Einleitung von uns, wir haben diesen Text wieder ausgegraben, nicht nur weil wir ihn interessant und wichtig finden, sondern auch weil vieles was darin steht noch sehr aktuell ist. Wir haben ein paar Fußnoten, zwecks Verständnis, hinzugefügt und sie auch als solche beschriftet.
Situationistische Internationale
Über das Elend im Studentenmilieu
betrachtet unter seinen ökonomischen, politischen, sexuellen und besonders intellektuellen Aspekten und über einige Mittel, diesem abzuhelfen, von Mitgliedern der Situationistischen Internationale und Straßburger Studenten.
Die Schmach noch schmachvoller machen, indem man sie publiziert
Ohne große Gefahr, uns zu irren, können wir behaupten, daß der Student in Frankreich nach dem Polizisten und dem Priester das am weitesten verachtete Wesen ist. Wenn auch die Gründe fur seine Verachtung oft falsche sind, die aus der herrschenden Ideologie stammen, sind die Gründe dafür, daß er vom Standpunkt der revolutionären Kritik aus wirklich verachtungswürdig ist und verachtet wird, verdrängt und uneingestanden. Die Befürworter der falschen Kritik können diese dennoch erkennen, und sich in ihnen. Sie kehren diese wirkliche Verachtung in eine nachsichtige Bewunderung um. So betet die ohnmächtige linke Intelligenz (von den „Temps Modernes“ bis zum „Express“) das angebliche „Kommen der Studenten“ an und die wirklich untergehenden bürokratischen Organisationen (von der sog. kommunistischen Partei zur UNEF) streiten sich eifersüchtig um ihre „moralische und materielle“ Unterstützung. Wir werden die Gründe für dieses Interesse an den Studenten zeigen, und wie sie positiv an der herrschenden Wirklichkeit des überentwickelten Kapitalismus teilhaben, und wir werden diese Broschüre dazu benutzen, sie eine nach dem anderen zu entlarven: die Auflösung der Entfremdung geht keinen anderen Weg als den der Entfremdung.
Alle Analysen und Studien über das Studentenmilieu haben bisher das Wesentliche vernachlässigt. Sie gehen nie über den Standpunkt der universitären Spezialisierung hinaus (Psychologie, Soziologie, Ökonomie) und bleiben so grundsätzlich falsch. Alle begehen das, was Fourier schon eine methodische Gedankenlosigkeit nannte, „da sie sich regelmäßig auf die Kernfragen bezieht“, indem sie den totalen Standpunkt der modernen Gesellschaft ignoriert. Der Faktenfetischismus verhüllt die wesentliche Kategorie und die Details lassen die Totalität vergessen. Über diese Gesellschaft wird alles gesagt, nur nicht das was sie wirklich ist: eine Gesellschaft der Ware und des Spektakels. In ihrer Untersuchung „Die Erben – Die Studenten und die Kultur“ stehen die Soziologen Bourderon und Passedieu entwaffnet vor den wenigen partiellen Wahrheiten, die sie letzten Endes bewiesen haben. Und trotz ihres ganzen guten Willens fallen sie in die Moral der Professoren zurück, die unvermeidliche kantische Ethik einer „wirklichen Demokratisierung durch eine wirkliche Rationalisierung des Lehrsystems“, d.h.: der Lehre des Systems. Während ihre Schüler wie Kravetz1 und Konsorten zu Tausenden zu erwachen glauben, indem sie ihre kleinbürokratische Verbitterung durch den Trödel einer hinfälligen revolutionären Phraseologie ausgleichen.
Die Inszenierung der Verdinglichung zum Spektakel2 innerhalb des modernen Kapitalismus zwingt jedem eine Rolle in der generalisierten Passivität auf. Der Student entgeht diesem Gesetz nicht. Es ist eine provisorische Rolle, die ihn auf die endgültige vorbereitet, die er als positives und bewahrendes Element im Warensystem erfüllen wird. Nichts anderes als ein Einführungsritus.
Diese Einführung hat auf magische Weise zu allen Kennzeichen der mythischen Einführung zurückgefunden. Sie bleibt völlig von der historischen, individuellen und gesellschaftlichen Wirklichkeit abgeschnitten. Der Student ist ein Wesen, das zwischen einem gegenwärtigen und einem zukünftigen Status steht, die säuberlich voneinander getrennt sind, und deren Grenze mechanisch überschritten wird. Sein schizophrenes Bewußtsein erlaubt es ihm, sich innerhalb einer „Einführungsgesellschaft“ zu isolieren, seine Zukunft zu verkennen und sich am Erlebnis der mystischen Einheit zu berauschen, die ihm von einer vor der Geschichte geschützten Gegenwart angeboten wird. Der Hebel für die Umkehrung der offiziellen Wahrheit, d.h. der ökonomischen, kann so einfach entlarvt werden: es ist hart, der studentischen Realität ins Gesicht zu sehen.
Innerhalb einer „Überflußgesellschaft“ hat der Student den gegenwärtigen Status einer äußersten Armut. Obwohl mehr als 80% von ihnen aus Bevölkerungsschichten stammen, deren Einkommen das eines Arbeiters übersteigt, verfügen 90% von ihnen über weniger Mittel als der einfachste Lohnempfänger. Das studentische Elend bleibt hinter dem der Gesellschaft des Spektakels zurück, hinter dem neuen Elend des neuen Proletariats. In einer Zeit, wo ein wachsender Teil der Jugend sich immer mehr von den moralischen Vorurteilen und der familiären Autorität befreit, um so früh wie möglich in die Beziehungen einer offenen Ausbeutung einzutreten, bleibt der Student auf jeder Ebene auf einer verantwortungslosen, folgsamen und „verlängerten Unmündigkeit“. Während seine verspätete jugendliche Krise ihn etwas in Opposition zu seiner Familie bringt, so akzeptiert er ohne weiteres, in den verschiedenen Institutionen, die sein alltägliches Leben regeln, wie ein Kind behandelt zu werden3.
Die Kolonisierung der verschiedenen Sektoren der gesellschaftlichen Praxis findet nur in der Studentenwelt ihren grellsten Ausdruck. Die Übertragung des gesamten schlechten Gewissens der Gesellschaft auf die Studenten verschleiert das Elend und die Knechtschaft aller.
Aber die Gründe fuir unsere Verachtung des Studenten sind ganz anderer Art. Sie betreffen nicht nur sein wirkliches Elend, sondern seine Gefälligkeit gegenüber jedem Elend, seine ungesunde Neigung, glückselig Entfremdung in der Hoffnung zu konsumieren, angesichts allgemeiner Interessenlosigkeit das Interesse auf seinen eigenen Mangel zu lenken. Der moderne Kapitalismus bewirkt zwangsläufig, daß der größte Teil der Studenten ganz einfach zu kleinen Kadern wird (d.h. das Äquivalent für den Facharbeiter im 19. Jahrhundert)4. Gegenüber dem elenden, leicht vorauszuahnenden Charakter dieser mehr oder weniger nahen Zukunft, die ihn für das schmachvolle „Elend der Gegenwart“ entschädigen soll, zieht der Student es vor, sich seiner Gegenwart zuzuwenden, und sie mit illusorischem Prestige auszuschmücken. Die Kompensierung selbst ist allzu kläglich; der Morgen wird kein roter Morgen sein und zwangsläufig in der Mittelmäßigkeit schwimmen. Deshalb flieht er in eine unwirklich gelebte Gegenwart.
Wie ein stoischer Sklave glaubt der Student sich umso freier, je mehr alle Ketten der Autorität ihn fesseln. Genau wie seine neue Familie, die Universität, hält er sich für das gesellschaftliche Wesen mit der größten „Autonomie“, während er doch gleichzeitig und unmittelbar von den zwei mächtigsten Systemen der sozialen Autorität abhängt: der Familie und dem Staat. Er ist ihr ordentliches und dankbares Kind. Nach derselben Logik eines untergeordneten Kindes hat er an allen Werten und Mystifikationen des Systems teil und konzentriert sie in sich. Was einst den Lohnabhängigen aufgezwungene Illusionen waren, wird heute zu einer von der Masse der zukünftigen kleinen Kader verinnerlichten und getragenen Ideologie.
Während das alte soziale Elend die grandiosesten Kompensierungssysteme der Geschichte (die Religion) erzeugt hat, so hat das studentische marginale Elend seinen Trost nur in den abgenutztesten Bildern der herrschenden Gesellschaft gefunden, in der grotesken Wiederholung all ihrer entfremdeten Produkte.
Der französische Student kommt in seiner Eigenschaft als ideologisches Wesen zu allem zu spät. Alle Werte und Illusionen, auf die seine abgeschlossene Welt stolz ist, sind schon als unhaltbare und seit langem durch die Geschichte lächerlich gemachte Illusionen verurteilt.
Da für ihn noch einige Krümel vom Prestige der Universität abfallen, freut sich der Student immer noch, Student zu sein. Zu spät. Der mechanisierte und spezialisierte Unterricht, den er empfängt, ist ebenso heruntergekommen (im Verhältnis zum früheren Niveau bürgerlicher Allgemeinbildung)5 wie sein eigenes intellektuelles Niveau im Augenblick seines Studienantritts, aus der einzigen Tatsache heraus, daß das alles beherrschende ökonomische System die Massenherstellung ungebildeter und zum Denken unfähiger Studenten verlangt. Der Student ignoriert, daß die Universität zu einer – institutionalisierten – Organisation des Unwissens geworden ist, daß die „hohe Kultur“ selbst sich im selben Tempo wie die Serienproduktion von Professoren auflöst, daß alle Professoren Kretins sind, von denen die meisten sich vor jedweder Gymnasialklasse blamieren würden. Er hört seine Lehrer auch weiterhin mit Respekt, mit dem bewußten Willen, jeden kritischen Geist aufzugeben, um sich besser mit den anderen in der mystischen Illusion einig zu fühlen, „Student“ geworden zu sein, jemand, der sich ernsthaft damit beschäftigt, sich ein ernsthaftes Wesen in der Hoffnung anzueignen, man werde ihm auch die letzten Wahrheiten anvertrauen. Das sind die Wechseljahre des Geistes. Alles, was sich heute in den Amphitheatern der Schulen und Fakultäten abspielt, wird in der zukünftigen revolutionären Gesellschaft als gesellschaftlich schädlicher Lärm verurteilt. Schon jetzt bringt der Student alle zum Lachen.
Dem Studenten wird nicht einmal bewußt, daß die Geschichte auch seine lächerliche „abgeschlossene“ Welt verändert. Die berühmte „Universitätskrise“, Detail einer allgemeineren Krise des modernen Kapitalismus, bleibt Gegenstand eines tauben Dialogs zwischen verschiedenen Spezialisten. In ihr kommen ganz einfach die Schwierigkeiten einer verspäteten Anpassung dieses besonderen Produktionssektors an die Umwandlung des gesamten Produktionsapparates zum Ausdruck. Die Überreste der alten Ideologie einer liberal-bürgerlichen Universität werden in dem Augenblick nichtssagend, wo ihre gesellschaftliche Basis verschwindet. Die Universität konnte sich in der Epoche des Freihandelskapitalismus und seines liberalen Staates als autonome Macht verstehen, da er ihr eine gewisse marginale Freiheit gewährte. Sie hing in Wirklichkeit eng von den Bedürfnissen dieser Art von Gesellschaft ab: der privilegierten studierenden Minderheit eine angemessene Allgemeinbildung zu vermitteln, bevor sie sich wieder in die herrschende Klasse einreiht, die sie kaum verlassen hatte. Daher das Lächerliche an diesen nostalgischen Professoren6, die darüber verbittert sind, ihre alten Funktionen als Hofhunde der zukünftigen Herren für die viel weniger edle von Schäferhunden eingetauscht zu haben, die die „Weiße-Kragen“-Herren in ihre jeweiligen Fabriken und Büros treiben. Gerade sie setzen ihre Altertümlichkeit der Technokratisierung der Universität entgegen und fahren unbeirrt fort, mit den übriggebliebenen Brocken einer sog. Allgemeinbildung künftige Spezialisten zu füttern, die damit nichts anzufangen wissen.
Ernster und damit gefährlicher sind die Modernisten der Linken und der UNEF, die von den „Ultras“ der FGEL geführt eine „Reform der Universitätsstruktur“, eine „Reintegrierung der Universität in das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben“ fordern, d.h. ihre Anpassung an die Bedürfnisse des modernen Kapitalismus. Die verschiedenen Fakultäten und Schulen, die noch mit anachronistischem Prestige dekoriert sind, werden von Verteilungsstätten der „Allgemeinbildung“ zum Gebrauch für die herrschenden Klassen zu Fabriken der hastigen Aufzucht von kleinen und mittleren Kadern umgewandelt. Weit davon entfernt, diesen geschichtlichen Prozess zu kritisieren, der einen der letzten relativ autonomen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens den Forderungen des Warensystems unterwirft, protestieren unsere Fortschrittsjünger gegen Verspätungen und Stockungen auf dem Weg zu seiner Verwirklichung. Sie sind die Befürworter der zukünftigen kybernetisierten Universität, die sich schon hier und dort ankündigt7. Das Warensystem und seine modernen Diener, das ist sein Feind.
Diese ganze Debatte geht aber, wie nicht anders zu erwarten, über die Köpfe der Studenten hinweg, in den Himmel ihrer Lehrer, und entgeht ihnen völlig: die Gesamtheit ihres Lebens, und erst recht des Lebens überhaupt entgeht ihnen.
Seine äußerst ärmliche ökonomische Lage verurteilt den Studenten zu einer sehr wenig beneidenswerten Form des Überlebens. Aber immer mit sich zufrieden erhebt er sein triviales Elend zu einem originellen „Lebensstil“: kultivierte Armut und Boheme. Die „Boheme“, die bereits weit davon entfernt ist, eine originelle Lösung zu sein, wird nur nach einem endgültigen und unabänderlichen Bruch mit dem Universitätsmilieu echt gelebt werden. Ihre Anhänger unter den Studenten (und alle kokettieren damit, es ein wenig zu sein) klammern sich also lediglich an eine künstliche und heruntergekommene Version dessen, was bestenfalls nur eine mittelmäßige individuelle Lösung ist. Damit verdienen sie sogar die Verachtung von alten Damen auf dem Lande. Dreißig Jahre nach Wilhelm Reich8, diesem hervorragenden Erzieher der Jugend, haben diese „Originale“ immer noch die traditionellsten Erotik- und Liebseverhaltensweisen und reproduzieren in ihren sexuellen Beziehungen die allgemeinen Beziehungen der Klassengesellschaft. Die Fähigkeit des Studenten, einen Militanten jeden Kalibers abzugeben, sagt viel über seine Impotenz. Innerhalb des Spielraums individueller Freiheit, der durch das totalitäre Spektakel erlaubt wird, und trotz seines mehr oder weniger flexiblen Stundenplanes ignoriert der Student immer noch das Abenteuer und zieht die ihm knapp bemessene alltägliche Raumzeit vor, die für ihn von den Wächtern desselben Spektakels eingerichtet worden ist.
Ohne dazu gezwungen zu sein, trennt er von sich aus Arbeit und Freizeit, wobei er eine scheinheilige Verachtung für die „Büffler“ und diejenigen an den Tag legt, die „den Scheinen nachjagen“. Er billigt alle Trennungen und beklagt sich dann in verschiedenen religiösen, sportlichen, politischen oder gewerkschaftlichen „Zirkeln“ über die Nichtkommunikation. Er ist so dumm und so unglücklich, daß er sich sogar spontan und massenweise der parapolizeilichen Kontrolle von Psychiatern und Psychologen anvertraut, die ihm die Avantgarde der modernen Unterdrückung zur Verfügung stellt, und die folglich von seinen „Vertretern“ begrüßt wird, die diese ,,Universitätsbüros für psychologische Hilfe“ (BAPU) für eine unerläßliche und verdiente Errungenschaft halten9.
Aber das wirkliche Elend des studentischen Alltags findet seinen unmittelbaren und fantastischen Ausgleich in seinem hauptsächlichen Opium: der kulturellen Ware. Im kulturellen Spektakel findet der Student ganz natürlich seinen Platz als respektvoller Schüler wieder. Nahe am Ort der Produktion, aber ohne ihn jemals zu betreten – das Heiligtum bleibt ihm untersagt – entdeckt der Student die „moderne Kultur“ als bewundernder Zuschauer. In einer Epoche, wo die Kunst tot ist, bleibt er nahezu allein den Theatern und Filmklubs treu und der gierigste Konsument ihres Leichnams, der tiefgekühlt und in Zellophan umhüllt in den Supermärkten an die Hausfrauen des Überflusses verteilt wird. Er nimmt ohne Vorbehalt, ohne Hintergedanken und ohne Distanz daran teil. Da ist er in seinem natürlichen Element. Wären die „Häuser der Kultur“ nicht vorhanden, der Student hätte sie erfunden. Er bestätigt vollkommen die banalsten Marktanalysen amerikanischer Soziologen: ostentativer Konsum, Differenzierung in der Werbung zwischen Produkten gleicher Nichtigkeit (Perec oder Robbe-Grillet, Godard oder Lelouch).
Sobald die „Götter“, die sein kulturelles Spektakel produzieren und organisieren, auf der Bühne leibhaftig werden, ist er ihnen ein treues Publikum, wie sie es sich erträumt haben. So nimmt er massenhaft an ihren obszönsten Darstellungen teil; wer, wenn nicht er, würde die Säle füllen, wenn z.B.: die Pfaffen der verschiedenen Kirchen ihre uferlosen Dialoge öffentlich vortragen (Wochen des sog. marxistischen Denkens, Tagungen katholischer Intellektueller) oder wenn die Überreste der Literatur ihre Unfähigkeit feststellen (fünftausend Studenten bei der Veranstaltung „Was kann die Literatur?“).
Echter Leidenschaft unfähig fmdet er seine höchste Lust in leidenschaftslosen Polemiken zwischen den Stars der Nicht-lntelligenz über falsche Probleme, deren Funktion es ist, die wirklichen zu verschleiern: Althusser – Garaudy – Sartre – Barthes – Picard – Lefebvre – Levi Strauss – Halliday – Chatelet – Antoine. Humanismus – Existenzialismus – Strukturalismus – Szientismus – Neuer Kritizismus -Kybernetismus – Planetismus – Metaphilosophismus.
In seiner Beflissenheit wähnt er sich zur Avantgarde gehörig, weil er den letzten Film Godards gesehen, das letzte argumentistische10 Buch gekauft, beim letzten Happening Lapassads, dieses Arschlochs, mitgemacht hat. Dieser Ignorant hält den blassesten Ersatz alter Experimente, die in ihrer Epoche wirklich wichtig waren und für den Markt versüßt worden sind, für „revolutionäre“, durch Markenzeichen garantierte Neuheiten. Die Hauptsache ist immer, seinen kulturellen Standard zu wahren. Der Student ist wie jedermann stolz darauf, die Taschenbuchausgaben einer Reihe wichtiger und schwieriger Texte zu kaufen, die die „Massenkultur“ in beschleunigtem Rhythmus auf den Markt wirft11. Nur kann er nicht lesen. Er begnügt sich damit, sie mit den Augen zu konsumieren.
Seine bevorzugte Lektüre bleiben die Fachzeitschriften, die den wahnsinnigen Konsum an Kulturgadgets orchestrieren; willig akzeptiert er ihre Werbebefehle und macht daraus das Standardmuster seines Geschmacks. Er fmdet seine größte Freude immer noch beim Lesen von „Express“ und „Le Nouvel Observateur“ oder glaubt, „Le Monde“, deren Stil ihn bereits überfordert, sei eine wahrhaft „objektive“ Zeitung, die die Aktualität widerspiegelt. Um seine Allgemeinbildung zu vertiefen, verschlingt er „Planete“, die magische Zeitschrift, die alle Falten und Pickel der alten Gedanken abschafft. Mithilfe solcher Führer glaubt er, an der modernen Welt teilzuhaben und sich mit der Politik vertraut zu machen.
Denn der Student freut sich mehr als alle anderen, politisiert zu sein. Er ignoriert bloß, daß er hieran durch dasselbe Spektakel teilhat. So eignet er sich all die lächerlichen zerfetzten Überbleibsel einer Linken wieder an, die schon vor mehr als vierzig Jahren durch den „sozialistischen“ Reformismus und die stalinistische Konterrevolution vernichtet wurde. Während die Macht das klar und die Arbeiter es auf konfuse Weise sehen, ignoriert der Student es immer noch. Mit schwachsinnigem Stolz nimmt er an den lächerlichsten Manifestationen teil, die nur ihn reizen. Bei ihm findet man das falsche politische Bewußtsein im Reinzustand und er bildet die ideale Basis für die Manipulationen der gespensterhaften Bürokraten der sterbenden Organisationen (von der sog. KP bis zur UNEF). Diese programmieren totalitär seine politische Linie; jede Abweichung oder Anwandlung von „Unabhängigkeit“ fügt sich nach einer Parodie des Widerstands wieder in eine Ordnung ein, die niemals einen Augenblick lang in Frage gestellt wurde12. Wenn er glaubt, sich darüber hinwegzusetzen, wie diese Leute, die sich durch eine wirkliche Krankheit der werbungsartigen Umkehrung, JCR (Jeunesse Communiste Revolutionnaire, Revolutionäre Kommunistische Jugend) nennen, während sie weder jung, kommunistisch noch revolutionär sind, dann nur, um sich freudig an die päpstliche Parole anzuschließen: „Friede in Vietnam“.
Der Student ist stolz darauf, sich den „Archaismen“ eines De Gaulle zu widersetzen, versteht aber nicht, daß er es im Namen vergangener Irrtümer tut, erkalteter Verbrechen (wie z.B. der Stalinismus in der Zeit von Togliatti – Garaudy – Chruschtschow – Mao), und daß damit seine Jugend noch viel archaischer ist als die Macht, die effektiv über alles verfügt, was nötig ist, um eine moderne Gesellschaft zu verwalten.
Aber beim Studenten kommt es auf einen Archaismus mehr oder weniger nicht an. So glaubt er, daß er allgemeine Ideen über alles haben muß, geschlossene Weltanschauungen, die seinem Bedarf an Unruhe und asexueller Promiskuität einen Sinn geben. Hintergangen durch die letzten Fieberanfälle der Kirche stürzt er sich deshalb auf das Gerümpel der Gerümpel, um den verwesten Kadaver Gottes anzubeten und sich an die zerfallenen Überbleibsel der vorgeschichtlichen Religion zu klammem, die er seiner und seiner Zeit würdig glaubt. Man wagt kaum zu betonen, daß das studentische Milieu zusammen mit dem der alten Landweiber, der Sektor mit dem größten Prozentsatz an praktizierter Religion und immer noch das beste „Missionsgebiet“ ist (während in allen anderen die Pfaffen entweder aufgefressen oder verjagt worden sind), wo Studentenpriester unverhohlen tausende von Studenten in ihrem geistlichen Scheißhaus weiter sodomisieren.
Sicherlich gibt es trotz allem unter den Studenten einige von genügendem intellektuellem Niveau. Diese meistern ohne Mühe die elenden Leistungskontrollen, die auf die Mittelmäßigen zugeschnitten sind und sie meistem sie gerade deswegen, weil sie das System durchschaut haben, es verachten und wissen, daß sie seine Feinde sind. Sie nehmen sich das Beste, was das Studiensystem zu bieten hat: die Stipendien. Indem sie die Lücken der Kontrolle ausnutzen, deren eigene Logik sie hier und heute dazu zwingt, einen kleinen rein intellektuellen Bereich der „Forschung“ aufrechtzuerhalten, treiben sie ruhig die Unruhe bis auf die Spitze: ihre offene Verachtung für das System paart sich mit der Hellsichtigkeit, die es ihnen gerade ermöglicht, stärker als die Diener des Systems zu sein – und zwar zuerst auf intellektuellem Gebiet. Diejenigen, von denen wir sprechen, gehören bereits zu den Theoretikern der kommenden revolutionären Bewegung und sind sich dessen bewußt, daß sie mit ihr zugleich an die Öffentlichkeit treten werden. Sie verheimlichen niemandem, daß sie das, was sie so leicht dem „Studiensystem“ entnehmen, zu dessen Zerstörung benutzen. Denn der Student kann gegen nichts rebellieren, ohne gegen seine Studien zu rebellieren und er spürt die Notwendigkeit dieser Rebellion weniger natürlich als der Arbeiter, der spontan gegen seine Lage rebelliert. Aber der Student ist ein Produkt der modernen Gesellschaft, genau wie Godard und Coca-Cola. Seine extreme Entfremdung kann nur durch die Kritik der ganzen Gesellschaft kritisiert werden. Keinesfalls kann diese Kritik auf dem studentischen Gebiet vollzogen werden: der Student als solcher maßt sich einen Pseudowert an, der ihm verbietet, sich seiner wirklichen Enteignung bewußt zu werden und er bleibt damit auf dem Gipfel des falschen Bewußtseins. Aber überall dort, wo die moderne Gesellschaft kritisiert zu werden beginnt, bricht eine Revolte der Jugend los, die unmittelbar einer totalen Kritik des studentischen Verhaltens entspricht.
Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen.
Nach einer langen Periode lethargischen Schlafs und permanenter Konterrevolution zeichnet sich seit einigen Jahren eine neue Periode der Kritik ab, deren Träger die Jugend zu sein scheint. Doch die Gesellschaft des Spektakels zwingt durch die Vorstellung, die sie von sich selbst und von ihren Feinden hat, ihre ideologischen Kategorien zum Verständnis der Welt und der Geschichte auf. Sie führt alles, was dort geschieht, auf den natürlichen Lauf der Dinge zurück, und schließt alles wirklich neue, das ihre Aufhebung ankündigt, in dem beschränkten Rahmen ihrer illusorischen Neuheiten ein. Die Revolte der Jugend gegen die Lebensweise, die ihr aufgezwungen wird, ist in Wirklichkeit nur das Vorzeichen einer umfassenderen Subversion, bei der alle mitwirken werden, die immer mehr die Unmöglichkeit zum Leben fühlen, das Vorspiel der nächsten revolutionären Epoche. Allein die herrschende Ideologie und ihre täglichen Organe können nur nach erprobten Mechanismen der Umkehrung der Wirklichkeit diese wirkliche historische Bewegung auf eine sozio-natürliche Pseudo-Kategorie reduzieren: die Idee der Jugend (in deren Wesen die Rebellion liegen sollte). So führt man eine neue Jugend der Revolte auf die ewige Revolte der Jugend zurück, die in jeder Generation aufs neue hervorbricht, um sich dann zu verflüchtigen, wenn „der junge Mensch durch den Ernst der Produktion und die auf wirkliche und konkrete Ziele gerichtete Tätigkeit erfaßt wird“. Die „Revolte der Jugend“ war und ist immer noch Gegenstand einer regelrechten journalistischen Inflation, die sie zum Spektakel einer möglichen zur Betrachtung dargebotenen „Revolte“ macht, um zu verhindern, daß sie gelebt wird, die abweichende – und schon integrierte – Sphäre, die zum Funktionieren des gesellschaftlichen Systems notwendig ist. Diese Revolte gegen die Gesellschaft beruhigt die Gesellschaft, da sie nach ihrer Meinung partiell bleibt, innerhalb der Apartheid der „Probleme“ der Jugend – so wie es Probleme der Frau oder der Schwarzen geben soll – und nur einen Teil des Lebens dauern wird. In Wirklichkeit gibt es ein Problem der „Jugend“ in der modernen Gesellschaft, weil die tiefe Krise dieser Gesellschaft am schärfsten von der Jugend gespürt wird13. Die Jugend ist als typisches Produkt der modernen Gesellschaft selbst modern, wenn sie sich bedenkenlos integriert oder sie radikal ablehnt. Das wirklich Erstaunliche ist nicht so sehr die Revolte der Jugend, als die Resignation der „Erwachsenen“. Dafür gibt es keine mythologische, sondern eine historische Erklärung: die vorige Generation hat alle Niederlagen kennengelernt und alle Lügen kompensiert, die die Periode des schmachvollen Zerfalls der revolutionären Bewegung begleitet haben.
Für sich genommen ist die „Jugend“ ein Werbemythos, der bereits mit der kapitalistischen Produktionsweise als Ausdruck ihrer Dynamik tief verbunden ist. Dieser illusorische Vorrang der Jugend wurde mit dem Wiederaufschwung der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg möglich, als eine ganze Schicht von beeinflußbareren Konsumenten den Markt überschwemmte, eine Rolle, die ein Integrierungspatent für die Gesellschaft des Spektakels garantiert. Aber die herrschende Erklärung der Welt findet sich von neuem im Widerspruch mit der sozio-ökonomischen Wirklichkeit (denn sie hat ihr gegenüber Verspätung) und gerade die Jugend behauptet als erste eine unwiderstehliche Lebensgier, und lehnt sich spontan gegen die alltägliche Langeweile und die tote Zeit auf, die die alte Welt weiterhin durch ihre verschiedenen Modernisierungen absondert. Der rebellierende Teil der Jugend drückt die reine Verweigerung ohne das Bewußtsein einer Perspektive der Aufhebung aus, ihre nihilistische Verweigerung. Diese Perspektive wird überall auf der Welt gesucht und gebildet. Sie muß zur Kohärenz der theoretischen Kritik und zur praktischen Organisation dieser Kohärenz gelangen.
Auf der elementarsten Ebene drücken in allen Ländern die „Rocker14“ mit der größten offensichtlichen Gewalt die Verweigerung ihrer Integration aus. Aber der abstrakte Charakter ihrer Verweigerung läßt ihnen keine Chance, den Widersprüchen eines Systems zu entkommen, dessen spontanes negatives Produkt sie sind. Die „Rocker“ werden durch alle gegenwärtigen Aspekte der gegenwärtigen Ordnung erzeugt: den Urbanismus der Trabantensiedlungen, die Auflösung der Werte, die Ausdehnung der immer länger werdenden Konsumfreizeit, die das gesamte tägliche Leben immer weiter umfassende humanistisch-polizeiliche Kontrolle, das ökonomische Fortleben der jeder Bedeutung beraubten Familienzelle. Sie verachten zwar die Arbeit, aber sie akzeptieren die Waren. Sie möchten sofort alles haben, was die Werbung ihnen zeigt, und ohne es bezahlen zu können. Dieser Grundwiderspruch beherrscht ihre ganze Existenz und bildet den Rahmen, in dem ihr Behauptungsversuch zur Suche nach einem wirklich freien Gebrauch der Zeit, die individuelle Behauptung sowie die Bildung einer Art Gemeinschaft eingeschlossen werden. (Allein, solche Mikrogemeinschaften stellen am Rand der entwickelten Gesellschaft einen Primitivismus wieder her, in dem das Elend zwangsläufig die Hierarchie innerhalb der Bande wieder erzeugt. Diese Hierarchie kann sich nur im Kampf gegen andere Banden behaupten und isoliert jede Bande und in jeder Bande das Individuum). Um diesen Widerspruch zu verlassen, muß der „Rocker“ schließlich arbeiten, um Waren zu kaufen – und dann steht ein Produktionssektor eigens für seine Rekuperierung als Konsument bereit (Motorräder, elektrische Gitarren, Kleidung, Schallplatten usw.) – oder er muß die Warengesetze angreifen, entweder auf primäre Weise, indem er die Waren stiehlt, oder auf bewußte Weise, indem er sich zur revolutionären Kritik der Warenwelt entwickelt. Der Konsum besänftigt die Sitten dieser jungen Rebellen und ihre Revolte fällt in den schlimmsten Konformismus zurück. Aus der Welt der Rocker gibt es nur zwei Ausgangsmöglichkeiten: das revolutionäre Bewußtsein oder der blinde Gehorsam in den Fabriken.
Die Provos15 stellen die erste Form der Aufhebung des „Rocker“-Experiments dar, die Organisation ihres ersten politischen Ausdrucks: Sie sind aus dem Zusammenkommen einiger Überreste der aufgelösten Kunst auf der Suche nach Erfolg und einer Masse junger Rebellen auf der Suche nach Selbstbehauptung entstanden. Durch ihre Organisation sind die einen und die anderen weitergekommen und zu einer neuen Art von Kritik gelangt. Die „Künstler“ haben einige Tendenzen zum Spiel mitgebracht, die immer noch sehr mystifiziert und mit ideologischem Ballast beladen waren; die jungen Rebellen hatten ihrerseits nur die Gewalt ihrer Revolte. Von Anfang an blieben beide Tendenzen in der Organisation getrennt; die Masse ohne Theorie geriet gleich unter die Vormundschaft einer kleinen Schicht verdächtiger Führer, die versuchten, ihre „Macht“ durch Absonderung einer provotarischen Ideologie aufrechtzuerhalten. Statt daß die Gewalt der „Rocker“ bei einem Versuch zur Aufhebung der Kunst auf die Ebene der Ideen übertragen wird, gewann der neokünstlerische Reformismus die Oberhand. Die Provos sind der Ausdruck des letzten vom modernen Kapitalismus erzeugten Reformismus: des Reformismus des alltäglichen Lebens. Während nicht weniger als eine ununterbrochene Revolution nötig ist, um das Leben zu verändern, glaubte die Provo-Hierarchie – wie Bernstein den Kapitalismus durch Reformen in den Sozialismus zu überführen meinte – einige Verbesserungen würden genügen, um das alltägliche Leben zu verändern. Indem die Provos das Fragmentarische wählen, akzeptieren sie schließlich die Totalität. Um sich eine Basis zu geben, haben ihre Führer die lächerliche Ideologie des Provotariats erfunden (einen Salat aus Kunst und Politik, naiv gemischt aus den vermoderten Resten einer Fete, die sie nicht gekannt haben), die nach ihrer Meinung dazu bestimmt ist, der angeblichen Passivität und Verbürgerlichung des Proletariats, dieser allgemeinen Binsenweisheit aller Kretins des Jahrhunderts, entgegenzuwirken. Da sie daran verzweifeln, die Totalität umzuwandeln, verzweifeln sie an den einzigen Kräften, die die Hoffnung auf eine mögliche Aufhebung tragen. Das Proletariat ist der Motor der kapitalistischen Gesellschaft und deshalb ihre Lebensgefahr: es wird alles getan, um es zu unterdrücken (Parteien, Gewerkschaftsbürokratien, häufigere Polizeieinsätze als gegen die Provos, Kolonisierung seines gesamten Lebens), denn es ist die einzige wirklich bedrohende Kraft. Die Provos haben davon nichts verstanden; sie bleiben also unfähig, das Produktionssystem zu kritisieren und folglich Gefangene des gesamten Systems. Als ihre Basis sich bei einem Arbeiteraufstand gegen die Gewerkschaften der direkten Gewalt angeschlossen hatte, wurden die Führer durch die Bewegung völlig überrannt und in ihrer Bestürzung wußten sie nichts besseres, als die „Exzesse“ zu denunzieren und an den Pazifismus zu appellieren; damit gaben sie auf jämmerliche Weise ihr Programm auf: die Autoritäten zu provozieren, um ihren repressiven Charakter zu zeigen (und sie haben laut proklamiert, die Polizei habe provoziert). Und als Höhepunkt haben sie die jungen Aufrührer über Radio dazu aufgefordert, sich von den Provos belehren zu lassen, d.h. von ihren Führern, die hinreichend gezeigt hatten, daß ihr vager „Anarchismus“ nur eine zusätzliche Lüge war. Die rebellierende Provo-Basis kann erst dann zur revolutionären Kritik gelangen, wenn sie damit anfängt, sich gegen ihre Chefs aufzulehnen, d.h. sich an die objektiven revolutionären Kräfte des Proletariats anschließt, und sich des königlich-niederländischen Hofkünstles Constant oder des mißglückten Parlamentariers und Bewunderers der englischen Polizei De Vries entledigt. Nur so können sich die Provos an die authentische moderne Kritik anschließen, die schon eine wirkliche Basis bei ihnen hat. Wenn sie die Welt wirklich verändern wollen, brauchen sie diejenigen nicht, die sich damit begnügen, sie weiß anzustreichen.
Die amerikanischen Studenten haben mit ihrer Revolte gegen ihre Studien unmittelbar eine Gesellschaft in Frage gestellt, die solche Studien braucht. Genauso wie ihre Revolte (in Berkeley und anderswo) gegen die Universitätshierarchie sich von Anfang an als eine Revolte behauptet hat, die gegen das ganze, auf der Hierarchie und der Diktatur der Ökonomie und des Staates basierende gesellschaftliche System gerichtet war. Indem sie sich weigern, in die Unternehmen integriert zu werden, für die sie ganz natürlich ihre spezialisierten Studien prädestiniert haben, stellen sie ein Produktionssystem tiefgreifend in Frage, in dem alle Tätigkeiten und ihr Produkt dem Produzenten völlig entgehen. So gelangt die rebellierende amerikanische Jugend durch tastende Versuche und eine immer noch sehr große Konfusion dahin, innerhalb der „Überflußgesellschaft“ nach einer kohärenten revolutionären Alternative zu suchen. Noch hält sie sich bei zwei relativ zufälligen Aspekten der amerikanischen Krise auf: den Schwarzen und Vietnam; und die kleinen Organisationen der „Neuen Linken“ haben darunter schwer zu leiden. Wenn auch in ihrer Form eine authentische Forderung nach Demokratie spürbar ist, so läßt sie doch die Schwäche ihres subversiven Inhalts in gefährliche Widersprüche zurückfallen. Ihre Feindseligkeit gegenüber der traditionellen Politik der alten Organisationen wird leicht durch Unkenntnis der politischen Welt absorbiert, die in einem großen Informationsmangel und Illusionen über das, was tatsächlich in der Welt passiert, ihren Ausdruck findet. Die abstrakte Feindseligkeit gegenüber ihrer Gesellschaft führt sie dazu, ihre eigenen offensichtlichsten Feinde – die sog. sozialistischen Bürokratien, China oder Kuba – zu bewundern und zu unterstützen. So findet man in einer Gruppe wie „RYM“ das Todesurteil für den Staat und das Lob der „Kulturrevolution“, die von der gigantischsten Bürokratie der Neuzeit, Maos China, geführt wird. Ihre halblibertäre und führungslose Organisation läuft jeden Augenblick Gefahr, in die Ideologie der „Gruppendynamik“ oder die abgeschlossene Welt einer Sekte zurückzufallen. Der Massenkonsum von Drogen ist Ausdruck für ein wirkliches Elend und einen Protest gegen dieses wirkliche Elend: er ist die trügerische Suche nach Freiheit in einer Welt ohne Freiheit, die religiöse Kritik einer Welt, die selbst über die Religion hinausgegangen ist. Nicht zufällig findet man die Drogen vor allem bei den beatniks (diesem rechten Flügel der rebellierenden Jugend), als Herd der ideologischen Verweigerung und der Aufnahme des fantastischen Aberglaubens (Zen, Spiritismus, Mystizismus der „New Church“ und sonstige verfaulte Waren wie Ghandiismus oder Humanismus …). Auf der Suche nach einem revolutionären Programm verfallen die amerikanischen Studenten in denselben Irrtum wie die Provos und proklamieren sich als „die am meisten ausgebeutete Klasse der Gesellschaft“; sie müssen von jetzt an begreifen, daß ihre Interessen mit den Interessen aller identisch sind, die der generalisierten Unterdrückung und der Warensklaverei unterworfen sind.
Aber auch im Osten beginnt der bürokratische Totalitarismus mit der Erzeugung seiner negativen Kräfte. Dort ist die Revolte der Jugendlichen besonders heftig und sie wird nur durch die Denunziation der verschiedenen Organe des Apparats bekannt oder durch polizeiliche Maßnahmen, die dieser ergreift, um sie in Schach zu halten. So erfahren wir, daß ein Teil der Jugend die Ordnung von Moral und Familie (so wie sie dort in ihrer spießigsten und hassenswertesten Form existiert) nicht mehr „respektiert“, „ausschweifend“ lebt, die Arbeit verachtet und sich nicht länger der Parteipolizei fügt. In der UdSSR hat man einen speziellen Minister für die Bekämpfung des Hooliganismus ernannt. Aber parallel zu dieser diffusen Revolte versucht eine reflektierte Kritik sich zu behaupten und kleine untergründige Gruppen oder Zeitschriften erscheinen und verschwinden im Rhythmus der polizeilichen Repression. Das bedeutendste Ereignis war die Veröffentlichung des „Offenen Briefes an die polnische Arbeiterpartei16“ der jungen Polen Kuron und Modzelewski. In diesem Text fordern sie ausdrücklich „die Abschaffung der Produktionsverhältnisse und der gegenwärtigen gesellschaftlichen Beziehungen“ und sehen ein, daß zu diesem Zweck „die Revolution unvermeidlich ist“. Die Intelligenz der Ostblockländer bemüht sich gegenwärtig darum, die Gründe dieser Kritik bewußt zu machen und klar zu formulieren, die proletarische Kritik an der bürokratischen Klassenmacht, die von den Arbeitern in Ost-Berlin, Warschau und Budapest konkretisiert worden ist. Diese Kritik leidet schwer unter dem Nachteil, sofort die wirklichen Probleme und ihre Lösungen offenzulegen. Während in den anderen Ländern die Bewegung möglich ist, aber das Ziel mystifiziert bleibt, ist in den östlichen Bürokratien die Kritik frei von Illusionen und ihre Ziele sind bekannt. Sie muß die Formen ihrer Verwirklichung erfinden und sich den Weg dorthin bahnen.
In England hat die Revolte der Jugend ihren ersten organisierten Ausdruck in der Anti-Atom-Kampagne gefunden. Dieser partielle Kampf – den das „Komitee der 100“ mit seinem vagen Programm und immerhin 300 000 Demonstranten aufnahm – verwirklichte seine schönste Geste im Frühling 1963 im RSG 6-Skandal17. Er konnte aus Mangel an Perspektive nur zurückfallen und wurde von den Überresten der traditionellen Politik und den pazifistischen Schöngeistern rekuperiert. Die für England charakteristische archaische Form der Kontrolle über das alltägliche Leben konnte dem Ansturm der modernen Welt nicht widerstehen und die beschleunigte Auflösung jahrhundertealter Werte löst grundlegend revolutionäre Tendenzen in der Kritik aller Aspekte der Lebensweise aus18. Die Forderungen dieser Jugend müssen sich an den Widerstand einer Arbeiterklasse anschließen, die mit ihren shopstewards und wilden Streiks zu den kampflustigsten der Welt gehört; nur in einer gemeinsamen Perspektive kann ihr Kampf erfolgreich sein. Durch den Zusammenbruch der Sozialdemokratie an der Macht wird dieser Begegnung nur eine zusätzliche Chance gegeben. Eine solche Begegnung wird zu einer Explosion führen, die viel schreckenerregender sein wird als alles, was man in Amsterdam schon gesehen hat. Ihr gegenüber wird der provotarische Aufstand nur ein Kinderspiel gewesen sein. Nur daraus kann eine echte revolutionäre Bewegung entstehen, in der die praktischen Bedürfnisse ihre Antwort finden werden.
Das einzige industriell entwickelte Land, in dem sich eine Fusion von studentischer Jugend und Avantgarde der Arbeiter bereits vollzogen hat, ist Japan.
„Zengakuren“, die berühmte Organisation der revolutionären Studenten und die „Liga junger marxistischer Arbeiter“ sind die beiden wichtigen Organisationen, die sich auf der gemeinsamen Perspektive der „Revolutionär kommunistischen Liga“ gebildet haben. Diese Gruppen haben bereits das Problem der revolutionären Organisation in Angriff genommen. Ohne Illusionen bekämpfen sie gleichzeitig den Kapitalismus des Westens und die Bürokratie der sog. sozialistischen Länder. Auf der Basis demokratischer und anti-hierarchischer Teilnahme aller Mitglieder an allen Aktivitäten haben sie bereits einige tausend Studenten und Arbeiter versammelt. So führen die japanischen Revolutionäre als erste auf der Welt schon groß angelegte Kampagnen mit weit entwickeltem Programm und breiter Massenbeteiligung. Ständig gehen Tausende von Arbeitern und Studenten auf die Straße und stoßen heftig mit der japanischen Polizei zusammen. Aber obwohl die RKL die beiden Systeme stark bekämpft, analysiert sie diese weder vollständig noch konkret. Sie bemüht sich noch um eine präzise Definition der bürokratischen Ausbeutung, so wie es ihr auch noch nicht gelungen ist, die Merkmale des modernen Kapitalismus, die Kritik des alltäglichen Lebens und des Spektakels ausdrücklich zu formulieren. Dennoch bleibt die RKL grundsätzlich eine politische Organisation der Avantgarde und Erbin der besten klassischen proletarischen Organisationsform. Gegenwärtig ist sie die wichtigste revolutionäre Gruppierung und von nun an muß sie einer der Diskussions- und Kristallisationspole für die neue revolutionäre proletarische Kritik auf der Welt sein.
Endlich die Situation schaffen, die jede Rückkehr unmöglich macht.
„Avantgarde sein heißt, mit der Wirklichkeit Schritt halten“19. Die radikale Kritik an der modernen Welt muß jetzt die Totalität zum Gegenstand und zum Ziel haben. Sie muß untrennbar ihre wirkliche Vergangenheit, das, was sie wirklich ist und die Perspektiven ihrer Veränderung betreffen. Um die ganze Wahrheit der gegenwärtigen Welt sagen und mehr noch das Projekt ihrer totalen Subversion formulieren zu können, muß man imstande sein, ihre ganze verborgene Geschichte zu enthüllen, d.h. völlig entmystifiziert und grundsätzlich kritisch die Geschichte der gesamten internationalen revolutionären Bewegung mit ihren Niederlagen und Siegen zu betrachten, die das Proletariat der westlichen Länder vor mehr als einem Jahrhundert ausgelöst hat. „Diese Bewegung gegen die gesamte Organisation der alten Welt ist längst zu Ende“20 und gescheitert. Mit der Niederlage der proletarischen Revolution in Spanien (Barcelona im Mai 1937) ist sie zum letztenmal geschichtlich in Erscheinung getreten. Ihre offiziellen „Niederlagen“ oder „Siege“ müssen jedoch im Licht ihrer Verlängerungen beurteilt und ihre Wahrheit wiederhergestellt werden. So können wir behaupten, daß „es Niederlagen gibt, die Siege sind und Siege, die beschämender sind als Niederlagen“ (Karl Liebknecht am Vortage seiner Ermordung). Die erste große „Niederlage“ der proletarischen Macht, die Pariser Kommune, stellt in Wirklichkeit ihren ersten großen Sieg dar, denn zum ersten Mal hat das „primitive“ Proletariat seine geschichtliche Fähigkeit behauptet, frei alle Aspekte des öffentlichen Lebens zu gestalten. Entsprechend war ihr erster großer „Sieg“, die bolschewistische Revolution, letzten Endes nur ihre folgenschwerste Niederlage. Der Triumph der bolschewistischen Ordnung fällt mit der Bewegung der internationalen Konterrevolution zusammen, die mit der Zerschlagung der Spartakisten durch die deutsche „Sozialdemokratie“ ihren Anfang nahm. Ihr gemeinsamer Triumph war tiefer als ihr scheinbarer Gegensatz und diese bolschewistische Ordnung stellte schließlich nur eine neue Verkleidung und eine besondere Gestalt der alten Ordnung dar. Die Ergebnisse der russischen Konterrevolution waren im Innern die Einführung und Entwicklung einer neuen Ausbeutungsweise, des bürokratischen Staatskapitalismus, und im Äußeren die Vervielfachung der Sektionen der sog. Kommunistischen Internationale als Zweigstellen für die Verteidigung und Ausweitung seines Modells. Damit blühte der Kapitalismus in seinen bürokratischen und bürgerlichen Varianten von neuem auf den Gräbern der Kronstädter Matrosen und der ukrainischen Bauern, der Arbeiter aus Berlin, Kiel, Turin, Shanghai und später Barcelona.
Die Bolschewiken hatten die III. Internationale offenbar mit dem Ziel gegründet, die Überreste der reformistischen Sozialdemokratie der II. Internationale zu bekämpfen und die proletarische Avantgarde innerhalb der „revolutionären kommunistischen Parteien“ zu sammeln. Aber sie war mit ihren Gründern und deren Interessen zu sehr verbunden, um die wirkliche sozialistische Revolution, wo es auch sein mochte, verwirklichen zu können. Tatsächlich war die II. Internationale die Wahrheit der III. Sehr bald drängte sich das russische Modell der Arbeiterorganisationen im Westen auf und sie entwickelten sich in ein und dieselbe Richtung. Der totalitären Diktatur der Bürokratie als neuer herrschender Klasse über das russische Proletariat entsprach innerhalb dieser Organisationen die Herrschaft einer Schicht von politischen und gewerkschaftlichen Bürokraten über die breite Arbeitermasse, deren Interessen eindeutig mit den ihren in Widerspruch stehen. Das stalinistische Ungeheuer geisterte im Bewußtsein der Arbeiter umher, während der Kapitalismus auf dem Weg zur Bürokratisierung und Überentwicklung seine inneren Krisen bewältigte und sich stolz dieses angeblich dauerhaften Siegs rühmte. Eine und dieselbe Gesellschaftsform, nur zum Schein widerstreitend und verschiedenartig, bemächtigt sich der Welt und die Prinzipien der alten Welt herrschen auch weiterhin über die moderne Welt. Die Toten lasten immer noch wie ein Alp auf dem Gehirn der Lebenden.
Innerhalb dieser Welt bekämpfen angeblich revolutionäre Organisationen sie auf ihrem eigenen Gebiet nur scheinbar und durch die größten Mystifikationen. Alle berufen sich auf mehr oder weniger versteinerte Ideologien und nehmen letzten Endes nur an der Konsolidierung der herrschenden Ordnung teil. Aus den von der Arbeiterklasse als Mittel zu ihrer eigenen Emanzipation geschmiedeten Gewerkschaften und politischen Parteien sind bloße Regulierungsorgane des Systems geworden, Privateigentum von Führern, die für ihre besondere Emanzipation arbeiten und ihren Status in der Führungsschicht einer Gesellschaft finden, die sie niemals in Frage zu stellen gedenken. Das tatsächliche Programm dieser Gewerkschaften und Parteien übernimmt nur auf platte Weise die „revolutionäre“ Phraseologie und wendet praktisch die Parolen des versüßten Reformismus an, da der Kapitalismus selbst offiziell reformistisch wird. Da, wo sie die Macht ergreifen konnten, – in Ländern, die rückständiger waren als Rußland – geschah dies nur, um das stalinistische Modell des konterrevolutionären Totalitarismus zu reproduzieren21. Anderswo sind sie die statische und notwendige Ergänzung22 zur Selbstregulierung des bürokratisierten Kapitalismus, der zur Aufrechterhaltung seines polizeilichen Humanismus unerläßliche Widerspruch. Andererseits bleiben sie gegenüber den Arbeitermassen die zuverlässigen Garanten und bedingungslosen Verteidiger der bürokratischen Konterrevolution, die fügsamen Werkzeuge ihrer Außenpolitik. In einer von Grund auf verlogenen Welt sind sie die Träger der gründlichsten Lüge und arbeiten an der Verewigung der weltweiten Diktatur von Ökonomie und Staat. Wie die Situationisten behaupten, „wird ein weltweit herrschendes, zur totalitären Selbstregulierung hin tendierendes Gesellschaftsmodell durch falsche Kritiken nur scheinbar bekämpft, die ständig auf seinem eigenen Gebiet getätigt werden – sie sind Illusionen, die dieses Modell im Gegenteil verstärken. Der bürokratische Pseudosozialismus ist nur die großangelegte Verkleidung der alten hierarchischen Welt der entfremdeten Arbeit23.“ Die Idee einer Studentengewerkschaft ist hierbei nur die Karikatur einer Karikatur, die groteske und unnütze Wiederholung eines entarteten Syndikalismus.
Die theoretische und praktische Abrechnung mit dem Stalinismus in allen seinen Formen muß die Basisbanalität aller zukünftigen revolutionären Organisationen sein. Es ist klar, daß z.B. in Frankreich, wo die ökonomische Verspätung das Bewußtsein von der Krise noch mehr verzögert, die revolutionäre Bewegung nur auf den Trümmern des vernichteten Stalinismus wieder entstehen kann. Die Zerstörung des Stalinismus muß zur delenda est Carthago (lat. Karthago muß zerstört werden; Formel für: unabdingbare Notwendigkeit.) der letzten Revolution der Vorgeschichte werden.
Diese muß selbst endgültig mit ihrer eigenen Vorgeschichte brechen und ihre ganze Poesie aus der Zukunft schöpfen. Die „wiederauferstandenen Bolschewisten“, welche die Posse der „Militanz24“ in den verschiedenen linksradikalen Grüppchen spielen, sind Relikte der Vergangenheit, und kündigen keineswegs die Zukunft an. Als Strandgut des großen Schiffsbruchs der „verratenen Revolution“ stellen sie sich selbst als die treuen Anhänger der bolschewistischen Orthodoxie vor: Die Verteidigung der Sowjetunion ist ihre unerschütterliche Treue und ihr skandalöser Verzicht.
Nur noch in den berühmten unterentwickelten Ländern können sie Illusionen über sich aufrechterhalten25, wodurch sie selbst deren theoretische Unterentwicklung bestätigen. Von „Partisans“ (dem Organ der stalino-trotzkistischen Versöhnung) bis zu allen Tendenzen oder Halbtendenzen, die sich innerhalb und außerhalb der IV. Internationale um „Trotzki“ streiten, herrscht dieselbe revolutionaristische Ideologie und dieselbe praktische Unfähigkeit, die Probleme der modernen Welt zu begreifen. 40 Jahre konterrevolutionäre Geschichte trennen sie von der Revolution. Sie haben Unrecht, denn sie sind nicht mehr im Jahr 1920, und schon 1920 hatten sie Unrecht. Die Auflösung der „ultra-linken“ Gruppe „Socialisme ou Barbarie“ nach ihrer Spaltung in zwei Fraktionen – des „modernistischen Cardan26-“ und des „alt-marxistischen“ (Pouvoir Ouvrier-) Flügels – beweist, falls es noch notwendig ist, daß es keine Revolution außerhalb des Modernen und kein modernes Denken außerhalb der neu zu erfindenden revolutionären Kritik gibt27. Sie ist insoweit bedeutungsvoll, als jede Trennung zwischen diesen beiden Aspekten unvermeidlich entweder ins Museum der beendeten revolutionären Vorgeschichte zurückfällt oder in die Modernität der Macht, d.h. in die herrschende Konterrevolution: „Voix Ouvriere“ oder „Arguments“.
Was die verschiedenen „anarchistischen“ Grüppchen betrifft, die in dieser Benennung zusammen gefangen bleiben, besitzen sie nichts anderes als diese auf ein blosses Etikett reduzierte Ideologie. Die unglaubliche „Monde Libertaire“, offensichtlich von Studenten verfaßt, erreicht den fantastischsten Grad an Konfusion und Dummheit. Diese Leute dulden tatsächlich alles, da sie sich untereinander dulden.
Die herrschende Gesellschaft, die sich ihrer permanenten Modernisierung rühmt, muß jetzt ein Gegenüber finden, d.h. die modernisierte Negation, die sie selbst erzeugt28. „Lassen wir die Toten ihre Toten begraben und sie beweinen“. Die praktische Entmystifizierung befreit das revolutionäre Bewußtsein von den Gespenstern, die in ihm herumgeisterten; die Revolution des alltäglichen Lebens findet sich den riesigen Aufgaben gegenüber, die sie erfüllen muß. Die Revolution muß zusammen mit dem Leben, das sie ankündigt, neu erfunden werden. Wenn das revolutionäre Projekt, nämlich die Abschaffung der Klassengesellschaft, grundsätzlich gleich geblieben ist, so liegt das daran, daß die Bedingungen, unter denen es sich formt, nirgends radikal verändert worden sind. Es geht darum, dieses Projekt mit einem Radikalismus und einer Kohärenz wieder aufzunehmen, die durch die Erfahrung des Bankrotts seiner alten Träger verstärkt werden, um zu vermeiden, daß seine fragmentarische Verwirklichung eine neue Teilung der Gesellschaft mit sich bringt.
Da es in dem Kampf zwischen der Macht und dem neuen Proletariat nur um die Totalität gehen kann, muß die zukünftige revolutionäre Bewegung in sich selbst alles abschaffen, was die entfremdeten Produkte des Warensystems29 zu reproduzieren droht. Sie muß zugleich die lebendige Kritik und die Negation sein, die in sich alle Elemente der möglichen Aufhebung trägt. Wie Lukacs30 richtig gesehen hat (der es aber auf ein unwürdiges Objekt anwandte: die bolschewistische Partei), ist die revolutionäre Organisation die notwendige Vermittlung zwischen Theorie und Praxis, Mensch und Geschichte, Arbeitermasse und Proletariat als Klasse konstituiert. Die „theoretischen“ Tendenzen und Divergenzen müssen sofort in die Frage der Organisation umgewandelt werden, wenn sie den Weg ihrer Verwirklichung aufzeigen wollen. Die Frage der Organisation wird das jüngste Gericht der neuen revolutionären Bewegung sein, das Gericht, vor dem die Kohärenz ihres wesentlichen Projekts beurteilt wird: die internationale Verwirklichung der absoluten Macht der Arbeiterräte, wie sie sich in den proletarischen Revolutionen dieses Jahrhunderts als Erfahrung abzeichnete. Eine solche Organisation muß die radikale Kritik all dessen in den Vordergrund stellen, worauf sich die Gesellschaft gründet, die sie bekämpft; und zwar die Warenproduktion, die Ideologie in allen Verkleidungen, den Staat und die von ihm erzwungenen Trennungen.
Die Trennung zwischen Theorie und Praxis war der Felsen, der der alten revolutionären Bewegung den Weg versperrte. Nur die höchsten Momente der proletarischen Kämpfe konnten diese Trennung aufheben, um ihre Wahrheit wiederzufinden. Keine Organisation ist bisher über dieses Rhodos hinübergesprungen31. Jede Ideologie, so „revolutionär“ sie auch sein mag, steht immer im Dienst der Herrschenden, ein Alarmsignal, das vor dem verkleideten Feind warnt. Deshalb muß die Kritik der Ideologie in letzter Konsequenz das zentrale Problem der revolutionären Organisation sein. Nur die entfremdete Welt erzeugt die Lüge und diese kann unmöglich innerhalb einer Organisation wiedererscheinen, die die Trägerin der gesellschaftlichen Wahrheit zu sein behauptet, ohne daß sie selbst zu einer Lüge mehr in einer grundsätzlich verlogenen Welt wird.
Die revolutionäre Organisation, deren Projekt es ist, die absolute Macht der Arbeiterräte zu verwirklichen, muß der Ort sein, in dem sich bereits alle positiven Aspekte dieser Macht abzeichnen. Deshalb muß sie einen Kampf auf Leben und Tod gegen die leninistische Organisationstheorie führen. Die Revolution von 1905 und die spontane Organisation der russischen Arbeiter in Räten war bereits eine handelnde Kritik32 dieser unheilvollen Theorie. Aber die bolschewistische Bewegung bestand auf ihrem Glauben, daß die Arbeiterspontaneität nicht über das „trade-unionistische“ Bewußtsein hinausgehen könne und unfähig sei, „die Totalität“ zu begreifen. Das lief darauf hinaus, das Proletariat zu enthaupten, damit die Partei zum „Kopf“ der Revolution werden konnte. Man kann dem Proletariat nicht so unerbittlich wie Lenin die geschichtliche Fähigkeit zur Emanzipation abstreiten, ohne ihm zugleich die Fähigkeit abzustreiten, die zukünftige Gesellschaft total zu verwalten. In einer solchen Perspektive bedeutete die Parole „Alle Macht den Räten“ nichts anderes als die Eroberung der Räte durch die Partei, die Einführung des Staates der Partei anstelle des absterbenden „Staates“ des bewaffneten Proletariats.
Gerade diese Parole muß jedoch radikal wieder aufgenommen werden, indem sie von den bolschewistischen Hintergedanken gereinigt wird. Das Proletariat kann sich dem Spiel der Revolution nur hingeben, um eine ganze Welt zu gewinnen, andernfalls ist es nichts. Es kann die einzige Form seiner Macht – die generalisierte Selbstverwaltung – mit keiner anderen Macht teilen. Weil es die wirkliche Auflösung jeder Macht ist, kann es unmöglich irgendwelche Begrenzung (geographischer oder sonstiger Art) dulden; die Kompromisse, die es akzeptiert, verwandeln sich sofort in Kompromittierungen, in Verzicht. „Die Selbstverwaltung muß zugleich Mittel und Zweck des gegenwärtigen Kampfes sein. Sie ist nicht nur der Einsatz des Kampfes, sondern auch seine angemessene Form … Sie ist ihre eigene Materie, die sie bearbeitet und ihre eigene Voraussetzung33.“
Die einheitliche Kritik der Welt ist die Garantie für Kohärenz und Wahrheit der revolutionären Organisation. Die Existenz von Unterdrückungssystemen an einem einzigen Punkt der Welt zu dulden (weil sie z.B. „revolutionäre“ Klamotten tragen) heißt, die Legitimität der Unterdrückung anzuerkennen. Ebenso wie die Entfremdung auf einem einzigen Gebiet des gesellschaftlichen Lebens zu dulden heißt, die Zwangsläufigkeit aller Verdinglichung anzuerkennen. Es genügt nicht, für die abstrakte Macht der Arbeiterräte zu sein, sondern es gilt ihre konkrete Bedeutung aufzuzeigen: die Abschaffung der Warenproduktion und folglich des Proletariats. Die Logik der Ware ist die erste und letzte Rationalität der gegenwärtigen Gesellschaften, die mit Puzzles vergleichbar sind, deren Teile scheinbar so verschieden, in Wirklichkeit aber äquivalent sind. Die Warenverdinglichung ist das wesentliche Hemmnis zu einer totalen Emanzipation, zur freien Konstruktion des Lebens. In der Welt der Warenproduktion entwickelt sich die Praxis nicht gemäß einem autonom bestimmten Ziel, sondern gemäß den Anweisungen äußerer Mächte. Und wenn die ökonomischen Gesetze scheinbar zu Naturgesetzen einer besonderen Art werden, dann deshalb, weil ihre Macht allein auf dem „Mangel an Bewußtsein derer, die daran teilnehmen“, beruht.
Das Prinzip der Warenproduktion ist der Verlust des Ichs in der chaotischen und unbewußten Schaffung einer Welt, die ihren Schöpfern völlig entgleitet. Im Gegensatz dazu ist der radikal revolutionäre Kern der generalisierten Selbstverwaltung die bewußte Bestimmung des gesamten Lebens durch alle. Die Selbstverwaltung der Warenentfremdung würde aus allen Menschen bloße Programmierer ihres eigenen Überlebens machen: die Quadratur des Kreises. Folglich wird die Aufgabe der Arbeiterräte nicht die Selbstverwaltung der bestehenden Welt, sondern ihre ununterbrochene, qualitative Umwandlung sein: die konkrete Aufhebung der Ware (als gigantische Umlenkung der Produktion des Menschen durch sich selbst).
Diese Aufhebung impliziert selbstverständlich die Abschaffung der Arbeit und ihre Ersetzung durch einen neuen Typ freier Tätigkeit, also die Abschaffung einer der grundsätzlichen Trennungen der modernen Gesellschaft zwischen einer zunehmend verdinglichten Arbeit und passiv konsumierter Freizeit. Heute im Zerfließen begriffene Grüppchen wie „Socialisme ou Barbarie“ oder „Pouvoir Ouvriere“34 , die sich doch der modernen Parole der Arbeitermacht angeschlossen hatten, folgten in diesem zentralen Punkt weiter der alten Arbeiterbewegung auf dem Weg des Reformismus der Arbeit und ihrer „Humanisierung“. Die Arbeit selbst muß jetzt angegriffen werden. Weit davon entfernt, eine „Utopie“ zu sein, ist ihre Abschaffung die Vorbedingung der wirklichen Aufhebung der Warengesellschaft, der Beseitigung der Trennung – im alltäglichen Leben jedes Einzelnen – zwischen „Freizeit“ und „Arbeitszeit“ als komplementäre Sektoren eines entfremdeten Lebens, in das der innere Widerspruch der Ware zwischen Gebrauchs- und Tauschwert unendlich projiziert wird. Nur jenseits dieses Widerspruchs kann der Mensch aus einer vitalen Aktivität einen Gegenstand seines Willens und seines Bewußtseins machen und sich selbst in einer Welt betrachten, die er selbst geschaffen hat. Die Demokratie der Arbeiterräte ist die Lösung des Rätsels aller gegenwärtigen Trennungen. Sie macht alles „unmöglich, was außerhalb der Individuen existiert“.
Die bewußte Beherrschung der Geschichte durch die Menschen, die sie machen, das ist das revolutionäre Projekt. Die Geschichte ist heute wie in der Vergangenheit das Produkt der gesellschaftlichen Praxis, das – unbewußte – Ergebnis aller menschlichen Tätigkeiten. Der Kapitalismus hat in der Epoche seiner totalitären Herrschaft seine neue Religion erzeugt: das Spektakel. Das Spektakel ist die irdische Verwirklichung der Ideologie. Noch nie ist die Welt so gut auf dem Kopf gegangen. „Und so wie die ,Kritik der Religion‘ ist heute die Kritik des Spektakels Vorbedingung jeder Kritik“35.
Denn das Problem der Revolution stellt sich der Menschheit historisch. Mit der immer großartigeren Akkumulation materieller und technischer Mittel hält nur noch die immer tiefere Unzufriedenheit aller Schritt. Die Bourgeoisie und ihre Erbin im Osten, die Bürokratie, können die Gebrauchsanweisung für diese Überentwicklung nicht besitzen, von der die Poesie der Zukunft ausgehen wird, gerade weil sie beide an der Aufrechterhaltung einer alten Ordnung arbeiten. Sie können höchstens das Geheimnis ihres polizeilichen Gebrauchs besitzen. Sie tun nichts anderes als das Kapital und folglich das Proletariat zu akkumulieren; Proletarier ist der, der keine Macht über den Gebrauch seines Lebens hat und der das weiß. Die geschichtliche Chance des neuen Proletariats besteht darin, der einzige konsequente Erbe des wertlosen Reichtums der bürgerlichen Welt zu sein, die es umzuwandeln und in Richtung auf den totalen Menschen aufzuheben gilt, der die totale Aneignung der Natur und seiner eigenen Natur verfolgt. Diese Verwirklichung der Natur des Menschen kann nur durch die grenzenlose Befriedigung und unendliche Vervielfältigung der wirklichen Begierden einen Sinn haben, die das Spektakel in die entfernten Zonen des revolutionären Unbewußtseins zurückdrängt und die es nur fantastisch im Traumwahn seiner Werbung verwirklichen kann. Die tatsächliche Verwirklichung der tatsächlichen Begierden, d.h. die Abschaffung aller Pseudobedürfnisse und Begierden, die das System zur Verewigung seiner Macht alltäglich erzeugt, kann nicht ohne die Abschaffung des Warenspektakels und seine positive Aufhebung geschehen.
Die moderne Geschichte kann nur durch die Kräfte, die sie verdrängt – die Arbeiter ohne Macht über die Bedingungen, den Sinn und das Produkt ihrer Tätigkeit – befreit und ihre unzähligen Errungenschaften frei benutzt werden. Das Proletariat, das bereits im 19. Jahrhundert zum Erben der Philosophie wurde, ist heute auch noch zum Erben der modernen Kunst und der ersten bewußten Kritik des alltäglichen Lebens geworden. Es kann sich nicht abschaffen, ohne zugleich die Kunst und die Philosophie zu verwirklichen. Die Welt umwandeln und das Leben verändern ist für das Proletariat ein und dasselbe, die untrennbaren Parolen auf dem Weg zu seiner Abschaffung als Klasse, zur Auflösung der gegenwärtigen Gesellschaft als Reich der Notwendigkeit und zum endlich möglich gewordenen Eintritt in das Reich der Freiheit. Die radikale Kritik und die freie Neukonstruktion aller von der entfremdeten Wirklichkeit aufgezwungenen Werte und Verhaltensweisen sind sein Maximalprogramm und die befreite Kreativität bei der Konstruktion aller Augenblicke und Ereignisse des Lebens ist die einzige Poesie, die es anerkennen kann; die Poesie, die von allen gemacht wird, der Beginn der großen revolutionären Fete. Die proletarischen Revolutionen werden Feten sein oder sie werden nicht sein, denn das von ihnen angekündigte Leben wird selbst unter dem Zeichen der Fete geschaffen werden. Das Spiel ist die letzte Rationalität dieser Fete, Leben ohne tote Zeit und Genuß ohne Hemmnisse sind seine einzig anerkannten Regeln.
1Kravetz, Marc, genoß einen gewissen Ruf in den herrschenden UNEF-Kreisen, als ein eleganter Parlamentarier beging er den Fehler, sich in die „theoretische Forschung“ zu wagen: 1964 veröffentlichte er in den „Temps Modernes“ eine Apologie des studentischen Syndikalismus, die er ein Jahr später in derselben Zeitschrift widerruft.
2Selbstverständlich gebrauchen wir die Begriffe Spektakel, Rolle usw. im situationistischen Sinn.
3Wo ihn keiner anscheißt, tritt man ihm in den Arsch.
4Aber ohne das revolutionäre Bewußtsein; der Arbeiter hatte nicht die Illusion des Aufstiegs.
5Wir sprechen hier nicht von der Ecole NS. oder den Sorbonneärschen, sondern von den Enzyklopädisten oder der Hegels.
6Da sie nicht wagen, sich auf den philisterhaften Liberalismus zu berufen, erfinden sie den Bezug zu Universitätsfreiheiten des Mittelalters, der Epoche der „Demokratie der Unfreiheit“.
7vgl. Sit. Int. No. 9, Korrespondenz mit einem Kybernetiker und das situationistische Flugblatt „Die Schildkröte im Schaufenster“ gegen den Neo-Professor A. Moles.
8vgl. „Der sexuelle Kampf der Jugend“ und „Die Funktion des Orgasmus“.
9Für die übrige Bevölkerung ist die Zwangsjacke nötig, damit sie sich vor dem Psychiater in seiner Asylfestung vorstellt. Für den Studenten genügt die Bekanntmachung, daß vorgeschobene Kontrollposten innerhalb des Gettos eröffnet worden sind: er stürzt sich dorthin; sodaß die Ausgabe von Laufnummern nötig ist.
10Über die argumentistische Gang und das Eingehen ihres Organs siehe das 1963 von der S.I. verteilte Flugblatt „In die Mülleimer der Geschichte“.
11Hier kann man nur die Lösung empfehlen, die von den Intelligentesten schon praktiziert wird: die Bücher zu stehlen.
12vgl. die letzten Abenteuer der UEC (Union des Etudiants Communistes, Vereinigung der kommunistischen Studenten) und ihrer christlichen Brüder; sie zeigen, daß die einzige Gemeinsamkeit all dieser Leute ihre bedingungslose Unterwerfung unter ihre Herren ist.
13Und zwar in dem Sinn, daß die Jugend es nicht nur spürt, sondern auch ausdrücken will.
14A.d.Ü., damals Rocker, oder Halbstarke, heute wäre die Rede von Prolos
15Anmerkung von uns, die Provos war eine proletarische Jugendbewegung in den Niederlande. Mehr Infos findet ihr auf folgenden Links. I; II
16A.d.Ü., hier handelt es sich um eine Schrift die von einer Gruppe junger Kommunisten in Polen 1964 verfasst wurde, welches die stalinistische Regierung kritisierte. Die Mitglieder dieser Gruppe wurden alle aufgrund der Verteilung des Textes verhaftet und aus der Partei rausgeworfen.
17Bei dem die Anhänger der Anti-Atom-Kampagne Top-Secret-Antiatombunker, die den Mitgliedern der Regierung zugedacht waren, entdeckt, öffentlich bekannt gemacht und dann besetzt haben.
18Hier denken wir an die ausgezeichnete Zeitschrift „Heatwave“, die sich anscheinend zu einem immer strengeren Radikalismus entwickelt.
19vgl. Sit. Int. No. 8.
20vgl. Sit. Int. No. 7.
21Was sie effektiv verwirklicht haben, ist die Tendenz, das Land durch die klassische, durch bürokratischen Terror beschleunigte primitive Akkumulation zum Nachteil der Bauernschaft zu industrialisieren.
22Seit 45 Jahren hat die Kommunistische Partei in Frankreich keinen einzigen Schritt zur Machtergreifung getan; das gleiche gilt für alle entwickelten Länder, in die die Rote Armee nicht vorgedrungen ist.
23„Klassenkampf in Algerien“, ein in der Sit. Int. No. 10 nachgedrucktes Flugblatt.
24Anmerkung von uns, damit wird die allgemeine Kritik in den lateinisch sprechenden Ländern gemeint, die der Figur des Militanten und deren Ideologie, die Militanz, als eine ideologisierte und entfremdete Form die Welt zu verstehen und aus dieser Verzerrung nur falsch handeln zu können, gelten.
25Über ihre Rolle in Algerien vgl. „Klassenkampf in Algerien“, Sit. Int. No. 10.
26A.d.Ü., Paul Cardan war einer der Pseudonyme von Cornelius Castoriadis.
27vgl. Sit. Int. No. 9.
28vgl. „Adresse an die Revolutionäre…“ S.I. No.10
29das durch die Vorherrschaft der Ware Arbeit definiert wird.
30A.d.Ü., Georg Lukács war einer der bedeutendsten marxistischen Theoretiker des früheren 20. Jahrhunderts.
31lat. „hic rhodos, hic salta“: bedeutet wörtlich hier ist Rhodos, hier springe. Inhaltlich bedeutet es: Zeig hier, beweise, was du kannst.
32nach der theoretischen Kritik von Rosa Luxemburg.
33aus: „Der Klassenkampf in Algerien“, Sit. Int. No.10.
34SOB, PO usw. Im Gegensatz dazu ist eine Gruppe wie ICO, die sich jede Organisation und eine kohärente Theorie untersagt, zur Nicht-Existenz verurteilt.
35aus Sit. Int. No. 9.