.B., sogenannte Honeypots zur Provokation von Antworten, oder gefälschte E-Mailanhänge. Nein, dies soll nicht der Fall gewesen sein, so der Zeuge, und er sei auch nicht an der Ermittlung gegen die Militante Gruppe beteiligt gewesen.

Anschließend händigte der Richter den Zettel, der bei der Durchsuchung beschlagnahmt wurde, zur in Augenscheinnahme aus. Danach entließ der Richter den Zeugen ohne weitere Fragen.

Die Verhandlung wurde für eine halbe Stunde unterbrochen, weil der nächste Zeuge noch nicht anwesend war.

Nach der Unterbrechung wurde der nächste Zeuge kurz rausgeschickt, weil die Verteidigung bei der Aussage des Zeugen, klären wollte, dass dieser sich nur zu seinen eigenen Ermittlungen und Erinnerungen äußern sollte und deutlich machen sollte, wenn Erkenntnisse von anderen Stellen, Behörden oder vom Hörensagen stammen.

Aufgrund dessen wurde die Verhandlung ein weiteres Mal für zehn Minuten unterbrochen.

Erst jetzt konnte der nächste Zeuge verhört werden, es handelte sich hier um Kriminalhauptkommissar Oliver Damm, oder evtl. Dammen, 50 Jahre alt, vom BKA. Der Richter wies ihn darauf hin, dass er deutlich machen solle, ob Erkenntnisse, die er dem Gericht mitteilt von ihm selbst oder von dritten stammen. Der Zeuge hat von Anfang an in diesem Verfahren ermittelt, auch schon gegen die Militante Gruppe. Auf die Frage des Richters, was er zur Zeitschrift radikal sagen könne, erwähnte der Zeuge, dass es sich um ein „altehrwürdiges militantes Blatt“ handele, aber dass er sich nur mit den Nummern 161-165 beschäftigt habe. Als die Nummer 161 erschien, sei das Projekt radikal eigentlich schon eingestellt gewesen und mit dieser Nummer 161 im Sommer 2009 „wieder auf dem Markt erschienen“. Als Herausgeber habe sich die RL (Revolutionäre Linke) bzw. die radikal Redaktion bekannt. Die RL tritt mit dieser Ausgabe zum ersten Mal in Erscheinung und in der Nr. 162 reklamiert sie die neue Auflage der radikal für sich. Interessant, so der Zeuge, sei an der Ausgabe ein Interview mit der Militanten Gruppe, es geht dabei um ihre Auflösung bzw. die Ankündigung eines militanten Projektes auf einer anderen Stufe, mit einem neuen Namen. Es handelt sich dabei, laut den Bullen, um die RL und die RAZ, diese beiden Gruppen seien die Nachfolgeorganisationen der Militanten Gruppe, diese Erkenntnis der Bullen und des BfV sei der Grund für die Ermittlungen.

Außerdem sei noch zu den Anschlägen der RAZ ermittelt worden, der Zeuge erwähnt Brandanschläge und das Verschicken von Patronen sowie auch verschiedene Texte, bzw., Kommuniqués die von RAZ (hier handelt es sich um 15 Texte) und von der RL (hier handelt es sich um 35 oder 37 Texte) in der radikal veröffentlicht wurden.

Die Richterschaft fragte, woher die Erkenntnis oder Vermutung stamme, dass es sich bei den beiden Gruppen um Nachfolgeorganisationen der MG handele. Der Zeuge antwortete, es gäbe viele Hinweise, wie das ähnliche bzw., identische Begriffe verwendet wurden, dies soll die Verbindung gewesen sein. Der Zeuge fuhr fort und sagte, dass es innerhalb dieser Gruppen keine festgelegte Struktur gegeben haben soll. Die Redaktion der radikal war die RL, die RAZ hätte mehrere Zellen, bzw. „klandestine Kerne“, innerhalb dieser seien mehrere Mitglieder aktiv, wer aber genau in welcher Zelle aktiv war und auch wie viele, konnte nicht festgestellt werden. Es gab dazu keine nähere Zuordnung.

Auf die Frage wie groß diese Zellen gewesen sein hätten können und wie viele es davon gegeben haben soll, war die Antwort, es hätte vier bis fünf Zellen gegeben, in denen von einer bis zu vier oder fünf Personen aktiv hätten sein können. Wie viele Mitglieder denn nun die RL-RAZ hätte haben können, ist unbekannt. Zu den damaligen Beschuldigten habe es Hinweise zu einer Mitgliedschaft gegeben, ob es zusätzlich mehr Mitglieder gab, ist unbekannt, ebenso wie viele Personen in der Redaktion der Zeitschrift radikal beteiligt waren, ob es unterschiedliche waren, etc., auch dazu gab es keine Erkenntnisse. Eine weitere Erkenntnis soll gewesen sein, dass zeitgleich zu der Veröffentlichung eines Textes auf Indymedia und Linksunten, Cem und Oli sich in einem Internetcafé befanden. Aber auch dazu, gibt es keine genaueren Erkenntnisse, was diese dort gemacht haben sollen. Ob es außer den beiden noch weitere Verdächtige gegeben haben soll? Evtl., ja, aber keine konkreten Angaben.

Dann erläuterte der Zeuge auf eine entsprechende Frage des Richters, die Erscheinungsdaten der einzelnen Ausgaben der radikal von 2009 bis 2012. Mit einem gewissen Stolz erwähnte er auch, dass er eine Übersicht darüber erstellt hatte, in welcher Ausgabe welche Texte der beiden Gruppen erschienen sind und welche im Internet veröffentlicht, oder per Post verschickt worden sind. Dabei wurden die Ausgaben der radikal auch als Druckexemplare analysiert. Die Ausgabe 162 wurde am 04.02.2010 bei dem Anschlag auf das Haus der Wirtschaft unter einem Auto gefunden. Die RAZ selbst sagte, laut dem Zeugen, dass sie sie dort hinterlegt hätten. Diese Ausgabe sei vor dem Anschlag noch nicht in Umlauf gewesen, was sich aus eigenen Erkenntnissen des BKA und Erkenntnissen des BfV ergeben habe.

Bezüglich der Kommuniqués die für die Anschläge beim Amtsgericht und der Senatsverwaltung mit per Mail verschickt wurden, gab es einen Vermerk des Zeugen im Bericht, dass diese an verschiedene Medien über unterschiedliche Wege verschickt wurden. Adressiert waren der Berliner Kurier, die BZ und die Internetseite direct action, glaubte der Zeuge sich zu erinnern. Zu den Ermittlungen zwecks des Ausgangspunktes der Mails gab es keine Erkenntnisse. Eine weitere Mail zu der Verschickung von drei Patronen, angeblich wurden vier verschickt, drei kamen angeblich an, an den Bundesinnenminister und zwei Politologen, die sich mit der Extremismusforschung beschäftigten, wurde angesprochen, diese seien auch auf unterschiedlicher Art verschickt worden.

Die E-Mail wurde unter dem Namen Georg von Rauch am 18.11.10 eingerichtet, der Zeuge erwähnt kurz die Geschichte von Georg von Rauch, dass er von Bullen 1972 erschossen wurde, dass auch dieser mit der Bewegung 2. Juni in Verbindung stand. Der Provider war Vodafone, auf Anfrage über IP-Adresse, konnte Vodafone nicht helfen, weil die Daten schon gelöscht waren. Zwei E-Mails sollen von einem Café verschickt worden sein, in dem sich Cem zu diesem Zeitpunkt aufgehalten haben soll, wie durch die Observation des MEK Sachsen-Anhalt festgestellt worden sei.

Der Zeuge selbst hat die Erkenntnisse zusammengefasst, nahm aber nicht an der Observation teil, er hat das entsprechende Café nie besucht.

Bezüglich des Brandanschlages gegen das Bundeshaus gibt es einen Vermerk über die Auswertung einer Videoüberwachung, der Zeuge kann sich an diesen Vermerk jedoch nicht erinnern. Es handelt sich darum, ob Cem eine Wohnung betritt.

Zu der TKÜ stellt die Richterschaft die Frage, wie bei einer DSL-Auswertung die Behörde vorgeht, welcher Beamte was macht? Wie konnten bestimmte Aktivitäten Cem zugeordnet werden? Wie wurde all dies festgestellt? Ob der Zeuge mit all dem was zu tun gehabt haben soll? Der Zeuge antwortet, dass dies alles zu lange her sei und er sich nicht mehr daran erinnern könne.

Unterbrechung bis 11:10 Uhr, die Verteidigung wünscht eine interne Besprechung.

Die Verteidigung stellt dem Zeugen die Frage, wie die Behörden zu der Erkenntnis kommen, dass es eine Beziehung zwischen RL und RAZ gibt, diese als vermutliche Nachfolgeorganisation der MG einzuordnen sei und dass es sich hier um denselben Personenkreis handeln würde. Darauf weist dieser wieder auf die Ähnlichkeit der jeweiligen Texten hin, dass identische Begrifflichkeiten verwendet worden seien, dass die Parolen ähnlich gewesen seien, dass es einen Bezug auf die MG gegeben habe, dass die Texte zeitgleich erschienen seien… ergo, es muss, so der Zeuge, eine Absprache gegeben haben und in der radikal gab es fast nur Texte der RL und der RAZ. All dies weise auf jeden Fall auf eine enge Verflechtung, auf einen engen Austausch hin.

Die Verteidigung fragt darauf, wo denn konkret all dies auf bestimmte Personen zurückzuführen sei, bei wem ein solcher Verdacht vorhanden wäre, ob es Erkenntnisse des BKA dazu gibt? Der Zeuge habe kein Beispiel vor Augen, der Herr Arens wüsste mehr davon (Wir gehen davon aus, dass der Herr Arens, womöglich auch vom BKA ist und uns bald mit seiner Anwesenheit erfreuen wird.).

Auf die Frage, ob die Zellen, denn diese tauchen in den Berichten auf, ob diese autonom agieren würden, oder einer übergeordneten Struktur/Organisation, die „Befehle“ gab, untergeordnet waren, also wusste zwangsläufig die Zelle A, was die Zelle B machte und was die Zelle C … dazu, wieder einmal der Zeuge, hätte er keine konkreten Erkenntnisse in Erinnerung.

Im Bezug auf die identischen Begrifflichkeiten, war die Frage ob diese exklusiv der RAZ-RL zuzuordnen seien, oder ob diese auch von anderen militanten Gruppen verwendet wurden. Die Ähnlichkeit soll groß gewesen, so der BKAler, die RAZ übernahm Parolen der MG und erweiterte sie. Auch gab es eine vermeintliche Übereinstimmung in der Fortsetzung von Debatten, so dass von einem Austausch ausgegangen werden müsse, aber wie dieser konkret stattfand, bleibe spekulativ.

Danach ging es um die Ausgabe 162, die beim Anschlag auf das Haus der Wirtschaft unter einem Auto abgelegt worden sei und deren Verbreitung. Ab wann setzt das BKA fest, wann eine neue Ausgabe der radikal erscheint? Dies ergebe sich durch Ermittlungen des BfV und des LKA. Wann sei mit dem LKA ein Gespräch über die Nummer 162 geführt worden? Und wurde so ein Gespräch überhaupt geführt? Der Zeuge bejaht die Frage, könne sich an den konkreten Inhalt des Gesprächs jedoch nicht erinnern. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung konnte dieser auch nichts sagen. Nun fragte die Verteidigung, wie die radikal verbreitet wurde. Der Zeuge antwortet, dass es nach Eigenaussage ein Verteilernetz gegeben habe und die Zeitschrift in verschiedenen Läden und Buchläden gefunden werden konnte, dass diese auch einen Tarnumschlag habe, damit sie nicht sofort erkannt wird. Des Weiteren sei vermeintlich ein solcher Übergabevorgang unter Beteiligung von Cem und einer weiteren Person erfolgt. Die radikal soll leicht in linken Szeneobjekten zu finden gewesen sein, man konnte aber nicht feststellen, wo sie gedruckt wurde. All dies seien Merkmale eines konspirativen Netzwerkes.

Wenn die Veröffentlichung und Verteilung der Publikation grundsätzlich konspirativer Natur war, wie konnte das BKA dann wissen, dass diese Ausgabe bereits in Umlauf war? Dazu hatte der Zeuge keine Erkenntnis, er bezog sich auf das BfV und das LKA Berlin. Bezüglich der Arbeitsweise dieser Behörden habe er keine Aussagegenehmigung, er könne über deren Vorgehen nur spekulieren. Wie diese Ausgabe konkret ersichtet worden sei, wusste er auch nicht, er könne auch dazu nur spekulieren.

Zu der Struktur der RAZ und der RL Zellen, fuhr die Verteidigung fort, wie haben diese agiert? Waren sie abgeschottet, oder haben diese kollektiv gehandelt? Der Zeuge antwortete dazu, es müsse eine übergeordnete Struktur gegeben haben, die alles koordinierte, konkrete Erkenntnisse dazu gibt es aber nicht. Ob es sich um eine Struktur handeln könne, wo die Beteiligten nur das notwendige wüssten? Das Konzept des „need to know“ wird von der Verteidigung als Beispiel erwähnt. Der Zeuge sagte, dass die Ermittlungsergebnisse nicht zu aufhellend gewesen seien, er glaubt, dass es Erkenntnisse aus Schriftstücken gab, wo anderen Städten Aufträge erteilt worden seien. Gleich darauf fragte die Verteidigung, ob außerhalb von Berlin irgendwelche Anschläge stattgefunden hätten? Dies verneint der Zeuge, nur die Verschickung der Patronen war überregional, sie wurden aber aus Berlin verschickt. Hätten die Zellen an außenstehende Personen Aufträge weiterleiten können, wie z.B., das Verschicken der Kommuniqués? Nein, dies wäre eher ausgeschlossen, weil eben das Risiko daran liege mit außenstehenden zu handeln, aber dazu gibt es keine Erkenntnisse, es wäre dennoch theoretisch denkbar. Ob dem Zeugen das leninistische Dreiecksprinzip geläufig wäre, fragte als nächstes die Verteidigung. Diesem ist dieses Prinzip bekannt, der Sinn ist die Sicherheit der eigenen Organisation/Struktur zu gewährleisten. Um prinzipiell wenig voneinander zu wissen, um vor Repression zu schützen, fragte die Verteidigung? Ja, beantwortete der Zeuge.

Nun fragte der vorsitzende Richter noch einmal wegen der Telekommunikationsüberwachung nach und wollte wissen, was es mit dem „User-Agent“ auf sich habe, der in den Dokumenten auftaucht, wobei es darum ging, dass eine Indymedia-Seite aufgerufen wurde. Der Zeuge sagte, dass dieser „User-Agent“ bei der Auswertung mitgelockt werde und Infos zum Betriebssystem usw. enthalte, es sei quasi ein Fingerabdruck des Rechners. Auf die Frage, wie dieser „User-Agent“ festgestellt werde, antwortete er, dass das in der Software, die von der Behörde genutzt werde, mitgelockt werde. Ob er versucht habe zu recherchieren, wie dieser zugeordnet wurde, wusste der Zeuge nicht mehr konkret, üblicherweise gehe das in Kombination mit Observation vonstatten. Hierdurch sei es möglich, bei einer WG festzustellen, wer welche Aktivitäten im Internet mache.

Zur Überraschung aller kam der Staatsanwalt auch mal zu Wort und fragte den Zeugen, ob die RAZ und die RL gemeinsam Texte unterschrieben hätten, oder ob dies nur eine Schlussfolgerung des Zeugen sei. Dieser äußerte sich, er könne sich daran erinnern, dass es bei einem Text heiße, welchen konnte er aber nicht sagen, dass „die RAZ die klandestine Flanke der RL“ wäre. Es habe auch eine Gegenveröffentlichung gegeben in der die Einheit von RAZ und RL und deren Nachfolgeschaft der MG, was angeblich in der linken Szene behauptet worden sei, dementiert wurde. Diese sei in der Kommentarspalte von Indymedia und linksunten veröffentlicht worden, so der Zeuge auf die entsprechende Frage des Staatsanwalts. Ursprünglich sei die Militanzdebatte in der Interim geführt worden, dann über RAZ und RL in der radikal, die aber schwer zu kontaktieren war, wodurch schließlich auch dort keine Debatte mehr möglich gewesen sei. Auch ob die RAZ als ein Teil der revolutionären Linken, als Strömung und nicht als eine spezifische Organisation, verstanden werden könnte, dem stimmte der Zeuge zu, es sei auch möglich es so zu verstehen.

In Bezug auf die Sicherstellung der zerrissenen Papierschnipsel in der S-Bahnhaltestelle Alt-Glienicke, war ein Vermerk vom 06.06. datiert, bei der der Zeuge anfänglich von Oliver Rast spricht und dass dieser die Papierschnipsel in den Müll geworfen habe. Dies korrigierte er im Verlauf seiner Aussage, als er nun sagte, es handelte sich um Cem, da auch ein Brief vom Jobcenter, mit Angaben des Sachbearbeiters von Cem vorhanden waren. Genauso wie ein Umschlag einer linken Publikation (wir sind uns nicht mehr sicher, ob die Rede von der Interim oder der radikal war, zweite ist eher wahrscheinlicher), in dem Bezug auf eine Hausdurchsuchung genommen wird, die an einer linken Buchhandlung stattfand, zu welcher sich die RL äußerte. Und zwar soll sich die RL dazu in einem sogenannten radikal Vierseiter geäußert haben, bei dem auch das Kommuniqué zu der Versendung der Patronen zu finden sei. Diese Vierseiter der radikal sollen in der Zwischenzeit, zwischen den Veröffentlichungen der radikal erschienen sein, um die Zeit zwischen diesen zu verkürzen, so der Zeuge. Des weiteren wurde auch ein Computerausdruck mit Adressen, Post und E-Mail, diverser Berliner Zeitungen gefunden, unter denen vier auch angeschrieben worden seien, bezüglich der Versendung der Patronen. Der Text und das Schriftbild seien identisch mit denen, die als Adressaufklebern auf den Briefumschläge, die später beschlagnahmt wurden, waren. Auch seien Notizen mit Anweisungen, wie bei postalischen Versand vorzugehen sei, so wurden sie von den Bullen interpretiert, aufgefunden. Der Staatsanwalt führte seine Fragen fort und fragte als nächstes, welches der Sachverhalt bei der Verschickung der Patronen gewesen sei, an wen waren diese adressiert. Der BKA Beamte sagte, dass bis zu diesem Datum es Brandanschläge gegeben hatte, aber das am 17.03. das BKA die Nachricht erhielt, das Patronen verschickt worden seien, zu dem sich die RAZ mit einem Schreiben bekannte, in welchem ein fünfzackiger Stern als Logo auftauchte. Am 18.03. erfuhr das BKA über die Süddeutsche Zeitung, dass ebenfalls andere Personen Patronen per Post erhalten hatten. Letztere waren an zwei Politologen adressiert, die wie wir schon erwähnten, sich mit der Extremismusforschung/ -debatte auseinandersetzten. Das BKA vermutete nach dieser Aktion, dass Waffengebrauch bevorstehen würde, da die RAZ formuliert haben soll, dass die nächsten Patronen per Expressversand ankommen würden. Das Bekennerschreiben erschien in der Nummer 164 der radikal. Auf die Frage des Richters bestätigte der Zeuge, dass es Spurensicherungen bei den verschickten Dokumenten gegeben habe, diese allerdings zu keinen Ergebnissen geführt hätten.

Nun befragte die Verteidigung erneut den Zeugen und wollte zunächst zwecks des radikalen Vierseiters wissen, wodurch das BKA Kenntnis über diesen erhalten habe. Durch das BfV war die Antwort, laut einem Vermerk hatte das Bundesamt das BKA schon darüber informiert, bevor dieses den radikalen Vierseiter zu Kenntnis genommen habe. Dann fragte die Verteidigung bezüglich des Verhältnisses zwischen RAZ und RL, ob die Formulierung, dass die RAZ die militante Flanke der RL sei, von den RAZ selbst stamme oder von woanders her komme. Der Zeuge konnte dies nicht wirklich beantworten, glaube aber, dass sie aus dem eigenen Autorenkreis der RAZ stamme. Militante Flanke heiße nicht zwingend der gleiche Personenkreis, aber deute auf eine gemeinsame Organisierung hin, wobei die RAZ praktisch und die RL theoretisch arbeiten würde.

Die nächste Frage der Verteidigung war, wie sich die RL geschrieben habe, ob mit großem R oder kleinem r. Groß und mit Hammer und Sichel, was auch auf Parallelen mit der MG verweisen würde, war die Antwort. Dazu wies die Verteidigung darauf hin, dass fast jede kommunistische Gruppierung weltweit Hammer und Sichel verwendet. Weiters bedeute dies, dass revolutionäre Linke sich nicht auf die Gruppe bezieht, sondern auf etwas diffuseres, was der Zeuge bestätigte. Ob der aufgefundene Zettel mit den Notizen, die als Anweisungen interpretiert wurden, nicht die vorhergehende These der Verteidigung bestätige, dass Aufträge an außenstehende Personen gegeben worden sein können, war die nächste Frage. Der Zeuge meinte, das spreche weder dafür noch dagegen, das sei alles Spekulation. Die Verteidigung ließ sich nun noch vom Zeugen bestätigen, dass dieser bis März 2013 Ermittlungsführer war und danach Frau Arndt diesen Job übernommen habe. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen.

Die Verteidigung gab eine Erklärung zur Vernehmung des Zeugen ab, dass dieser zur internen Struktur der Gruppierungen nur Spekulatives beitragen konnte, die Rolle des Angeklagten wie sie von der Staatsanwaltschaft in der Anklage dargestellt werde, könne nicht bestätigt werden, vieles könne sein, nichts muss. Das Gericht teilte mit, dass auf die Vernehmung von zwei Zeugen des VS verzichtet werde. Mittagspause bis 13:15.

Um 13:20 ging der Prozess mit dem nächsten Zeugen weiter, nämlich dem Kriminalhauptkommissar Sebastian Jonas, 39 Jahre alt, Dienststelle Bielefeld. Gleich als erstes wurde auf einen Vermerk hingewiesen, der mit dem Datum vom 12.02.13 datiert war. Hier ging es um ein Rechtshilfeersuchen an die Vereinigte Staaten von Amerika wegen eines E-Mailaccounts bei Yahoo. Darüber hinaus musste sich der Zeuge noch mal reinhängen, was seine Erinnerungen angeht, aber er wüsste noch, dass es um Brandanschläge in Berlin gehe und er das Selbstbezichtigungsschreiben der RAZ an die BZ technisch ausgewertet habe. Bei dieser Auswertung habe er über den Header versucht eine IP-Adresse herauszufinden und sei dabei auf die Zwiebelfreunde Dresden gestoßen, einen Tor-Provider. Daraufhin habe er eine Anfrage an Yahoo in Deutschland gestellt, dort wurde mitgeteilt, dass die Adresse zu dem amerikanischen Unternehmen gehört. Danach wurde über die Bundesstaatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen an die USA gestellt auf Beschlagnahmung des E-Mail-Accounts. Dazu gab es eine Antwort, eine CD mit Dateien wurde verschickt, aus dem war das Postfach ersichtlich mit den verschickten Mails an den Berliner Kurier und die Berliner Zeitung sowie elf weitere Adresse, die sich im BCC befanden. Dazu befand sich dort auch noch eine Begrüßungsmail von Yahoo zur Einrichtung des Accounts. Da diese Begrüßungsmail fünf Minuten vor der Verschickung der anderen Mails eintraf, sei davon auszugehen, dass der Account ausschließlich zur Verschickung der Bekennerschreiben eingerichtet worden sei. Die Angaben des E-Mail-Accounts ergaben sich als Fake und eine weitere Mail mit dem Kommuniqué auf Englisch an sieben weiter Adressen wurde gefunden. Zu der Übersetzung konnte der Zeuge nichts sagen. Die Reihenfolge der Adressen im BCC sei die gleiche gewesen wie auf dem Zettel, der im Rahmen einer Observation beschlagnahmt wurde. Der Zeuge erinnert sich nicht im Detail, um welche Adressen bzw. Zeitungen es sich handeln würde. Sonst seien ihm keine Erkenntnisse erinnerlich. Der Richter fragte nach den Zwiebelfreunden Dresden, woraufhin der Zeuge erklärte, dass es da Ermittlungen gegeben habe, aber daraus hätten sich keine Erkenntnisse ergeben, außer das diese einen Tor-Node betrieben hätten. Nun wollte das Gericht wissen, ob eine IP-Adresse dauerhaft oder veränderlich sei, der Zeuge wusste nicht, wie das damals war, heutzutage könne sie sich nach einem Tag oder mehreren Stunden verändern. Wie es denn in einer WG, wo mehreren Personen einen Router benutzen, erkennbar sei, welches Gerät was im Internet aufruft, war die Antwort, dass dies nur über den Router möglich wäre, da dieser alles protokolliert. Die Richterschaft fragte wegen dem bereits erwähnten „User-Agent“, ob dieser als Fingerabdruck zu verstehen sei. Dies wurde vom Zeugen verneint, was dazu führte, dass einer der Schöffen nochmal nachhakte: Wenn mehrere über denselben Router im Netz sind, aber das gleiche System haben, dann was, Pech? Der Zeuge bestätigte dies. Die Verteidigung wollte wissen, wenn man über Tor eine E-Mail versendet, ist dann über die Verbindung feststellbar, zu welcher Uhrzeit sie stattfand; ist es von außen möglich festzustellen, auf welcher Seite ich bin, wenn ich mich über Tor mit dem Internet verbinde? Die erste Frage verstand der Zeuge nicht und die zweite wusste er nicht. Die letzte Frage der Verteidigung war, ob man im Rahmen einer TKÜ eine Person, die über Tor im Netz ist, überwachen kann. Dies konnte der Zeuge nicht beantworten, er verwies auf andere Techniker, die sich damit besser auskennen. Der Zeuge wurde entlassen.

Das Gericht kündigte an, dass zum nächsten Termin zwei Sachverständige erscheinen werden. Die Verteidigung beantragte die Unterstützung durch einen eigenen Sachverständigen (für Kopierangelegenheiten, Kopiermaschinen, etc.). Nach einem kurzen hin und her willigte die Richterschaft mit Bedenken ein, dass diese Person hoffentlich nicht den Prozessfluss stören werde und neben der Verteidigung Platz nehmen darf. Der Prozess endete um 13:50 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 16. September um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom zwölften Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Der zwölfte Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Gefährten begann am 09.09.21 pünktlich um 9:00 Uhr, im Verlauf des Tages waren sieben solidarische Personen anwesend. Als erster Zeuge war ein Beamter vom Verfassungsschutz geladen, der wie auch schon seine Kollegen zuvor unter Arbeitsnamen und mit Perücke und falschem Bart verkleidet vor Gericht erschien, angeblich 47 Jahre alt und in Berlin beschäftigt. Der Zeuge war an der Observation des Angeklagten beteiligt, hat aber nach eigener Aussage keine Erinnerung mehr daran, weder konkret noch allgemein an den Einsatz. Weder der Name unseres Gefährten noch RAZ sage ihm irgendetwas. Zur Vorbereitung habe er das Behördenzeugnis und den Observationsbericht gelesen, was aber keine neuen Erinnerungen in ihm wachgerufen habe. Auf Nachfrage des Richters bestätigte er, am 12.07.21 an einer Besprechung seiner Behörde teilgenommen zu haben, bei der er und seine Kollegen darauf vorbereitet worden wären, was vor Gericht auf sie zukomme, was die Aussagegenehmigung bedeute und was sie zu beachten hätten. Auf die weitere Frage des Richters, ob er sich mit Kollegen über den damaligen Einsatz gesprochen habe, gab der Zeuge an mit niemandem darüber gesprochen zu haben, er sei gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt.

Nun wollte die Verteidigung wissen wo die Besprechung stattgefunden habe, was der Zeuge zunächst mit Hinweis auf seine beschränkte Aussagegenehmigung nicht beantwortete, auf die weitere Frage, ob er denn wenigstens die Stadt nennen könne, in der die Besprechung stattgefunden habe, antwortete er mit Berlin. Auch seien alle Teilnehmer dieser Besprechung aus Berlin gewesen, niemand sei aus Köln angereist. Er erinnere sich auch, dass er grundsätzlich an Observationen in Berlin teilgenommen habe, ob er speziell dazu ausgebildet worden sei, also als Observateur, dazu wollte er wieder mit Verweis auf seine beschränkte Aussagegenehmigung nichts sagen. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen.

Dann teilte der vorsitzende Richter noch mit, dass die für 13:30 Uhr geladene Zeugin, die auch schon an einem früheren Termin nicht erschienen war, heute wieder aufgrund eines Rückenleidens, welches sie sowohl am Stehen wie auch am Sitzen hindere, nicht kommen könne. Der Richter betonte die Wichtigkeit der Ladung der Zeugin und meinte, dass man dafür Sorge trage könne, dass die Zeugin zu einem anderen Termin auch liegend vor Gericht erscheinen kann. Des Weiteren habe der vorsitzende Richter noch ein Fax vom 24.08.21 erhalten, in welchem ihm auf seine Frage bezüglich der Erinnerungen der zu ladenden Zeugin Immendorf geantwortet worden sei. Es sei mit der Zeugin telefoniert worden und sie könne sich nicht an die Observation erinnern, noch was der Gegenstand dieser gewesen war. Allerdings sei wohl ein Zeuge beim Verfassungsschutz noch nicht fündig geworden, man wüsste nur seinen Decknamen. Dann wurden noch weitere Termine mit den Verhandlungsteilnehmern abgesprochen, da die bisher angesetzten Verhandlungstage nicht ausreichend seien (Wir haben die neuen Termine ans Ende des Berichts gesetzt). Es wurde vom Richter festgestellt, dass die am 19.08. ausgegebenen Urkunden zur Kenntnis genommen werden konnten und deshalb nicht mehr verlesen werden. Im Anschluss teilte das Gericht noch mit, welche Urkunden es vorhabe zu verlesen beziehungsweise in Augenschein genommen werden sollen. Auch sei dem Gericht mitgeteilt worden, das Frau Durbach vom Verfassungsschutz nicht so gerne kommen möchte, das Gericht habe aber darauf bestanden und folglich werde sie wahrscheinlich am 14.09. oder am 21.09. vor Gericht erscheinen. Um 9:25 Uhr wurde dann eine Pause bis um 11:00 Uhr einberufen.

Nach der Pause erschien ein pensionierter Bulle vom BKA, der die Razzia bei unserem Gefährten geleitet hatte, vor Gericht. Er wisse worum es geht, könne sich anhand der Unterlagen, die er im Vorfeld gelesen habe, erinnern. Er habe in der hier zu verhandelnden Sache nur die Durchsuchung geleitet und eine kleine Auswertung vorgenommen. Auf eine diesbezügliche Frage des Richters, teilte der Zeuge mit, dass durch entsprechende Maßnahmen der tatsächliche Wohnort des Beschuldigten versucht wurde herauszufinden, wo dann auch die Razzia durchgeführt wurde, da diese nicht mit der Meldeadresse übereinstimmte. Er könne sich noch ungefähr an die Wohnung erinnern, ihre Größe, dass alle Räume unverschlossen waren, der Mitbewohner nicht anwesend war, Cem sich aber in der Wohnung befunden habe. Diese habe er über seine Rechte belehrt. Zum Ablauf teilte er mit, dass um 6:00 Uhr das SEK in die Wohnung eingedrungen wäre, da davon ausgegangen worden sei, dass sich in der Wohnung eventuell Waffen und Sprengstoff befinden könnten. Dann sei der Zeuge mit den anderen Bullen in die Wohnung, wo er Cem gefesselt vorgefunden habe. Nachdem dieser versichert habe, die Durchsuchung nicht zu stören, seien ihm die Fesseln abgenommen worden und er sei über das laufende Ermittlungsverfahren und den Durchsuchungsbeschluss aufgeklärt sowie über seine Rechte belehrt worden. Auf die Frage des Richters, was der Beschuldigte darauf gesagt habe, teilte der Zeuge mit, dass dieser einen Rechtsanwalt kontaktieren wollte, was zunächst nicht funktioniert habe, da niemand bei der Telefonnummer die ausgehändigt wurde, um den Anwalt zu kontaktieren, abgenommen habe, jedoch über eine Notfallnummer schließlich doch geklappt habe. Ebenso habe er um einen Durchsuchungszeugen gebeten, wozu jemand im Haus gefunden wurde, der der Razzia bis zu ihrem Ende um 12:00 Uhr beiwohnte. Zur Sache habe Cem keine Aussagen machen wollen. Später sei dann auch der kontaktierte Rechtsanwalt erschienen und habe mit Cem gesprochen, auch der Zeuge habe mit dem Anwalt wegen der Hausdurchsuchung und der folgenden ED-Behandlung des Beschuldigten gesprochen. Bei der Razzia sei, wie gesagt, nach Sprengstoff und Waffen gesucht worden, weshalb unter anderem mit Spürhunden die Wohnung und die Kellerräume durchsucht wurden. Cem habe dem Zeugen zwar mitgeteilt, dass er die Kellerräume nicht nutze und dementsprechend auch über keine Schlüssel zu diesen verfüge und auch der Mitbewohner, den die Bullen diesbezüglich angerufen haben, bestätigte, dass Cem den Keller nicht nutze, dennoch wurde die Tür für die Kellerräume aufgebrochen und diese dann durchsucht. Nachdem der Keller, der aus zwei Räumen bestand, geöffnet worden war, stellte die Bullen fest, dass, so wie es ihnen zuvor vom Mitbewohner mitgeteilt worden war, der vordere Raum vom Mitbewohner genutzt wurde und der hintere Raum von einer weiteren Person ohne festen Wohnsitz, die in keinem Zusammenhang mit dem Verfahren stehe. Es habe sich kein Hinweis auf eine Nutzung der Kellerräumlichkeiten durch Cem finden lassen.

In der Wohnung habe sich die Zuordnung des Zimmers zum Angeklagten dadurch ergeben, dass dieser dort geschlafen habe und der Zeuge gehe auch davon aus, dass man dort persönliche Gegenstände von Cem gefunden habe. Im Verlauf der Hausdurchsuchung wurde ein Rechner und weitere Datenspeicher beschlagnahmt, was dort aufgefunden wurde, wusste der Zeuge nicht. Ansonsten sagte der Zeuge noch, dass Cem nichts unterschrieben habe und erläuterte dann noch den Ablauf Asservierung, dass sich die Asservatennummer aus jeweils einer Nummer für die Person, des Hauses, der Etage und des Raumes ergebe. In der Wohnung belege er üblicherweise die Zimmer mit einzelnen Nummern, die er an die Türen klebe, so dass die Kollegen diese nachvollziehen und die Asservaten entsprechend zuordnen können. Auf die Frage, ob sich viele schriftliche Unterlagen und Bücher in dem Zimmer befunden haben, antwortete der Zeuge, dass es schon Bücher gegeben habe, aber ob das besonders viele gewesen seien, könne er jetzt nicht mehr sagen. Der Zeuge habe Cem noch zur ED-Untersuchung gebracht, an der Auswertung der Asservate sei dieser nicht beteiligt gewesen. Er habe noch zwei Vermerke zur Telekommunikationsüberwachung vom 05. und 06.03.2013 bezüglich des Anschlussinhabers einer Telefonnummer und eines E-Mail-Accounts angefertigt, aber er denke, da habe es nichts Belastendes gegeben, ansonsten wäre ihm das in Erinnerung geblieben. Wie der E-Mail-Account dem Beschuldigten zugeordnet werden konnte, das wisse er nicht.

Nun fragte die Verteidigung den Zeugen, ob er bezüglich der Nutzung der Zimmer auf die Angaben des SEK vertraut habe, woraufhin dieser angab, dass er Cem gefragt habe, welche Räume er nutze und sich diese Angabe nach Überprüfung bestätigt hätte. Der Rechtsanwalt wollte nun wissen, zu welchem Zeitpunkt er sich denn zur Raumnutzung geäußert habe. Sehr früh, so die Antwort des Exbullen, nach der Belehrung als der Angeklagte nicht mehr gefesselt gewesen sei, aber noch vor dem Telefonat mit dem Rechtsanwalt. Die Frage, ob er dies für relevant halte, bejahte der Zeuge, warum er dies dann nicht in den Bericht geschrieben habe, ließ er unbeantwortet. Auch die weitere Frage der Verteidigung, warum laut Bericht, 13 Minuten zwischen dem erfolglosen Anruf auf der Festnetznummer des Rechtsanwalts und dem erfolgreichen auf der Mobilfunknummer konnte nicht geklärt werden. Die weiteren Fragen bezogen sich auf die Telekommunikationsüberwachung. So glaube der Zeuge nicht, dass sich daraus irgendwelche Hinweise auf ein konspiratives Verhalten des Beschuldigten ergeben habe und er habe auch keine Erinnerung an ein Zeitungsprojekt auch nicht eines mit dem Namen „Strike“. Die Verteidigung wies darauf hin, dass bei den abgehörten Gesprächen zwischen Cem und Oliver Rast (der auch beschuldigt war) um ein öfters als „Blättchen“ bezeichnetes Zeitungsprojekt ging, wobei es sich immer, so der Bullenbericht, um die Zeitschrift „Strike“ gehandelt habe. Eine Verbindung zur RAZ habe sich laut dem Zeugen aus Telekommunikationsüberwachung auch nicht ergeben. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen, jedoch nicht ohne sich die Anreise aus einem Kaff in der Nähe von Bonn und eine Übernachtung in Berlin vom Gericht entschädigen zu lassen.

Kurz vor Ende des Prozesstages erklärten sich alle Verhandlungsteilnehmer damit einverstanden, dass auf die Ladung der zuvor schon erwähnten Zeugin Immendorf vom Verfassungsschutz verzichtet werden kann.

Damit endete der Verhandlungstag um 11:40Uhr.

Die neuen zusätzlich angesetzten Termine sind am 28.10., 16.11., 01.12., 13.12., und am 12.01. jeweils um 9:00 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 14. September um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom elften Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal Prozess)

Am 19. August 2021 fand um 11:10 Uhr der elfte Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Gefährten Cem statt. Im Verlauf des Tages waren sieben Personen bei den Zuschauer und Zuschauerinnen sowie eine Vertreterin der Presse anwesend.

Als erster Zeuge wurde ein Andreas Hoffmann vorgeladen, dieser sei ein Polizeibeamter aus der Dienststelle Meckenheim (daher handelt es sich hier um einen Beamten des Bundeskriminalamtes, BKA), 32 Jahre alt. Auf die Frage der Richterschaft, ob er noch wüsste, worum es gehen würde, sagte er ja, er wäre nämlich an der Hausdurchsuchung gegen den Beschuldigten im Mai 2013 beteiligt gewesen. Der Zeuge habe sich auch auf die Vorladung vorbereitet, habe darüber hinaus aber auch noch selbst Erinnerungen daran.

Auf die Frage warum die Hausdurchsuchung an dieser Adresse stattgefunden habe, antwortete der Zeuge, dass der Beschuldigte woanders angemeldet gewesen sei, über Observationsmaßnahmen konnte der eigentliche Wohnort des Beschuldigten festgestellt werden.

Der Zeuge erwähnte weitere Kollegen, die an der Hausdurchsuchung teilgenommen hatten, wie Herr Martin Littner, dass Diensthunde im Einsatz gewesen waren, Berliner SEK sowie auch das LKA an der Hausdurchsuchung teilgenommen hatte und weitere Bullen für die Absperrung zuständig gewesen waren. Der Zeuge selbst war nicht als erster in der Wohnung, habe aber Cem dort vorgefunden. Weiter beschrieb der Zeuge die Wohnung im Detail. Er selbst durchsuchte auch das Zimmer von Cem, welches er ebenfalls beschrieb. Auf die Frage der Richterschaft, ob es denn Hinweise gegeben hätte, dass der Beschuldigte dort wirklich wohnen würde, antwortete der Zeuge, dass vor Ort Behördenschreiben und ein Mietvertrag aufgefunden worden wären, die an Cem adressiert waren. Ein gewisser Herr Kulik (wir gehen davon aus, dass es sich um den Hauptmieter handelt) war nicht vor Ort. Ob die Zimmer in der Wohnung verschlossen waren, konnte er nicht sagen, aber die Eingangstür war beschädigt, weil sie aufgebrochen worden war.

Beschlagnahmt wurden mehrere Datenträger (USB, usw.), zwei Laptops, ein Standrechner, ein Scanner, verschiedene Bücher (um welche es sich handelte, dazu wurden keine Angaben gemacht), ein Maus für Computer, Aufzeichnungen (Notizbuch) in einem Rollcontainer, Zettel (mit Nummern und Buchstabenfolgen).

Warum die Bücher denn beschlagnahmt worden wären, fragte die Richterschaft. Da diese für die Erstellung der Publikation radikal genutzt worden sein könnten, antwortete der BKAler, um Artikel zu schreiben und um daher handschriftliche Notizen zu diesem Zweck in den Büchern zu finden.

Beim Notizbuch waren Namen und Nummern mit Kürzel vorhanden (S für Stuttgart, B für Berlin, usw.), die auf evtl. andere Orte deuteten.

Die Handschrift wurde an den verschiedenen Zetteln und Notizen miteinander verglichen um festzustellen, ob es sich jeweils um verschiedene Handschriften handeln würde, was auch auf verschiedene Personen hinweisen würde, oder ob es sich immer um dieselbe Schrift handelte. Was, so der Bullenzeuge, der Fall sei, dass es sich um dieselbe Handschrift ein und derselben Person handeln würde. Die Herstellung der Verbindung zu Cem war anscheinend die Leistung einer meisterhaften Detektivarbeit, weil er auf türkisch Mutter in das Notizbuch reingeschrieben hatte und die daneben stehende Zahlenfolge sei, wie sich herausstellte, die Telefonnummer seiner Mutter gewesen.

Auf einem weiteren Zettel wurden Notizen zu einer arbeitsteiligen Erstellung einer Zeitschrift gefunden mit Abkürzungen wie B, MD, S.

Ob der Zeuge Kontakt mit Cem während der Hausdurchsuchung gehabt hätte, beantwortete dieser, dass er Cem nur kurz gesehen hätte, aber dieser nichts sagte und nichts unterschrieben habe.

Als nächstes wurden Ablichtungen der Notizzettel dem Zeugen vorgezeigt, dieser konnte sich daran erinnern, auch dass die Zettel im Rollcontainer waren.

Die USB-Sticks wurden ausgewertet und bei einem fand sich im gelöschten Bereich eine PDF-Datei mit der Ausgabe Nummer 161 der Publikation radikal. Wie die Datei gesichert und aufgefunden wurde, wusste der Zeuge selbst nicht, da dies die Aufgabe einer anderen Polizeistelle sei. Bei einer Internetseite konnte man die Datei runterladen und der digitale Fingerabdruck beider Dateien war identisch. Die Datei wurde mit einer Printausgabe der radikal verglichen und es wurde bestätigt, dass es sich um dieselbe Ausgabe und Publikation handeln würde.

Daraufhin wurden fünf Zettel (6. Postille soll als Überschrift gestanden haben) erwähnt, bei denen festgestellt werden sollte, dass es sich um die nächste Ausgabe der radikal, Nummer 166, handeln würde. Es wurde so begründet, weil in der Nummer 165, Artikel für die nächste Ausgabe angekündigt wurden, wie z.B., ein Artikel über die Bewegung 2. Juni und auf einem der Zettel soll die Abkürzung B2J gefunden worden sein.

Danach wurde auf die Problematik der Zeitstempel der PDF-Datei hingewiesen, so sei die Erzeugungszeit nach der Änderungszeit angegeben, dies deutet darauf hin, dass die Datei sehr wahrscheinlich aus dem Netz runtergeladen worden sei. Dies sei zwei Tage vor der Hausdurchsuchung geschehen. Ansonsten wurde erwähnt, dass die Zeitstempel keine zuverlässige Angabequelle seien, weil diese des öfteren nicht stimmen würden.

Einer der Schöffen fragte noch einmal den Zeugen, ob egal wer sich die Datei heruntergeladen hätte, der digitale Fingerabdruck immer derselbe sei, was der Zeuge bejahte.

Die Richterschaft fragte den Zeugen des BKA, ob dieser sich mit der Geschichte der Publikation radikal auseinandergesetzt habe, seit wann diese existieren würde, worum es denn in dieser gehen würde. All dies konnte er nicht beantworten, denn er wüsste es nicht, er hätte sich nur mit den Nummern 161 bis 165 auseinandergesetzt. Auch wann denn die Nummer 161 erschienen wäre, wusste der Zeuge nicht mehr.

Die Verteidigung befragte als nächstes den Zeugen, ob die Möbel im Zimmer von Cem, da die Rede von zwei großen Schreibtischen war, von mehrere Personen benutzt werden hätten können. Der Zeuge antwortete, dass dies nicht erkennbar gewesen sei. Auf weitere Fragen sagte er, dass bei der Hausdurchsuchung eine weitere Beamtin vom LKA anwesend gewesen sei sowie der Durchsuchungszeuge und Herr Littner, der immer hin und wieder im Zimmer auftauchte.

Die Verteidigung bohrte selbst nochmals bezüglich der PDF-Datei nach, und dass es nicht nachvollziehbar sei, ob diese hoch- oder runtergeladen worden wäre. Bei der Herstellung des PDFs, handelte es sich ja nicht um eine digitale Datei, sondern um eine eingescannte Druckausgabe, dies sei auch an der Randbeleuchtung erkenntlich, eine sogenannte Kopierspur (ähnlich wie bei Fotokopien).

Der Zeuge wurde dann anschließend entlassen und eine zehnminütige Pause folgte.

Nach der Pause wurde eine Karte via Google Maps gezeigt, es sollte festgestellt werden, dass der Beschuldigte bei der Videoaufnahme die am 10.08.21 vorgespielt wurde, genau in den Hauseingang eintrat vom dem die Richterschaft ausging.

Beweismaterial wurde ausgehändigt und in Augenschein genommen. Es ging unter anderen um Kopien von handschriftlichen Notizen und die Ausgabe Nummer 162 der radikal. Die Kammer beabsichtigt aber nicht, das Video vorzuzeigen, bei dem es um die Sprengvorrichtung namens Gasaki geht, weil die Anzahl an Gaskartuschen eine andere gewesen wäre, bei dem Video ging es um zehn Kartuschen und bei einem der Brandanschläge wurden acht verwendet.

Die Wohnadressen des Beschuldigten in Berlin ab 2006 wurden vorgelesen und zum Protokoll geführt.

Kurz vor dem Schluss wurden Dokumente zum Selbstleseverfahren verteilt, dabei wurde das Behördenzeugnis der Verfassungsschutzes herausgenommen, da noch nicht alle Zeugen befragt worden sind und der Beweiswert sich noch zeigen muss.

Die Richterschaft habe noch den Zeugen Kellich vorgeladen, der den E-Mail Verkehr ausgewertet haben soll.

Der Prozesstag endete um 12:10 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 9. September um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom neunten und zehnten Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal Prozess)


Vorab: Der angesetzte Termin am 17.08.21 entfällt und der nächste Termin am 19.08.21 beginnt erst um 11:00 Uhr.

Neunter Verhandlungstag

Am zehnten August begann der neunte Verhandlungstag gegen unseren Freund und Gefährten pünktlich um neun.

Als erster Zeuge wurde ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes vorgeladen. Wie seine Kollegen trat er verkleidet auf. Der Zeuge hatte, wie bis jetzt so oft der Fall war, weder Erinnerungen an den Fall, noch habe er den Observationsbericht gelesen, da er Urlaub gehabt hatte. Er hatte sich neben dem Lesen des Behördenzeugnisses anhand der Berichte der Soligruppe No129 über den Prozess informiert, jedoch konnte er sich an nichts erinnern, trotz eines intensiven Insichgehens, keine Erinnerungen. Zu der Frage, ob er schon mal in Berlin tätig gewesen sei, durfte er keine Aussage machen. Er habe an einem Treffen, von dem schon oft die Rede war, teilgenommen, bei dem das Verhalten der Zeugen besprochen worden sei. Auch hätte der Zeuge mit einem anderen Zeugen, Herrn Arnemann (Alias), über den Fall gesprochen. Auch nach der Aufforderung des Richters sich den Beschuldigten anzuschauen, kann er sich an nichts erinnern, auch nicht an ihn, und ob er ihn jemals observiert hätte, darüber dürfe er aber nicht reden.

Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes räumte gewisse Ängste ein, die auch der besagte Kollege im Vorfeld gehabt habe, wegen der Dinge, die man im Internet lesen würde, der Kollege habe sich im Gespräch aber dahingehend geäußert, dass alles dann doch überraschend nett abgelaufen sei.

Die Verteidigung fragte wie lange das Treffen mit seinen Kollegen gedauert habe und was dort besprochen worden sei, worauf der Zeuge die Dauer mit einer halben Stunde angab und dass allgemeine technische Abläufe vor dem Gericht besprochen worden seien, wie z.B., wie der Richter angesprochen wird und so weiter, an.

Da der Zeuge dem Richter einräumte im Urlaub gewesen zu sein, fragte die Verteidigung nach der Dauer dieses, wozu keine Antwort abgegeben wurde. Darauf fragte die Verteidigung warum denn dann überhaupt der Zeuge dies erwähnt hätte, wenn er nichts dazu sagen wollen würde und ob dies nicht schon über seine Aussagegenehmigung hinausgegangen sei. Es sei doch schon etwas befremdlich, dass er zwar im Internet recherchieren konnte und mit dem Kollegen sprechen konnte, aber keine Zeit gefunden habe, den Observationsbericht zu lesen.

Der Richter erinnerte alle Anwesenden daran, dass der Zeuge alleine entscheiden würde, aufgrund der eingeschränkten Aussagegenehmigung, wann er und was er sagt.

Es sei bemerkenswert dass der Zeuge zwar alle Fragen der Richterschaft beantworten würde, aber nicht die der Verteidigung, so diese. Denn zu allen Fragen der Verteidigung – ob er mit dem Kollegen in Urlaub war, wo und wie er mit dem Kollegen gesprochen hat usw. – gab der Zeuge keine einzige Antwort. Nur die Frage, ob er ein Automat sei, wurde vom Zeugen verneint.

Als der Richter diesen fragte, warum er denn im Internet nach dem Fall recherchiert habe, antwortete der Zeuge, dass er dies nur gemacht habe, um seine Erinnerung aufzufrischen.

Die Frage der Verteidigung, ob und woher er denn wusste, dass es Internet Bericht gibt, bejahte er und meinte, dies sei Allgemeinwissen. Auf die Frage, ob die Seite im Bundesamt bekannt sei , verweigerte er die Antwort. Auf Nachfrage der Verteidigung, sagte der Zeuge dazu, dass das, was im Internet stehen würde, härter klinge, als wie es in Wirklichkeit sei. Man habe Angst, fühle sich angegriffen, weil die Zeugen angefeindet werden würden.

Ob dies seine persönliche Meinung sei und wodurch er sich angegriffen gefühlt habe? Keine Antwort. Die Verteidigung wollte keine Fragen mehr stellen, weil dies doch eine Farce sei.

Der Richter selbst versuchte nochmals einige Fragen stellen, bezüglich eines Verantwortlichen für die Observation, der vielleicht auch mal irgendetwas sagen könne, ob es da jemanden gäbe, der Zeuge machte aus diesbezüglich keine Aussage.

Nachdem der Zeuge entlassen wurde und den Saal verlassen hatte, äußerte sich die Verteidigung wieder zum Verhalten der Zeugen des Verfassungsschutzes, dass dies eine Farce sei, weil die Zeugen weder was sagen, noch sich an irgendetwas erinnern. Das Verhalten wäre nämlich vereinheitlicht und überhaupt keine Erinnerungen, es gäbe keine Veranlassung jede Aussage zu verweigern, es handele sich hier klar um ein strategisches Aussageverhalten. Worauf würde denn all dies hinauslaufen? Mittlerweile würde ja schon sogar verneint werden, den eigenen Bericht überhaupt gelesen zu haben.

Daraufhin wurde von der Richterschaft eine zehnminütige Pause einberufen.

Nach der Pause verlas der Richter den Vermerk des Kriminalkommissariats des LKA Sachsen-Anhalt (Dienststelle Magdeburg) vom 27.04.11, dass in der S-Bahn Haltestelle von Alt-Glienicke in Berlin, der Beschuldigte Cem in der Mitte der Haltestelle saß und Papiere aus seiner Tasche genommen haben soll. Dieser soll sich diese angeschaut und dann zerrissen haben, um welche Zettel es sich handelte, konnte der Bulle, der die Observation durchführte, nicht sehen, auch nicht in welchen Mülleimer, denn es gab zwei nebeneinander, was weggeworfen wurde. Dies kam dem Bullen sehr verdächtig vor. Als der Beschuldigte in die einfahrende S-Bahn einstieg, wurden alle Zettel aus dem Müll als Beweismaterial gesichert.

Nach der Verlesung dieses Vermerks, fragte der Richter ob es sinnvoll wäre, beim VS nachzufragen, ob es denn Personen gibt, die sich erinnern können und auch nur diese vorzuladen. Dieser Frage stimmte die Staatsanwaltschaft zu, fragte aber selbst, wie denn der Ablauf wäre, ob es überhaupt möglich sei, und wenn ja wie, im Vorfeld zu klären, ob sich die Personen an etwas erinnern, oder nicht.

Daraufhin verkündete der Richter, dass er Schritte einleiten würde und sich diesbezüglich bei der Dienststelle des Verfassungsschutzes in Köln erkundigen werde und über das weitere Vorgehen würde nach einer möglichen Rückmeldung dieser Behörde entschieden werden.

Es wurde eine weitere Pause verkündet, die von 09:40 bis 11:00 dauern sollte.

Gegen 11:00 ging es dann weiter und die zweite Zeugin des Tages, eine Frau Diana Elwanger (Alias), 38 Jahre alt, wurde vorgestellt. Diese sei eine Verwaltungsbeamtin, aus der Dienststelle Köln des Verfassungsschutzes. Sie hatte sich für diesen Prozess den Oberservationsbericht, einen Vermerk und das Behördenzeugnis durchgelesen, konnte sich aber auf Nachfrage nicht mehr genau an den Vermerk erinnern, sie habe alles vor sechs Wochen gelesen und auch nach dem Lesen aller Berichte keine Erinnerung an den Fall mehr gehabt. Sie könne sich auch nicht an den Beschuldigten erinnern, nachdem sie diesen anschaute.

Im Gegensatz zu ihren anderen Kollegen, zumindest jene die bis dato als Zeugen ausgesagt hatten, nahm sie an keinem Treffen teil. Sie habe mit einem Kollegen über diesen Fall gesprochen, nämlich dem Herrn Adelbrecht (Alias), wobei es sich auch um den Einsatz handelte, aber auch dieser hatte keine Erinnerungen. Auf die Frage, ob es weitere Vorbereitungen gab, antwortete sie nein. Ob der Observationsbericht lang oder kurz gewesen sei, denn der dem Gericht vorliegende sei ja kurz, woraufhin sich herausstellt, dass die Zeugin den Observationsbericht, der dem Gericht zur Verfügung gestellt worden ist, zuvor als Vermerk bezeichnet hat. Ob sie schon für andere Observationen in Berlin gewesen sei, beantwortete sie nicht.

Als nächstes fragte die Verteidigung, ob der Vermerk geschwärzt gewesen sei, diese Frage bejahte sie. Ob sie an einer Schulung über ihr Verhalten vor Gericht teilgenommen habe, sagte sie, dass sie es nicht getan habe, da sie nicht im Dienst war als dieser stattfand. Sie wisse aber, dass dieses Treffen stattgefunden habe, jedoch nichts über dessen Inhalt. Der Zeugin wurden keine weiteren Fragen mehr gestellt und sie wurde dann entlassen.

Eine weitere fünfminütige Pause wurde einberufen.

Um 11:25 ging es weiter mit dem Abspielen von zwei Aufnahmen von Telefongespräche, welche im Rahmen einer TKÜ, Telekommunikationsüberwachung, am 09.06.2010 um 16:43 und am 26.04.11 um 10:02 von den Bullen aufgezeichnet worden sind.

Bei der ersten dieser Aufnahmen, hört man den Beschuldigten, wie er sich mit einer Person unterhält und verabredet, während sie quatschen und sich ein bisschen von ihrem Alltag erzählen, erwähnt der Beschuldigte eine Publikation, die in den Druck gehen soll und die es seit langem gibt.

Beim dem zweiten aufgenommenen Telefonat, spricht der Beschuldigte mit einer Person am Telefon, mit der er sich bei ihr zu Hause verabredet hat, diese wohnt bei Grünau – Alt-Glienicke.

Zu dem ersten Telefonat verkündet die Verteidigung, dass die Staatsanwaltschaft sich bei diesem Telefonat darauf bezieht, dass es sich um die verbotene Publikation namens radikal handeln müsse, dass dies aber nicht aus dem Telefonat hervorgehen würde, weil diese in keinem Moment benannt wird. Es sei auch das einzige Telefonat bei dem über das Drucken einer Publikation gesprochen wurde und nur weil er gesagt habe, „ich lag in den Windeln“ als es diese schon gab, muss es sich nicht um die verbotenen Publikation radikal handeln, sondern auch um das Gefangenen Info. Wie stellte denn die Staatsanwaltschaft eine Verbindung her?

Dann folgten zwei Videos von Observationen. Das erste war vom 26.04.11 von 17:45 bis 18:20.

Bei dieser Observation sieht man den Beschuldigten, wie er über eine Straße mit einem Einkaufsbeutel läuft und evtl. in ein Gebäude reingeht. Es ist nicht ersichtlich welches und man sieht auch nicht ob er überhaupt in ein Gebäude reingeht, weil ein Vorbau eines Gebäudes die Sicht verdeckt.

Daraufhin fragte die Verteidigung was man da überhaupt gesehen hätte, worum es gehen würde? Aufgrund dessen legte diese einen Widerspruch für die Verwertung dieses Videos, weil es nicht nachvollziehbar wäre, um welchen Hauseingang es sich handeln würde. Diese fragte auch, ob es überhaupt für diese Überwachungsmaßnahme einen Beschluss geben würde, denn es wäre nicht klar wozu und wofür dieses Video gemacht wurde.

Das nächste Video war vom 27.04.11 von 08:47 bis 09:05.

Bei diesem konnte man sehen wie der Beschuldigte aus dem erwähnten Vorbau auftaucht und Richtung Straße geht um diese zu überqueren.

Die Verteidigung legte auch gegen die Verwertung dieses Videos einen Widerspruch ein, die Gründe waren dieselbe wie beim vorherigen.

Der Richter las nach der Videovorführung einen weiteren Vermerk vor, dieses Mal vom BKA, datiert am 29.04.11, wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung (Militante Gruppe, MG) und der Verübung mehrerer Brandanschläge unter dem Namen der Revolutionären Aktions Gruppen, RAZ, gegen fünf Personen, die als Nachfolge Gruppe, es geht um die RAZ, der MG eingestuft wird.

Bevor der Richter aber diesen Vermerk zu Ende vorlesen kann, bzw. nur ein Teil soll vorgelesen werden, protestiert die Verteidigung und erhebt Widerspruch gegen diesen Vermerk, weil diese Erkenntnis (Betretung eines bestimmten Objekts, durch mehrere damals noch Beschuldigte) als subjektiver Eindruck des Beamten eine Wertung darstellt. Der Grund dafür liegt an der Annahme des BKA Beamten, der sich die Überwachungsaufnahmen anschaute – vor Gericht wurden ja nur wenige Minuten gezeigt, in der Tat umfasst das Videomaterial über zehn Stunden – und schlussfolgert nur durch diese Aufnahme, dass es sich hier um die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung handeln müsse.

Wieder eine Pause von fünf Minuten.

Nach der Pause zieht die Verteidigung den Antrag zum Widerspruch zurück, da der Richter nur einen Teil des Vermerks, denn nur dieser ist relevant, verlesen möchte. Der Richter liest also den Abschnitt des Vermerks vor, dass nach dem Paragraphen 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) die Nachfolgeorganisation der MG, die RAZ sei. Die Feststellung dazu, der Beschuldigte betritt eine Wohnung mit Plastiktüten und verlässt sie erst am folgenden Tag wieder ohne Plastiktüten.

Der Richter erklärt den Prozesstag für beendet, es ist 12:10.

Bevor alle entlassen werden, bittet die Verteidigung noch darum, dass ihr solche Beweisvorführungen vorher mitgeteilt werden, damit sie sich entsprechend vorbereiten könne.

Ende des neunten Verhandlungstages.


Zehnter Verhandlungstag

Am 12. August begann der zehnte Verhandlungstag mit einer mehr als dreiviertelstündigen Verspätung, da die geladenen Zeuginnen oder Zeugen nicht erschienen sind. Die Ladungen seien nicht eingegangen, auch wenn der Richter sich das nicht erklären kann.

Daraufhin kündigt das Gericht, dass nun die Zettel, die von dem Bullen aus dem Mülleimer am S-Bahnhof gefischt wurden, bzw. das auf diesen Vermerkte verlesen werde. Da kein Widerspruch eingelegt wird, liest der Richter vor, dabei handelt es sich um Post- und E-Mail-Adressen verschiedener Berliner Zeitungen.

Eine weitere Liste wird auf Bitte der Verteidigung erst beim nächsten Termin verlesen, da sie diese erst kürzlich erhalten habe und sich noch einarbeiten müsse.

Danach bittet die Verteidigung das Gericht bezüglich der in der letzten Sitzung angehörten Aufzeichnung des Telefongesprächs vom 09.06.2010, das Wortprotokoll, das eigentlich ein Inhaltsprotokoll ist, eines mitgeschnitten Telefongesprächs vom 07.06.2010 zu verlesen. Der Richter lies vor, dass es in diesem Gespräch um das Info ging, womit das Gefangenen Info gemeint sei. Die Verteidigung merkt an, dass dies die Interpretation der Verteidigung des in der letzten Sitzung angehörten Gespräches stütze und weist darauf hin, dass auch die Polizei unter Info, das Gefangenen Info verstehe.

Somit endete dieser Prozesstag schon um kurz nach zehn.

Der nächste Prozesstermin ist am 19. August um 11:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom achten Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal Prozess)

Für den Termin am 19.08.21 gibt es eine Veränderung: Da eine Zeugin krank ist, wird der Prozess an diesem Tag erst um elf Uhr beginnen, anstatt um neun wie es vorgesehen war.


Achter Verhandlungstag

Am 05.08.21 begann der achte Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Gefährten fast pünktlich um 13:00 Uhr. Dieses Mal trafen die Besucher und Besucherinnen im Verlauf des Tages ein und am Ende waren zehn Personen im Bereich der Zuschauenden und eine Person der Presse da.

Die Verteidigung eröffnete den Tag mit einen Antrag in Bezug auf den eingeschränkten Zugang der Öffentlichkeit zu diesem Prozess. Diese argumentierte, dass die Einschränkungen sogar strenger wären als die, die die Bundesregierung einsetzt. Da die Anzahl an vollständig geimpften Personen immer mehr steige und aufgrund der niedrigen Inzidenz, auch wenn diese etwas leicht angestiegen sei, sei die eingeschränkte Öffentlichkeit nicht zu rechtfertigen. Zu diesen Antrag erwiderte der Richter, dass die Inzidenz eben moderat gestiegen sei und er bei derselben Entscheidung bleiben würde. Was aber nun mit den Geimpften sei, egal wie viele Menschen gerade im Saal wären (weil gefragt wurde, wie viele Zuschauer und Zuschauer gerade im Saal anwesend waren, und zu diesem Zeitpunkt es nur neun Personen waren), steht daher immer noch die Frage im Raum, warum nach der Regel, dass maximal zehn Personen plus fünf aus der Presse da sein dürfen, gehandelt werden würde. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die meisten Anwesenden geimpft seien, wäre doch sehr hoch und die könne nicht ignoriert werden. Daraufhin und auf all dies erwiderte der Richter erneut, wie er es schon andere Male tat, dass die Entscheidung stehen würde, er aber erneut darüber nachdenken würde und sich mit anderen Kollegen über das Vorgehen bei anderen Prozessen erkundigen und austauschen würde, bis dahin würde sich nichts verändern.

Gleich danach machte die Verteidigung darauf aufmerksam, dass das Gericht sich positiv auf das Schreiben des Verfassungsschutzes bezogen hatte. Es ginge um eine Erklärung, wo der Verfassungsschutz die Gefahr für seine Mitarbeiter, nämlich als abstrakt gefährlich, definierte, denn deren Alias und deren Beschreibung sei im Internet zu finden gewesen, zwar sehr vage formuliert (z.B., falsche Bart, Perücke, usw.), was aber der Verfassungsschutz als „sehr präzise“ beschreibt. Darüber hinaus wird nicht erklärt, warum sich die Gefahrenlage der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes erhöht haben sollte. Für den Verfassungsschutz gilt die Beschreibung ihrer Mitarbeiter als ein konzipierter Versuch diese zu enttarnen.

Nach dieser Feststellung, wurde der erste und einzige Zeuge des Tages vorgeladen. Es handelt sich um einen gewissen Dirk Arnemann, geboren am 04.08.65, dieser trug einen falschen Bart und eine Perücke, wie üblich handelt es sich hier um einen Alias. Seine Arbeit im Verfassungsschutz sei die eines Angestellten in der Verwaltung und die Dienststelle sei in Köln. Der Zeuge wäre an einer Observationsmaßnahme beteiligt gewesen, kann sich aber nicht mehr daran erinnern. Auf die Frage des Richters, ob sich der Zeuge vorbereitet hätte, bejahte dieser die Frage. Er hätte nämlich von der Dienststelle das Behördenzeugnis, die eingeschränkte Aussagegenehmigung und den Observationsbericht erhalten. Was er aber genau gemacht habe, ob er sogar den Angeklagten wiedererkennen würde, was er im Bericht geschrieben habe, an all dies könne er sich nicht mehr erinnern.

Es gab, wie wir von anderen Zeugen auch schon erfahren haben, einen Termin mit seinen Kollegen, wo man sich traf um über den Fall zu reden. Er selbst sprach mit einem Kollegen darüber, dieser könne sich aber auch nicht mehr an den Fall erinnern. Auf die Frage, wie der Name des Kollegen sei, sprich sein Alias, weil die ja bekannt sind, darauf könne er nicht antworten, er müsse vorher darüber mit der Dienststelle in Köln reden, auch wenn der Alias bekannt sei und diese evtl., sogar schon vorgeladen worden sei. Auf die weitere Frage der Verteidigung, wie viele Berichte der Zeuge gesehen habe, wie viele Seiten diese hatten, daran könne er sich auch nicht mehr erinnern, obwohl dieses Treffen vor einem Monat gewesen sein soll. Ob er sich öfters als Zeuge vorbereiten würde, bzw., ob er als Zeuge öfters vortreten würde, verneinte er, ob der Bericht, den er bekam, geschwärzt war, wüsste er nicht mehr, was für einen Zeitraum der Observationsbericht umfassen würde, wüsste er auch nicht mehr, was für ein Format dieser hatte (DINA4, DINA3, usw.) und ob dieser einfach oder doppelseitig gedruckt war, wüsste er nicht mehr, außer dass es sich wahrscheinlich um DINA4 Format handeln würde.

Auf die Frage, ob auf dem Treffen den Teilnehmern empfohlen worden sei auf alle Frage ständig mit „ich weiß nicht mehr, habe keine Erinnerung daran, kein Kommentar“ oder ähnliches zu antworten, daran konnte sich der Zeuge auch nicht mehr erinnern, es sei lange her.

Die Verteidigung wollte feststellen, mit welchen Kollegen der Zeuge gesprochen hatte, darauf wurde eine zehnminütige Pause einberufen, damit in dieser die Dienststelle angerufen werden könne. Nach den zehn Minuten ging der Verhandlungstag weiter und der Zeuge durfte den Namen sagen, es handelte sich um einen anderen Zeugen, der schon erschienen war. Der Zeuge wurde nach dieser atemberaubenden Erkenntnis entlassen.

Als dieser den Saal verließ, stellte der Richter fest, dass noch weitere sieben Zeugen des Verfassungsschutzes kommen würde und dass er sich mit der Dienststelle in Verbindung setzen werde, um festzustellen, ob alle weiteren Zeugen doch nur dasselbe sagen würden und ob es nicht mehr Sinn ergibt diese zu entlassen, denn es handele sich hier um einen geringen Beweiswert, welcher vorgetragen werden würde.

Die Verteidigung erwiderte darauf, dass auch aus den Berichten des Verfassungsschutzes nicht ersichtlich sei, wer was geschrieben habe und ob all dies strafrechtlich überhaupt relevant sei.

All dies wurde zur Kenntnis genommen und wird sich in den kommenden Verhandlungstagen klären, um ungefähr 14:30 endete der achte Verhandlungstag.

Der nächste Prozesstermin ist am 10. August um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom sechsten und siebten Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal Prozess)

Vorab, der Termin vom 17.08.21 fällt aus. Wir werden im August nochmals daran erinnern.


Sechster Verhandlungstag

Am 13.07.21 begann der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen unseren Gefährten pünktlich um 9:00 Uhr. Neben den etwa 10 Besucherinnen und Besuchern, denen an diesem Tag im Gegensatz zu den vorherigen Terminen, der Besuch der Toiletten vor Prozessbeginn von den Schließern verweigert wurde, waren auch Vertreterinnen der Presse anwesend.

Als erster Zeuge war ein Bulle der Berliner Kripo geladen, der zum Brandanschlag auf das Amtsgericht am 27.04. 2011 aussagen sollte. Da er sich ja einlesen konnte, wusste er auch worum es geht, vor dem Lesen seines Berichtes habe er nur eine sehr oberflächliche Erinnerung gehabt, weil sich der Brandanschlag in der Nähe seiner Dienststelle ereignete. Nach dem Lesen kam ihm auch wieder ein Getränkekasten in Erinnerung und dass dieser nicht explodiert ist, ob es noch gebrannt hat, als er ankam, könne er aus dem Gedächtnis aber nicht mehr sagen. Für die Spurensicherung war ein Kollege zuständig, der Zeuge hatte den Bericht verfasst und Fotos angefertigt. Bezüglich der Spurensicherung erwähnte er, dass keine Fingerabdrücke gesichert wurden, da dies bei verbranntem Material unsinnig sei, sondern nur nach DNA-Spuren gesucht worden war. Den Getränkekasten mit zwölf hellblauen Plastikflaschen, der im Bericht erwähnt wird, habe die Feuerwehr bereits weggeräumt, er befand sich also beim Eintreffen des Zeugen am Tatort nicht mehr an seiner ursprünglichen Position. Dieser Kasten sei dann vom Zeugen und seinem Kollegen mitgenommen und von der Folgedienststelle untersucht worden. Weiters gehe er davon aus, dass vor seinem Eintreffen bereits ein Funkwagen vor Ort gewesen sei. Danach ging es um die Frage, wie der Zeuge denn festgestellt habe, dass sich in den Flaschen Benzin befand. Dies habe er am Geruch erkannt, war die Antwort. Befragungen der am Tatort anwesenden Personen habe wahrscheinlich der Kollege durchgeführt, da der Zeuge ja fotografiert hatte.

Anschließend wurden Fotos vom Tatort in Augenschein genommen, was die Erinnerung des Bullen aber nicht weiter auffrischte, auch an einen Joghurtbecher könne er sich nicht mehr erinnern. Der Staatsanwalt wollte dann noch wissen, welche Unterlagen er zur Vorbereitung erhalten habe und woher diese kamen, was der Zeuge dahingehend beantwortete, dass er den Spurenbericht und den Bericht des Kollegen unaufgefordert vom Gericht erhalten habe.

Die Verteidigung fragte, ob der Zeuge mit der Feuerwehr am Tatort gesprochen habe und ob es sich um eine Schlussfolgerung handele, dass die Getränkekasten von der Feuerwehr vor seinem Eintreffen bereits weggezogen worden sein. Der Zeuge sagte aus, dass er der Befragung nur zugehört habe und dass es sich um eine Schlussfolgerung handele, da die Feuerwehr dies grundsätzlich tue, ob dass in diesem konkreten Fall auch geschehen sei, also der Getränkekasten tatsächlich weggezogen worden war, kann er nicht sagen. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen.

Die nächste Zeugin war eine Bullenfrau aus Berlin, die ebenfalls zum besagten Brandanschlag auf das Amtsgericht Wedding befragt wurde. Sie konnte sich vor dem Lesen des ihr zur Verfügung gestellten Berichts noch daran erinnern, dass sie zu einem Brand an einem Seitengebäude des Amtsgerichts gerufen wurde und dass bei ihrem Eintreffen eine Tür bereits in Flammen stand, drinnen alles schwarz war und sich vor der Tür ein Getränkekasten befand, der nach Benzin gerochen habe und von der später eingetroffenen Kripo mitgenommen worden war. Als sie mit ihrem Kollegen am Tatort ankam, war die Feuerwehr noch nicht vor Ort. Der Getränkekasten stand rechts von der brennenden Tür, zur genauen Entfernung konnte sie nichts mehr sagen, nur dass sich auf dem Kasten nichts befunden habe, sie sich diesem aber aufgrund des Geruchs auch nicht sonderlich genähert habe, aus Angst, dass da noch was hochgeht. Über den Pappbecher und dass dieser von einem Kollegen zertreten worden sei, habe sie im Bericht gelesen, hat aber keine Erinnerung mehr daran. Mit diesem Kollegen, der inzwischen ihr Gatte ist, habe sie vor kurzem über die Tat gesprochen, er könne sich noch weniger als sie daran erinnern. Die Strafanzeige habe sie zusammen mit der Ladung per Fax erhalten. Des Weiteren wusste sie nicht mehr, ob sie damals Spuren gesichert oder irgendetwas der Feuerwehr übergeben habe. Am Getränkekasten direkt habe sie jedenfalls nichts brennen sehen und an Gespräche am Tatort könne sie sich nicht mehr erinnern.

Daraufhin wies der vorsitzende Richter auf das allgemeine Problem der Verwendung der Passivform in Bullenberichten hin, da hierdurch nicht mehr ersichtlich sei, wer was, wann und wie wahrgenommen habe. Zum Schaden konnte die Zeugin nur sagen, dass die Tür schwarz verrußt und die Flamme relativ hoch war. Die Fotos, die an die Strafanzeige angehängt sind, wurden von der Zeugin gemacht, allerdings war sich die Zeugin nach der Inaugenscheinnahme eben dieser Fotos nicht mehr sicher, ob diese nicht auch vom Kollegen gemacht worden waren. Die Verteidigung wollte dann von der Zeugin wissen, ob noch mehr als nur die Strafanzeige verfasst worden sei, was die Zeugin nicht mehr wusste. Auf die Frage der Rechtsnwälte, sagte sie noch, dass der besagte Kollege und Gatte die Strafanzeige nicht gelesen habe und sie ihm diese auch nicht vorgelesen habe. Der Richter fragte noch einmal nach dem Standort des Getränkekastens, woraufhin die Zeugin vermutete, dass er auf dem Foto, an der Stelle zu sehen sei, an der er sich bei ihrem Eintreffen befunden hatte. Wie schnell die Feuerwehr nach ihrem Eintreffen kam, daran konnte sie sich auch nicht mehr erinnern. Auch nicht, ob es noch eine zweite Kiste gegeben habe oder an einen Zeugen, der den Brand gesehen und gemeldet hatte. Daraufhin wurde auch diese Zeugin entlassen.

Anschließend wurde ein weiterer Berliner Bulle als Zeuge geladen, der vor der Ladung keinerlei Erinnerung an die Tat hatte. Nach dem Lesen der Anzeige, konnte er nun sagen, dass er als wachhabender Bulle nachträglich am Tatort erschienen sei, kein Feuer mehr gesehen habe, die Feuerwehr schon da war und er mit niemandem gesprochen habe. Er habe nur als Koordinator fungiert. Zu den Schäden könne er nichts sagen, auch nicht ob es unter den Kollegen oder den Feuerwehrleuten Verletzte gegeben habe. Später habe er mit diesem Fall nichts mehr zu tun gehabt. Der Zeuge wurde um ca. 9:55 Uhr entlassen und eine Pause bis 13:00 Uhr wurde anberaumt, da die nächste geladene Zeugin noch nicht da war.

Pünktlich um 13:00 Uhr ging die Verhandlung weiter, die Zeugin, eine Mitarbeiterin des VS, saß bereits verkleidet mit Perücke, Maske und fetter Sonnenbrille im Gerichtssaal. Als Namen gab sie Stephan oder Stephanie an (auf jeden Fall mit ph), als Dienstort Köln. Sie hatte ein Behördenzeugnis des VS an dem mehrere Beteiligte gearbeitet hatten, dessen Inhalt Observationen sind, die am dritten; vierten; sechsten und siebten Februar 2010 stattfanden. Die Anwälte baten die Richter, dass die Zeugin ihre Sonnenbrille abnimmt, was die Zeugin verweigerte. Nachdem der Richter dies akzeptierte, fragte die Verteidigung worin die Gefahr liege, der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass aufgrund ihrer Tätigkeit, eine Gefährdung für ihre körperliche Unversehrtheit und weitere Tätigkeit vorliege. Daraufhin stellte die Verteidigung einen Antrag, dass die Zeugin per Gerichtsbeschluss aufgefordert wird, ihre Sonnenbrille abzunehmen habe, eine Gefährdung liege nicht vor, da die Zeugin mit falscher Identität, falschen Augenbrauen und Perücke vor Gericht erschienen ist und die Möglichkeit bestünde, dass weitere Zeugen evtl. vermummt erscheinen würden und dann gar nicht mehr zu sehen sind. Der Staatsanwalt schloss sich der Einschätzung des Richters an. Woraufhin die Rechtsanwälte empirische Belege für die Gefährdung von Polizisten und Staatsbeamten forderten. Da dass ganze zehn Jahre zurückliege, sei eine Gefährdung absurd. Es wurde eine Unterbrechung von 15 Minuten einberaumt.

Nach der Unterbrechung gab der Richter bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht die wahre Identität ihrer Mitarbeiter preisgeben muss und dem Beschluss der Richterschaft stattgegeben wird. Die Gefahrenlage leite er aus einem Dokument ab, das am 27.05.21 vom Verfassungsschutz herausgegeben wurde. Daraufhin merkte die Verteidigung an, dass sich das Gericht auf ein Schreiben, bzw. ein Pamphlet, des VS von knapp drei Seiten bezieht, dass im Nachgang des G20 veröffentlicht wurde. Die Behauptungen des VS seien ins Blaue hinein, von einer Behörde die unter Maaßen ganz klar gezeigt habe, dass diese Behörde gegen Links arbeitet und diese Haltung zeige sich auch in dem zitierten Schreiben. Die dort benannten Behauptungen seien nicht belegt und schlichtweg falsch. Wann und wo, habe es Brandanschläge gegen Wohnobjekte von Staatsbeamten in Folge des G20 in Hamburg gegeben?

Die Staatsanwaltschaft schloss sich dem Beschluss des Gerichts an, die Rechtsanwälte brachten eine Gegenvorstellung ein. Nach einer kurzen Pause wurde diese Gegenvorstellung zurückgewiesen und mit der Befragung der Zeugin von Seiten des Gerichts begonnen. Dabei stellte sich heraus, dass die Zeugin, die sichtlich nervös ständig mit dem Kugelschreiber in ihren Händen herumspielte, keine Erinnerungen an den Einsatz hat, allerdings würde sie den Angeklagten wiedererkennen.Auf die Frage, wie oft sie den Angeklagten gesehen habe, sagte sie, dass sie sich nicht erinnern könne und auch nicht wisse, wer welche Beobachtungen gemacht hat. Die Frage wie das Behördenzeugnis verfasst wurde, konnte sie nicht beantworten, davon habe sie keine Kenntnis, da es nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. Es stellte sich heraus, dass sie im fraglichen Einsatz Truppführerin war, selbst keine Observationen gemacht hat, sondern nur im Hintergrund aktiv war. Die Frage, ob es ihre Aufgabe war die Erkenntnisse zusammenzuführen, wurde von der Zeugin bejaht. Dies habe sie im Observationsbericht getan, den es noch gibt und auf den die Zeugin Zugriff hat, der ist jedoch als Geheim eingestuft und zu weiterem könne sie wegen ihrer beschränkten Aussagegenehmigung nichts sagen. Ob im Bericht stehe, wer was beobachtet hat wisse sie nicht, ob sie das sagen darf. Daraufhin intervenierte die Verteidigung mit der Frage, wo das Problem liege, es handle sich doch um eine allgemeine Frage. Der Staatsanwalt warf ein, dass die Vereidigung nicht das Wort habe, was vom Richter wiederholt wurde, woraufhin dieser sich die Frage von Seiten der Verteidigung gefallen lassen musste, ob er der Ko-Sprecher der Staatsanwaltschaft sei. Das Gericht merkte an, dass ihnen mehrere Namen vom VS genannt worden sind und sich nun die Frage stelle, wen dieser möglichen Zeugen sie befragen sollen, um Erkenntnisse zur Sache zu erhalten, wozu die Zeugin nichts sagen konnte. Daraufhin fragte die Staatsanwaltschaft, um welches Behördenzeugnis es sich handeln würde. Es stellte sich heraus, dass es um das Behördenzeugnis von Anfang Februar gehe, das auch dem Gericht vorliegt. Die Eigenschaft der Zeugin als Truppführerin bezieht sich nur auf diesen Zeitraum. Die Verteidigung verlangte eine Pause bevor sie mit der Befragung der Zeugin fortfahren würde.

Nach der Pause fragte die Verteidigung, ob die Zeugin sich noch auf eine andere Art als nur das Lesen des Zeugnisses und des Berichtes vorbereitet habe, dies wurde von der Zeugin verneint. Bejaht wurde von ihr hingegen, dass sie mit Mitarbeitern ihrer Behörde gesprochen habe, zum Inhalt des Gesprächs habe sie jedoch keine Aussagegenehmigung auch nicht zu dessen Datum. Die Verteidigung beharrte auf der Beantwortung dieser Frage, auch das Gericht meinte, dass die Zeugin sich dazu äußern sollte. Nach einem Schlagabtausch zwischen Staatsanwalt und der Verteidigung wie die beschränkte Aussagegenehmigung zu verstehen sei, wurde die Zeugin dazu aufgefordert mit ihrer Behörde Rücksprache zu halten. Dabei sollte sie klären, ob sie sich zu Beobachtungen und Wahrnehmungen äußern darf und ob es im Rahmen zur Vorbereitung Gespräche gab, die das Geschehen, was hier verhandelt wird, zum Inhalt hatten.

Nach einer zehnminütigen Unterbrechung, in der die Zeugin erfolgreich telefoniert hatte, sagte sie, dass es Gespräche zur Vorbereitung gegeben hätte. Thema waren Rechte und Pflichten in ihrer Rolle als Zeugin und es wurden die der Behörde vorliegenden Dokumente zur Vorbereitung gelesen. Teilnehmer dieses Gespräches waren der Referatsleiter und Personen die hier noch weiter vernommen werden können. Zu der Gesamtzahl der Personen liege hier keine Aussagegenehmigung vor. Die Verteidigung forderte, dass die Zeugin mit der Behörde erneut telefonieren solle, nachdem sie sich auch auf Nachfrage des Richters nicht zur ungefähren Personenzahl äußern wollte. Der Richter forderte von der Verteidigung, dass sie alle Fragen an die Zeugin nun skizzieren soll, damit nicht immer wieder telefoniert werden muss. Die Verteidigung merkte an, dass dies äußerst unüblich sei und weitere Fragen sich aus den Antworten der Zeugin ergeben. Der Richter befragte die Zeugin erneut zum Inhalt des Vorbereitungsgespräches, woraufhin die Zeugin sich äußerte, dass das Gespräch nur zur allgemeinen Vorbereitung auf die Vernehmung gedient habe, über den Einsatz an sich sei nicht gesprochen worden, auch Erinnerungen seien nicht ausgetauscht worden. Auf die Frage der Verteidigung nach der Dauer der Zusammenkunft schüttelte die Zeugin den Kopf und sagte, dazu habe sie keine Aussagegenehmigung. Auf die nächste Frage der Verteidigung, ob bei der Zusammenkunft Fotos gezeigt wurden, sagte sie, dass der Observationsbericht Fotos enthalte, ob weitere Fotos gezeigt worden sind, könne sie wegen ihrer Aussagegenehmigung nicht sagen. Daraufhin sollte sie erneut telefonieren, um abzuklären, ob sie etwas zur Dauer des Vorbereitungsgespräches, der Anzahl der Teilnehmenden Personen und ob Fotos gezeigt worden sind, sagen darf.

Nach einer Pause konnte die Zeugin mitteilen, dass das Vorbereitungsgespräch ca. 1 Stunde gedauert habe, keine Fotos gezeigt worden sind und dass sie zur Anzahl der Personen keine Aussage machen darf. Auf die Frage der Verteidigung nach der ungefähren Personenanzahl sagte sie, dass es eine größere Runde gewesen sei, ob es mehr als 20 oder 50 gewesen seien, dazu wollte sie sich nicht äußern. Der Zeugin ist bekannt, dass dem Gericht eine Personenliste von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes vorliegt, die im Laufe des Prozesses befragt werden können. Die genaue Zahl der Personen ist ihr nicht bekannt. Ob die Personen bei dem Treffen dabei waren, könne sie aufgrund ihrer Aussagegenehmigung nicht sagen, auch nicht ob sie mit dem Beamten oder der Beamtin, die die Liste weitergegeben hat, telefoniert hat. Die Verteidigung merkte nun an, dass eine Belehrung nicht eine Stunde dauert und es unverständlich sei, warum es hier ein völliges Mauern bezüglich der Personenanzahl gäbe. Der Richter wurde gebeten, sich um eine Erweiterung der Aussagegenehmigung zu kümmern bezüglich der Anzahl der Teilnehmer, sowie deren Arbeitsnamen und die Funktion warum sie an diesen Treffen teilgenommen haben. Die Zeugin wurde befragt, wann dieses Treffen stattgefunden hat. Hierzu dürfe sie sich nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft fragte, ob nach der Vorbereitung Erinnerungen aufgetaucht seien, was die Zeugin verneinte. Hiernach wurde die Zeugin entlassen.

Zum Schluss merkte der Richter an, dass er nicht wisse ob er die Anregung zur Erweiterung der Aussagegenehmigung bis zum nächsten Termin in die Wege geleitet haben werde. Die Staatsanwaltschaft äußerte, dass sie dazu keine Veranlassung sehe und fragte die Verteidigung, warum sie so großes Interesse an dem Vorbereitungstreffen der VSler hätte. Die Rechtsanwälte antworteten mit der Gegenfrage, ob es der Staatsanwalt nicht ungewöhnlich fände, dass womöglich alle noch zu ladenden Zeugen des Verfassungsschutzes in einem Vorbereitungstreffen zusammengekommen sind. Der Richter sagte, dass der Inhalt des Treffens nur die Vorbereitung auf die Rolle als Zeuge gewesen sei. Nachdem die Verteidigung anmerkte, dass dies nicht glaubhaft sei, da dass Treffen eine Stunde gedauert hat, meinte der Richter, er würde darüber nachdenken.

Um 15:15 endete der sechste Verhandlungstag.


Siebter Verhandlungstag

Am 15.07.21 fand der siebte Verhandlungstag mit einigen Minuten Verspätung statt. Vorgeladen war ein Zeuge des VS. Dieser wusste nur noch durch die Vorladung, worum es sich handeln würde, trotz der Auffrischung durch das Lesen des Oberservationsberichts von Anfang Februar 2010, kann sich der Zeuge an nichts erinnern, außer dass ihm der Name des Beschuldigten bekannt vorkam.

Am Montag den 12. Juli fand eine Vorbesprechung statt, an der circa 20 Personen teilgenommen hatten. Die Verteidigung fragte, ob es sich bei den bei diesem Treffen Anwesenden um Personen handelt, die den Angeklagte observiert hätten. Der Zeuge bestätigte dies, es würde sich hier um Personen handeln, die an der Observation beteiligt gewesen sind, bzw. um Personen die möglicherweise für diesen Prozess noch als Zeugen vorgeladen werden könnten, es blieb unklar, inwieweit die Anwesenden Personen auf diesem Treffen mit diesem Fall zu tun hatten, oder zumindest in welcher Rolle. Auch was die genaue Rolle des Zeugen war, wurde nicht beantwortet. Auf dem Treffen soll über allgemeine Sachen gesprochen worden sein. Dieses soll eher einen rein informativen Charakter gehabt haben, wie das Verhalten zur Aussagegenehmigung und zum Vorgang überhaupt sein sollte. Auf die Frage, ob der Zeuge sich mit anderen Anwesenden unterhalten hat, bejahte dieser dies, er hätte mit einer Kollegin gesprochen, diese hätte sich an nichts erinnern können, aber er würde sich nicht mehr an das Thema und an das Gespräch selbst erinnern. Als der Zeuge die Ladung bekam, nahm er sich bei der erstbesten Situation etwas Zeit, um sich damit zu beschäftigen.

Die Verteidigung fragte weiter nach, mit welchen Kollegen sich der Zeuge denn genau unterhalten hätte, evtl. der Zeugin, die am Dienstag den 13.07.21 vorgeladen wurde? Dazu machte der Zeuge keine Aussage. Auf die Frage der Richterschaft wohin all dies führen sollte, unterstrich die Verteidigung das Problem, wie und auf welcher Art die Wahrnehmung und Aussagen der Zeugen miteinander verglichen werden könnten, um der Wahrheit näher kommen zu können, wenn es aber nicht mal möglich sei, zu wissen mit wem der Zeuge des VS gesprochen hätte, würde dies alles nichts bringen.

Daraufhin sagte der Zeuge, dass er halt über seine Kollegen keine Aussagen machen dürfte. Die Verteidigung berief sich ein weiteres Mal auf den §37 Beamtenstatusgesetz, was, seitdem das Thema der beschränkten Aussagegenehmigung aufgekommen ist, immer wieder diskutiert wurde und dass diese in diesem Falle nicht zutreffend sei, dass das ständige Berufen darauf absurd sei, denn obwohl der Zeuge keine Namen nennen darf, sind dem Gericht mindestens zehn Namen (wahrscheinlich Legenden) von VSlern bekannt. Man könne die Aussagen nicht überprüfen, um zu sehen, wer mit wem über was gesprochen hat.

Um dies klären zu können, wurde eine Pause einberufen, damit der Zeuge des Verfassungsschutzes bei seiner Dienststelle in Köln anrufen könne, um sich zu erkundigen, ob und was er zu der konkreten Frage beantworten durfte. Nach der Pause, bzw. nach dem Telefonat durfte dieser sagen, dass er mit der Zeugin, die am Dienstag ausgesagt hat, gesprochen hatte.

Zu den Fragen der Verteidigung wie alt der Zeuge sei, ob sein Hintergrund – in Bezug auf seine Qualifikationen – usw., richtig seien, gab dieser keine Angaben. Die Verteidigung bemerkte, dass die Geheimhaltung nur in Bezug auf den Namen gelte und nicht auf das Alter und den Beruf selbst. Der Richter versprach für die kommende Termine dies zu klären.

Die nächsten Fragen der Verteidigung drehten sich darum, ob es in der Vorbereitung eine Belehrung zum Verhalten gegenüber der Verteidigung beim Prozess gegeben hat und ob weitere Kollegen des Zeugen im Raum oder Gerichtsgebäude anwesend seien? Zu all dem gab es keine Angaben seitens des Zeugen. In welcher Art und Weise die Aussagen des Zeugen das Wohle des Landes gefährden würden, stellte die Verteidigung klar und deutlich in Frage. Die Verteidigung fügte hinzu, dass anscheinend die Aussagen des Verfassungsschutzes bei diesem Verfahren in Köln beantwortet werden, weil ja hier niemand was sagen kann und darf.

Weitere Zeugen vom Verfassungsschutz werden in den kommenden Terminen eingeladen, obwohl sich klar die Frage stellt, inwieweit all dies was bringen würde und auch einfach sein gelassen werden könnte, so die Verteidigung. Es werden auch Beamte des BKA erscheinen, die an der Hausdurchsuchung bei Cem beteiligt waren.

Der nächste Prozesstermin ist am 05. August um 13:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom fünften Verhandlungstag

Am Donnerstag, den 08.07.21, begann der fünfte Verhandlungstag des RAZ-RL-radikal Prozesses pünktlich um 13:00 Uhr. Es waren um die zehn solidarischen Personen anwesend.

Gleich zu Beginn stellte die Verteidigung einen Antrag in Bezug auf den Zutritt der Öffentlichkeit zum Prozess. Daher verlangte die Verteidigung den Beschluss des vorherigen Prozesstermins in schriftlicher Form. Der Richter will an der Entscheidung des vorherigen Verhandlungstages nichts ändern, die Begründung dafür ist die rasante Verbreitung der Delta Variante des Coronavirus, er hätte sich mit seinen Kollegen bei anderen Verhandlungen besprochen und es gäbe unterschiedliche Meinungen dazu, letzten Endes wäre die Begründung man müsse die Sicherheit aller Anwesenden gewähren. Auch wenn die Inzidenzrate in der BRD niedrig ist und in vielen Bundesländern die Coronamaßnahmen gelockert werden, wie in Läden, oder dass in öffentlichen Räumen (nicht überall) auch nicht mehr Masken getragen werden müssen, ergibt es für diesen Verfahren keinen Sinn, dass die Maßnahmen sehr akribisch eingehalten werden und dies dazu führt, dass der Zutritt der Öffentlichkeit (solidarischen Personen) eingeschränkt wird, so die Verteidigung. Der Richter will nicht mehr an jedem Verhandlungstag darüber debattieren und schlägt vor, dass ein Antrag gestellt wird. Dazu fragte die Verteidigung um die konkrete Gefährdungslage, was mit geimpften Personen wäre, was mit negativ getesteten Personen wäre, wenn z.B. keine Pressevertreter anwesend wären. Bei diesem Punkt willigte der Richte auf einmal ein, denn dies seien doch zu beachtende Umstände, auch wenn er nicht wüsste, wie all dies überhaupt kontrolliert werden sollte. Da die Kontrollen für den Eintritt in den Gerichtsaal sehr penibel und streng sind, so die Verteidigung, wäre dies keine viel größerer Aufwand als bis jetzt, aber es könnten doch auf einmal fünf weitere Personen in den Saal rein, wenn die Pressevertreter nicht anwesend wären, was in diesem Falle die Zuschauerzahl, wieder auf 15 Personen erhöhen würde.

Der erste Zeuge des Tages war ein pensionierter Bulle, der nur durch die Vorladung wusste, dass es sich um Brandanschläge bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung handeln würde, ansonsten habe er nur dunkle bis gar keine Erinnerungen an die Geschehnisse. Um seine Erinnerungen zu erfrischen hatte der Ex-Bulle Zugang zu dem Bericht über die Straftat, in diesem wurde aber ein weiterer Brandanschlag erwähnt, der am Amtsgericht in Wedding stattfand, daran könne er sich aber nicht mehr erinnern. Um das Erinnerungsvermögen wieder zu erfrischen wurden Fotos des Tatorts in Wedding ausgehändigt. Der Ex-Bulle konnte bestätigen, dass er am Tatort gewesen sei, er könne sich grob an die Schäden erinnern, was aber genau dort war, daran könne er sich nicht mehr erinnern, es seinen ja über 10 Jahre vergangen.

Zum Brandanschlag beim Amtsgericht hätte er keine Erinnerungen mehr und könnte daher nichts sagen. Ob die Taten miteinander verglichen wurden, daran kann er sich nicht erinnern, auch wenn dies das übliche Prozedere sei. Denn an beiden Orten sollen ähnliche blaue, aus Kunststoff wie üblich, Getränkekisten gefunden worden sein, in denen die Brandsätze deponiert gewesen sein sollen. Im Bericht selbst steht dieser Vermerk. Was der Ex-Bulle zu der Tat selbst geschrieben hat, darin könne sich dieser auch nicht mehr erinnern.

Zwischendurch bemerkte der Ex-Bulle, dass ihm nur bekannt gewesen wäre, dass die Täter lange als unbekannt galten.

Gleich darauf wurden auch die Fotos des Tatortes bei der Senatsverwaltung ausgehändigt. Aufgrund dieser kann sich der Ex-Bulle an die Graffitis erinnern und dass er dar war. Auch das für den Brandanschlag mit einer größeren Menge an Brandflüssigkeit verwendet wurde, könne man aus den Schäden sehen und der Ex-Bulle hätte auch eine 25jährige Erfahrung mit Brandanschlägen. Das Vorgehen mit Getränkekiste sei ihm schon damals aufgefallen, weil dies nicht üblich gewesen sei und ein Jahr später nach den Brandanschlägen um die es sich handelte, fand ein weiterer statt, nämlich am Platz der Luftbrücke gegen ein Gebäude der Ex-Bullen. Der Richter fragte, ob es sich um das Haus handeln würde, wo das LKA stationiert ist, der Ex-Bulle bejahte.

Der Ex-Bulle wiederholte noch einmal dass die Anschläge gegen das Amtgericht und gegen das Senatsgebäude am selben Tag gewesen seien und dass sie augenscheinlich sehr ähnlich gewesen seien. Mit wem er vor Ort geredet hätte, anderen Bullenkollegen, Feuerwehr, etc., daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, ob sich Personen in den Gebäuden während der Taten befanden, darauf konnte der Ex-Bulle nicht antworten, weil er sich daran nicht erinnere. Die Frage ob die Holztür, an der die Brandsätze platziert wurden, ab einem gewissen Punkt durch das Einwirken des Feuers von alleine brannte, bejahte der Ex-Bulle.

Die Verteidigung begann die Befragung des Ex-Bullen mit der Frage, woher er die Berichte erhalten habe, dieser sagte, er hätte sie über die Dienststelle erhalten. Dies sei der übliche Vorgang, evtl. auch weil der Zeuge im Ruhestand sei. Seine ehemaligen Kollegen fragten ihn, ob er sich an den Fall erinnern könnte. Bevor er selbst den Bericht las, hatte er keine Erinnerungen an irgendetwas.

Daraufhin fing ein Rechtsstreit an, weil der Staatsanwalt der Meinung war, dass die Verteidigung schon zuvor gestellte Fragen wiederholte und dies nicht zulässig sei. Der Richter musste kurz einschreiten um die Gemüter zu besänftigen. Die Verteidigung erwiderte, dass bei konkreteren Fragen der Zeuge andere Antworten als davor geben würde.

Die Befragung ging weiter über das Erinnerungsvermögen des Zeugen und an was sich dieser noch wirklich erinnern könne. Als Antwort erwähnte der Ex-Bulle die verbrannten Eingangstüren. An die blauen Getränkekisten und welche Kollegen was dazu gesehen und gesagt haben, kann er sich nicht erinnern. Er kann sich eigentlich nur anhand der Fotografien an die Kisten erinnern, weil auch bis dahin (sic!) solche Kisten nicht aufgefallen waren.

Der Ex-Bulle war selbst nicht als erster beim Tatort, er kann aber sagen, dass er bei der Senatsverwaltung der erste gewesen sei, der die Kisten wahrgenommen hatte, in Wedding kann er sich nicht erinnern, wer, zuerst die Kisten sah.

Auch die Frage ob sich der Ex-Bulle daran erinnern könnte Fotos bei den Tatorten geschossen zu haben, kann dieser nichts sagen. Ob er eine eingeschränkte Vermutung oder Erinnerung daran haben könnte? Dazu hätte er keine Erinnerung. Der Zeuge sei alleine unterwegs gewesen, was üblich sei, ein Fotograf wird, falls nötig, bestellt und fotografiert dass was man in anordnet.

Aus dem Bericht wird entnommen, dass der Ex-Bulle doch selbst Fotos in Wedding geschossen haben soll, aber bei der Senatsverwaltung ein Fotograf anwesend war und dies tat. Dies sei so gewesen um das Vorgehen zu beschleunigen, kam als Antwort.

Auf die Frage wie lange er bei den Tatorten gewesen sei, antwortete der Ex-Bulle so um die 1,5 – 2 Stunden. Aus dem Bericht geht hervor, dass er 45 Minuten dort war.

Der zweite Zeuge an diesem Verhandlungstag war ein Bulle der weiterhin im Dienst ist. Dieser könne sich noch grob daran erinnern, worum es gehen würde und anhand der Vorbereitung auf die Befragung wüsste er wieder, dass es um Brandstiftung geht. Vorgefunden wurden Getränkekisten, auf einmal ist auch die Rede von einem Joghurtbecher, aber erst durch das Durchlesen des Berichts konnte er sich an mehr erinnern. Er hätte Auszüge zu den Akten mehrfach gelesen. Darauf folgte die Frage des Richters, ob überhaupt irgendwelche Erinnerungen auftraten, der Zeuge bejahte dies.

Auch diesem Zeugen werden die Fotografien ausgehändigt, da er zuvor keinen Zugriff auf diese gehabt hatte. Die Fotografien, die er nun anschaute, können ihm nicht weiterhelfen, weil es nicht jene waren die er damals vor Ort selbst geschossen hatte, auch weil sie damals Nachts geschossen wurden. Daran, dass er selbst die Fotos geschossen haben soll, kann sich der Bulle nicht erinnern. Zu den Fotografien die Nachts geschossen wurden kann er nichts sagen, weil diese keine Erinnerungen bei ihm wachrufen, dann reichte der Richter ihm einen Bericht und fragte den Bullen ob dies seine Unterschrift sei, diese erkannte er.

Zu seinem Zugriff auf die Berichte, antwortet der Zeuge, dass ihm die Berichte zu den Taten per Post nach Hause geschickt wurden.

Am Ende ging es nochmal um die Getränkekisten und deren Standort. Der Zeuge konnte sich daran teilweise erinnern. Als er beim Tatort ankam, wurde seinen Kollegen und ihm darüber berichtet. Ob er mit anderen Personen vor Ort – Feuerwehr, Kollegen, Zeugen vor Ort – sich unterhalten hätte, daran kann er sich auch nicht erinnern. Der Getränkekasten befand sich auch woanders als an der Stelle, wo dieser bei der Tat stand, in welcher Entfernung wüsste er nicht mehr.

Der letzte Zeuge des fünften Verhandlungstages, war ein Augenzeuge, der damals die Bullen benachrichtigte, dass es irgendwo brennt. Dieser konnte sich an die Geschehnisse selbst nicht mehr erinnern, als er die Vorladung bekam, aber nach einem Telefonat mit dem Gericht sind ihm ein paar wenige Sachen wieder eingefallen. Wie er selbst schilderte, feierte er mit ein paar Freunden aus der WG am Park vor dem Gericht. Das erste, was ihm auffiel, war der Geruch nach Verbranntem, ob er die Bullen oder die Feuerwehr anrief, daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Es habe an einer Tür an einem Haus gebrantt, an die genaue Zeit wann dies geschah, könne er sich auch nicht mehr erinnern, ebenso wenig ob er überhaupt Feuer bzw. Flammenschein gesehen habe. An einen Kasten oder an eine Kiste könne er sich auch nicht erinnern, genauso wenig wie an das Eintreffen der Polizei. Er denkt, dass er sich am nächsten Tag wahrscheinlich den Tatort angeschaut habe, aber genau wüsste er dies auch nicht mehr. An spätere Gespräche, Vorladungen der Bullen (BKA z.B.) kann er sich auch nicht erinnern. Vor Gericht sprach der Zeuge immer in der ersten Person Plural, aber in den Bullenberichten sprach er immer in der ersten Person Singular.

Aus dem Bericht kam auch hervor, dass der Zeuge in einer Kneipe war (Barrikade), er selbst sagte, dass zu der Zeit als er im Wedding wohnte, er jeden Abend im Park oder in der Kneipe war. Auch ist im Bericht die Rede von einem Selterskasten (Sprudelwasser) und wo dieser stand, aber an seine eigene Aussage, kann sich der Zeuge auch nicht erinnern.

Die Verteidigung fragte den Zeugen nach seinem Alkoholkonsum an besagtem Abend, was diesen sichtlich ärgerte, daraufhin antwortete er, dass er, wegen der Elektrolyte, Bier abwechselnd mit Wasser trinkt und dass daher sein Erinnerungsvermögen vollkommen okay wäre.

Als letztes verlas der Richter die Strafanzeige und den Tatortbericht zu dem Anschlag bei der Senatsverwaltung.

Kurz vor der Beendigung des Verhandlungstages machte der Richter die Verteidigung darauf aufmerksam, dass in der nächsten Sitzung Zeugen vom Verfassungsschutz erscheinen werden, dass diese evtl. – was anscheinend auch unüblich ist – aus einem Dokument, wegen der eingeschränkten Aussage, vorlesen werden und bei Unklarkeiten bei ihrer VS-Stelle anrufen würden, um sich zu erkundigen, worüber sie vor Gericht reden dürfen.

Die nächsten Prozesstermine sind nächste Woche am Dienstag dem 13.07.21 um 09:00 und am Donnerstag, den 15.07.21, um 13:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom vierten Verhandlungstag

Am Donnerstag, den 01. Juli 2021, begann der vierte Verhandlungstag des RAZ-RL-radikal Prozesses mit einer deutlichen Verspätung erst um 11:30 Uhr, Beginn wäre um 09:00 Uhr gewesen, weil irgendwer – es ist nicht klar ob Schöffe, Richter, oder jemand anderes – nicht anwesend war.

Schon gleich zu Beginn stellte die Verteidigung einen Antrag bezüglich der Sicherungsanordnung in Bezug auf die Anzahl der Besucher und Besucherinnen, weil diese den Zutritt der Öffentlichkeit beschränkt. Die Verteidigung begründete dies unter anderem hinsichtlich der niedrigen Inzidenzzahlen, weil das Gericht beruft sich auf die Pandemie, als den hauptsächlichen Grund die Besucherzahl zu drosseln, denn dies wäre eine gesundheitliche Gefahr. Auch war der Gerichtssaal kleiner als wie zu Beginn des Prozesses und mehrere Personen konnten nicht reinkommen.

Während dadurch die Anzahl der Besucher und Besucherinnen auf ein Drittel gesenkt wird – vorhanden sind 36 Plätze, nur zehn werden zugelassen – wird bei Journalisten nur die Hälfte der Gesamtzahl der Plätze reduziert, von zehn auf fünf.

Der Richter wies den Antrag zurück, weil immer noch ein Abstand von 1.5 Metern zu wahren und eine vierte Welle zu erwarten sei, außer Besucher und Besucherinnen, die geimpft sind, würden mit dem Impfpass kommen und dann könnten evtl. mehr Personen in den Saal, dennoch wird sich das Gericht mit anderen Kollegen austauschen um die Sache zu besprechen, wie es den bei anderen Verfahren so ist. Der Richter beriet sich und die erste von vielen Pausen trat ein.

Fünf Minuten später, verkündete der Richter seine Entscheidung gegen den Antrag, weil der Verlauf und die Entwicklung der Pandemie nicht absehbar ist und weil man sich für Gesundheit aller im Raum verantwortlich fühlen würde.

Gleich danach wurde der erste Zeuge vorgeladen. Es handelte sich um einen Bullen aus Berlin der zur Brandstiftung am 27. April 2011 am Gebäude der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aussagte. Der Zeuge konnte sich an nichts mehr erinnern, bereitete sich aber mittels der Lektüre, der von ihm verfassten Strafanzeige, vor und aufgrund dessen erinnerte er sich etwas vage daran. Ihm wurde die Strafanzeige vom Gericht zugestellt. Denn weder die Zeugen noch deren Dienststellen scheinen die Unterlagen, Akten, Strafanzeigen, oder andere Dokumente zum Fall noch zu haben, weil diese nach zehn Jahren vernichtet werden.

Zu der Tat selbst war es der Objektschutz der türkischen Botschaft, der als erstes diese wahrgenommenen hatte und die Bullen verständigte. Derselbe Objektschutz soll ein Motorrad mit zwei Personen gesehen haben, einen Mann und eine Frau, von denen es eine Videoaufnahme durch die Überwachungskameras der Botschaft geben soll. Das Video wurde aber nicht vom Zeugen gesehen, es wurde einer anderen polizeilichen Behörde übergeben, die dieses sichtete, vermutlich das BKA. Als der Zeuge beim Tatort ankam, war die Feuerwehr schon anwesend und diese teilten dem Zeugen mit, dass es nach Kraftstoff riechen würde, was der Zeuge auch gerochen haben will. Vorgefunden wurde eine ausgebrannte Getränkekiste voller Flaschen vor der Holztür des Senatsgebäudes, die das Feuer an der Holztür verursacht haben soll. Der Zeuge äußerte sich noch zu seiner Wahrnehmung, was der Schaden sein könnte, denn er ist kein Brandgutachter.

Er wurde befragt, ob er sich an einen Schriftzug links von der Tür erinnern könne und was auf dort stand, er bejahte – hatte ja seine eigene Anzeige gelesen – und sagte, dass dort RAZ gestanden habe.

Daraufhin wurden dem Zeugen mehrere Lichtbilder vorgezeigt um seine Erinnerung aufzufrischen, was aber nicht der Fall war, denn er beschrieb nur die Bilder und die Verteidigung machte den Richter darauf aufmerksam, dass dies von jedem gemacht werden könne.

Es wurden Fragen zum Verlauf der Ermittlung gestellt und wiederholt sagte der Zeuge, dass er sich an nichts erinnern kann, er konnte nur das Standardprozedere der Bullen wiedergeben.

Danach kam der nächste Zeuge, dieses mal ein pensionierter Bulle, der auch in diesem Fall ermittelte und sich an nichts erinnern kann, außer dass es irgendwie eine Verbindung zur türkischen Botschaft gab. Der Zeuge war nicht mal beim Tatort, hat sich aber das Video angeschaut, an welches er sich selbst nicht erinnern kann. „Die trugen wahrscheinlich ein Helm“. Wie wir sehen können, sehr präzis.

Das Einzige, was der Zeuge erkennen konnte: erstens ein Ausdruck von einem Stadtplan und sein farbigen Markierungen und zweitens seine Unterschrift bei den eigenen Notizen, an die er sich nicht erinnern konnte.

Auf Nachfrage der Anwälte stellte sich auch hier ein weiteres Mal heraus, dass die Zeugen ihre Unterlagen, Berichte, Akten direkt vom Gericht erhalten.

Nach der Mittagspause war der dritte Zeuge ein Bulle aus Magdeburg, der die Observation vom 26. und 27.04.2011 im Auftrag des BKAs leitete und den Bericht dazu unterschrieb. Der Zeuge schrieb nicht den Bericht und nahm an der Observation selbst nicht direkt teil, er hörte sich die Schilderungen seiner Kollegen an, kann sich aber auch nicht daran erinnern, bzw. ob er sich Notizen dazu gemacht hatte. Zu dem Vorgang erklärte der Zeuge, dass nach einer Observation alles besprochen wird, auch abweichende Erinnerungen, abweichende Wahrnehmungen, wie dies protokolliert wird usw., und aus dem wird dann ein Bericht erstellt, dieser wurde vom Zeugen unterschrieben, aber er kann sich an nichts erinnern. Genauso wenig kann er sich daran erinnern, wer den Bericht schrieb, wie viele daran beteiligt waren – nach einer Nachfrage der Verteidigung sagte er, es würde sich um mindestens fünf Bullen handeln – , wer was sagte usw.

Zu der Identifikation der Zielperson, ZP, händigte das BKA mehrere Fotos aus und die Observationsziele wurden ausgekundschaftet, falls die ZP über Umwege aus diesen sich entfernen würde. Denn bei einem Observationsbericht wurde die ZP nicht auffindbar gemacht und tauchte später woanders auf. Der Zeuge kann sich nicht erinnern, wie es dazu kommen konnte.

In einer anderen Situation wurde die ZP in der S-Bahn mit A4-Blätter gesehen, es sei aber nicht klar, wer alles an der Observation teilnahm. Dass der Bulle, der als nächster Zeuge geladen werden sollte und einen Vermerk bezüglich der Observation verfasst hatte, beteiligt war, wusste der Zeuge erst nach einem Gespräch mit diesem. Die beiden fuhren ja auch gemeinsam nach Berlin.

Die Verteidigung fragte den Zeugen, wie viele sich am Erstellen des Berichts beteiligten – wie schon oben erwähnt mindestens fünf – er konnte sich aber an keine Details mehr erinnern. Da aus den Akten hervorging, war die ZP als ZP-1 gekennzeichnet, was die Frage aufwarf, ob es mehrere Zielpersonen gab. Der Zeuge antwortete, dass wenn nur eine Person observiert wird, diese nur als ZP bezeichnet wird, und dass er in diesem Falle nicht mehr wüsste, ob es noch mehrere Zielpersonen gab. Die nächste Frage bezog sich auf die zur Verfügungstellung des Observationsberichts. Es stellte sich heraus, dass die Zeugen sich untereinander die Berichte ausgehändigt hatten.

Der Vermerk des Kollegen des Zeugen erwähnte, dass die ZP in die S-Bahn stieg, davor Zettel zerriss und in den Müll warf. Die Verteidigung fragte nun, ob und wie viele Bullen bei der Observation in einem solchen Fall in der Bahn mitfahren würden. Hierzu wollte der Zeuge sich nicht äußern, da man die Taktik der Bullen nicht preisgeben kann. Begründet wurde dies mit der eingeschränkte Aussagegenehmigung. Daraus folgte ein juristischer Streit, ob dies zulässig sei oder nicht.

Die Zuschauer und Zuschauerinnen mussten daraufhin den Gerichtssaal verlassen, weil die Verteidigung einen Antrag verschriftlichen musste, um dagegen vorzugehen. Insgesamt verzögerte sich alles mit einigen Intervallen um 25 Minuten. Am Ende entschied das Gericht, dass sich der Zeuge nicht äußern muss und die Einschränkung der Aussagegenehmigung rechtmäßig sei. Der Zeuge wurde entlassen und der Bulle, der den Vermerk verfasst hatte, wurde reingelassen.

Hierbei handelte es sich um einen weiteren Bullen aus Magdeburg, der im Gegensatz zu seinen Kollegen die Unterlagen zur eingeschränkten Aussagegenehmigung dabei hatte.

Auch er konnte sich an nichts erinnern, außer dass der Angeklagte Zettel zerriss und in den Müll in einer S-Bahn Haltestelle warf, dennoch konnte er nicht sagen, ob er dies wirklich gesehen hatte. Der Zeuge nahm aus dem Müll die zerrissenen Zettel, verpackte diese in einem Müllbeutel und übergab diese dem Einsatzleiter. Er wüsste aber nicht was auf den besagten Zettel stünde.

Wie alle anderen Zeugen bereitete er sich auf seine Aussage vor, indem er die Akten, Unterlagen, usw. durchlas. An den Angeklagten könne er sich aber doch erinnern, er bezeichnete ihn auch als „Lockenkopf“, „schmächtig“, usw. aber andere wichtige Details, wie welche Kleidung er trug, oder ob er wirklich Zettel zerrissen hatte und wegwarf, bzw. ob er den Beschuldigten davor oder danach observiert hatte, an all dass konnte er sich nicht erinnern.

Seine Erinnerungen an die Haltestelle waren auch sehr dürftig, denn ob diese Überdacht, mit einem Bistro, mit Sitzbänken, usw. ausgestattet war, konnte er sich auch nicht mehr erinnern. Um seine Erinnerung nochmals aufzufrischen, zeichnete der Zeuge eine Skizze von der besagten Haltestelle, er hatte sie vorher auf einer Karte im Internet angeschaut, aber in welche Richtung die S-Bahn fuhr, nach Berlin, oder sonst wo, dass wusste er auch nicht mehr. Ebenso war ihm der gänzliche Ablauf des Observationstages, wie z.B., er dorthin gelang, ob er alleine war, ob er an der Fußgängerbrücke stand, etc. nicht mehr erinnerlich.

Nach der Entlassung des Zeugen merkte die Verteidigung an, dass dieser dem Gericht glauben machen wolle, dass ihm das Wegwerfen und der Angeklagte in Erinnerung geblieben ist, er wusste worauf es als Zeuge ankommt, er hätte dabei seine Rolle gespielt, denn wenn er sich an nichts erinnern kann, wie kann er sich an den Angeklagten erinnern, außer dass er dies aus dem Vermerk und den Akten wüsste.

Am Ende des Prozesstages wurden Lichtbilder der vermeintlichen zerrissenen Zettel gezeigt, sowie von dem Brandanschlag gegen das Senatsgebäude für Stadtentwicklung. Damit endete der vierte Prozesstag.

Wir wollen nochmals drauf hinweisen, dass die Beschränkung der Anzahl an Besucher und Besucherinnen nicht aufgrund gesundheitlicher Bedenken gemacht wird, denn alle Fenster sind offen, alle Personen tragen Maske, etc., sondern um die Solidarität mit dem Beschuldigten einzuschränken und zu erschweren.

Der nächste Prozesstermin ist am Donnerstag, den 08.07.21, um 13:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom dritten Verhandlungstag

Etwa 15 solidarische Personen kamen am 24.06. zum Gerichtsgebäude in Berlin Moabit um den dritten Verhandlungstag gegen unseren Freund und Gefährten zu verfolgen. Nachdem die ersten Personen die unverändert strengen Sicherheitsmaßnahmen über sich ergehen haben lassen, hieß es das heute nur zehn Zuhörer und Zuhörerinnen zugelassen seien, da die Verhandlung in einem anderen, kleineren Saal stattfinde als bei den vorherigen Terminen. Die nächste Mitteilung war dann, dass der heutige Verhandlungstag wegen eines Coronafalles (positives Testergebnis vermutlich bei einem Mitglied der Richterschaft) ausfalle. Damit endete der dritte Verhandlungstag bevor er überhaupt beginnen konnte.

Wir wissen nicht ob in Zukunft der Prozess nur noch im kleineren Saal stattfinden wird, für alle solidarische Personen, sowie für den Angeklagten, wird dies zusätzlich ein Problem sein, weil somit die Unterstützung weiter eingeschränkt wird.

Der nächste Prozesstermin ist am Donnerstag, den 01.07.21, um 9:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom zweiten Verhandlungstag

Am 17.06. begann um 9:10 Uhr vor dem Landgericht in Berlin-Moabit der zweite Verhandlungstag gegen unseren Freund und Gefährten Cem unter den gleichen Sicherheitsmaßnahmen wie beim letzten Prozesstag. Der Zuhörerbereich war mit ca. 14 Zuhörenden besetzt, eine Vertreterin der Presse war ebenfalls anwesend. Der vorsitzende Richter begann die Verhandlung mit der Verkündung des Beschlusses, dass der Antrag der Verteidigung bezüglich der fehlenden Akten zum Prozess – es handelt sich um zehn Ordner mit einem Umfang von ca. 2000 Seiten – zurückgewiesen wird. Hierzu stellten die Rechtsanwälte einen Antrag, in dem sie forderten, dass die Verhandlung bis zum übernächsten Prozesstermin unterbrochen werden soll, um der Verteidigung genug Zeit zur Durchsicht der nun aufgetauchten Akten zu geben, die sie erst am letzten Dienstag erhalten haben. Nach einer zehnminütigen Pause wies das Gericht diesen Antrag zurück mit der Begründung, dass das Verfahren ja noch lang genug dauere, so dass sich die Anwälte in die nun zugänglichen Akten einarbeiten und Zeugen erneut befragt werden könnten und die Akten ohnehin von geringer Relevanz seien. Des Weiteren handele es sich bei der Übergabe von digitalisierten Akten an die Rechtsanwälte um einen Service von Seiten des Gerichts, die Überprüfung auf Vollständigkeit müsse von den Anwälten ausgehen. In Bezug auf die fehlenden Akten merkten die Rechtsanwälte an, dass die Entscheidung von Relevanz oder Irrelevanz der Akten nicht dem Richter obliege, sondern von den Anwälten zu prüfen sei. Im Anschluss verkündete der vorsitzende Richter die Zurückweisung des Einstellungsantrages aufgrund nicht vollständiger Akteneinsicht, da sich daraus keine andere Verfahrenslage ergeben habe und die Frage, ob ein Verfahrensverstoß vorliege, werde in der Schlussberatung geklärt.

Im weiteren Verlauf des Verhandlungstages wurden dann sechs Zeugen zum vermeintlichen Brandanschlag auf das Haus der Wirtschaft am 4. Februar 2010 geladen, ein Mitarbeiter der Hausverwaltung, ein Feuerwehrmann und vier Bullen. Es wurden Fragen zu den entstandenen Schäden an der Fassade, den Fenstern, der Tür und des Kühlaggregats sowie der angeblichen Zusammenstellung des Brandsatzes versucht zu klären und ob sich Menschen zu irgendeinem Zeitpunkt im Gebäude und somit in Gefahr befanden. Es befand sich zur Tatzeit niemand im Gebäude, was auch alle Zeugen bestätigten. Zusätzlich ging es um den an der Fassade hinterlassenen Schriftzug, das Akronym RAZ und Hammer und Sichel sowie den Fund mindestens einer Ausgabe der klandestinen Zeitschrift radikal. Zu diesen Beispielen wurden die Zeugen nach dem Fundort, der Stückzahl, wer es gefunden hat, wie es als Beweisstück gesichert wurde – im Falle der radikal – und wie frisch der Schriftzug war, befragt. Bei dem verwendeten Brandsatz soll es sich um Gaskartuschen gehandelt haben, auch hier wurde nach Stückzahl, Fundort, Form bzw. Aussehen (denn es war auch die Rede von Spraydosen) und Art der Beweissicherung gefragt. Abgesehen vom Feuerwehrmann konnte sich kein Zeuge an die Tat oder die Ermittlungen am Tatort erinnern, deshalb wurden ihnen allen zur Auffrischung ihrer Erinnerung Fotos vom Tatort gezeigt, die bei den damaligen Ermittlungen entstanden sind. Die Bullen haben zur Vorbereitung auf den Prozess ihre eigenen Berichte erneut gelesen, nachdem sie diese vom Richter zugeschickt bekommen haben, was sich im Verlauf des Prozesstages offenbarte. Dieses Vorgehen der Richterschaft wurden von den Anwälte beanstandet, da es dafür keine Rechtsgrundlage gäbe, denn „die gerichtliche Vorbereitung eines polizeilichen Zeugen ist eine Chimäre“. Einer der Anwälte begründete dies auch, weil somit die Annahme unterstrichen werden würde, dass Bullen immer die Wahrheit sagen würden. Auf wiederholte Nachfrage gab der Richter zu, dass es zu diesem Vorgehen auch keinen Aktenvermerk gegeben hat, und er habe kein Unrechtsbewusstsein diesbezüglich. Die Anwälte betonten, dass der Angeklagte durch den Verlauf des Prozesses im Nachteil stehen würde und erwähnten die Möglichkeit der Einbringung eines Befangenheitsantrages gegen den Richter, der sagte, dass dieser Antrag erst beim nächsten eingebracht werden sollte. Damit endete der zweite Verhandlungstag gegen 14 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am Donnerstag, den 24.06.21, um 9:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Prozessbericht vom ersten Verhandlungstag

Der Auftakt im RAZ-RL-radikal-Prozess gegen unseren Gefährten begann unter strengen Sicherheitsmaßnahmen am 08.06.2021 um 13 Uhr vor dem Landgericht in Berlin Moabit mit dem 1. von bisher insgesamt 21 angesetzten Gerichtsterminen. Vor dem Eingang zum Gerichtsgebäude in der Wilsnacker Str. fand ab 12 Uhr eine Kundgebung in Solidarität mit dem Angeklagten statt, an der sich ca. 40 Menschen beteiligten.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer wurden beim Betreten des Gerichtsgebäudes von den Justizbullen durchsucht, nichts durfte mit rein, auch Bleistift und Papier mussten abgegeben werden mit dem Hinweis, im Saal würden Stifte und Papier zur Verfügung gestellt werden. Als der dritte Mensch sich der Durchsuchung unterzog, kam ein Anruf an die Bullen, worauf es hieß, es gäbe nicht genug Stifte und Papier und die mitgebrachten Schreibutensilien wurden wieder ausgehändigt. Um ca.13:15 Uhr wurden die Zuhörerinnen und Zuhörer vom Wartebereich, in dem es im Übrigen keine funktionierenden Toiletten gab, in den Sitzungssaal gelassen.

Der vorsitzende Richter begann mit der Aufnahme der Personalien des Angeklagten und bat den Staatsanwalt um Verlesung der Anklageschrift, dies wurde jedoch von den beiden Rechtsanwälten des Angeklagten durch die Vorlegung eines Antrags bezüglich der angeordneten sitzungspolizeilichen Maßnahmen verhindert. Dabei wurde zunächst geklärt, dass die Erhöhung der Anzahl der zuhörenden Menschen, die zum Prozess zugelassen wurden, von 10 auf 15 auf eine Saaländerung zurückzuführen sei. Dann führten die Rechtsanwälte in ihrem Antrag aus, dass die gerichtliche Anordnung vom 05.05.21 rechtswidrig sei, da es keine Gründe für die Maßnahmen gäbe und sie von dem Angeklagten als ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber ihm und der Anwaltschaft verstanden werden und der Öffentlichkeit und der Presse eine Gefährlichkeit unseres Gefährten suggeriere, für die es keine Grundlage gäbe. Des Weiteren wurde im Antrag auf die Beschränkung der Zuhörendenzahl eingegangen und auf die Praxis des Kopierens der Lichtbildausweise der Zuhörenden beim Betreten des Gebäudes, was angeblich der schnellen Identifizierung von Störern dienen solle. Es sei zweifelhaft, dass diese Kopien nach Schluss der Sitzung tatsächlich vernichtet werden, eine Identifizierung von Störern sei auch auf anderem Wege möglich und auch sei es völlig unklar wie und wer diese Kopien anfertigt und wie diese dann in den Sitzungssaal gelangen. Der Anwaltschaft seien durchaus Fälle bekannt, in denen solche angefertigten Kopien von Besucherinnen und Besuchern bei Prozessen in die Hände des Staatsschutzes gelangten. Ergänzend wurde sich ebenfalls erkundigt, nach welchen Kriterien denn die Auswahl der Pressevertreter erfolgt sei, deren Anzahl durch die Anordnung auf fünf begrenzt wurde und von denen sich wohl einige nun in dem für die Zuhörenden vorgesehenen Bereich des Sitzungsaales befinden.

Der vorsitzende Richter beantwortete zunächst die Frage nach der Auswahl der Pressevertreter, diese sei nach dem Kriterium des zeitlichen Erscheinens der Vertreter erfolgt, also nach dem Prinzip wer zuerst kommt, malt zuerst. Des Weiteren seien die Wachtmeister für das Kopieren der Lichtbildausweise zuständig und der Staatsschutz habe kein Interesse an den Ausweiskopien. Der Staatsanwalt Zündorf, der durch seine undeutliche und teilweise schwer verständliche Sprechweise auffiel, erklärte den Antrag der Rechtsanwälte für nicht statthaft, die Anordnungen seien aus seiner Sicht angemessen. Inzwischen war es ca. 13:40 Uhr und es wurde eine Pause von 15 Minuten angeordnet.

Um ca. 14 Uhr wurde die Sitzung fortgesetzt. Der vorsitzende Richter verkündete den Beschluss, dass die angeordneten Maßnahmen angemessen seien und sich die Gefahrenlage aus der Anklage ergäbe, die den Angeklagten als Linksextremisten ausweise, die Öffentlichkeit des Prozesses sei nicht eingeschränkt, die Begrenzung der zugelassenen Zuhörenden pandemiebedingt und die Anwälte in ihrer Arbeit nicht betroffen. Was die Kopien der Ausweise betrifft, sei eine andere Art der Identifikation etwaiger Störer zu langwierig. Drei Wachtmeister seien beim Kopieren anwesend und nur ein Satz Kopien würden der Protokollführerin übergeben. Daraufhin beantragten die Rechtsanwälte eine Pause von einer Stunde und 15 Minuten, um sich mit ihrem Mandanten beraten und einen unaufschiebbaren Antrag stellen zu können sowie der Richterschaft Zeit zu geben den Beschluss in schriftlicher Form anzufertigen, damit dieser den Anwälten übergeben werden kann. Der vorsitzende Richter gab der Unterbrechung der Sitzung statt und die Zuhörenden wurden um 14:10 Uhr aus dem Gerichtssaal entlassen.

Um 15:45 Uhr wurde die Sitzung dann fortgesetzt und die Rechtsanwälte stellten einen Antrag, in welchem sie erklärten, dass sie die Richterschaft wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Diese Befangenheitsbesorgnis ergäbe sich aus den angeordneten Sicherheitsverfügungen. Konkret gehe es um die angeordnete Untersuchung des Angeklagten auf gefährliche Gegenstände, die zweimal erfolge, einmal beim Betreten des Gerichtsgebäudes ein weiteres mal beim Betreten des Sitzungssaales. Die Richter haben den ersten Antrag bezüglich der sitzungspolizeilichen Maßnahmen abgelehnt, obwohl sich selbst in der Anklageschrift keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass von dem Angeklagten eine Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen ausgehe. Auch bei den Gruppierungen, deren vermutliche Mitgliedschaft ihm die Anklage unterstellt, wobei eine tatsächliche Existenz eben dieser Gruppen auch in Zweifel gezogen werden könne, sei nicht von einer solchen Gefahr auszugehen. Des Weiteren lägen die Anklagepunkte bereits zehn Jahre zurück, der Angeklagte ist in diesem Zeitraum nicht auffällig geworden und auch nicht vorbelastet. Die Richter würden durch die Anordnungen folglich die Richtigkeit der Anklagepunkte unterstellen und die Gefahrenprognose unterstreiche diese Befangenheit. Nachdem der vorsitzende Richter erklärte, dass eine Stellungnahme zu diesem Befangenheitsantrag zu einem späteren Zeitpunkt erfolge, wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Die Anwälte erkundigten sich, ob der Richter vorsehe, dass geladene Zeugen während ihrer Aussagen die ganze Zeit ein Maske tragen müssten. Dies wurde bejaht, worauf die Anwälte darauf hinwiesen, dass dies dazu führe, dass die Mimik der Zeugen während der Aussagen nicht ausreichend erkennbar sei. Der vorsitzende Richter erklärte, er werde darüber nachdenken, inwieweit es unter den Bedingungen der Pandemie möglich sei, die Zeugen unmaskiert aussagen zu lassen. Dann wiesen die Anwälte darauf hin, dass ihnen zu Ohren gekommen sei, dass es keine Toiletten für die Zuhörenden gäbe und ob dies den Tatsachen entspreche. Auf Nachfrage des vorsitzenden Richters erklärte ein Justizbulle, dass die Toiletten aus ihm unbekannten Gründen nicht benutzbar seien und die Besucher, wenn sie die Toilette aufsuchen wollen, das Gebäude zunächst verlassen über einen anderen Eingang wieder betreten müssten, wobei dort wieder eine Durchsuchung stattfindet (was er nicht erwähnte), die dortigen Toiletten benutzen, das Gebäude verlassen und über den gewohnten Eingang wieder betreten (erneute Durchsuchung) könnten. Nun stellten die Rechtsanwälte einen Antrag wegen eines unaufhebbaren Verfahrenshindernisses. Hierbei ging es um Zeugen, die im Verlaufe des Prozesses vorgeladen werden sollen, welche bereits im mg-Verfahren ausgesagt haben. Bei diesem Prozess wurden Akten durch das BKA zurückgehalten und zwar ging es dabei um einen in der Zeitschrift Interim veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Quo vadis mg“ verfasst von den „Zwei aus der Muppetshow“. Hierzu gab es einen Sachstandsbericht des BKA mit dem Vermerk nur für die Handakte aus dem hervorging, dass dieser Artikel vom BKA verfasst wurde und einer der nun ebenfalls geladenen Zeugen als Verfasser bekannt ist. Dieser Zeuge log beim mg-Prozess als er aussagte, dass ihm einzelne Autoren nicht bekannt und auch konkret die „Zwei aus der Muppetshow“ unbekannt seien. Das BKA führte also beim mg-Prozess zwei Akten und es ist unbekannt, ob es nicht noch weitere Undercoveraktionen des BKA gab. Somit stelle sich die Frage, ob diese Praxis auch jetzt in diesem Verfahren umgesetzt wird, ob die Akten vollständig sind oder ob es noch weitere BKA-interne Papiere gibt. Deshalb fordere die Verteidigung die Einstellung des Verfahrens. Der Staatsanwalt erklärte er werde dazu jetzt keine Stellungnahme abgeben, diese erfolge später. Der vorsitzende Richter versprach eine zeitnahe Entscheidung über diesen Antrag.

Nun stellten die Rechtsanwälte erneut einen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen, da die Akten, die den Anwälten zur Verfügung gestellt wurden, offensichtlich unvollständig seien. Ein Vermerk der Anklage, weist darauf hin, dass die insgesamt 149 Bände bzw. Akten zum Verfahren nicht neu geordnet oder strukturiert worden seien, allerdings wurden der Verteidigung nur 139 digitale Ordner übergeben, da keine Umstrukturierung stattgefunden hat, fehlen den Anwälten sechs Ordner und vier Sonderhefte. Somit habe die Verteidigung keine vollständige Akteneinsicht erhalten. Der Staatsanwalt äußerte sich dahingehend, dass er nicht wisse, welche Akten zur Verfügung gestellt wurden, er habe sich noch nicht damit befasst. Eine Pause von 15 Minuten wurde anberaumt.

Um ca. 16:25 Uhr wurde die Verhandlung fortgesetzt, der vorsitzende Richter erklärte er wisse im Moment nicht genau wie viele Akten es gäbe, vielleicht habe sich ja auch jemand verzählt, er werde sie auf jeden Fall zählen eventuell direkt im Anschluss an die Sitzung. Weiters sei der Inhalt der möglicherweise fehlenden Akten unklar, sollten der Verteidigung tatsächlich Akten fehlen und diese für den Prozess von Wichtigkeit sein, könnten bereits geladene Zeugen ja auch erneut geladen und befragt werden, nachdem die Verteidigung Einsicht in die fehlenden Akten erhalten habe. Aus diesen Gründen wird der Antrag vom Gericht zurückgestellt. Daraufhin brachte die Verteidigung einen Antrag ein, dass die drei in der Anklageschrift genannten Schadenssummen nicht verlesen werden sollen. Hierbei handele es sich um falsche Fakten, bezüglich des Anschlags auf das Haus der Wirtschaft werde die Bruttosumme anstatt der Nettosumme genannt, ebenso beim Anschlag auf das Gebäude der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, wobei hier noch hinzukomme, dass die Berechnung der Schadenssumme den Unterschied zwischen Neu- und Zeitwert außer Acht lasse, und im dritten Falle, beim Anschlag auf das Amtsgericht, sei die Grundlage nur ein Telefongespräch mit einem Mitarbeiter, so dass auch in diesem Fall mindestens von einer Verwechslung von Brutto -und Nettowert auszugehen sei. Als Erwiderung fordert der Staatsanwalt nuschelnd und für die Zuhörenden kaum verständlich die Fortführung der Hauptverhandlung und die Verlesung der Anklageschrift ohne Korrektur. Erneut zehn Minuten Pause.

Um 16:40 wurde die Verhandlung fortgesetzt mit dem richterlichen Beschluss, dass der Antrag zurückgewiesen werde, die Feststellung der konkreten Schadenssummen obliege der Beweisaufnahme. Die Rechtsanwälte wiesen nochmal daraufhin, dass die Nennung von unzutreffenden Fakten in der Anklage, ein Fehler sei, der bei der Staatsanwaltschaft liege, dann verlas der Staatsanwalt die Anklageschrift. Im Anschluss wurde vom vorsitzenden Richter gefragt, ob es Verständigungsversuche gegeben habe, was der Staatsanwalt verneinte und der Angeklagte wurde darüber belehrt, dass es ihm frei stehe sich zur Anklage zu äußern oder nicht, woraufhin die Verteidiger erklärten, dass sie sich dazu nicht äußern können, solange nicht die Frage nach der Vollständigkeit der Akteneinsicht geklärt sei. Damit endete der erste Sitzungstag.

Der nächste Prozesstermin ist am 17.06.21 am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.


Anordnung des Gerichtes zum Prozess gegen unseren Gefährten

Für den Prozess am kommenden Dienstag dem 08. Juni 2021 gegen unseren Gefährten und Freund (RAZ-RL-Radikal) gibt es Anordnungen vom Gericht, die wir hier aufzählen werden. Damit es vor Ort nicht zu Überraschungen kommt.

I. Allgemeines

1. Der Zugang erfolgt für Zuhörer über das Portal B 129 für alle übrigen Personen durch die bewachte Schleuse. Das Portal B 129 und die Schleuse werden eine Stunde vor Prozessbeginn geöffnet.

3. Die bei der körperlichen Durchsuchung von den Kontrollbeamten festgestellten Gegenstände die nach den folgenden Vorschriften nicht in den Saal bzw. in den Sicherheitsbereich hinter der Schleuse eingebracht werden dürfen, sind amtlich zu verwahren. Eine Haftung für diese Gegenstände ist ausgeschlossen. Personen die mit der Hinterlegung der Gegenstände nicht einverstanden sind, erhalten zum Sicherheitsbereich und zum Saal keinen Zutritt.

IV Zuhörer

2. Für Zuhörer stehen 10 Plätze zur Verfügung. Der Zugang für Zuhörer erfolgt ausschließlich durch das Portal B 129. Der Einlass erfolgt unmittelbar nach dem Aufruf der Sache.

3. Für die Kontrolle der Zuhörer gilt Folgendes:

a.) Die Zuhörer haben einen gültigen, auf Ihren Namen ausgestellten amtlichen Lichtbildausweis vorzulegen.

b.) Sie haben sich einer körperlichen Durchsuchung auf Waffen (auch gefährliche Chemikalien, Messer u.a.), gefährliche Werkzeuge (auch Feuerzeuge und Streichhölzer) und Wurfgegenstände (z.B. Flaschen, Dosen, Obst, Eier, Haarbürsten, Farbbeutel, Bücher) zu unterziehen. Das gleiche gilt für Flugblätter, Transparente, Trillerpfeifen, Glocken und ähnliche zur Verursachung von Lärm geeignete Gegenstände sowie für Kugelschreiben und Füllfederhalter. Die Untersuchung wird durch Abtasten bzw. Absonden der Kleidung einschließlich etwaiger Kopfbedeckung vorgenommen. Unter Umständen kann die Ausleerung und Vorlage des Tascheninhaltes verlangt werden.

c.) Die Zuhörer dürfen im Saal keine Mobiltelefone, Laptops oder Taschen bei sich tragen.

d.) Die Untersuchung ist auf Schuhwerk zu erstrecken.

e.) Das kopieren der Ausweise der Zuhörer für die schnelle Identifizierung von Störern wird angeordnet. Die Kopien sind unverzüglich nach Schluss der Sitzung zu vernichten.

4. Personen unter 16 Jahren werden nicht als Zuhörer zugelassen. (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2006 – 3 StR 284/05).

5. Zuhörer, die des Saales verwiesen worden sind, haben auch das Sitzungsgebäude zu verlassen. Ein erneuter Zutritt am selben Tag ist Ihnen zu verwehren.“


Prozess RAZ, RL, Radikal, eine Änderung

Wie wir erfahren haben, hat sich der Saal wo das Verfahren stattfinden soll, geändert. Der Prozess geht wie geplant am achten Juni um 13:00 im Saal B218 im Landgericht, Turmstrasse 91, 10559 Berlin, los.

Weitere Informationen werden folgen.


Prozessbegin, Prozesstermine und Solikonto im RAZ, RL, Radikal Verfahren

Hier die Daten für die Gerichtstermine gegen unseren Freund und Gefährten Cem, diese beginnen am 8. Juni 2021 beim Landgericht in der Turmstraße 91, Raum EG/220, 10559 Berlin.

Solikonto:
Stichwort: no129
Rote Hilfe e.V.
GLS-Bank
IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
BIC: GENODEM1GLS

Gerichtstermine:

Raum EG/220

08. Juni – 13:00 Uhr
17. Juni – 9:00 Uhr
24. Juni – 9:00 Uhr

01. Juli – 9:00 Uhr
08. Juli – 13:00 Uhr
13. Juli – 9:00 Uhr
15. Juli – 13:00 Uhr

05. August – 13:00 Uhr
10. August – 9:00 Uhr
12. August – 9:00 Uhr
17. August – 9:00 Uhr
19. August – 9:00 Uhr

09. September – 9:00 Uhr
14. September – 9:00 Uhr
16. September – 9:00 Uhr
21. September – 9:00 Uhr
23. September – 9:00 Uhr

05. Oktober – 9:00 Uhr
07. Oktober – 9:00 Uhr
19. Oktober – 9:00 Uhr
21. Oktober – 9:00 Uhr  (Fällt aus)
Die aktuell noch angesetzten Termine (aktualisiert am 20.10.2021)

Donnerstag, 28.10.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 17.11.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 01.12.21, 9:00 Uhr
Montag, 13.12.21, 9:00 Uhr
Mittwoch, 12.01.22, 9:00 Uhr


Prozessbeginn gegen unseren Freund und Gefährten

Vor acht Jahren gab es in Berlin, Stuttgart und Magdeburg Razzien gegen 9 Personen die beschuldigt wurden nach §129 (Mitgliedschaft und Bildung einer kriminellen Vereinigung) zu sein. Bei den 21 Hausdurchsuchungen am 22. Mai 2013, an denen ca. 300 Bullen beteiligt gewesen sind, wurden Computer, Speichermedien, Mobiltelefone, Broschüren, Notizen usw. beschlagnahmt, des Weiteren wurden erkennungsdienstliche Maßnahmen bei einigen der Beschuldigten durchgeführt.

Laut dem Durchsuchungsbeschluss wurde ihnen vorgeworfen die Herausgeber der Zeitschrift „Radikal“ zu sein, teil der „Revolutionären Aktions Zellen“ (RAZ) und der „Revolutionären Linken“ (RL) und eine Nachfolgeorganisation der mg (militante Gruppe) zu sein. „Die RAZ ist eine klandestine Struktur, die von 2009 bis 2011 mehrere Aktionen auf Objekte der bundesdeutschen Justiz und Wirtschaftseinrichtungen verübte.“ (Linke Politik verteidigen! Fünf Finger sind ne Faust! Seite 35), außerdem hat die RAZ 8mm-Patronen an den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), den stellvertretenden Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum und den Extremismusforscher Uwe Backes versendet.

Im August 2014 wurde das Verfahren bereits gegen zwei Personen abgetrennt und Einstellungen gegen andere Beschuldigten erfolgten im September 2018.

Cem erhielt im September 2018 als einziger eine Anklageschrift mit dem Vorwurf der Brandstiftung in 3 Fällen pp.

Nun wird der Prozess vermutlich im Juni 2021 am Landgericht in Berlin Moabit eröffnet. Sobald wir die Termine erfahren, werden wir sie natürlich hier veröffentlichen.

Die Solidarität ist unerlässlich!

Kraft und Liebe für unseren Freund und Gefährten