Wenn die Aufstände sterben

1917-1937:

Wenn die Aufstände sterben

von Gilles Dauvé


Brest-Litowsk 1917 und 1939

» (…) Wird die russische Revolution das Signal einer proletarischen Revolution im Westen, so daß beide einander ergänzen, so kann das jetzige russische Gemeineigentum am Boden zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung dienen.« (Marx, Engels, Vorwort zur russischen Ausgabe des Manifests, 1882)

Diese Perspektive hat sich nicht bewahrheitet. Das europäische Industrieproletariat hat sein Zusammenkommen mit einer neubelebten russischen Dorfgemeinschaft verpaßt.

Polen, Brest-Litowsk, Dezember 1917. Einem Deutschland, das entschlossen ist, sich einen guten Teil des ehemaligen Zarenreichs von Finnland bis zum Kaukasus einzuverleiben, schlagen die Bolschewiken einen Frieden ohne Annektion vor. Aber im Februar 1918 gehorchen die deutschen Soldaten, obwohl sie »Proletarier in Uniform« sind, den Befehlen ihrer Offiziere und nehmen die Offensive gegen das nunmehr sowjetische Rußland wieder auf. Es gibt keine Fraternisierung, und der von den Linksbolschewiken gerühmte revolutionäre Krieg erweist sich als undurchführbar. Im März muß Trotzki ein Friedensabkommen unterschreiben, dessen Bedingungen die Generäle des Kaisers diktiert haben. Wir tauschen Raum gegen Zeit, hatte Lenin gesagt: und tatsächlich wird mit der deutschen Niederlage im November der Vertrag hinfällig. Doch der praktische Beweis der internationalen Einigkeit der Ausgebeuteten war verpaßt worden. Einige Monate später stellen sich dieselben Proletarier, die nun mit dem Ende des Kriegs ins Zivilleben zurückgekehrt sind, der mit den Freikorps alliierten offiziellen Arbeiterbewegung entgegen. Sie unterliegen 1919 in Berlin, in Bayern und in Ungarn. 1920 unterliegt die Rote Ruhrarmee. 1921 scheitert die Märzaktion …

September 1939. Hitler und Stalin haben sich gerade Polen untereinander aufgeteilt. An der Grenzbrücke Brest-Litowsk werden mehrere hundert KPD-Mitglieder, die sich in die UdSSR geflüchtet hatten und dann als »Konterrevolutionäre« oder »Faschisten« verhaftet worden waren, aus den stalinistischen Gefängnissen an die Gestapo übergeben.

1917-1937, zwanzig Jahre, die die Welt erschütterten. Die Schrecken des Faschismus von 1939-45 und die Umwälzungen, die darauf folgten, sind das Ergebnis einer gigantischen gesellschaftlichen Krise, die durch die Aufstände von 1917 eröffnet und mit dem Krieg in Spanien wieder beendet wurde1.


»Faschismus und Großkapital«

Die durch Daniel Guérin berühmt gewordene Formulierung, wonach der Faschismus den Interessen des Großkapitals dient, ist vollkommen richtig – aber 99 % derjenigen, die diese These wiedergeben, fügen schnell hinzu, daß trotz allem 1922 und 1933 der Faschismus zu vermeiden gewesen wäre, wenn die Arbeiterbewegung und/oder die Demokraten genügend Druck ausgeübt hätten, um ihm die Tür zur Macht zu versperren. Hätten sich nur 1921 die Sozialistische Partei und die ganz junge KP Italiens mit den Republikanern verbündet, um Mussolini den Weg zu versperren … hätte die KPD nicht zu Beginn der 30er Jahre der SPD einen Bruderkrieg geliefert … Europa wäre eine der schlimmsten Diktaturen der Geschichte, der Zweite Weltkrieg, das Nazi-Regime, das fast einen ganzen Kontinent besetzte, die Lager und die Vernichtung der Juden erspart geblieben. Hinter sehr richtigen Betrachtungen über die Klassen, den Staat, die Verbindung zwischen Faschismus und Großindustrie übersieht diese Ansicht, daß der Faschismus mit einem doppelten Scheitern zusammenhängt: dem Scheitern der Revolutionäre nach ’14 – 18, als sie von der Sozialdemokratie und der parlamentarischen Demokratie vernichtend geschlagen wurden; und dem Scheitern der Demokraten und Sozialdemokraten bei der Verwaltung des Kapitals am Ende der 20er Jahre. Der Machtantritt der Faschisten und die Natur des Faschismus bleiben unverständlich, wenn man nicht die vorausgehendenden Zeitraum betrachtet, den vorhergehenden Klassenkampf und seine Grenzen. Überdies ist es kein Zufall, daß D. Guérin sich sowohl über die Volksfront täuscht, in der er eine »verpaßte Revolution« sieht, als auch über die eigentliche Bedeutung des Faschismus2.

Was liegt dem Faschismus zugrunde, wenn nicht die wirtschaftliche und politische Vereinigung des Kapitals, eine Tendenz, die sich nach 1914 verallgemeinert hatte? Der Faschismus war eine besondere Art, diese zu realisieren in Ländern – Italien und Deutschland -, in denen zwar die Revolution erstickt worden war, der Staat sich aber als unfähig gezeigt hatte, die Ordnung durchzusetzen, auch nicht innerhalb der Bourgeoisie. Mussolini ist nicht Thiers, der fest im Sattel der Macht den regulären Truppen befiehlt, die Kommunarden zu massakrieren. Es ist wesentlich für den Faschismus, daß er auf der Straße geboren ist, daß er Unordnung gestiftet hat für die Ordnung, indem er die durch ihren Ruin erzürnten alten Mittelschichten mobilisiert hat, und somit von außen einen Staat wiederhergestellt hat, der unfähig gewesen war, der Krise des Kapitalismus standzuhalten3.

Der Faschismus war eine Anstrengung der Bourgeoisie, um ihre Widersprüche unter Zwang zu überwinden, die Arbeitermethoden der Massenmobilisierung zu ihrem Vorteil umzulenken und alle Ressourcen des modernen Staates gegen einen inneren – und dann einen äußeren – Feind anzuwenden.

Es handelte sich um eine Krise des Staats im Übergang zur totalen Herrschaft des Kapitals über die Gesellschaft. Man hatte die Arbeiterorganisationen gebraucht, um auf die proletarische Welle zu antworten, man brauchte danach den Faschismus, um die weitere Unordnung zu beenden, die sicherlich nicht revolutionär war, aber lähmend, weil sie den Weg zu Lösungen, die nur gewaltsam sein konnten, blockierte. Die Krise wurde damals freilich nicht überwunden: der faschistische Staat war nur scheinbar effektiv; denn indem er die Lohnabhängigen zwangsweise integrierte (die italienischen Korporationen, die Deutsche Arbeitsfront) und die Konflikte künstlich ausschloß, projektierte er sie nur in eine militaristische Flucht nach vorn. Die Krise wurde erst einigermaßen überwunden von dem in alle Richtungen vordringenden demokratischen Staat, der nach 1945 errichtet wurde und sich potentiell alle Mittel des Faschismus – und sogar mehr – gab, denn er neutralisierte die Organisationen der Lohnabhängigen, ohne sie abzuschaffen. Das Parlament hat seine Kontrolle über die Exekutive verloren. Durch Welfare oder Workfare, durch die modernen Überwachungstechniken wie durch das auf Millionen Menschen ausgedehnte Fürsorgesystem, kurz gesagt: durch ein System, das jeden einzelnen immer abhängiger macht, geht die gesellschaftliche Gleichschaltung über diejenige unter dem faschistischen Terror hinaus, aber der Faschismus als spezifische Bewegung ist verschwunden. Er entsprach der zwangsweisen Disziplinierung der Bourgeoisie unter staatlichem Druck, im besonderen Kontext von neuen Staaten, die größte Schwierigkeiten hatten, zur gleichen Zeit Nationen zu sein.

Die Bourgeoisie hat sich bis zum Namen bei den Arbeiterorganisationen bedient, die sich in Italien oft »Bündel« (fasci) nannten. Es ist bezeichnend, daß sich der Faschismus zuerst als Organisationsform und nicht als Programm definiert hat. Sein einziges Programm besteht darin, die Bestandteile der Gesellschaft zwangsweise, in Bündeln (fasci) zusammenzufassen. Die Diktatur ist keine Waffe des Kapitals, so als ob man sie durch weniger tödliche Mittel ersetzen könnte, sondern eine seiner Tendenzen, die sich verwirklicht, sobald es nötig ist. Zur Demokratie »zurückzukehren« bedeutet, daß die Diktatur (bis zum nächsten Mal) zur Integration der Massen in den Staat unnötig geworden ist. Das Problem ist also nicht, daß die Demokratie eine sanftere Herrschaft als die Diktatur zusichert: jedem wäre es lieber, auf schwedische Art ausgebeutet zu werden, als von den Bütteln eines Pinochet entführt zu werden. Aber kann man wählen? Selbst die beruhigende skandinavische Demokratie würde sich in eine Diktatur verwandeln, wenn es nötig ist. Der Staat hat nur eine Funktion, die er demokratisch oder diktatorisch ausübt. Daß der erste Weg nicht so hart ist, bedeutet nicht, daß man den Staat dazu bringen kann, auf den zweiten Weg zu verzichten. Die Formen, die sich der Kapitalismus gibt, hängen nicht stärker von den Vorlieben der Proletarier ab als von den Absichten der Bourgeoisie. Weimar hat vor Hitler kapituliert, es hat ihn willkommen geheißen. Und die Volksfront von Blum hat nicht »den Faschismus verhindert«; denn das Frankreich von 1936 hatte keinerlei Bedarf, sein Kapital autoritär zu vereinigen oder seine Mittelschichten zu unterwerfen.

Es gibt keine politische »Wahl«, zu der die Proletarier aufgefordert wären oder zu der sie sich gewaltsam entscheiden könnten. Die Demokratie ist nicht die Diktatur, aber sie bereitet sie vor und sie bereitet sich darauf vor.

Das Wesen des Antifaschismus besteht darin, dem Faschismus zu widerstehen, indem man die Demokratie verteidigt. Das heißt, nicht mehr gegen den Kapitalismus zu kämpfen, sondern genügend Druck auf ihn auszuüben, damit er darauf verzichtet, totalitär zu werden. Wenn man den Sozialismus mit der vollständigen Demokratie gleichsetzt, und den Kapitalismus mit einer zunehmenden Faschisierung, dann wird der Antagonismus Proletariat – Kapital, Kommunismus – Lohnverhältnis, Proletariat – Staat zurückgewiesen zugunsten eines Gegensatzes Demokratie – Faschismus, den man als Quintessenz der revolutionären Perspektive darstellt. Wenn man die Linke und die Linken hört, soll die wirkliche Veränderung darin bestehen, daß das von der Bourgeoisie ewig verratene Ideal von 1789 verwirklicht wird. Die neue Welt? Aber wir sind doch schon ein bißchen drin! Embryone, die geschützt, Keime, die aufgezogen werden müssen: die errungenen demokratischen Rechte, die in einer immer weiter zu verbessernden Gesellschaft durch jeden Abend stärkere Dosen von Demokratie immer mehr ausgedehnt werden müßten, bis zur vollständigen Demokratie: dem Sozialismus.

Die Gesellschaftskritik, die so auf einen antifaschistischen Widerstand reduziert wird, soll sich der Totalität dessen anschließen, was sie zuvor bekämpft hatte, und soll offensichtlich diese olle Kamelle: die Revolution, zugunsten eines Gradualismus aufgeben, einer Abart des »friedlichen Übergangs zum Sozialismus«, den die KP damals so sehr gepredigt hatte und den 1968 alle, die die Gesellschaft verändern wollten, ausgelacht haben. Man sieht, wie weit wir gekommen sind!

Wir werden uns nicht der Lächerlichkeit preisgeben und der Linken (und ihrem extremen Flügel) vorwerfen, die kommunistische Perspektive, die sie sowieso immer bekämpft hat, auf den Müll geworfen zu haben. Daß der Antifaschismus auf jede Revolution verzichtet, ist offensichtlich. Aber er scheitert genau da, wo sein »Realismus« Effektivität vortäuscht: die mögliche Verwandlung der Gesellschaft in eine Diktatur zu verhindern.

Die bürgerliche Demokratie ist eine Phase bei der Machtergreifung des Kapitals, und ihre Ausdehnung im 20. Jahrhundert vollendet die Herrschaft, indem sie die Isolierung der Individuen verschärft. Die Demokratie, die Heilmittel gegen die Trennung zwischen Menschen und Gemeinschaft, menschlicher Aktivität und Gesellschaft, zwischen Klassen sein soll, wird niemals das Problem der am meisten gespaltenen Gesellschaft in der Geschichte auflösen können. Als Form, die nicht in der Lage ist, ihren Inhalt zu verändern, ist sie nur ein Teil des Problems, dessen Lösung zu sein sie behauptet. Jedesmal, wenn sie eine »soziale Bindung« zu stiften vorgibt, begleitet sie deren Auflösung. Jedesmal wenn sie die Widersprüche in der Warenwelt notdürftig beseitigt, zieht sie damit die Maschen des staatlichen Netzes über den gesellschaftlichen Verhältnissen stärker zusammen. Selbst auf dem verzweifelt resignierten Niveau, auf das sich die Antifaschisten begeben, müßten sie, um glaubwürdig zu sein, uns erklären, inwiefern ein lokales demokratisches Leben mit der merkantilen Kolonisierung zu vereinbaren ist, die unsere Treffpunkte entleert und die Warengalerie füllt, oder wie ein allgegenwärtiger Staat, von dem man alles erwartet, Schutz und Fürsorge, eine regelrechte Maschine zur Produktion des gesellschaftlichen »Wohls«, an dem Tag, an dem die explosiven Widersprüche dazu zwingen, die Ordnung wiederherzustellen, nichts »Böses« tun wird. Der Faschismus ist die Lobhudelei des staatlichen Monsters, der Antifaschismus seine subtilere Verherrlichung. Für einen demokratischen Staat zu kämpfen, bedeutet unweigerlich, den Staat zu stärken und anstatt den Totalitarismus zu knebeln, die Krallen zu schärfen, die er in die Gesellschaft ausfährt.


Rom 1919-22

Die Länder, in denen der historische Faschismus gesiegt hat, sind dieselben, in denen der auf 1914-18 folgende revolutionäre Angriff bis zu bewaffneten Aufständen gegangen war. In Italien stellte sich ein bedeutender Teil des Proletariats mit diesen Methoden und eigenen Zielen unmittelbar dem Faschismus entgegen. Sein Kampf hatte nichts spezifisch anti-faschistisches: wenn man gegen das Kapital handeln wollte, mußte man gegen die Schwarzhemden handeln, so wie gegen die Bullen der parlamentarischen Demokratie4.

Der Faschismus hat diese Einzigartigkeit, daß er der Konter-Revolution eine Massenbasis gibt und die Revolution damit nachäfft. Er dreht die Parole »den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg verwandeln« gegen die Arbeiterbewegung um und erscheint so als Reaktion von Kriegsveteranen, die in ein Zivilleben zurückgekehrt sind, in dem sie nichts darstellen und keinen anderen Zusammenhalt haben als die kollektive Gewalt, und die dazu entschlossen sind, das zu zerstören, was sie für ihre Entwurzelung für verantwortlich machen wollen: Unruhestifter, Subversive, Anti-Nationale usw. …

So macht sich auch die faschistische Bewegung von Anfang an zum Helfer der Polizei auf dem Land und unterdrückt mit Gewehrkolbenschlägen das Landproletariat, entwickelt aber zur gleichen Zeit eine wütende antikapitalistische Demagogie. 1919, als die Bewegung noch unbedeutend ist, verlangt sie die Abschaffung der Monarchie, des Senats und der Adelstitel, Frauenwahlrecht, die Beschlagnahmung der Kirchengüter, die Enteignung der Großgrundbesitzer und der Großindustriellen. Während er den Arbeiter im Namen des »Produzenten« bekämpft, verherrlicht Mussolini die Erinnerung an die Rote Woche von 1914 (in der es zu einem Aufflammen von Aufständen, vor allem in Ancona und Neapel gekommen war) und begrüßt das positive Werk der Gewerkschaften, da sie den Arbeiter an die Nation binden. Sein Ziel: die autoritäre Wiederherstellung des Staats, um eine neue staatliche Struktur zu gründen, die – im Gegensatz zur Demokratie, so verspricht er es – in der Lage wäre, sowohl das Interesse des Arbeiters wie des Bürgers zu verteidigen, das Großkapital einzuschränken und den Warenwert zu kontrollieren, der Werte, Bindungen und Arbeit zerstört …

Traditionell lehnte die Bourgeoisie die Realität der sozialen Widersprüche ab: der Faschismus proklamiert sie im Gegenteil gewalttätig, er verleugnet sie zwischen den Klassen und hebt sie auf die Ebene der Nationen, indem er das Schicksal Italiens anprangert, eine »proletarische Nation« zu sein.

Die faschistische Repression wird nach einer proletarischen Niederlage entfesselt, deren hauptsächlicher Urheber die Demokratie und ihre Schaltstellen sind: Parteien und Gewerkschaften; denn nur sie können die Arbeiter mit einer gleichzeitig direkten und indirekten Methode bezwingen. Die Faschisten kommen nicht an die Macht, nachdem sie die Arbeiter in Straßenkämpfen geschlagen haben. In Deutschland waren die Arbeiter 11 oder 12 Jahre zuvor besiegt worden. Und auch in Italien sind sie eher durch die Urnen als durch die Waffen geschlagen worden.

1919 gründete Mussolini seine fasci, in denen er das zusammenschloß, was vor ihm oder neben ihm existierte. Während Italien wie Europa explodierte, rief die Demokratie gegen Knüppel und Revolver … – zu Wahlen auf, aus denen eine gemäßigte und sozialistische Mehrheit hervorging. »Der Sieg, die Wahl der 150 sozialistischen Abgeordneten, wurde auf Kosten eines Rückgangs der aufständischen Bewegung und des politischen Generalstreiks erkauft, sowie der Infragestellung der bereits erreichten Forderungen (…)«, sollte Bordiga 40 Jahre später kommentieren.

Während der Fabrikbesetzungen 1920 hütete sich der Staat davor, direkt anzugreifen und ließ die Proletarier sich selbst totlaufen, mit der Unterstützung der CGL (mehrheitlich sozialistische Gewerkschaftszentrale), welche die Streiks benutzte oder brach.

Seit der Entstehung der fasci schloß die Polizei mal ein Auge, wenn sie die Volkshäuser verwüsteten, mal beschlagnahmte sie die Gewehre der Arbeiter; die Richterschaft ließ größte Milde walten, und die Armee tolerierte oder unterstützte sogar ihre Erpressungen. Diese offene aber gleichwohl nur offiziöse Unterstützung wurde quasi offiziell mit dem Rundschreiben von Bonomi am 20. Oktober 1921, mit dem er 60 000 demobilisierte Offiziere in die Sturmgruppen Mussolinis schickte, um sich das Kommando über sie zu sichern.

Was machten die Parteien? Die mit der Rechten verbündeten Liberalen zögerten nicht, für die Wahlen im Mai 1921 einen »nationalen Block« unter Einschluß der Faschisten zu bilden. Im Juni/Juli desselben Jahres schloß die Sozialistische Partei einen »Versöhnungspakt«, der zwar völlig unnütz war einem Feind gegenüber, dem es gar nicht einfiel, Wort zu halten, der aber die Arbeiter noch etwas mehr verwirrte.

Die CGL erklärte sich angesichts einer ganz offensichtlich politischen Reaktion für apolitisch. Als die Gewerkschaftsführer merkten, daß Mussolini der Macht nahe war, träumten sie von einer stillschweigenden Übereinkunft mit dem Faschismus und riefen die Arbeiter dazu auf, sich aus der Konfrontation zwischen KP und der Nationalen Faschistischen Partei (PNF) herauszuhalten.

Bis zum August 1922 kam der Faschismus vor allem im Norden, wo er die gesamte unabhängige Landarbeitergewerkschaft auslöschte, kaum über die ländlichen Gebiete hinaus. Er brannte zwar 1919 den Sitz der sozialistischen Tageszeitung ab, traute sich aber 1920 nicht, den Streikbrecher zu spielen, und hieß die Forderungen der Arbeiter sogar verbal gut. In den Städten konnten sich die fasci selten durchsetzen. Ihr »Marsch auf Ravenna« im September 1921 ging schief. Im November 1921 verhinderte ein Generalstreik in Rom die Abhaltung eines Faschistenkongresses. Im Mai 1922 zweiter Versuch, zweite Niederlage.

Das Szenario ist fast immer gleich. Auf einen lokalen faschistischen Angriff folgt eine Antwort der Arbeiter, die aber (unter den Aufrufen der reformistischen Arbeiterbewegung zur Mäßigung) aufhört, sobald der reaktionäre Druck nachläßt, weil die Proletarier darauf vertrauen, daß die Demokraten die bewaffneten Banden zur Vernunft bringen. Die Bedrohung entfernt sich, baut sich von neuem auf, geht woanders weiter … und wird letztlich für einen Staat glaubwürdig, von dem die Massen die Lösung erwarteten. Die Proletarier erkannten eher in den knüppelschwingenden Schwarzhemden den Feind als in der »normalen« Form des Bullen oder des Militärs, die aufgrund von Gewohnheit, von Gesetz und allgemeinem Wahlrecht eine sanktionierte Legalität besaßen.

Anfang Juli 1922 sprach sich die CGL mit einer Zweidrittelmehrheit gegen die kommunistische Minderheit für »jede Regierung, die die Wiederherstellung der Grundfreiheiten garantiert« aus. Im selben Monat verstärkten die Faschisten ihre Versuche, in die Städte des Nordens einzudringen …

Am ersten August rief das Bündnis der Arbeit, in dem sich die Eisenbahnergewerkschaft, die CGL und die anarchistische USI zusammengeschlossen hatten, einen Generalstreik aus. Trotz des breiten Erfolgs erklärte ihn das Bündnis am dritten August offiziell für beendet. In vielen Städten ging er trotzdem in Form eines Aufstands weiter, und wurde erst durch das Eingreifen der Polizei und des Militärs beendet, die von den Kanonen der Marine unterstützt und natürlich von den Faschisten verstärkt wurden.

Wer hat die proletarische Energie besiegt? Der Generalstreik wurde vom Staat und den fasci gebrochen, aber vor allen Dingen wurde er von der Demokratie erstickt, und seine Niederlage öffnete den Weg für die faschistische Lösung der Krise.

Man kann kaum von einem Staatsstreich sprechen, sondern von der Übergabe der Macht mit der Zustimmung der betreffenden Seiten. Der »Marsch auf Rom« des Duce (der sich damit begnügte, den Zug zu nehmen) war weniger eine Kraftprobe als eine Inszenierung: Die Faschisten taten so, als würden sie den Staat angreifen; und der tat so, als würde er ihnen eine Schlacht liefern; und Mussolini bekam die Macht. Sein Ultimatum vom 24. Oktober (»Wir wollen zum Staat werden!«) war nicht die Drohung mit einem Bürgerkrieg, sondern das Zeichen für die herrschende Klasse, daß nunmehr die Nationale Faschistische Partei die einzige Kraft darstellte, die in der Lage war, die staatliche Autorität wiederherzustellen und die politische Einheit des Landes zu sichern. Die Armee hätte die in Rom versammelten, schlecht bewaffneten und militärisch notorisch unterlegenen faschistischen Gruppen zur Vernunft bringen können, der Staat brauchte dem umstürzlerischen Druck nicht nachzugeben. Aber das Spiel wurde nicht auf militärischer Ebene gespielt. Vor allem unter dem Einfluß von Badoglio (Chef des Generalstabs von 1919-21) gab die legitime Autorität nach. Der König weigerte sich, den Belagerungszustand auszurufen, und am 30. des Monats bat er den Duce, eine neue Regierung zu bilden unter Beteiligung der Liberalen – denselben Liberalen, auf die sich der Antifaschismus hatte stützen wollen, um einen Damm gegen den Faschismus zu errichten. Mit Ausnahme von KP und Sozialistischer Partei näherten sich alle Parteien an den PNF an und stimmten für Mussolini; das Parlament, in dem nur 35 Faschisten saßen, erteilte mit 306 zu 116 Stimmen seiner Regierung die Zustimmung. Selbst Giolitti, die große liberale Figur der damaligen Zeit, der autoritäre Reformator, der vor 1914 oft Ratspräsident war und 1920-21 wiederum Staatschef, und in dem man heutzutage den einzigen sieht, der sich ernsthaft Mussolini hätte in den Weg stellen können, sollte ihn bis 1924 unterstützen. Der Diktator bekam von der Demokratie nicht nur seine Macht, sondern sie ratifizierte sie ihm auch noch.

Ergänzen wir noch, daß in den Folgemonaten einige Gewerkschaften, darunter die der Eisenbahner und der Seeleute, sich als national, als dem Vaterland und somit auch dem Regime gegenüber nicht feindlich gesinnt erklärten – die Repression sollte sie dennoch nicht verschonen.


Turin 1943

Wenn sich die italienische Demokratie fast kampflos an den Faschismus ausgeliefert hat, so hat letzterer die Demokratie wieder hervorgebracht, als er nicht mehr in der Lage war, dem gegebenen politisch-sozialen Kräfteverhältnis zu entsprechen.

Wie kann die Arbeiterklasse beherrscht werden? Diese Frage war nach 1943 genauso zentral wie 1919. In Italien beweist das Ende des Zweiten Weltkriegs noch mehr als in anderen Ländern, daß der Konflikt zwischen Staaten eine Klassendimension hatte, was man nie rein militärisch erklären kann. Bei Fiat brach im Oktober 1942 ein Generalstreik aus. Im März 1943 erschütterte eine Streikwelle Turin und Mailand, in deren Verlauf versucht wurde, Räte zu bilden. Von 1943 bis 1945 erhoben sich Arbeitergruppen, die mal von der KP unabhängig waren, mal sich »bordigistisch« nannten; oft waren sie gleichzeitig antifaschistisch, rot und bewaffnet. Das Regime konnte das gesellschaftliche Gleichgewicht nicht mehr garantieren, während im selben Moment das Bündnis mit den Deutschen unhaltbar wurde angesichts des Aufmarschs der Engländer und Amerikaner, die jeder für die zukünftigen Herren Westeuropas hielt. Das Lager wechseln bedeutete, sich auf die Seite der zukünftigen Sieger zu stellen, es hieß aber auch, die Arbeiterrevolten und die Partisanengruppen auf ein patriotisches Ziel mit sozialem Inhalt hin zu kanalisieren. Am 10. Juli 1943 landeten die Alliierten in Sizilien. Am 24. geriet Mussolini mit 17 gegen 19 Stimmen im Großen Faschistischen Rat in die Minderheit und trat zurück.

Selten mußte sich ein Diktator der demokratischen Mehrheit fügen.

Der nach seiner Unterstützung des Marschs auf Rom zum Würdenträger des Regimes ernannte Marschall Badoglio, der nach seiner Aussage darüber besorgt war, daß »der Zusammenbruch des Regimes zu weit nach links führen würde«, bildete eine Regierung, die noch faschistisch, aber ohne Duce war, und wandte sich an die demokratische Opposition. Diese weigerte sich und machte die Abdankung des Königs zur Vorbedingung. Nach einer zweiten Übergangsregierung bildete der Marschall dann im April 1944 eine dritte unter Beteiligung des KP-Chefs Togliatti: unter dem Druck der Alliierten und der KP akzeptierten die Demokraten jetzt den König (die Republik wurde per Volksentscheid im Jahr 1946 ausgerufen). Aber Badoglio weckte zu viele schlechte Erinnerungen. So bildete Bonomi – derselbe Bonomi, der 13 Jahre zuvor mit seinem Erlaß die Offiziere zu den fasci geschickt hatte – im Juni eine Regierung ohne die Faschisten, die sich an der Drei-Parteien-Formel (Kommunisten, Sozialisten, Christdemokraten) orientierte, welche in Italien wie in Frankreich die Jahre nach dem Krieg bestimmen sollte.

Ein Stellungswechsel des politischen Personals, das zudem oft identisch war, ein Walzer der blutbefleckten Hampelmänner: das war das Bühnenbild, hinter dem sich die Demokratie in eine Diktatur verwandelte und umgekehrt, je nachdem, wie die Phasen und die Brüche im Gleichgewicht der Klassenkonflikte und der Konflikte zwischen Nationen eine Nachfolge und eine Neuzusammensetzung der politischen Formen nach sich ziehen, um denselben Staat aufrechtzuerhalten, damit er denselben Inhalt garantiere. Niemand wird das besser sagen können als die spanische KP, die Mitte der 70er Jahre (zynisch oder naiv?) während des Übergangs vom Franquismus zur demokratischen Monarchie folgendes erklärte:

»Die spanische Gesellschaft wünscht, daß alles verändert wird, damit ohne Stockungen oder gesellschaftliche Erschütterungen das normale Funktionieren des Staates gesichert werde. Die Kontinuität des Staates erfordert die Nicht-Kontinuität des Regimes.«5 


Volksgemeinschaft gegen Gemeinwesen6

Gerade auf dem revolutionären Terrain siegt die Konter-Revolution, das ist unvermeidlich. Mit seiner »Volksgemeinschaft« wird der Nationalsozialismus den Anspruch erheben, den Parlamentarismus und die bürgerliche Demokratie zu vernichten, gegen die sich das Proletariat nach 1917 erhoben hatte. Aber die konservative Revolution nahm auch alte antikapitalistische Tendenzen wieder auf (Rückkehr zur Natur, Flucht aus den Städten …), welche die Arbeiterparteien, auch die extremistischen, geleugnet oder unterschätzt hatten aufgrund ihrer Unfähigkeit, die nicht-klassenbezogene und gemeinschaftliche Dimension des Proletariats miteinzubeziehen, die Ökonomie zu kritisieren und sich die zukünftige Welt anders vorzustellen denn als eine Verlängerung der Großindustrie. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten solche Themen noch zum Kern der sozialistischen Bewegung, bevor sie vom »Marxismus« im Namen des Fortschritts und der Wissenschaft aufgegeben wurden und nur im Anarchismus und bei den Sekten überlebten7.

Volksgemeinschaft gegen Gemeinwesen … 1933 ist nicht die Niederlage, sondern nur ihr Vollzug. Der Nazismus hat eine soziale Krise beseitigt, gelöst und beendet, die so umfassend war, daß wir sie kaum verstehen können. Deutschland, die Geburtsstätte der größten Sozialdemokratie der Welt, hat gleichzeitig die stärkste anti-parlamentarische, anti-gewerkschaftliche radikale Bewegung erlebt, die eine »Arbeiter«welt anstrebte, aber auch andere anti-bürgerliche und anti-kapitalistische Protestbewegungen anzuziehen vermochte. Es ist kein Zufall, daß an der Seite der »deutschen Linken« auch Avantgarde-Künstler standen. Dies bedeutet, daß das Kapital als »Zivilisation« im Sinne von Fouriers Kritik in Frage gestellt wurde. Verlust der Gemeinschaft, Individualismus und Herdentrieb, sexuelles Elend, zerrüttete Familie, die aber als Zuflucht noch gebraucht wird, Entfernung von der Natur, industrielle Nahrung, wachsende Künstlichkeit, Veränderung des Menschen [Protheisierung], hinter der Zeit herrennen, Tod der Kunst, Beziehungen, die immer mehr durch Geld und Technik vermittelt sind … all diese Entfremdungen geraten unter den Beschuß einer konfusen und vielgestaltigen Kritik. Schon ein oberflächlicher Blick darauf zeigt auch im nachhinein, daß diese Kritik wieder aufgenommen werden muß.

Die Konterrevolution hat darüber in den 20er Jahren nur gesiegt, weil sie in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten den Grundstein einer Konsumgesellschaft und des Fordismus legte und Millionen Deutsche, Arbeiter eingeschlossen, in die Modernität der Industrie und der Waren hineinzog. Zehn Jahre zerbrechlicher Herrschaft, wie es die verrückte Hyperinflation von 1923 zeigt … Im Jahr 1929 eine gewaltige Erschütterung: es ist nicht mehr das Proletariat, es ist die kapitalistische Praxis, die sich von ihrer Ideologie lossagt, der Fortschritt würde allen Menschen wachsenden Konsum von Objekten und Zeichen bringen.

Der Nazi-Extremismus und seine Ausbreitung der Gewalt werden sowohl der Stärke der revolutionären Bewegung angemessen sein, die er aufnimmt und leugnet, als auch der doppelten Infragestellung der kapitalistischen Modernität – im Abstand von zehn Jahren -, zuerst durch die Proletarier, dann durch das Kapital. Wie die Radikalen von 1919-21 schlägt der Nazismus eine Lohngemeinschaft vor, aber eine autoritäre, abgeschlossene, nationale, rassische; und es gelingt ihm damit, zwölf Jahre lang die Proletarier zu Lohnempfängern und Soldaten zu machen.


Berlin 1919 – 33

Die Diktatur kommt immer nach der Niederlage sozialer Bewegungen, die von der Demokratie, den linken Parteien und den Gewerkschaften betäubt und massakriert worden sind. In Italien wird wenige Monate nach den letzten proletarischen Niederlagen der Chef der Faschisten zum Staatsführer ernannt. In Deutschland zerschneidet eine Spanne von zwölf Jahren diese Kontinuität und läßt den 30. Januar 1933 als wesentlich politisches Phänomen erscheinen, das heißt als ideologisches und nicht als Auswirkung einer vorhergehenden gesellschaftlichen Zerrüttung. Die Popularität des Nationalsozialismus und seine Entfesselung tödlicher Energie bleiben ein Rätsel, wenn man die Frage der Arbeit ignoriert, die ihrer Unterwerfung oder ihrer Revolte, ihrer Kontrolle und die ihr zugeschriebene Bedeutung in der Gesellschaft.

Die deutsche Niederlage von 1918 und der Zerfall des Reichs lösten einen proletarischen Angriff aus, der stark genug war, die Gesellschaft zu erschüttern, aber nicht stark genug, um sie umzuwälzen und der die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften zur Grundlage des politischen Gleichgewichts machte. Ihre Chefs, als Männer der Ordnung, riefen ganz selbstverständlich die Freikorps zu Hilfe, völlig faschistische Gruppierungen, in deren Reihen viele spätere Nazis waren, um eine radikale Arbeiterminderheit im Namen der Interessen der reformistischen Mehrheit zu unterdrücken. Die Kommunisten verlieren nicht nur nach den Regeln der bürgerlichen Demokratie, sondern auch nach den Regeln der Arbeiterdemokratie: die »Betriebsräte« geben ihr Vertrauen den traditionellen Organisationen und nicht den Revolutionären, so daß man diese leicht als Antidemokraten denunzieren konnte.

Demokratie und Sozialdemokratie sind somit unerläßlich für den deutschen Kapitalismus, um die Arbeiter einzugliedern, den Geist der Revolte in der Wahlkabine zu töten, von den Unternehmern eine Reihe von Reformen zu erhalten und die Revolutionäre zu zerstreuen8.

Aber nach 1929 muß sich der Kapitalismus konzentrieren, einen Teil der Mittelschichten ausschalten, die Proletarier und sogar die Bourgeoisie disziplinieren. Die Arbeiterbewegung blockiert die Situation, weil sie den politischen Pluralismus und die unmittelbaren Arbeiterinteressen verteidigt. Als Vermittler zwischen Kapital und Arbeit füllen die Arbeiterorganisationen ihre Funktion auf beiden Seiten aus, verstehen es aber, gegenüber beiden wie gegenüber dem Staat unabhängig zu bleiben. Die Sozialdemokratie macht nur außerhalb des Unternehmertums und des Staates Sinn, nicht wenn sie in ihnen aufgeht. Sie ist dazu berufen, ein riesiges Netz aus politischen, kommunalen, sozialen und auf gegenseitiger Hilfe beruhenden Organisationen zu leiten, also all das was man heute (Wohlfahrts-)Verbände nennen würde. Die KPD ihrerseits hat schnell ihr eigenes Netz aufgebaut, das zwar kleiner, aber immer noch gewaltig ist. Nun aber tendiert das mehr und mehr organisierte Kapital dazu, all die Fäden zusammenzufügen und ein staatliches Element ins Unternehmen einzuführen, ein bürgerliches Element in die Gewerkschaftsbürokratie und ein soziales Element in die Verwaltung. Das Gewicht des Arbeiterreformismus, das sich bis in den Staat hinein bemerkbar macht, seine Existenz als »Gegen-Gesellschaft«, macht aus ihm einen Faktor gesellschaftlicher Beharrung, von Malthusianismus, den das Kapital in der Krise eliminieren mußte. Als Ausdruck der Verteidigung der Lohnarbeit, insofern diese Teil des Kapitals ist, haben die SPD und die Gewerkschaften 1918-21 eine unerläßliche, antikommunistische Funktion gespielt, aber derselbe Grund bringt sie schließlich dazu, das Interesse der Lohnabhängigen vor alles andere zu stellen und damit der Reorganisation des Gesamtkapitals zu schaden.

Ein stabiler bürgerlicher Staat hätte versucht, dem durch eine anti-gewerkschaftliche Gesetzgebung zu begegnen und die »Arbeiterfestungen« zu schleifen, indem er im Namen der Modernität gegen das Archaische die Mittelschichten gegen die Prolos aufhetzt, wie später in Thatchers England. Eine solche Offensive würde voraussetzen, daß hinter herrschenden Fraktionen ein relativ vereintes Kapital steht. Aber die deutsche Bourgeoisie von 1930 war zutiefst gespalten, die Mittelschichten geschlagen, und der Nationalstaat war zerrissen.

Die moderne Demokratie repräsentiert und vermittelt durch Verhandlung oder durch Gewalt die antagonistischen Interessen … soweit das möglich ist. Die immer wiederkehrenden parlamentarischen Krisen und die wirklichen oder erfundenen Komplotte (zu deren Theaterbühne Deutschland seit dem Sturz des letzten sozialistischen Kanzlers im Jahr 1930 geworden war), sind in der Demokratie das stets gleichbleibende Zeichen einer dauerhaften Zwietracht der herrschenden Kreise. Zu Beginn der 30er Jahre ist die Bourgeoisie angesichts der Krise hin- und hergerissen zwischen unvereinbaren sozialen und geopolitischen Strategien: stärkere Integration oder Vernichtung der Arbeiterbewegung; internationaler Handel und Pazifismus oder Autarkie als Basis einer militärischen Expansion. Um das zu lösen war nicht unbedingt ein Hitler erforderlich, aber eine Konzentration von Macht und Gewalt in den Händen der Staatsorgane war auf jeden Fall vonnöten. Nach dem Ende des zentristisch-reformistischen Kompromisses blieb nur die staatliche, protektionistische und repressive Option.

Das gleiche Programm führte zur gewaltsamen Beseitigung einer Sozialdemokratie, die durch die Domestizierung der Arbeiter einen zu großen Platz eingenommen hatte, ohne ganz Deutschland hinter sich zu vereinigen. Das war die Aufgabe des Nazismus, der es verstand, an alle Schichten zu appellieren, an die Arbeitslosen wie an die Industriekapitäne: mit einer Demagogie, die sogar die der bürgerlichen Politiker übertraf und mit einem Antisemitismus, der darauf abzielte, auszuschließen um zusammenzuführen.

Wie hätten die Arbeiterparteien einem solchen fremdenfeindlichen und rassistischen Irrsinn Widerstand entgegensetzen können, nachdem sie so oft selber Weggenossen des Nationalismus gewesen waren? Für die SPD ist das seit Beginn des Jahrhunderts klar, es wird offenkundig im Jahr 1914 und besiegelt im Jahr 1919 im Blut des Bündnisses mit den Freikorps, die nach einem kriegerischen Vorbild entstanden waren, das dem der fasci zur selben Zeit ähnelte. Die KPD wiederum hatte sich nicht gescheut, im Jahre 1923 gegen die französische Besetzung des Ruhrgebiets den Nationalisten die Hand zu reichen; sie sprach gern von der »nationalen Revolution«, was sogar Trotzki 1931 zu einer Broschüre Gegen den National-Kommunismus anregte.

Januar 1933: die Würfel sind gefallen. Niemand kann leugnen, daß sich die Weimarer Republik an Hitler ausgeliefert hat. Die Rechte und das Zentrum hatten ihn am Ende als eine brauchbare Lösung angesehen, um das Land aus der Sackgasse zu führen, oder als ein vorübergehendes kleineres Übel. Das »Großkapital«, das jedem unkontrollierbaren Durcheinander gegenüber zurückhaltend ist, hatte sich bis dahin gegenüber der NSDAP nicht großzügiger erwiesen als gegenüber den anderen rechten oder nationalistischen Gruppierungen. Erst im November 1932 überzeugte Schacht, Mann des Vertrauens der Bourgeoisie, die Geschäftskreise, Hitler zu unterstützen (der gleichwohl gerade einen leichten Wahlverlust hatte hinnehmen müssen), weil er in ihm eine Kraft zur Vereinigung des Staates und der Gesellschaft sah. Daß das Großbürgertum die weitere Entwicklung, den Krieg und erst recht die Niederlage weder vorhersehen konnte noch gutgeheißen hat, ist eine andere Sache, jedenfalls werden sehr wenige von ihnen sich dem geheimen Widerstand gegen das Regime anschließen.

Hitler wird am 30. Januar völlig legal von Hindenburg zum Kanzler ernannt, der selbst ein Jahr zuvor verfassungsgemäß mit der Unterstützung der Sozialdemokraten zum Präsident gewählt worden war, weil diese in ihm … ein Bollwerk gegen Hitler sahen. Die Nazis sind in der ersten vom Chef der NSDAP gebildeten Regierung in der Minderheit9.

In den folgenden Wochen fallen die Masken, die politisch aktiven Arbeiter werden gejagt, ihre Treffpunkte verwüstet, der Terror setzt sich fest, und in den Wahlen vom März 1933 werden unter der vereinigten Gewalt von SA und Polizei 288 NSDAP-Abgeordnete in den Reichstag gewählt (aber noch immer 8010 von der KPD und 120 von der SPD). Die Naiven wundern sich, daß sich der Repressionsapparat gehorsam in den Dienst der Diktatoren gestellt hat: wie immer in solchen Fällen gehorcht die Staatsmaschine vom einfachen Bullen bis zum Staatssekretär der Autorität, die sie kommandiert. Haben die neuen politischen Führer nicht die volle Legitimität? Erlassen die höchsten Juristen ihre Dekrete nicht in Übereinstimmung mit den obersten Gesetzen des Landes? Im »demokratischen Staat« – und Weimar war ein solcher – trug nicht das »demokratisch« den Sieg davon, wenn es einen Konflikt zwischen »demokratisch« und »Staat« gab. Im »Rechtsstaat« – und Weimar war ein solcher – mußte das Recht nachgeben und dem Staat dienen, wenn es zu einem Widerspruch kam; niemals umgekehrt.

Was taten die Demokraten in den paar Monaten? Die von der Rechten fanden sich damit ab. Das katholische Zentrum, ehemals die Grundlage der Mehrheiten von Weimar zusammen mit der SPD, das seine Stimmenzahl im März 33 sogar erhöhen konnte, stimmt dem »Ermächtigungsgesetz« auf vier Jahre zu, der legalen Basis für die zukünftige Diktatur. Das Zentrum wird sich im Juli selbst-auflösen müssen.

Die Sozialisten versuchen dem Schicksal der seit dem 28. Februar (dem Tag nach dem Reichstagsbrand) verbotenen KPD zu entgehen. Am 30. März 1933 treten sie aus der II. Internationale aus, um ihren deutschen, nationalen Charakter zu beweisen. Am 17. Mai stimmt die Parlamentsfraktion der SPD Hitlers Außenpolitik zu. Trotzdem wird die SPD am 22. Juni als »Volks- und Staatsfeind« aufgelöst.

Was die Gewerkschaften betrifft, so hatten sich deren Führer, so wie die CGL in Italien sich zu einer unpolitischen Haltung bekannte, um das Notwendigste zu retten, 1932 als von jeder Partei unabhängig und gegenüber der Staatsform als gleichgültig erklärt. Das hatte sie nicht davon abgehalten, eine Übereinkunft mit Schleicher zu suchen, der zwischen November 1932 und Januar 1933 Kanzler war und somit auf der Suche nach einer Basis oder einer Arbeiterdemagogie. Nachdem die Nazis an die Macht gehievt worden waren, redeten sich die Gewerkschaften ein, das Regime würde ihnen einen kleinen Platz lassen, wenn sie den Nationalsozialismus anerkannten. Und das führte bis zur lächerlichen Parade der Gewerkschafter hinter Hakenkreuzen am zum »Tag der Deutschen Arbeit« umgewandelten 1. Mai 1933. Vergebliche Mühe. Am Tag danach begannen die Nazis mit der Liquidierung der Gewerkschaften und der Verhaftung ihrer Aktivisten …

Da sie gebildet worden war, um die Massen zu kommandieren und in ihrem Namen zu verhandeln, also sie zu unterdrücken, besaß die Arbeiterbürokratie nur die Intelligenz einer vergangenen Situation. Es hat ihr nichts genützt, daß sie die Bekenntnisse zum Gehorsam vervielfacht hat. Man warf ihr nicht vor, dem Vaterland zu schaden, sondern dem Geldschrank der besitzenden Klassen. Nicht ihr verbaler, aus der Zeit vor 1914 geerbter Internationalismus störte die Bourgeoisie, sondern die Existenz eines zwar unterworfenen, aber noch immer unabhängigen Syndikalismus in einer Zeit, in der das Kapital keine andere Gemeinschaft als die seinige duldete, und wo selbst ein Organ der Klassenkollaboration zuviel war, wenn es der Staat nicht vollständig kontrollierte.


Barcelona 1936

In Italien und in Deutschland hat der Faschismus den Staat auf legalen Wegen übernommen. Die Demokratie kapitulierte vor der Diktatur. Schlimmer, sie öffnete ihr die Tore. Und Spanien … ? Spanien stellt nicht die Ausnahme einer entschlossenen Aktion dar, die – leider – besiegt wurde, sondern den Extremfall einer bewaffneten Konfrontation zwischen Demokratie und Faschismus, ohne daß sich die Art des Kampfs ändert: er setzt zwei Formen kapitalistischer Entwicklung einander gegenüber, zwei politische Formen des kapitalistischen Staats, zwei staatliche Strukturen im selben Land bestreiten einander die Legitimität.

Einwand! – »Franco und eine Arbeitermiliz sollen das gleiche sein? Die Großgrundbesitzer und die armen Bauern, die das Land kollektivieren, wären zwei gleichartige Lager?! …«

Erstens gab es nur deshalb eine Konfrontation, weil sich die Arbeiter gegen den Faschismus erhoben. Die ganze Kraft und die Widersprüchlichkeit der Bewegung sind bereits in den ersten Wochen da, ihre ganze Komplexität: ein nicht zu leugnender Klassenkrieg verwandelt sich in einen kapitalistischen Bürgerkrieg, in dem die Proletarier auf beiden Seiten für rivalisierende kapitalistische Staatsstrukturen sterben (wenn es natürlich auch in keinem Moment eine vorweggenommene Übereinkunft und Rollenteilung gab, wo die beiden bourgeoisen Fraktionen die Massen zu ihrem Gewinn ferngesteuert hätten)11.

Die Geschichte einer Gesellschaft, die in Klassen aufgeteilt ist, dreht sich um die Notwendigkeit, sie zusammenzuhalten. Wenn zum Drängen der Massen wie in Spanien die Spaltung der herrschenden Schichten dazukommt, dann nimmt die gesellschaftliche Krise die Form einer Staatskrise an. Mussolini und Hitler kamen in Ländern mit einer schwachen nationalen Struktur an die Macht, die erst kürzlich vereinigt worden waren und in denen es starke regionalistische Tendenzen gab. In Spanien hingegen hatte sich der Staat seit der Renaissance von einer Handel treibenden Gesellschaft ernährt, deren koloniale Speerspitze er gewesen war, die er aber letztlich ruinierte, indem er eine der Voraussetzungen für einen industriellen Aufschwung blockierte: die Agrarreform. Tatsächlich mußte sich die Industrialisierung ihren Weg durch das Monopol, die Unterschlagung und das Schmarotzertum bahnen.

Hier fehlt der Platz, um die Verschachtelungen ungezählter liberaler Reformen und Sackgassen im 19. Jahrhundert aufzuzählen, die Erbfolgekriege, die Karlistenkriege, die possenhafte und tragische Abfolge von Regimes und Parteien nach dem Ersten Weltkrieg und den Zyklus von Aufständen und Repression nach der Errichtung der Republik im Jahre 1931. Hinter diesen abrupten Sprüngen liegt die Schwäche einer aufsteigenden Bourgeoisie, die eingeklemmt ist zwischen ihrer Rivalität mit der Grundbesitzeroligarchie und der absoluten Notwendigkeit, die Bauern- und Arbeiterrevolten niederzuhalten. 1936 wird die Bodenfrage nicht gelöst: Die Mitte des 19. Jahrhunderts verordnete Veräußerung der Kirchengüter hat im Gegensatz zur Entwicklung in Frankreich nach 1789 eine Großgrundbesitzerbourgeoisie gestärkt. Selbst in den Jahren nach 1931 hat das Institut für die Agrarreform nur ein Drittel seiner Mittel zum Ankauf großer Güter eingesetzt. Die Explosion von 1936 bis 1939 hätte sich niemals politisch so weit radikalisiert – bis zum Auseinanderbrechen des Staats in zwei Fraktionen, die sich drei Jahre lang in einem Bürgerkrieg gegenüberstanden – hätte es nicht die unaufhörlichen Erschütterungen gegeben, die seit einem Jahrhundert die sozialen Grundlagen zerrüttet hatten.

Sommer 1936. Nachdem sie den aufständischen Militärs alle Gelegenheit gegeben hatte, sich vorzubereiten, geht die im Februar gewählte Volksfront daran, zu verhandeln und vielleicht nachzugeben. Die Politiker hätten sich damit abgefunden, so wie sie sich mit der Diktatur von Primo de Rivera (1923-31) abgefunden hatten, die von bedeutenden Sozialisten unterstützt wurde (Caballero war ihr technischer Berater, bevor er 1931 Arbeitsminister wurde, um dann von September 1936 bis Mai 1937 republikanischer Regierungschef zu werden). Und schließlich konnte der General, der zwei Jahre zuvor den republikanischen Befehlen gehorcht und den Aufstand in Asturien niedergeworfen hatte – Franco – nicht gänzlich schlecht sein.

Aber die Proletarier erhoben sich und vereitelten somit in der Hälfte des Landes den Erfolg des Putschs, und sie blieben unter Waffen. Somit bekämpften sie offensichtlich den Faschismus, aber sie handelten nicht als Anti-Faschisten, denn ihre Aktion war sowohl gegen Franco wie gegen einen demokratischen Staat gerichtet, den ihre Initiative stärker in Verlegenheit gebracht hatte als der Militäraufstand. Innerhalb von 24 Stunden wechselten sich drei Premierminister ab, bevor man die vollendete Tatsache anerkannte: die Volksbewaffnung.

Und wieder einmal zeigt die Entwicklung des Aufstands, daß das Problem der Gewalt niemals in erster Linie ein technisches ist. Nicht diejenigen sind siegreich, die den Vorteil der Waffen haben (die Militärs), auch nicht diejenigen, welche den Vorteil der Überzahl haben (das Volk), sondern diejenigen, welche die Initiative wagen. Dort, wo die Arbeiter Vertrauen in den Staat haben, bleibt dieser passiv oder macht leere Versprechungen wie in Zaragoza. Dort, wo ihre Antwort kraftvoll ausfällt, trägt sie den Sieg davon (Malaga); wo ihr die Kraft fehlt, wird sie im Blut ertränkt (20 000 Tote in Sevilla).

So hat also der Krieg in Spanien einen authentischen Aufstand als Ausgangspunkt, aber das reicht nicht, um ihn insgesamt zu charakterisieren, sondern definiert nur den ersten Moment des Kampfs – eine tatsächliche proletarische Erhebung. Nachdem sie die Reaktion in vielen Städten besiegt haben, haben die Arbeiter die Macht. Aber was sollen sie damit machen? Sie dem republikanischen Staat zurückgeben oder sich ihrer bedienen, um weiterzugehen in einem kommunistischen Sinn?

Am Tag nach dem Aufstand wird das Generalkomitee der Antifaschistischen Milizen gegründet; es vereinigt Delegierte der CNT, der FAI, der UGT, der POUM, der PSUC (die aus dem kurz zuvor erfolgten Zusammenschluß der KP und der Sozialistischen Partei in Katalonien hervorgegangen war), von gemäßigten Parteien und vier Vertreter der Generalitat, der katalanischen Regionalregierung. Das Komitee ist eine regelrechte Brücke zwischen der Arbeiterbewegung und dem Staat, die allerdings stärker an das Verteidigungsdepartment der Generalitat gebunden, wenn nicht sogar in es integriert ist durch die Anwesenheit des Verteidigungsberaters, des Kommissars für öffentliche Ordnung usw. … und wird sich bald danach auflösen.

Sicherlich glauben die meisten Proletarier, daß sie trotz allem die wirkliche Macht behalten können, wenn sie auf ihre Unabhängigkeit verzichten, und daß sie den Politikern, denen sie mißtrauen, nur eine scheinbare Autorität überlassen haben, die sie aber würden kontrollieren und in eine günstige Richtung lenken können. Sind sie schließlich nicht bewaffnet?

Ein fataler Irrtum. Die Frage ist nicht: wer hat das Gewehr?, sondern eher: was macht der, der das Gewehr hat? 10 000, 100 000 Proletarier mit gezückter Waffe sind nichts, wenn sie sich auf etwas anderes verlassen als auf ihre eigene Macht, die Welt zu verändern. Wenn nicht, dann wird ihnen die Macht, deren Autorität sie anerkannt haben, morgen, in einem Monat oder in einem Jahr, auf Biegen oder Brechen, diese Gewehre wieder abnehmen, die sie nicht gegen sie eingesetzt haben.

Die Aufständischen gehen nicht gegen die legale Regierung, also gegen den existierenden Staat vor, und ihre gesamten weiteren Aktionen werden sich unter seiner Leitung abspielen. »Eine Revolution, die begonnen hatte, sich aber nicht konsolidierte«, wird Orwell schreiben. Hier liegt der zentrale Punkt, der ebenso das Geschick eines bewaffneten Kampfs gegen Franco bestimmt, der mehr und mehr verloren geht, als auch das Austrocknen, ja sogar die gewaltsame Zerstörung der Kollektivierungen und Sozialisierungen durch beide Seiten. Nach dem Sommer 1936 wird die reale Macht in Spanien vom Staat ausgeübt und nicht von den Organisationen, Gewerkschaften, Kollektiven, Komitees usw.. Obwohl Nin, der Chef der POUM, in Katalonien Justizrat ist, »konnte die POUM überhaupt keinen Einfluß auf die Polizei ausüben«, gibt ein Anhänger dieser Partei zu12. Die Arbeitermilizen waren tatsächlich das Prunkstück der republikanischen Armee gewesen und haben einen hohen Blutzoll im Kampf bezahlt; aber sie hatten niemals Einfluß auf die Entscheidungen des Generalstabs, der sie nach und nach in die regulären Einheiten integrierte (was Anfang 1937 abgeschlossen sein sollte), weil er sie lieber schwächen wollte, als ihre Unabhängigkeit zu tolerieren. Was die mächtige CNT betrifft, so muß sie einer KP weichen, die vor dem Juli 1936 sehr schwach gewesen ist (14 gewählte Abgeordnete im Parlament der Volksfront im Februar 1936, gegen 85 sozialistische), die es aber verstanden hat, sich in eine Partei des Staatsapparats aufzulösen und daraus die Macht zu ziehen, die sie mehr und mehr gegen die Radikalen einsetzt, insbesondere gegen die Aktivisten der CNT. Wer bestimmt?, ist die Frage. Und die Antwort darauf lautet: der Staat kann seine Macht brutal einsetzen, wenn es notwendig ist.

Wenn die republikanische Bourgeoisie und die Stalinisten dann wertvolle Zeit vergeuden, um die Landkommunen aufzulösen, die Milizen der POUM zu entwaffnen, die trotzkistischen »Saboteure« und andere »Komplizen von Hitler« zu verfolgen, während der Antifaschismus gerade alles in die Waagschale wirft, um Franco zu besiegen, so tun sie das nicht aus einem selbstmörderischem Irrtum. Für den Staat und die KP, die zu seinem militärisch-polizeilichen Gerüst geworden war, war diese Zeit nicht verloren. Man schrieb dem Chef der PSUC folgenden Satz zu: »Bevor wir Zaragoza einnehmen, müssen wir Barcelona einnehmen.« Ihre Priorität war es niemals gewesen, Franco zu vernichten, sondern die Kontrolle über die Massen aufrechtzuerhalten, denn das ist die Funktion eines Staats. Barcelona wurde den Proletariern wieder weggenommen. Zaragoza blieb in den Händen der Franquisten.


Barcelona, Mai 1937

Die Polizei versucht, die von den anarchistischen (und sozialistischen) Arbeitern kontrollierte Telefonzentrale zu besetzen. In der katalanischen Metropole, dem Herzen und Symbol der Revolution, ist die gesetzliche Autorität zu allem bereit, um das zu entwaffnen, was an Lebendigem, Spontanem, Anti-Bürgerlichem übrig ist. Die lokale Polizei ist außerdem in den Händen der PSUC. Angesichts einer Macht, die sich offen als Feind aufführt, begreifen die Proletarier endlich, daß sie nicht auf ihrer Seite steht, daß sie ihr zehn Monate zuvor ihren Aufstand zum Geschenk gemacht haben und sich das nun gegen sie gewendet hat. In Reaktion auf den Gewaltstreich legen die Arbeiter mit einem Generalstreik Barcelona lahm. Zu spät. Die Fähigkeit, sich gegen den Staat (diesmal in seiner demokratischen Form) zu erheben, ist immer noch vorhanden, aber nicht die, den Kampf zum Bruchpunkt zu führen.

Wie immer geht »Gesellschaftliches« vor Militärischem. Die gesetzliche Autorität setzt sich nicht mit Straßenkämpfen durch. Innerhalb von Stunden entwickelt sich nicht eine Stadtguerilla, sondern ein Stellungskrieg, von Angesicht zu Angesicht, Gebäude gegen Gebäude, in einer Defensive, wo niemand sich durchsetzt, weil niemand angreift. Da die Polizei in ihrer Offensive blockiert ist, wagt sie nicht mehr, die Gebäude einzunehmen, in denen sich die Anarchisten verbarrikadiert haben. Im ganzen betrachtet halten die KP und der Staat das Stadtzentrum, CNT und POUM die Arbeiterviertel. Der Status quo läßt sich nur politisch lösen. Die Massen vertrauen den beiden angegriffenen Organisationen, die aus Angst, sich dem Staat zu entfremden, nicht ohne Mühe die Wiederaufnahme der Arbeit durchsetzen, und so die einzige Stärke untergraben, die sie politisch und … »physisch« hätte retten können. In dem Moment, in dem der Streik ausgesetzt wird, läßt die Regierung, im Wissen, daß sie nun die Situation beherrscht, aus Valencia 6 000 Mann der Sturmgarde, der Elite der Polizei, kommen. Weil sie die Vermittlung »repräsentativer Organisationen« und den Rat zur Mäßigung von seiten der POUM und der CNT akzeptiert haben, weichen dieselben, die im Juli 36 die faschistischen Militärs besiegt haben, im Mai 37 kampflos vor den republikanischen Gendarmen zurück.

Die Repression kann beginnen. Einige Wochen genügen, um die POUM zu verbieten, ihre Leitung zu inhaftieren, sie legal oder illegal zu ermorden und Nin verschwinden zu lassen. Organisiert vom NKWD und dem geheimen Apparat der Komintern etabliert sich eine Schattenpolizei an geheimen Orten, die nur Moskau gegenüber Rechenschaft schuldig ist. Von nun an wird alles, was gegen den republikanischen Staat und seine Hauptstütze – die Sowjetunion – protestiert, und sei es auch noch so gering, als »faschistisch« gebrandmarkt und gejagt, und von einem Kontinent zum anderen wiederholt eine Heerschar guten Gewissens die Verleumdung, manche aus Unwissen, andere mit Absicht, aber alle in der Überzeugung, daß man nicht genug denunzieren kann, wenn der Faschismus angreift.

Die blutige Verbissenheit im Vorgehen gegen die POUM war keine krankhafte Abweichung. Weil sie sich gegen die Moskauer Prozesse stellte, verurteilte sich die POUM zur Vernichtung durch den Stalinismus, der weltweit gegen seine Rivalen einen gnadenlosen Kampf um die Kontrolle der Massen führte. Damals haben die meisten Parteien, Kommentatoren und selbst die Menschenrechtsliga die These von der Schuld der Angeklagten unterstützt. Sechzig Jahre später besteht die offizielle Version darin, diese Prozesse zu widerrufen und sie als ein Zeichen für den wahnsinnigen Machtwillen des Kreml zu deuten. Als ob die Stalin’schen Verbrechen keine Beziehung zum Antifaschismus hätten! Die antifaschistische Logik wird immer darin bestehen, sich mit dem Gemäßigtsten in eine Reihe zu stellen und das Radikalste zu bekämpfen.

Auf rein politischer Ebene entsteht im Mai 37 das, was einige Monate vorher noch unvorstellbar war: Negrin, ein Sozialist, der noch weiter rechts steht als Caballero, wird Regierungschef und stellt sich eindeutig auf die Seite der Ordnung, einschließlich der Repression gegen die Arbeiter. Orwell (der dort beinahe sein Leben gelassen hätte) stellt fest, daß der Krieg »für die Demokratie« ganz offensichtlich gestorben ist: es bleiben zwei sich gegenüberstehende Faschismen übrig, der eine ist nur weniger unmenschlich als sein Rivale13. Deshalb leugnet Orwell nicht die Notwendigkeit, den »nackteren und entwickelteren« Faschismus Francos und Hitlers zu verhindern. Es ginge dabei aber nur darum, für einen Faschismus zu kämpfen, der weniger schlimm ist als der andere…


Der Krieg frißt die Revolution14

Die Macht kommt genausowenig aus den Gewehrläufen wie aus der Urne. Keine Revolution ist friedlich, aber die militärische Ebene ist nicht zentral. Das Problem ist nicht, daß die Prolos endlich beschließen, die Waffenlager zu plündern, sondern daß sie das umsetzen, was sie sind: als Ware behandelte Wesen, die nicht mehr als Ware existieren können noch wollen, und deren Revolte die kapitalistische Logik zum Platzen bringt. Von dieser »Waffe« leiten sich Barrikaden und Maschinengewehre ab. Die gesellschaftliche Vitalität wird größer, der tatsächliche Gebrauch von Gewehren und die Anzahl der Toten geringer sein. Die kommunistische Revolution wird niemals einem Gemetzel gleichen: nicht wegen eines Prinzips der Gewaltfreiheit, sondern weil sie nur dann eine Revolution ist, wenn sie die professionellen Militärs eher zersetzt, als daß sie sie vernichtet. Wenn man sich vorstellt, daß eine proletarische Front einer bürgerlichen Front gegenübersteht, dann denkt man das Proletariat in bürgerlichen Begriffen, nach Art einer politischen Revolution oder eines Kriegs (einer nimmt dem anderen die Macht, besetzt sein Territorium). Dabei führt man all das wieder ein, was zum Zeitpunkt der Erhebung niedergerissen worden war: Hierarchie, Respekt vor den Spezialisten, vor der Wissenschaft, die weiß; vor der Technik, die Lösungen anbietet; vor all dem, was den gewöhnlichen Menschen herabsetzt. Im Dienste des Staates wird aus dem Arbeiter-»milizionär« unausweichlich ein »Soldat«. Vom Herbst 36 an mündet in Spanien die Revolution in einen Krieg und in eine typische Kampfweise der Staaten, den Frontenkrieg.

Zu »Kolonnen« formiert verlassen die Arbeiter Barcelona, um den Faschismus in anderen Städten zu bekämpfen, als erstes in Zaragoza. Hätten sie die Revolution aus den republikanischen Gebieten hinaustragen wollen, so hätten sie auch diese Zonen selbst revolutionieren müssen. Aber selbst Durruti ist sich nicht über die Tatsache im klaren, daß der Staat fortbesteht. Unterwegs treibt seine Kolonne, die zu 70 % aus Anarchisten besteht, die Kollektivierung voran: die Milizionäre helfen den Bauern und propagieren ihre revolutionären Ideen. Aber Durruti erklärt, »wir haben nur ein Ziel (…): die Faschisten vernichten«. Auch wenn er sagt, »diese Milizen werden niemals die Bourgeoisie verteidigen« – sie greifen sie aber auch nicht an. Zwei Wochen vor seinem Tod (21. Nov. 1936) erklärt er:

» … nur einen Gedanken, nur ein einziges Ziel (…): den Faschismus niederzuwerfen (…). Und daß jetzt bloß keiner an Lohnerhöhungen oder Verkürzungen der Arbeitszeit denkt! (…) sich zu opfern und zu arbeiten, soviel und solange es nötig ist (…) wir müssen einen Granitblock bilden.
Die Arbeiterorganisationen dürfen nicht vergessen, was in diesem Augenblick ihre höchste Pflicht ist … wenn dieser Krieg sich noch lange hinzieht, muß man damit anfangen, die katalanische Wirtschaft zu organisieren (…) Seid verantwortlich und diszipliniert, damit wir nicht durch unsere Inkompetenz nach diesem Krieg einen Bürgerkrieg unter uns provozieren (…). Denn wenn wir der faschistischen Tyrannei etwas entgegensetzen können, dann kann das nur eine vereinte Kraft sein; es darf nur noch eine einzige Organisation geben, mit einer einzigen Disziplin.«15

Durruti und seine Genossen verkörpern eine Energie, die nicht auf 1936 gewartet hatte, um sich an die Erstürmung der Welt zu wagen. Aber der beste Kampfeswille genügt nicht, wenn die Arbeiter ihre Angriffe nicht gegen den Staat, sondern ausschließlich gegen eine seiner besonderen Formen richten. Mitte 1936 den Frontenkrieg zu akzeptieren bedeutet, mit den Waffen gegen Franco zu ziehen und dabei im Rücken die politische und gesellschaftliche Waffe in den Händen der Bourgeoisie zu lassen, und schließlich die militärische Aktion selbst einer Zündkraft zu berauben, die auf einem anderen Gebiet entstanden ist, dem einzigen, welches für das Proletariat günstig ist.

Die Nationalisten waren weit davon entfernt, eine entscheidende militärische Überlegenheit zu besitzen, sie hielten im Sommer 36 keine größere Stadt. Ihre Hauptmacht bestand aus der Fremdenlegion und den »Mauren«, die in Marokko rekrutiert worden waren, das 1912 dem spanischen Protektorat unterworfen wurde, aber lange Zeit gegen die kolonialen Träume Spaniens und Frankreichs rebelliert hatte. Die königliche Armee hatte dort 1921 eine schwere Niederlage erlitten, deren Ursache besonders das Überlaufen der marokkanischen Soldaten war. Trotz der französisch-spanischen Kooperation (in der sich ein General namens Franco auszeichnete) wurde der Rif-Krieg erst 1926 mit der Kapitulation Abd el Krims abgeschlossen. Zehn Jahre später hätte die Proklamierung der sofortigen und bedingungslosen Unabhängigkeit des spanischen Teils von Marokko zumindest Durcheinander unter den Stoßtruppen der Reaktion gesät. Die Republik lehnte das ab, unter dem zweifachen Druck konservativer Kreise und der englischen und französischen Demokratien, die wenig Verlangen hatten, ihre eigenen Reiche auseinanderbrechen zu sehen. Außerdem bewilligte die französische Volksfront zur selben Zeit keine Reform der eigenen kolonialen Angelegenheiten, die diesen Namen verdient hätte, sondern löste auch noch den Nordafrikanischen Stern, eine algerische proletarische Bewegung, auf.

Die »Nichteinmischung« war eine Komödie, das ist bekannt. Eine Woche nach dem Putsch verkündete London seine Weigerung, an die legale spanische Regierung Waffen zu liefern, und erklärte seine Neutralität für den Fall, daß Frankreich in einen Konflikt hineingezogen würde. Das demokratische England stellte also Republik und Faschismus auf dieselbe Ebene … Infolgedessen schickte das Frankreich Blums und Thorez‘ einige Flugzeuge, Deutschland und Italien vollständige Korps mitsamt Ausrüstung. Was die internationalen Brigaden anbelangt, so mußte unter der Kontrolle der UdSSR und der KP für ihre militärische Stärke ein hoher Preis bezahlt werden: die Ausschaltung jeglichen Widerspruchs in den Reihen der Arbeiter gegen den Stalinismus. Es war Anfang 37 nach den ersten russischen Waffenlieferungen, als Katalonien Nin von seinem Posten als Justizrat ausschloß.

Selten war die »Militärgeschichte«, die Buchhalterin der Kanonen und Schlachten, so untauglich, den Verlauf eines unmittelbar »gesellschaftlichen« Kriegs zu erklären: die dem Antifaschismus innewohnende Dynamik bestimmt dessen Entwicklung. Der revolutionäre Elan bricht am Anfang den der Nationalisten. Dann akzeptieren die Arbeiter die Legalität: der Konflikt setzt sich fest und erstarrt. Seit Ende 36 treten die Kolonnen vor Zaragoza auf der Stelle. Der Staat bewaffnet die politisch verläßlichen Einheiten, d. h. die das Eigentum nicht antasten werden. Anfang 37 ist unter den schlecht gekleideten Milizionären der POUM, die die Franquisten mit alten Gewehren bekämpfen, der Besitz eines Revolvers schon ein Luxus. Beim Durchzug durch die Städte treffen sie auf reguläre Soldaten, die perfekt ausgerüstet sind. Die Fronten bleiben stecken, wie bei den Proletariern von Barcelona gegenüber der Polizei. Das letzte Aufflammen ist der Sieg der Republikaner vor Madrid. Bald befiehlt die Regierung den Sondereinheiten, ihre Waffen abzugeben, eine Anordnung, die zwar wenig befolgt wird, aber bezeichnend ist für den offenkundigen Willen, das Volk zu entwaffnen. Enttäuschung und Argwohn nagen an der Moral. Der Krieg wird zur Angelegenheit von Spezialisten. Schließlich beschleunigt sich das republikanische Zurückweichen in dem Maße, wie der gesellschaftliche Inhalt und das revolutionäre Erscheinungsbild im Lager der Antifaschisten zusammenbrechen.

Die Revolution auf den Krieg zu reduzieren, vereinfacht und verfälscht die gesellschaftliche Fragestellung: bestünde die Alternative nur darin, zu gewinnen oder zu verlieren, um der »Stärkste« zu sein, würde es genügen, über disziplinierte Soldaten, überlegenes Material, fähige Offiziere und die Unterstützung der Alliierten zu verfügen; in dieser Hinsicht erwies man sich nicht als zu sparsam. Seltsamerweise bedeutet das auch, den Konflikt vom täglichen Leben fernzuhalten. Der Krieg hat die Besonderheit, daß diejenigen, die an ihm teilnehmen, ihn zwar nicht verlieren wollen, aber jeder auf sein Ende hofft. Im Unterschied zur Revolution überschreitet der Krieg nicht meine Schwelle, außer im Fall der Niederlage. Nachdem er sich in eine militärische Konfrontation verwandelt hat, hört der antifranquistische Kampf auf, ein persönliches Engagement zu sein, er verliert seine unmittelbare Realität und wird zur ökonomischen (arbeiten für die Front), ideologischen (Straßenplakate, Versammlungen) und Menschen-Mobilisierung: Seit Januar 37 versiegen die freiwilligen Verpflichtungen und der Bürgerkrieg stützt sich in beiden Lagern vor allem auf den obligatorischen Militärdienst. In der Konsequenz bedeutet das, daß ein Milizionär vom Sommer 36, der ein Jahr später angeekelt von der republikanischen Politik seine Kolonne verläßt, als »Deserteur« eingesperrt und erschossen werden kann!

Auch wenn sie andere historische Voraussetzungen hat, erinnert die militärische Entwicklung von der antifaschistischen Erhebung über Milizen hin zur regulären Armee an die antinapoleonische Guerilla (der Begriff ist zur Zeit des ersten Kaiserreichs in die französische Sprache eingegangen), wie sie von Marx beschrieben wurde:

»Vergleicht man die drei Perioden des Guerillakriegs mit der politischen Geschichte Spaniens, so findet man, daß sie die entsprechenden Grade darstellen, bis zu denen der konterrevolutionäre Geist der Regierung die Begeisterung des Volkes nach und nach abgekühlt hatte. Im Anfang hatte sich die ganze Bevölkerung erhoben, dann wurde von Guerillabanden der Freischärlerkrieg geführt, dessen Reserven ganze Bezirke bildeten, und schließlich endeten sie in losen Korps, die stets auf dem Punkt standen, zu Banditen zu werden oder auf das Niveau stehender Regimenter herabzusinken.«16

1936 wie 1808 erklärt sich die militärische Entwicklung nicht allein und auch nicht vorwiegend aus der Kriegskunst. Sie leitet sich aus dem Verhältnis der politischen und gesellschaftlichen Kräfte zueinander und dessen Veränderung im antirevolutionären Sinn ab. Der von Durruti beschworene Kompromiß und die Notwendigkeit der Einheit um jeden Preis mußte zunächst dem republikanischen Staat den Sieg über die Proletarier und dann dem franquistischen Staat den Sieg über die Republik verschaffen.

In Spanien beginnt eine Revolution, die sich aber von dem Zeitpunkt an in ihr Gegenteil verkehrt, an dem die Proletarier, davon überzeugt im Besitz der wirklichen Macht zu sein, auf den Staat vertrauen, um gegen Franco zu kämpfen. Auf dieser Basis unterliegen die revolutionären Initiativen und Maßnahmen, die sie in der Produktion und im täglichen Leben verstärkten, der simplen und schrecklichen Tatsache, daß sie sich im Schatten einer keineswegs zerschlagenen staatlichen Struktur abspielen. Zuerst ließ man diese auf sich beruhen, dann nahm sie auf Grund der Notwendigkeiten des antifranquistischen Kriegs an Stärke zu, was paradoxerweise von der Mehrzahl der damaligen revolutionären Gruppen nicht begriffen wurde. Die gesellschaftlichen Veränderungen, ohne die die Revolution ein leeres Wort ist, müssen sich, um sich zu konsolidieren und auszuweiten, in ein antagonistisches Verhältnis zum Staat setzen, der eindeutig als Gegner bestimmt ist. Nun war aber die Existenz einer Doppelherrschaft nach Juli 36 nichts als Schein. Die aus dem Aufstand hervorgegangenen proletarischen Organe und die, die danach die Vergesellschaftungen durchführten, tolerierten nicht nur den Staat, sondern sie gestanden ihm auch den Vorrang im antifaschistischen Kampf zu, als ob der Weg, Franco zu besiegen, notwendigerweise taktisch über den Staat laufen müsse. In Wirklichkeit stellte sich der »Realismus«, der Rückgriff auf traditionelle militärische Methoden, den die extreme Linke (POUM und CNT eingeschlossen) im Namen der Wirksamkeit akzeptierte, fast immer als unwirksam heraus. Fünfzig Jahre später klagt man immer noch darüber. Aber der demokratische Staat ist ebenso wenig für den bewaffneten Kampf gegen den Faschismus geschaffen, wie dafür, ihm den friedlichen Zugang zur Macht zu verbieten. Es ist normal, daß ein Staat den sozialen Krieg ablehnt und die Fraternisierung der Kriegsparteien mehr fürchtet als sie zu fördern. Als sich im März 37 vor Guadalajara die Antifaschisten als Arbeiter an die von Mussolini geschickten italienischen Soldaten wandten, lief eine Gruppe von Italienern über. Dieses Ereignis sollte eine Ausnahme bleiben.

Von der Schlacht um Madrid (März 37) bis zum endgültigen Fall Kataloniens (Februar 39) verfaulte die Leiche der abgetriebenen Revolution auf den Schlachtfeldern. Man kann vom Krieg in Spanien reden, nicht von Revolution. Dieser Krieg hatte schließlich die Hauptfunktion, ein kapitalistisches Problem zu lösen: in Spanien einen legitimen Staat zu konstituieren, der – so gut es eben geht – sein nationales Kapital entwickelt und dabei die Volksmassen bändigt. Im Februar 39 kommentiert Benjamin Péret die endgültige Niederlage so:

»Die Arbeiterklasse (…), die ihre eigenen Ziele aus den Augen verloren hat, erkennt sich nicht mehr vordringlich darin wieder, sich für die Verteidigung der bürgerlichen demokratischen Clique gegen die faschistische Clique töten zu lassen, d. h. letzten Endes für die Verteidigung des anglo-französischen Kapitals gegen den deutsch-italienischen Imperialismus. Der Bürgerkrieg ist mehr und mehr ein imperialistischer Krieg geworden.« (Clé, Nr. 2)

Es ist unbestreitbar, daß die zwei Lager eine stark unterschiedliche soziologische Zusammensetzung und gesellschaftliche Bedeutung haben. Wenn auch die Bourgeoisie auf beiden Seiten vertreten war, hat doch die überwiegende Mehrheit der Arbeiter und armen Bauern die Republik unterstützt, während die reaktionärsten und archaischsten Schichten (Grundbesitzer, Kleineigentümer, Klerus) hinter Franco standen. Diese Klassenpolarisierung gibt dem republikanischen Staat einen fortschrittlichen Zug, erklärt aber nicht die historische Bedeutung des Konflikts. Nicht mehr als z. B. der Prozentsatz der Arbeiter unter den Anhängern der SPD, SFIO oder PCF die Frage nach dem Wesen dieser Parteien erschöpfend beantwortet. Solche Fakten sind real, aber sekundär hinsichtlich der gesellschaftlichen Funktion, die es zu begreifen gilt. Die Partei, die sich aus Arbeitern rekrutiert, aber jedes proletarische Überschäumen unter Kontrolle hält oder bekämpft, drosselt die Klassenwidersprüche. Die republikanische Armee zählte eine große Zahl Arbeiter, aber wofür, mit wem und unter wessen Befehlen kämpften sie? Diese Frage zu stellen, heißt sie zu beantworten … zumindest wenn man nicht glaubt, daß man auf Seiten der Bourgeoisie gegen die Bourgeoisie kämpfen kann.

»Der Bürgerkrieg ist der höchste Ausdruck des Klassenkampfes.« (Ihre Moral und unsere, 1938) Diese Behauptung Trotzkis ist richtig unter der ergänzenden Bedingung, daß der Bürgerkrieg – wie die sogenannten Religionskriege in den irischen oder libanesischen Wirren unserer Zeit – auch, bzw. meistens, die Form eines unmöglichen oder gescheiterten gesellschaftlichen Kampfes ist, wo die Klassenwidersprüche, die nicht imstande sind, sich als solche zu behaupten, als ideologische oder ethnische Blöcke aufbrechen und immer mehr von der menschlichen Emanzipation wegführen.


Anarchisten in der Regierung

Die Sozialdemokratie hat am 14. August [1914; d.Ü.] nicht etwa »kapituliert«, wie ein Kämpfer, der vor dem Kampf das Handtuch wirft. Sie hat vielmehr den normalen Kurs einer starken Bewegung, die sich internationalistisch gab, aber tatsächlich seit langem zutiefst national ausgerichtet war, fortgesetzt. Die SPD hatte zwar den größten Stimmenanteil bei den Wahlen von 1912, aber sie hatte nur Macht für Reformen im Rahmen des Kapitalismus und innerhalb seiner Gesetze. Das beinhaltete u.a. auch die Unterstützung des Kolonialismus und dann des Kriegs, als dieser zum einzigen Ausweg aus den sozialen und politischen Widersprüchen wurde.

Genauso kam die Integration des spanischen Anarchismus in den Staat 1936 nur überraschend, wenn man das Wesen der CNT vergißt: diese war eine Gewerkschaft, sicherlich eine besondere, aber eine Gewerkschaft. Und es gibt keine antigewerkschaftliche Gewerkschaft. Die Funktion verändert das Organ. Was auch immer ihre ursprünglichen Ideale sind, jede ständige Organisation zur Verteidigung der Interessen der Lohnarbeiter verwandelt sich erst in einen Vermittler und dann in einen Schlichter. Auch wenn sie von Radikalen geleitet oder wenn sie unterdrückt wird, ist die Institution dazu bestimmt, sich von der Basis abzukoppeln und ein Schlichtungsinstrument zu werden. Als anarchistische Gewerkschaft ist die CNT in erster Linie Gewerkschaft und dann erst anarchistisch. Eine Welt liegt zwischen der Basis und der Führung, die am Tisch der Unternehmer sitzt, aber die CNT als Apparat unterscheidet sich wenig von der UGT. Eine wie die andere wirken für die Modernisierung und rationellere Verwaltung der Ökonomie – mit anderen Worten für die Vergesellschaftung des Kapitalismus. Ein Faden zieht sich von der Zustimmung zu den Kriegskrediten durch die Sozialisten am 14. August bis zum Eintritt der Führer der Anarchisten in die Regierung, in die katalanische im September 1936 und in die der Republik im November 1936. 1914 bezeichnete Malatesta diejenigen seiner Genossen (darunter Kropotkin), die die nationale Verteidigung akzeptiert hatten, als »Regierungsanarchisten«.

Die CNT gab eine Position nach der anderen auf und verleugnete sogar die Antistaatlichkeit, die ihr Wesensmerkmal war. Und das nachdem die Republik und ihre russischen Verbündeten ihr wahres Gesicht gezeigt hatten und im Mai 1937 gegen die Radikalen vorgegangen waren – nicht zu vergessen all das, was dann in den Gefängnissen und Kellern passierte. Dann war die CNT – wie die POUM – äußerst eifrig bei der Entwaffnung der Proletarier und forderte diese dazu auf, den Kampf gegen die offizielle und die stalinistische Polizei zu beenden. Sie war entschlossen, bis zum letzten zu gehen. Einige erlebten sogar die böse Überraschung, sich in einem Gefängnis wiederzufinden, das von einem braven Anarchisten geleitet wurde, der jedoch keine wirkliche Kontrolle über das hatte, was sich innerhalb seiner Mauern abspielte. Als 1938 eine Delegation der CNT in die UdSSR fuhr und um Unterstützung nachsuchte, protestierten sie nicht einmal gegen die Moskauer Prozesse.

Alles für den antifaschistischen Kampf …

Alles für Kanonen und Gewehre … 17

Aber, werden manche einwenden, die Anarchos sind doch von Natur aus gegen den Staats-Virus geimpft. Dem Anschein nach …

»Marxisten« können seitenweise Marx zitieren, wenn es um die Zerstörung der staatlichen Maschinerie geht, oder Lenin, der in »Staat und Revolution« ankündigte, daß eines Tages die Gesellschaft von Köchinnen geleitet werde, anstatt von Politikern. Aber dieselben »Marxisten« sind gleichzeitig äußerst stur auf den Staat fixiert, wenn sie in ihm den Motor des Fortschritts und der historischen Notwendigkeit sehen. Sie begreifen die Zukunft als eine kapitalistische Vergesellschaftung ohne Kapitalisten, als eine Welt, in der es immer noch Lohnarbeit gibt, aber egalitär, demokratisch und geplant. Deswegen akzeptieren sie schließlich den Staat – selbstverständlich übergangsweise – und ziehen sogar auf der Seite eines schlechten Kapitalismus in den Krieg gegen einen, den sie als noch schlimmer betrachten.

Der Anarchismus tendiert auf der einen Seite zur Überbewertung der staatlichen Macht, wenn er in der Autorität den Hauptfeind sieht, auf der anderen Seite unterschätzt er ihn, wenn er glaubt, daß man den Staat alleine zerstören könne. Der Anarchismus versteht die tatsächliche Rolle des Staates nicht, seine Rolle als Garant – und nicht Schöpfer – des Lohnverhältnisses. Der Staat repräsentiert und vereinigt das Kapital, aber er ist weder sein Motor noch sein Hauptbestandteil. Der Anarchismus hat aus der unbestreitbaren Tatsache, daß die Massen bewaffnet waren, abgeleitet, daß der Staat seine Substanz verloren hätte. Diese beruht aber nicht auf seinen institutionellen Formen, sondern auf seiner vereinigenden Funktion. Der Staat sichert den Zusammenhang, den die Menschen selbst nicht schaffen können oder nicht zu schaffen wagen, und spinnt ein Netz von Dienstleistungen, die gleichzeitig parasitär und real sind. Auch wenn der Staat im Sommer 1936 im republikanischen Spanien schwach schien, bestand er als Rahmen fort, der fähig war, die einzelnen Stücke der kapitalistischen Gesellschaft wieder zusammenzufügen. Er existierte weiter, er überwinterte. Dann ist er aufgewacht, wurde stärker, als die von der Subversion geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse schwächer wurden oder zerfielen. Er weckte seine im Winterschlaf befindlichen Organe und übernahm, sofern möglich, die Kontrolle über die Organe, die mit der Bewegung entstanden waren. Was wie eine Hülle ohne Inhalt ausgesehen hatte, erwies sich nicht nur als wiederbelebungsfähig, sondern war auch in der Lage, die parallelen Machtstrukturen zu unterminieren, wo die Revolution ihr Bestes gegeben zu haben meinte.

Die wichtigste Rechtfertigung der CNT lautete, daß die gewählte Regierung in Wirklichkeit keine Macht mehr habe, weil die Arbeiterbewegung sie übernommen hätte.

»(…) Die Regierung ist keine unterdrückende Kraft gegen die Arbeiterklasse mehr, genauso wie der Staat nicht mehr der Apparat ist, der die Gesellschaft in Klassen spaltet« (Solidaridad Obrera, September 1936).

Ebenso wie der »Marxismus« fetischisiert der Anarchismus den Staat und sieht ihn in einer Örtlichkeit vergegenständlicht. Schon Blanqui griff mit seinem kleinen Haufen Rathäuser und Kasernen an, aber er tat wenigstens nicht so, als wäre das die Aktion einer proletarischen Bewegung und nicht nur die einer kleinen Minderheit, die die Massen aufwecken wollte. Ein Jahrhundert später machte die CNT den spanischen Staat zu einem Phantom angesichts der greifbaren Präsenz der »sozialen Organisationen« (also der Milizen, Gewerkschaften, etc.). Aber die Existenz des Staates, sein Wesensmerkmal, liegt darin, die Mängel der »zivilen« Gesellschaft durch ein System von Beziehungen, Verbindungen, Machtkonzentrationen, ein Netzwerk von Verwaltung, Polizei, Justiz, Militär, abzudecken, die Krisenzeiten in einem stand by-Modus überlebt, in Reserve bereit steht – für den Moment, an dem die polizeilichen Ermittler in den Akten der Sozialbehörden rumschnüffeln können. Die Revolution hat keine Bastille, die sie »einnehmen« kann, keine Polizeiwache und keinen Gouverneurspalast. Ihre Aufgabe liegt vor allem darin, das auszuhöhlen und zu zerstören, was deren Macht begründet.


Das Scheitern der Kollektivierungen

Das Ausmaß der industriellen und landwirtschaftlichen Sozialisierungen nach dem Juli 1936 war kein historischer Zufall. Schon Marx bemerkte die spanische Tradition der Volksautonomie. Der Graben zwischen Volk und Staat zeigte sich im anti-napoleonischen Krieg und dann in den Revolutionen des 19. Jahrhunderts, die den jahrhundertealten gemeinschaftlichen Widerstand gegen die Macht der Dynastien wiederbelebten. Die absolutistische Monarchie, so beobachtete er, führte nicht zu einer Aufmischung der sozialen Schichten in Richtung auf einen modernen Staat, sondern ließ die bereits existierenden Kräfteverhältnisse in den Ländern fortbestehen. Napoleon sah in Spanien »nichts als einen leblosen Leichnam«, mußte aber »die Entdeckung machen, daß wohl der spanische Staat tot sei, aber die spanische Gesellschaft voll gesunden Lebens stecke« und »was wir im modernen Sinne Staat nennen, stellt sich nur in der Armee dar, als Folge des ausschließlich ‚provinziellen‘ Lebens des Volkes.«18

Das Spanien von 1936 hatte die bürgerliche Revolution schon hinter sich und es war vertane Zeit, von ähnlichen Entwicklungen wie denen von 1917 oder gar von 1848 oder 1789 zu träumen. Aber auch wenn die Bourgeoisie politisch und das Kapital ökonomisch herrschte, so waren sie doch weit von der Schaffung eines vereinigten Binnenmarkts und eines modernen Staatsapparats entfernt, der die ganze Gesellschaft unterworfen und das lokale Leben und seine Partikularismen bestimmt hätte. Für Marx existierten 1854 nebeneinander eine »despotische« Regierung und ein Mangel an Vereinheitlichung bis hin zu unterschiedlichen Währungen und Besteuerungen. Diese Betrachtung galt zum Teil auch noch achtzig Jahre später. Der Staat war weder in der Lage, die Industrie anzukurbeln, noch eine Agrarreform durchzuführen. Er konnte aus der Landwirtschaft nicht die Profite abschöpfen, die für die Akkumulation des Kapitals notwendig waren, schaffte es nicht, die Regionen zu vereinigen, und vor allem auch nicht, die Proletarier in den Städten und auf dem Lande niederzuhalten.

So war es eigentlich natürlich, daß mit dem Schock vom Juli 1936 – am Rande der politischen Macht – eine soziale Bewegung entstand, deren kommunistisches Potential dann von einem Staat reintegriert wurde, den sie hatte weiterexistieren lassen. In den ersten Monaten der Revolution, als diese sich bereits zurückzog, aber ihr Ausmaß noch ihr Scheitern verbarg, zeigte sich das Bild einer Zersplitterung. Jede Region, Gemeinde, jedes Unternehmen, Kollektiv, jede Stadt entging der Zentralmacht – ohne diese anzugreifen – und schickte sich an, anders zu leben. Der Anarchismus und sogar der Regionalismus der POUM drückten innerhalb der Arbeiterbewegung jene spanische Besonderheit aus, die falsch eingeschätzt wird, wenn man nur die negative Seite dieser »verspäteten Entwicklung« des Kapitalismus sieht. Nicht einmal der Rückzug von 1937 brach den Elan Hunderttausender Arbeiter und Bauern, die sich Land, Fabriken, Stadtteile und Dörfer angeeignet, Privateigentum beschlagnahmt und die Produktion sozialisiert hatten, mit einer alltäglichen Autonomie und Solidarität, einer Brüderlichkeit, die Beobachter und Teilnehmer beeindruckten19. Aber auch wenn diese unzähligen Ereignisse und Handlungen, die manchmal über Jahre andauerten, Zeugnis ablegen – wie in ihrer Art auch die Erfahrungen in Rußland und Deutschland – von der Existenz einer kommunistischen Bewegung, die die ganze Gesellschaft verändert, von deren unglaublichen subversiven Möglichkeiten, wenn sie große Dimensionen annimmt, so zeigen sie leider genauso, daß das Schicksal der Bewegung schon im Sommer 1936 besiegelt war. Der Krieg in Spanien beweist sowohl die revolutionäre Energie der gemeinschaftlichen Formen und Verbindungen, die vom Kapital durchdrungen, aber noch nicht direkt reproduziert werden, als auch ihre Machtlosigkeit, aus sich selbst heraus eine Revolution zu sichern. Ohne Angriff auf den Staat und die Schaffung anderer Verhältnisse auf landesweiter Ebene waren sie zu einer bruchstückhaften Selbstverwaltung gezwungen, bei der Wesen und sogar Formen des Kapitalismus weiterbestanden, besonders das Geld und die Aufteilung in Unternehmen. Jedes Fortbestehen der Lohnarbeit läßt auch die Hierarchie von Funktionen und Einkommen weiter existieren20.

Kommunistische Maßnahmen hätten die Grundlagen beider Staaten (des republikanischen und des nationalistischen) unterminieren können, wenn nur mit der Lösung der Agrarfrage begonnen worden wäre: in den 30er Jahren war mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterernährt. Eine subversive Bewegung brach los, allen voran die am meisten Unterdrückten, die am meisten vom »politischen Leben« Ferngehaltenen (zum Beispiel Frauen), aber sie schaffte es nicht, bis zum Äußersten zu gehen und die Dinge an der Wurzel zu packen.

Damals existierte die Arbeiterbewegung der großen Industrieländer in den Gebieten, die von einem Kapital vergesellschaftet wurden, das die gesamte Gesellschaft beherrschte. Der Kommunismus war hier zum einen wegen dieser Vergesellschaftung näher, zum anderen wegen der zunehmenden Verwandlung aller Beziehungen in Warenbeziehungen weiter entfernt. Die neue Welt stellte man sich meistens als eine Arbeiterwelt, wenn nicht gar als eine industrielle Welt vor.

Das spanische Proletariat blieb dagegen von einer mehr quantitativen als qualitativen kapitalistischen Durchdringung der Gesellschaft abhängig. Daraus bezog es seine Kraft und seine Schwäche, abzulesen an der Tradition und der Forderung nach Autonomie durch den Anarchismus.

»Im Laufe der letzten hundert Jahre gab es in Andalusien nicht eine einzige Erhebung, die nicht in der Errichtung von Kommunen, Landverteilung, der Abschaffung des Geldes und einer Unabhängigkeitserklärung endete (…) der Anarchismus der Arbeiter unterscheidet sich davon kaum. Auch sie verlangen zuerst die Möglichkeit, die eigene industrielle Einheit oder die Gewerkschaft selbst zu verwalten, außerdem die Kürzung der Arbeitszeit und eine Verringerung der von jedem geforderten Leistung (…).«21

Zahlreiche Vorschläge wurden gemacht, einige realisiert, andere in Angriff genommen. Der Kommunismus ist auch die Wiederaneignung der Existenzbedingungen.

Eine der Hauptschwächen war die Einstellung gegenüber dem Geld. Das »Verschwinden des Geldes« hat nur dann einen Sinn, wenn es über die Ersetzung einer Form der Wertmessung durch eine andere (zum Beispiel Gutscheine für Arbeit) hinausgeht. Aber wie die Mehrzahl der radikalen Gruppen, ob sie sich nun auf einen Marxismus oder einen Anarchismus beziehen, sahen die spanischen Proletarier im Geld nicht den Ausdruck, die Abstraktion der realen Beziehungen, sondern eine Maßeinheit, ein Zahlungsmittel. Somit reduzierten sie den Sozialismus auf eine andere Form der Verwaltung derselben Kategorien und Bestandteile, die dem Kapitalismus zugrundeliegen22.

Das Scheitern der Versuche, gegen die Profitgier vorzugehen, ist nicht auf die Kontrolle der Gewerkschaft UGT über die Banken zurückzuführen, die die Kollektivierungen ablehnte: als wenn die Abschaffung des Geldes zuerst von einer Maßnahme der zentralen Macht abhängig wäre! Die Schließung privater Banken und der Zentralbank setzt der Profitgier nur dann ein Ende, wenn Produktion und Leben ohne die Vermittlung durch die Warenform organisiert werden und sich das nach und nach in allen gesellschaftlichen Verhältnissen durchsetzt. Das Geld ist nicht das »schlechte« Gegenstück einer guten Produktion, sondern die Vergegenständlichung (heute mehr und mehr in einer immateriellen Form) des Warencharakters aller Aspekte des Lebens. Den kann man nicht zerstören, indem man seine Erscheinungsformen beseitigt, sondern indem man den Tausch selbst als gesellschaftliches Verhältnis verschwinden läßt.

Tatsächlich kamen nur die landwirtschaftlichen Kollektive ohne Geld aus, oft nur mit Hilfe lokaler Währungen und Kupons, die als »internes Zahlungsmittel« dienten. Die Räte, Kollektive und befreiten Dörfer waren unfähig, eine nicht am Profit ausgerichtete Produktion über die autonomen Gebiete hinaus zu etablieren. Sie existierten im allgemeinen nebeneinander, ohne koordinierte Aktionen zustandezubringen, wurden zu labilen Gemeinschaften und früher oder später von innen heraus zerstört oder von der Armee, sei es der faschistischen oder der republikanischen, vernichtet. In Aragon hatten sich die Einheiten des Stalinisten Lister darauf spezialisiert. Als sie in das Dorf Calanda kamen, schrieb er als erstes an eine Mauer: »Kollektivierung ist Diebstahl«.


Kollektivieren oder Kommunisieren?

Der sozialdemokratischen Verstaatlichung hat der Anarchismus seit der I. Internationale die kollektive Aneignung der Produktionsmittel entgegengesetzt. Die beiden Sichtweisen gehen dennoch von derselben Forderung aus: von einem Kollektiv, das mit der Leitung beauftragt ist – aber um was zu leiten? Gewiß, was die Sozialdemokratie von oben bürokratisch durchgeführt hat, haben die spanischen Proletarier an der Basis bewaffnet praktiziert, wobei jeder gegenüber allen verantwortlich war, und dabei nahmen sie auch den Boden oder die Fabrik einer Minderheit weg, welche die Arbeit anderer anleitete und von ihr profitierte. Kurz gesagt, das Gegenteil von der Mitverwaltung der Kohlengruben durch die sozialistischen oder stalinistischen Gewerkschaften. Auch wenn ein Kollektiv, und nicht der Staat oder eine Bürokratie, die Produktion seines materiellen Lebens in die Hand nimmt, hebt es allein durch diese Tatsache den kapitalistischen Charakter des Lebens nicht auf.

Die Lohnarbeit ist der Durchgang einer Tätigkeit – welche es auch immer sei, Pflügen oder eine Zeitung Drucken – durch die Geldform, wobei das Geld, das diese Arbeit erst ermöglicht, zunimmt. Den Lohn angleichen, alles gemeinsam entscheiden, die Geldscheine durch Bons ersetzen, hat niemals ausgereicht, um das Lohnverhältnis abzuschaffen. Was durch das Geld verbunden ist, kann nicht frei sein, und früher oder später macht dieses sich darüber zum Herrn.

Die Assoziation auf lokaler Ebene an die Stelle der Konkurrenz zu setzen, bedeutet auf ihren Untergang zuzugehen. Denn wenn das Kollektiv in seinem Innern das Privateigentum aufheben würde, würde es sich als abgetrennte Einheit konstituieren, als ein besonderes, gleichzeitig neben anderen in der globalen Ökonomie bestehendes Element, somit als Privatkollektiv, das gezwungen ist, zu kaufen und zu verkaufen, Außenhandel zu betreiben, selbst zum Unternehmen zu werden, dazu bestimmt, ob es will oder nicht, seine Rolle in der regionalen, nationalen oder weltweiten Konkurrenz zu spielen – oder zu verschwinden.

Daß ein Teil Spaniens zusammengebrochen ist, darüber kann man sich nur freuen; das, was von der öffentlichen Meinung »Anarchie« genannt wird, ist die notwendige Bedingung für die Revolution, hat Marx seinerzeit geschrieben. Aber diese Bewegungen zogen ihre subversive Wirksamkeit aus einer Zentrifugalkraft, die auch den Lokalismus nährte. Die neubelebten Gemeinschaftsverbindungen schlossen jeden in sein Dorf, in sein barrio ein, als ob es darum gegangen wäre, eine verlorene Welt, eine heruntergekommene Menschlichkeit wiederzuentdecken, die Arbeiterviertel der Metropole entgegenzusetzen, die selbstverwaltete Kommune dem großen kapitalistischen Landgut, das bäuerliche Land der merkantilen Stadt, mit einem Wort den Armen dem Reichen, den Kleinen dem Großen oder das Lokale dem Internationalen und man vergaß darüber, daß die Kooperative oft gleichbedeutend mit dem längsten Weg in den Kapitalismus ist.

Keine Revolution ohne Zerstörung des Staates, das ist die spanische »Lektion«. Deshalb ist die Revolution keine politische Umwälzung, sondern eine gesellschaftliche Bewegung, wo die Zerstörung des Staates und die Erarbeitung neuer Arten der Debatte und Entscheidung mit der Kommunisierung Hand in Hand gehen werden. Wir wollen nicht »die Macht«, sondern die Macht zur Änderung des ganzen Lebens. Es handelt sich dabei um einen historischen Prozeß, der sich über Generationen erstreckt; stellt man sich da vor, die ganze Zeit weiterhin Löhne zu erhalten und Lebensmittel und Miete zu bezahlen? Wenn die Revolution in erster Linie politisch und erst in zweiter Linie gesellschaftlich sein sollte, würde sie einen Apparat schaffen, der nur die Funktion des Kampfs gegen die Verfechter der alten Welt hätte, eine negative Funktion der Unterdrückung, ein Kontrollsystem, das auf keinem anderen Inhalt beruhte, als sein »Programm«, seinen Willen, den Kommunismus an dem Tag zu realisieren, an dem die Bedingungen dafür endlich erfüllt wären. So ideologisiert sich die Revolution und legitimiert die Entstehung einer besonderen Schicht, die damit beauftragt ist, das Heranreifen und das Warten auf das bessere Übermorgen zu steuern. Der eigentliche Sinn der Politik ist es, nichts ändern zu können und nichts ändern zu wollen: sie fügt zusammen, was getrennt ist, ohne sich vorwärts zu bewegen. Die Macht ist da, sie steuert, verwaltet, überwacht, sichert, unterdrückt: Sie ist.

Die politische Herrschaft (in der eine ganze Denkschule das Problem Nr. 1 sieht) erwächst aus der Unfähigkeit der menschlichen Wesen, ihr Leben, ihre Tätigkeit selbst in die Hand zu nehmen und zu organisieren. Sie ist an die radikale Enteignung gebunden, die den Proletarier ausmacht. Wenn jeder an der Produktion seines Lebens teilnähme, würden die Fähigkeiten, Druck auszuüben und zu unterdrücken, über die der Staat heute verfügt, unwirksam. Weil die Lohngesellschaft uns der Mittel zum Leben, zum Produzieren, zum Kommunizieren beraubt und dabei so weit geht, daß sie in den früher privaten Raum eindringt und daß sie uns sogar unsere Gefühle liefert, ist ihr Staat so allmächtig. Die beste Garantie gegen das Wiederauftauchen einer neuen Machtstruktur über uns ist die gründlichste Aneignung der Existenzgrundlagen auf allen Ebenen. Zum Beispiel, wenn es ausgeschlossen erscheint, daß jeder in seinem Keller in die Pedale tritt, um seine Energie zu produzieren, entsteht die Herrschaft des Leviathan auch daraus, daß die Energie (ein bezeichnender Begriff, zu dem man im Englischen power sagt …) uns von komplexen Industrien abhängig hält, die – nuklear oder nicht – uns gezwungenermaßen äußerlich bleiben und jeder Kontrolle entgehen.

Die Zerstörung des Staates als bewaffneten Kampf gegen Polizei und Militär zu begreifen, bedeutet, den Teil für das Ganze zu nehmen. Der Kommunismus ist zuerst Tätigkeit. Eine Art des Lebens, bei der Männer und Frauen ihre gesellschaftliche Existenz produzieren, stoppt das Entstehen getrennter Mächte oder hebt sie wieder auf.


Bilanz

Die spanische Niederlage von 1936 – 37 ist dem russischen Fehlschlag von 1917 – 21 wesensgleich. Die russischen Arbeiter verstanden es, die Macht an sich zu reißen, nicht aber, sie für eine kommunistischen Umwälzung zu benutzen. Die Rückständigkeit, die Zerrüttung der Wirtschaft und die internationale Isolierung erklären nicht ausreichend die Rückentwicklung. Die von Marx skizzierte und vielleicht nach 1917 in anderer Art und Weise anwendbare Perspektive einer Neubelebung der agrarischen Gemeinschaftsstrukturen war damals nicht einmal denkbar. Ohne von Lenins Loblied auf den Taylorismus und der Rechtfertigung der militarisierten Arbeit durch Trotzki zu reden, entsprach der Sozialismus für fast alle Bolschewiken und die große Mehrheit der III. Internationale einschließlich der Linkskommunisten der kapitalistischen Vergesellschaftung plus den Sowjets, und die Landwirtschaft der Zukunft ähnelte großen demokratisch geführten Gütern. (Der – gewaltige! – Unterschied zwischen der deutsch-holländischen Linken und der Komintern, was diesen Gegenstand angeht, besteht darin, daß die Linke die Sowjets und die Demokratie ernstnahm und die russischen Kommunisten – ihre Praxis beweist das – darin nur taktische Formulierungen sahen.)

Auf jeden Fall sind die Bolschewiken das beste Beispiel für jemand, der an die Macht kommt, die nichts als Macht ist und die er aufrechterhalten muß, ohne groß etwas an den realen Verhältnissen zu ändern. Logischerweise und am Anfang sicher guten Glaubens wurde der sowjetische Staat immer weiter fortgesetzt, koste es, was es wolle, zuerst in der Perspektive der Weltrevolution, danach für sich selbst, und es gab bald keine andere Lösung als den Zwang, als die absolute Priorität zur Bewahrung der Einheit einer Gesellschaft, die langsam auseinanderbrach. Daher auf der einen Seite die Zugeständnisse an den bäuerlichen Kleinbesitz gefolgt von Requirierungen, wobei das eine wie das andere noch weiter von der Gemeinschaftsproduktion und dem Gemeinschaftsleben wegführten. Daher auf der anderen Seite die Repression gegen die Arbeiter und gegen die Opposition innerhalb der Partei. Eine Macht, die soweit kommt, die Aufständischen von Kronstadt (welche einfach demokratische Forderungen stellten) im Namen eines Sozialismus zu massakrieren, den sie nicht verwirklicht und sich darüberhinaus noch mit Lüge und Verleumdung rechtfertigt, eine solche Macht bestätigt damit nur den Verlust jeglichen kommunistischen Charakters. Lenin ist 1924 gestorben, aber der Revolutionär Lenin war schon als Staatschef seit 1921 tot, wenn nicht früher … Es blieb den bolschewistischen Führungskräften nichts anderes übrig, als zu Verwaltern des Kapitalismus zu werden.

Als Übersteigerung der Politik, die davon besessen ist, die Hindernisse zu beseitigen, die sie nicht umstürzen konnte, ging auch die Oktoberrevolution in einen selbstmörderischen Bürgerkrieg über. Ihr Drama ist das einer Macht, die die Gesellschaft nicht umwälzen kann, und deshalb zu einem konterrevolutionären Organ degeneriert. In der spanischen Tragödie enden die Proletarier, weil sie ihr Terrain verlassen haben, als Gefangene eines Konflikts, in dem die Bourgeoisie und ihr Staat auf beiden Seiten der Frontlinie stehen. 1936 – 37 kämpfte das Proletariat Spaniens nicht nur gegen Franco, sondern auch gegen die faschistischen Länder, gegen die Demokratien und die Farce der »Nicht-Einmischung«, gegen ihren eigenen Staat, gegen die UdSSR, die es nur bewaffnete, um die Revolutionäre zu entwaffnen, gegen …

1936 – 37 schloß den historischen Moment, den 1917 geöffnet hatte.

In einer zukünftigen revolutionären Periode werden nicht diejenigen, die prokapitalistische oder prostaatliche Slogans rufen, die geschicktesten und gefährlichsten Verteidiger des Kapitalismus sein, sondern jene, die den Ansatzpunkt für den möglichen Bruch gesehen haben. Anstatt die Werbung oder den Gehorsam zu preisen, werden sie vorschlagen, das Leben zu ändern … aber dafür müsse zuvor eine wahre demokratische Macht aufgebaut werden. Wenn es ihnen gelänge, sich durchzusetzen, würde die Errichtung dieser neuen politischen Form die Energien schlucken, die radikalen Bestrebungen benutzen und – das Mittel wird zum Zweck – noch einmal aus der Revolution eine Ideologie machen. Gegen sie und gewiß auch gegen die offen kapitalistische Reaktion wird der einzige erfolgversprechende Weg der Proletarier die Verstärkung und koordinierte Ausdehnung konkreter kommunistischer Initiativen sein, die natürlich als antidemokratisch, ja sogar … »faschistisch« denunziert werden.

Der Kampf für die Schaffung von Orten und Momenten der Befreiung, welche die Autonomie der Bewegung ermöglichen, ist nicht zu trennen von praktischen Maßnahmen, das Leben zu ändern.

» (…) in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets unangetastet blieb und es sich nur um eine andre Distribution dieser Tätigkeit, um eine neue Verteilung der Arbeit an andre Personen handelte, während die kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt, weil sie durch die Klasse bewirkt wird, die in der Gesellschaft für keine Klasse mehr gilt, nicht als Klasse anerkannt wird, schon der Ausdruck der Auflösung aller Klassen, Nationalitäten etc. innerhalb der jetzigen Gesellschaft ist.« (Marx, Deutsche Ideologie, in: MEW Bd. 3 Seite 69 f.)


 

1Der vorliegende Text ist eine gekürzte und vollständig überarbeitete Fassung des Vorworts zur Textsammlung Bilan / Contre révolution en Espagne 1936 – 39, 10-18, 1979 (vergriffen). Ein weiterer Text über den Faschismus und über seine Perspektiven in unserer Zeit, und somit auch zum Antifaschismus, ist in Arbeit.

2Daniel Guérin, Fascisme et grand capital [Faschismus und Großkapital], La Découverte; und Front Populaire, Révolution manquée [Volksfront, die verpaßte Revolution], Actes Sud.

3T. Thomas, Les racines du fascisme [Die Wurzeln des Faschismus], Albatroz, 1996. Crève la Peste! [Die (braune) Pest soll verrecken!], 1997 und Démocratie et fascisme [Demokratie und Faschismus], Beilage zur Nr. 7 von Mouvement Communiste, 1998. Als zusammenfassenden geschichtlichen Überblick: P. Milza, Les Fascismes [Die Faschismen], Imprimerie Nationale [Staatsdruckerei].

4A. Tasca, Naissance du fascisme, Gallimard [Deutsch: Glauben, Gehorchen, Kämpfen – Aufstieg des Faschismus in Italien; Wien 1991]. Communisme et fascisme [Kommunismus und Faschismus], Programme Communiste. La Gauche communiste d’Italie [Die italienischen Linkskommunisten], Courant Communiste International.

5Zitiert in Le Prolétaire, Nr. 206.

6Beide Begriffe im Original Deutsch. Wenn sie im folgenden Text ebenfalls im Original Deutsch sind, habe ich sie kursiv gesetzt; d. Ü. .

7Zur »konservativen Revolution« findet sich viel in »Pensée, révolution, réaction et catastrophes«, einem vierteiligen Vorwort zu den Textes du mouvement ouvrier révolutionnaire [Texte der revolutionären Arbeiterbewegung], Invariance, Mai, Juni, September und Oktober 1996.

8D. Authier, J. Barrot, La Gauche communiste en Allemagne (1914 – 21) [Die Linkskommunisten in Deutschland 1914 – 21], Payot.

9Es waren vier: Hitler Kanzler, Frick Innenminister, Göring Minister ohne Geschäftsbereich und Goebbels Minister für Propaganda.

10Lt. dtv-Atlas waren es 81.

11Über den in Endnote 1 erwähnten, vergriffenen Band hinaus sind von Bilan viele Artikel erschienen in der Révue International des Courant Communiste Internationale und in Invariance, in der auch eine Sammlung von Texten O. Perrones, einem der Gründer von Bilan, erschien. Zu Spanien: Brenan, Le Labyrinthe espagnol [Das spanische Labyrinth], Champ Libre; V. Richards, Enseignements de la révolution espagnole [Lehren aus der spanischen Revolution], Acratie; Broué, Staline et la Révolution. Le cas espagnol [Stalin und die Revolution. Der Fall Spanien], Fayard, und Histoire de l’I.C., Fayard (Für Broué liegt der Fehler des Antifaschismus darin, vom Stalinismus pervertiert worden zu sein.) Siehe auch Chazé, Chroniques de la révolution espagnole, Spartacus (articles d´Union Communiste, 1933 – 39, eine Gruppe, die sowohl mit dem Trotzkismus wie mit Bilan uneinig war) und Michael Seidman, Workers Against Work During the Popular Front [Arbeiter gegen die Arbeit während der Volksfront; ein sehr empfehlenswertes Buch, das es leider noch nicht auf Deutsch gibt!; d.Ü.], UCLA Press, 1993.

12V. Alba, Histoire du POUM [Geschichte der POUM], Champ Libre.

13La Catalogne libertaire [in Deutsch als Mein Katalonien 1963 erschienen], Champ Libre. Das englische Original erschien im April ’38, bis 1951 waren von dem Buch weniger als 1500 Exemplare verbreitet worden. Die erste Übersetzung geschah 1948, in den USA erschien das Buch 1952.

14Die Überschrift habe ich dem Buch von H. Paechter entlehnt: Espagne 1936-37. La guerre dévore la révolution [Spanien 1936 – 37. Der Krieg frißt die Revolution], Spartacus, 1986 (erste Ausgabe: 1938).

15Zitiert bei Abel Paz, Durruti. Le peuple en armes. Deutsch: Abel Paz, Durruti. Leben und Tode des spanischen Anarchisten. Edition Nautilus 1993; zitiert nach dieser Ausgabe S. 554 f..

16Oeuvres Politiques, Costes Bd. VIII. Eine Auswahl von Marx-Texten zu Spanien findet sich in Oeuvres, Gallimard, Pléiade, Bd. IV. Deutsch in MEW Bd. 10, S. 462 – aus der Artikelreihe von Marx »Das revolutionäre Spanien«.

17H. Wagner, L´Anarchisme et la révolution espagnole [Der Anarchismus und die spanische Revolution]. A.D.E.L., 1997 (erste Ausgabe 1937).

18Zitiert bei M. Laffranque, Cahiers de lþISEA, Serie S. Nr. 15. Deutsch in MEW Bd. 10, S. 441; aus der Artikelreihe von Marx »Das revolutionäre Spanien«.

19Orwell oder zum Beispiel M. Low, J. Brea, Carnets de la guerre d’Espagne [Hefte aus dem Krieg in Spanien], Verticales, 1997.

20Orwell oder zum Beispiel M. Low, J. Brea, Carnets de la guerre d’Espagne [Hefte aus dem Krieg in Spanien], Verticales, 1997.

21Brenan.

22Zum Geld siehe bei Marx unter anderem die Abschnitte in den Oeuvres, Gallimard, Pléiade, Bd. II, S. 195 ff.. [Lesetips auf Deutsch Elend der Philosophie, MEW Bd. 4, 63 ff.; ausführlicher in den Grundrissen, das Kapitel vom Geld, MEW Bd. 42]

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