Bei diesen Text handelt es sich um die englische Übersetzung zum Originaltext, welches in der französischen Ausgabe von Le Communiste Nr. 19 – im Februar 1984 erschien. Diese Version haben wir aus libcom.org entnommen, die Übersetzung ist von uns.
Kommunismus gegen Demokratie – Communism #4
Einleitung
In der kommunistischen Bewegung selbst verhindern meist vorgefertigte Ideen, die von der herrschenden Ideologie übernommen wurden, ein vollständiges Verständnis des revolutionären Programms. In vielen grundlegenden Fragen wird nicht die kommunistische Position vertreten, die durch die Erfahrungen zahlloser Revolten der Arbeiterklasse bestätigt wurde, sondern die sozialdemokratische, lassalleanische „Tradition“ (ob nun durch die leninistische Terminologie radikalisiert oder nicht), also das, was die Bourgeoisie selbst über die revolutionäre Bewegung versteht. Und so werden in der grundlegenden Frage der Demokratie die großen Mythen der Französischen Revolution – das Urbild aller bourgeoisen Revolutionen, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – von den Pseudomarxisten voll und ganz aufrechterhalten: Da die Bourgeoisie ihre eigenen Ideale verraten hat, weisen sie dem Proletariat die Aufgabe zu, sie zu verwirklichen! Und natürlich kämpfen die Linken weiterhin für die vollständige Verwirklichung demokratischer Rechte, für die „perfekte“ Demokratie. Für diese Idioten ist die Demokratie nichts anderes als eine Form der Regierung, das Ideal schlechthin, wenn es um die Regierung geht, die, wenn sie schließlich vollständig umgesetzt wird, ein neues Goldenes Zeitalter einläuten wird. Und so müssen diese Speichellecker das Bildungssystem, die Polizei und den gesamten Staatsapparat demokratisieren – kurz gesagt, sie wollen die Demokratie demokratisieren. Die Demokratie wird immer als das Ideal dargestellt, das es zu erreichen gilt, und all unser Elend und unsere kapitalistische Unterdrückung werden als das Ergebnis einer schlechten oder unvollständigen Anwendung dieser unantastbaren Demokratie angesehen. Für die Pseudomarxisten (von den Trotzkisten bis zu den Rätekommunisten) ist die Demokratie die reine Form, das Ideal, das das Kapital nicht verwirklichen kann, das aber das Proletariat schließlich in der mythischen Form der „Arbeiterinnen- und Arbeiterdemokratie“ verwirklichen könnte. Und so stellen sie der bourgeoisen Demokratie (die das Ideal einschränkt und verrät) einfach das zu verwirklichende Ideal gegenüber: die Demokratie der Arbeiterinnen und Arbeiter (trotzkistische Räteversion), Volksdemokratie (stalinistische Version) oder auch direkte Demokratie (libertäre Version). Da sind sie wieder, die ewigen Reformer der Welt, die das zu erreichende Ideal als den positiven Pol des Kapitals – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – definiert haben und in der heutigen Realität nichts anderes als das Ergebnis der falschen Anwendung dieses Ideals durch das große böse Kapital sehen, seinen negativen Pol. All diese Menschen können nicht verstehen, dass es so etwas wie ein „demokratisches Ideal“ nicht gibt oder, genauer gesagt, dass das demokratische Ideal nur das ideale Abbild der Realität der kapitalistischen Diktatur ist. Und so wie die Lösung der himmlischen Familie in der irdischen Familie liegt, so liegt die Lösung der himmlischen Demokratie (des demokratischen Ideals) in der irdischen Realität ihrer Anwendung, das heißt in der irdischen Realität der weltweiten Diktatur des Kapitals.
Im Gegensatz zu all den Apologeten des Systems (auch und vor allem in seiner reformierten Form) setzen sich Marxisten mit der Demokratie nicht als einer mehr oder weniger richtig angewandten Regierungsform auseinander, sondern als Inhalt, als die Aktivität des Managements -der Politik- der kapitalistischen Produktionsweise. Daher ist die Demokratie (unabhängig von ihrer Form: parlamentarisch, bonapartistisch,…) nichts anderes als die Verwaltung des Kapitalismus. Wie Marx es ausdrückte, hat die Bourgeoisie die Freiheit (seine Arbeitskraft zu verkaufen oder zu sterben), die Brüderlichkeit (zwischen atomisierten Staatsbürgern) und die Gleichheit (zwischen Käufern und Verkäufern von Waren) wirklich und endgültig erreicht. Die Bourgeoisie hat die Welt vollständig demokratisiert, denn in ihrer eigenen Welt (der Welt der Warenzirkulation und des Warenaustauschs) wird die reine Demokratie verwirklicht. Die Jagd nach dem Mythos einer „guten“ Demokratie, wie sie alle Demokraten (auch die „Arbeiter“-Demokraten) betreiben, dient in Wirklichkeit dazu, die Idee und damit die bestmögliche Form der Verwaltung des Kapitalismus – egal ob parlamentarisch, „aus der Arbeiterklasse“, faschistisch, monarchistisch usw. – zu stärken. Wie dieser Text zeigen wird, ist die Demokratie nicht eine (oder die „beste“) der Formen der Verwaltung des Kapitals, sondern die Grundlage, die Substanz der kapitalistischen Verwaltung, und zwar deshalb, weil der gemeinsame Inhalt der Substanz der kapitalistischen Produktionsweise – der zweiseitige Charakter der Ware Arbeitskraft – und die Substanz der Demokratie – die Individuen und damit ihre Arbeitskraft als Ware erscheinen lassen. Die kapitalistische Produktionsweise ist daher die erste und auch die letzte Produktionsweise, die das Individuum als Staatsbürger, der in der bourgeoisen Gesellschaft – der Gemeinschaft der atomisierten Individuen (d.h. einer entmenschlichten, artenlosen Gemeinschaft) – völlig isoliert, atomisiert und entfremdet ist, darstellen muss, denn die kapitalistische Produktionsweise, um sich entwickeln zu können, die Proletarier (frei von allen Bindungen an die Gesellschaft), die nur ihre Arbeitskraft besitzen und daher immer bereit sind, sich für einen Lohn zu verkaufen (dessen Wert wie der jeder anderen Ware durch die durchschnittliche Zeit bestimmt wird, die für ihre Reproduktion gesellschaftlich notwendig ist). Dieser ganze Prozess der Atomisierung und Unterwerfung der Menschen bringt eines der widerlichsten Symptome des Kapitalismus hervor: den Individualismus.
Der Inhalt jedes bourgeoisen Staates (in welcher Form auch immer) ist daher die Demokratie, denn die Demokratie ist die kapitalistische Organisation der atomisierten Proletarier, um sie dazu zu bringen, mehr und mehr Wert auszuspeien. Marx hatte diesen wesentlichen Inhalt der Demokratie bereits erahnt, als er Hegels Ideen über den Staat kritisierte:
„Hegel geht vom Staat aus und macht den Menschen zum versubjektivierten Staat; die Demokratie geht vom Menschen aus und macht den Staat zum verobjektivierten Menschen. Wie die Religion nicht den Menschen, sondern wie der Mensch die Religion schafft, so schafft nicht die Verfassung das Volk, sondern das Volk die Verfassung. Die Demokratie verhält sich in gewisser Hinsicht zu allen übrigen Staatsformen wie das Christentum sich zu allen übrigen Religionen verhält. Das Christentum ist die Religion vorzugsweise, das Wesen der Religion, der deifizierte Mensch als eine besondre Religion. So ist die Demokratie das Wesen aller Staatsverfassung, der sozialisierte Mensch, als eine besondre Staatsverfassung; (…) Der Mensch ist nicht des Gesetzes, sondern das Gesetz ist des Menschen wegen da, es ist menschliches Dasein, während in den andern der Mensch das gesetzliche Dasein ist. Das ist die Grunddifferenz der Demokratie.“ Marx – Beitrag zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.
Durch Marx setzt sich die ganze Abstammung und Unveränderlichkeit des Kommunismus immer deutlicher durch und bricht mit dem bourgeoisen Sozialismus, dem Reformismus und der Demokratie. Von Zeit zu Zeit fielen die Kommunisten jedoch unter dem schweren Gewicht der bourgeoisen Ideologie auf den demokratischen Boden zurück. Das ist es, was die Italienische Abstentionistische Kommunistische Linke kritisierte, als sie schrieb, dass:
„Obwohl sie die Zerstörer der gesamten demokratischen bourgeoisen Ideologie waren, kann nicht geleugnet werden, dass Marx und Engels der Demokratie immer noch zu viel Glauben schenkten und dachten, dass das allgemeine Leiden Vorteile mit sich bringen könnte, die noch nicht diskreditiert worden waren.“ „Avanti“ 1918, Die Lehren aus der neuen Geschichte.
Doch trotz ihrer Fehler hat die kommunistische Bewegung ihren antidemokratischen Charakter immer stärker behauptet, sei es mit Babeuf, Dejacque und Coeurderoy, sei es mit Blanqui (und seinem berühmten „Londoner Toast“) und (zu bestimmten Zeiten) Lenin, sei es mit den kommunistischen Linken (aus Italien natürlich mit Bordiga und der Kommunistischen Linken aus Italien im Exil; aber auch dem KAPD – Gorter/Schröder-Flügel). Die Frage wird immer deutlicher: Wie lassen sich alle bourgeoisen Überbleibsel, alle Zugeständnisse an bourgeoise Sozialisten, an Demokraten aus dem kommunistischen Programm entfernen?
„Welcher Stolperstein ist das, der die Revolution von morgen gefährdet? Die beklagenswerte Popularität all dieser als Tribunisten verkleideten Bourgeois … ist der Stolperstein, an dem die gestrige Revolution zerschellt ist. Verflucht seien wir, wenn die Nachsicht der Massen es zulässt, dass diese Männer am immer näher rückenden Tag des Sieges an die Macht kommen.“ Blanqui – 1851
„Politische Freiheit ist Scheinfreiheit, die schlimmste Art von Sklaverei (…) Ebenso verhält es sich mit der politischen Gleichheit, deshalb muß die Demokratie so gut wie jede andere Regierungsform schließlich in Scherben gehen.“ Engels – Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent.
Doch die Italienische Kommunistische Linke setzt sich mit dem Inhalt der Demokratie (und nicht nur mit der parlamentarischen, gewählten Regierungsform, die Demokratie genannt wird) von einem kommunistischen Standpunkt aus auseinander:
„Die Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung ist als Negation der Demokratie entstanden (…) Es besteht ein fundamentaler Gegensatz zwischen den Institutionen des demokratischen Staates und der Schaffung von Organismen der Arbeiterklasse. Durch die erste wird das Proletariat an die demokratische Fiktion gebunden; durch die zweite behaupten die Arbeiterinnen und Arbeiter in Opposition zur bourgeoisen Regierung den entgegengesetzten historischen Kurs, der sie zu ihrer Befreiung führt.“ Bilan – Organ der italienischen Fraktion der internationalistischen kommunistischen Linken
So wie Bilan in brillanter Weise den Faschismus nicht als Negation der Demokratie analysierte (was bedeutet, die antifaschistische, klassenübergreifende Front zu „rechtfertigen“), sondern im Gegenteil „als einen reinigenden Prozess des demokratischen Staates“, so zog Octobre – das Monatsorgan des Internationalen Büros der Fraktionen der Kommunistischen Linken – die wesentlichen, grundlegenden Lehren:
„Die Idee der proletarischen Diktatur wird verdorben, wann immer sie direkt oder indirekt mit dem demokratischen Prinzip verbunden wird.“ Octobre Nr. 5 – 1939
Mit unserer militanten Tätigkeit wollen wir diese grundlegende Arbeit zur Zerstörung der Demokratie fortsetzen. Mit diesem Text und dem gesamten Material, das wir bereits veröffentlicht haben, wollen wir den militanten Revolutionären eine umfassende Analyse an die Hand geben, die es den Kommunistinnen und Kommunisten ermöglicht, die Demokratie, vor allem die sogenannte „Arbeiterinnen und Arbeiter-Demokratie“1, kontinuierlich zu kritisieren.
Entstehungsgeschichte der Demokratie
Von Anfang an drückt die Demokratie ihren zweiseitigen Charakter aus, so wie die Zweiseitigkeit der Ware (Gebrauchswert und Tauschwert), die sich neben ihr entwickelt (siehe unten). Die Demokratie ist sowohl die „Macht des Volkes“, der Mehrheit, der „Plebs“ als auch der diktatorische Ausdruck der herrschenden Klasse über die beherrschte Mehrheit.
Sobald die natürliche Gemeinschaft durch den Tausch aufgelöst ist, erscheint die Demokratie als mythischer Ausdruck einer „neuen Gemeinschaft“ und stellt so die gerade zerstörte primitive Gemeinschaft künstlich wieder her: Das Volk („demos“ auf Griechisch) ist die Gesamtheit der Staatsbürger, eine Gesamtheit, die auf der Negation von Klassenantagonismen zum Nutzen einer a-klassischen Masse beruht, die Volk, Nation,… genannt wird. In diesem Sinne existiert es die Demokratie wirklich. Aber sie existiert auch nur ideell (im Reich der Ideen) als Mythos/Wirklichkeit, der die diktatorische Macht der herrschenden Klasse tarnt und damit materiell stärkt. Sobald sie entsteht, entwickelt die Demokratie also ihren doppelten Charakter: zum einen die Vereinigung der Menschen in einer begrenzten, nicht-menschlichen Gemeinschaft (die wir als fiktive Gemeinschaft bezeichnet haben) und zum anderen die Zerstörung jedes Versuchs, eine wahre Interessengemeinschaft zu schaffen, d.h. die Wiederherstellung einer Klasse, die sich der herrschenden Klasse entgegenstellt (die in einem Staat organisiert ist). Und während alle ausgebeuteten Klassen in der Vergangenheit ihren Kampf auf der Grundlage begrenzter, kontingenter, nicht universeller historischer Interessen organisierten, tritt nun mit dem Proletariat (der ersten Klasse, die sowohl ausgebeutet als auch revolutionär ist) die erste und letzte Klasse auf, die ein universelles, nicht kontingentes historisches Interesse hat: die Befreiung der Menschheit.
Betrachten wir das Urbild dessen, was üblicherweise als Demokratie gepriesen wird – die athenische Demokratie -, so sehen wir eine in antagonistische Klassen gespaltene Gesellschaft, in der die am stärksten ausgebeutete produktive Klasse – die Sklaven – ganz einfach von der Zivilgesellschaft ausgeschlossen ist (die Sklaven werden nicht als menschliche Wesen betrachtet, sondern nur als tierische Produktivkräfte betrachtet), und in der nur die Mitglieder der herrschenden Klasse – die Staatsbürger – an der berühmten athenischen Demokratie teilhaben können, da die Verwaltung der „öffentlichen Angelegenheiten“ (res publica) viel Freizeit oder, mit anderen Worten, viel Reichtum (d. h. Sklaven) erfordert. Die Spezialisierung und die Spezialisten für „öffentliche Angelegenheiten“ (Arbeitsteilung, also die Einteilung in Klassen) bringen die Politik hervor: eine volkstümliche Sphäre, die sich der Verwaltung der Stadt im Namen des gesamten Volkes, der Nation, widmet (daher die Notwendigkeit der Mediation – siehe unten). Politik und Demokratie gehen also Hand in Hand. Die Politik als getrennte Sphäre, als wesentliche Tätigkeit der herrschenden Klasse, existiert nur, weil es die Demokratie gibt, wenn auch nur in einer rudimentären Form. Politik gibt es nur durch Demokratie, denn nur in Klassengesellschaften – Gesellschaften, in denen die Menschen voneinander, von der Produktion und damit von ihrem Leben getrennt sind – besteht die Notwendigkeit, die Klassen zu versöhnen (und damit ihren Antagonismus zu negieren) und gleichzeitig die Diktatur der herrschenden Klasse durchzusetzen. Diese Art von Gesellschaft erfordert also eine soziale Vermittlung – die Politik -, um die Getrennten zu „vereinen“ (genauer gesagt, sie zueinander „hinzuzufügen“), um alles, was die Gesellschaft getrennt hat, zu „vereinen“, und zwar ausschließlich zum Nutzen der herrschenden Klasse. Demokratie setzt Politik voraus; Politik ist ihrem Wesen nach demokratisch.
„Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d.h., indem er sie ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt.“ (…) „Die Spaltung des Menschen in den öffentlichen und in den Privatmenschen, die Dislokation der Religion aus dem Staate in die bürgerliche Gesellschaft, sie ist nicht eine Stufe, sie ist die Vollendung der politischen Emanzipation, die also die wirkliche Religiosität des Menschen ebensowenig aufhebt, als aufzuheben strebt.“ (…) „Im christlich-germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der Herrschaft.“ (…) „Religiös sind die Glieder des politischen Staats durch den Dualismus zwischen dem individuellen und dem Gattungsleben, zwischen dem Leben der bürgerlichen Gesellschaft und dem politischen Leben, religiös, indem der Mensch sich zu dem seiner wirklichen Individualität jenseitigen Staatsleben als seinem wahren Leben verhält, religiös, insofern die Religion hier der Geist der bürgerlichen Gesellschaft, der Ausdruck der Trennung und der Entfernung des Menschen vom Menschen ist.“ (…) „Christlich ist die politische Demokratie, indem in ihr der Mensch, nicht nur ein Mensch, sondern jeder Mensch, als souveränes, als höchstes Wesen gilt, aber der Mensch in seiner unkultivierten, unsozialen Erscheinung, der Mensch in seiner zufälligen Existenz, der Mensch, wie er geht und steht, der Mensch, wie er durch die ganze Organisation unserer Gesellschaft verdorben, sich selbst verloren, veräußert, unter die Herrschaft unmenschlicher Verhältnisse und Elemente gegeben ist, mit einem Wort, der Mensch, der noch kein wirkliches Gattungswesen ist. Das Phantasiegebild, der Traum, das Postulat des Christentums, die Souveränität des Menschen, aber als eines fremden, von dem wirklichen Menschen unterschiedenen Wesens, ist in der Demokratie sinnliche Wirklichkeit, Gegenwart, weltliche Maxime.“ Marx – Zur Judenfrage
Wie wir in diesem langen Marx-Zitat sehen, entspricht die Entstehung der getrennten Sphäre – der Politik – in Wirklichkeit dem Antagonismus, der Opposition zwischen dem „ungebildeten, unsozialen“ bourgeoisen Individuum, das in einer nicht-menschlichen Gemeinschaft organisiert ist – der Addition von Individuen, von atomisierten Staatsbürgern – und der Konstituierung einer wirklichen Gemeinschaft, die auf gemeinsamen historischen Interessen beruht – der Konstituierung des Proletariats zu einer Klasse, also zu einer Partei -, die das frei denkende Individuum (und den Individualisten) negiert, um das Gattungswesen der Menschheit zu postulieren: Gemeinwesen.
Die bourgeoise Gesellschaft, Synthese und Produkt aller Klassengesellschaften der Vergangenheit, ist vor allem die Gesellschaft der Politik (und damit der Demokratie), in der alle Staatsbürger als Käufer und Verkäufer von Waren das gleiche Recht und die gleiche Pflicht haben, die Stadt und die Gesellschaft zu verwalten, d.h., umgangssprachlich gesagt, „zu politisieren“. Und während in der athenischen Demokratie die Politik ein Privileg der herrschenden Klasse war (da sich die Demokratie noch nicht auf die gesamte Gesellschaft ausgedehnt hatte), das auf Kosten der Sklaven ging, muss im Kapitalismus, dem Reich der vollständigen Demokratie, jeder Proletarier „politisieren“, d. h. durch die Politik vermittelt/vergegenständlicht werden. Im Gegensatz zu ihren römischen und griechischen Vorfahren, die kollektiv von der politischen Sphäre, der Demokratie, ausgeschlossen waren, ist den Lohnsklaven sogar jegliches Gemeinschaftsleben verwehrt (selbst als ausgeschlossene Sklaven). Die Lohnsklaven sind völlig atomisiert und werden durch die Demokratie unterworfen/eingeordnet. Die antiken Sklaven und die Leibeigenen konnten zumindest ein gemeinsames Gefühl des Ausschlusses teilen (und sich deshalb auflehnen – siehe Spartacus und die zahlreichen Bauernrevolten), die Lohnsklaven haben als Staatsbürger – die Demokratie negiert gewaltsam jeden Versuch, eine Klassenkraft wiederherzustellen – kein Gefühl mehr, außer dem, dass sie bloße Waren in der Zirkulationssphäre sind – politische Waren – und als solche frei und gleich sind. Die antiken Sklaven waren immer noch – wenn auch negativ, da sie Sklaven waren – an eine Gemeinschaft gebunden, die degenerierten Überreste des primitiven Kommunismus (siehe Spartacus‘ Stadt der Sonne: die „Verwirklichung“ des Mythos der Rückkehr zum primitiven Kommunismus), während die modernen Proletarier, die der Demokratie unterworfen sind, nichts mehr haben.
Gegen diesen Prozess der Unterwerfung der Menschen in und durch die Demokratie und ihren Mietling namens Politik ist die kommunistische Revolution keine politische Revolution (wie es die bourgeoise Revolution war), sondern eine soziale Revolution, durch die das Proletariat die ultimative politische Tat vollbringt: die Auflösung der separaten Sphäre, die die Politik ist. So lautete bereits Marx‘ Perspektive im Jahr 1843:
„Die bourgeoise Gesellschaft ist das Ende der Politik; daraus ergibt sich, dass das Proletariat, wenn es nicht innerhalb des bestehenden Staates, auf dem Boden des Feindes, operieren will, nicht „politisieren“ darf. Genauer gesagt, es darf nur einen politischen Akt beanspruchen, nämlich die Zerstörung der bourgeoisen politischen Gesellschaft, die zugleich ein militärischer Akt ist.“2 Marx – Kritik der Hegelschen Staatsphilosophie
Da das kommunistische Programm in seinem Wesen antidemokratisch ist, ist es auch antipolitisch. Es lehnt die bourgeoise, politizistische Sichtweise einer „Revolution“ ab, die eine Veränderung des Staatsapparats (lassalleanische, sozialdemokratische, leninistische Tradition) zugunsten der notwendigen Zerstörung des Staates, also der Zerstörung der Politik, wäre.
In seiner Kontroverse gegen A. Ruge entwickelte Marx diesen Standpunkt:
„… Eine soziale Revolution befindet sich deswegen auf dem Standpunkt des Ganzen, weil sie – fände sie auch nur in einem Fabrikdistrikt statt – weil sie eine Protestation des Menschen gegen das entmenschte Leben ist, weil sie vom Standpunkt des einzelnen wirklichen Individuums ausgeht, weil das Gemeinwesen, gegen dessen Trennung von sich das Individuum reagiert, das wahre Gemeinwesen des Menschen ist, das menschliche Wesen. Die politische Seele einer Revolution besteht dagegen in der Tendenz der politisch einflußlosen Klassen, ihre Isolierung vom Staatswesen und von der Herrschaft aufzuheben. Ihr Standpunkt ist der des Staats, eines abstrakten Ganzen, das nur durch die Trennung vom wirklichen Leben besteht, das undenkbar ist ohne den organisierten Gegensatz zwischen der allgemeinen Idee und der individuellen Existenz des Menschen. Eine Revolution von politischer Seele organisiert daher auch, der beschränkten und zwiespältigen Natur dieser Seele gemäß, einen herrschenden Kreis in der Gesellschaft, auf Kosten der Gesellschaft.“ Marx – Kritische Randglossen zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen“
Durch diese Ablehnung einer Revolution „mit politischer Seele“, der Ablehnung einer bloßen Veränderung der Staatsform, wie es die bourgeoise Revolution war, kann die kommunistische Revolution „mit sozialer Seele“ als eine Revolution charakterisiert werden, die als letzten politischen Akt die völlige Zerstörung des gesamten Staatsapparates und seiner Grundlage – des Wertgesetzes -, die radikale, soziale Umgestaltung der gesamten Gesellschaft, die Diktatur des Proletariats zur Abschaffung der Lohnarbeit, darstellt.
„(…) aber eine soziale Revolution mit einer politischen Seele, ebenso vernünftig ist eine politische Revolution mit einer sozialen Seele. Die Revolution überhaupt – der Umsturz der bestehenden Gewalt und die Auflösung der alten Verhältnisse – ist ein politischer Akt. Ohne Revolution kann sich aber der Sozialismus nicht ausführen. Er bedarf dieses politischen Aktes, soweit er der Zerstörung und der Auflösung bedarf. Wo aber seine organisierende Tätigkeit beginnt, wo sein Selbstzweck, seine Seele hervortritt, da schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg.“ Marx – Ibid
Auch Marx hatte den wesentlichen Zusammenhang zwischen der Ware und der Demokratie schon in den antiken Gesellschaften perfekt verstanden:
„Daß aber in der Form der Warenwerte alle Arbeiten als gleiche menschliche Arbeit und daher als gleichgeltend ausgedrückt sind, konnte Aristoteles nicht aus der Wertform selbst herauslesen, weil die griechische Gesellschaft auf der Sklavenarbeit beruhte, daher die Ungleichheit der Menschen und ihrer Arbeitskräfte zur Naturbasis hatte. Das Geheimnis des Wertausdrucks, die Gleichheit und gleiche Gültigkeit aller Arbeiten, weil und insofern sie menschliche Arbeit überhaupt sind, kann nur entziffert werden, sobald der Begriff der menschlichen Gleichheit bereits die Festigkeit eines Volksvorurteils besitzt. Das ist aber erst möglich in einer Gesellschaft, worin die Warenform die allgemeine Form des Arbeitsprodukts, also auch das Verhältnis der Menschen zueinander als Warenbesitzer das herrschende gesellschaftliche Verhältnis ist.“ Marx – Das Kapital erster Band
Nur in der kapitalistischen Produktionsweise, die vor allem eine Form der Warenproduktion ist (wobei die universelle Ware das Geld als universelles Äquivalent ist), kann sich die Demokratie, die bereits mit dem Entstehen der Klassengesellschaften vorhanden war, als Inhalt – die Substanz – der kapitalistischen Diktatur voll entwickeln. Der Kapitalismus ist das System, das den Wertkreislauf schließt und synthetisiert, der von der Auflösung der natürlichen Gemeinschaft bis zur Herrschaft des Kapitalismus über den ganzen Planeten reicht; das System, das den Proletarier/Staatsbürger, das singuläre Individuum als bloßen Käufer/Verkäufer von Waren (und als solches frei und gleichberechtigt) produziert und erfordert. Es produziert und benötigt auch die Proletarier als bloße Ware, unter anderem durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft. Die kapitalistische Produktionsweise ist also die Produktionsweise, in der das proletarische Individuum zutiefst atomisiert und gleichzeitig in einer fiktiven Einheit „vereint“ ist: das Volk, die Nation,… Sie ist vor allem die Produktionsweise der Ware und damit der Demokratie. Diese Produktionsweise, und nur diese, universalisiert und verwirklicht die Demokratie vollständig. Das Proletariat hat also überhaupt keine demokratische Aufgabe zu erfüllen. Seine ganze Bewegung besteht in der Zerstörung der Demokratie. Das hat Marx den bourgeoisen Sozialisten seiner Zeit – den heutigen Linken – entgegnet, die „den Sozialismus als die Verwirklichung der von der Französischen Revolution formulierten Ideale der bourgeoisen Gesellschaft darstellen“ wollten:
„Damit ist also die vollständige Freiheit des Individuums gesetzt: Freiwillige Transaktion; Gewalt von keiner Seite; Setzen seiner als Mittel, oder als dienend, nur als Mittel, um sich als Selbstzweck, als das Herrschende und Übergreifende zu setzen; endlich das selbstsüchtige Interesse, kein darüberstehendes verwirklichend; der andre ist auch als ebenso sein selbstsüchtiges Interesse verwirklichend anerkannt und gewußt, so daß beide wissen, daß das gemeinschaftliche Interesse eben nur in der Doppelseitigkeit, Vielseitigkeit und Verselbständigung nach den verschiednen Seiten, der Austausch des selbstsüchtigen Interesses ist. Das allgemeine Interesse ist eben die Allgemeinheit der selbstsüchtigen Interessen.
Wenn also die ökonomische Form, der Austausch, nach allen Seiten hin die Gleichheit der Subjekte setzt, so der Inhalt, der Stoff, individueller sowohl wie sachlicher, der zum Austausch treibt, die Freiheit. Gleichheit und Freiheit sind also nicht nur respektiert im Austausch, der auf Tauschwerten beruht, sondern der Austausch von Tauschwerten ist die produktive, reale Basis aller Gleichheit und Freiheit.“
„… daß der Tauschwert oder näher das Geldsystem in der Tat das System der Gleichheit und Freiheit ist und daß, was ihnen in der näheren Entwicklung des Systems störend entgegentritt, ihm immanente Störungen sind, eben die Verwirklichung der Gleichheit und Freiheit, die sich ausweisen als Ungleichheit und Unfreiheit.“ Marx’s – Grundrisse
„In der Sphäre der Warenzirkulation gibt es keine Klassen, jeder ist ein Staatsbürger, jeder erscheint als Käufer und Verkäufer von Waren, gleich, frei und Eigentümer. Selbst wenn wir unsere Arbeitskraft kaufen oder verkaufen, befinden wir uns im Paradies der Menschenrechte und Freiheiten. Jeder verfolgt seine eigenen privaten Interessen in der Herrschaft der Gleichheit, der Freiheit und des Privateigentums.
Freiheit: weil der Käufer und der Verkäufer von Waren (einschließlich der Arbeitskraft) keiner anderen Regel gehorchen als ihrem eigenen freien Willen.
Gleichheit: weil in der Welt der Waren jeder ein Käufer und ein Verkäufer ist und jeder einen Wert erhält, der dem Wert entspricht, der in den Waren enthalten ist, die er verkauft, indem er Äquivalent gegen Äquivalent tauscht.
Eigentum: weil in der Welt des Tauschs jeder als Eigentümer seiner Ware auftritt und er nur über das verfügen kann, was ihm gehört.“ Communism Nr. 1
Das ist genau das, was Marx im Kapital erklärt:
„Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der Tat ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum…“ Marx – Das Kapital erster Band, viertes Kapitel, Verwandlung von Geld in Kapital
Die Zirkulation ist also das Paradies der bourgeoisen Rechte, die Sphäre, in der die Demokratie durch das Geld am vollkommensten herrscht. In der Zirkulation ist das Geld die Gemeinschaft des Kapitals; Geld ist die Vermittlung, die alle Individuen als Käufer und Verkäufer vereint und jede andere Gemeinschaft auflöst. Wie die Politik ist auch das Geld ein wesentlicher Vermittler der Demokratie. Kein Geld, keine Demokratie; keine Demokratie, kein Geld.
Geld als die Gemeinschaft des Kapitals
Es war Marx, der am deutlichsten die Grundlagen für das Verständnis des radikalen Gegensatzes zwischen der menschlichen Gemeinschaft (mit der der primitive Kommunismus bereits schwanger war, auch wenn er durch die Diktatur der Natur und der Knappheit begrenzt und ihr unterworfen war) und dem mit dem Zyklus des Werts immer stärker werdenden Ausdruck der Konstituierung einer anderen Gemeinschaft, die alle Menschen zum Nutzen des Werts und nicht der Menschen einschließt, definiert hat.
Nachdem er die verschiedenen Attribute des Geldes – Geld als Wertmaßstab, Geld als Zirkulationsmittel, Geld als Material des Reichtums (siehe Kapital, Kap. III) – entwickelt hat, geht Marx zum dritten Attribut über, das „die ersten beiden voraussetzt und ihre Einheit ausmacht“, wie „der Gott unter den Waren“, wie „aus seiner dienstbaren Rolle, in der es als bloßes Zirkulationsmittel erscheint, plötzlich zum Herrn und Gott der Warenwelt wird. Es repräsentiert die göttliche Existenz der Waren, während sie ihre irdische Form darstellen.“ (…) „Geld ist also nicht nur das Objekt, sondern auch die Quelle der Gier.“ Sobald es diese Stufe der Autonomie erreicht hat, stellt sich das Geld – „nicht nur das Objekt, sondern auch die Quelle des Reichtums“ – als das auflösendste Element der alten Gemeinschaften (es ist der neue Gott, der über die vorhergehenden siegt) und als die eine und einzige Gemeinschaft dar. Geld ist also das auflösende Element, das alles demokratisch macht, das der Demokratie ermöglicht, sich frei zu entfalten.
„Geld ist selbst die Gemeinschaft und kann keine andere dulden, die über ihm steht. Das setzt aber die volle Entwicklung der Tauschwerte und damit eine entsprechende Organisation der Gesellschaft voraus.“ Marx – Grundrisse
Im Kapital ist das Geld die neue Gemeinschaft, es ist die Vermittlung, die Dinge und Menschen miteinander verbindet. Marx spricht vom „nexus rerum“: dem, was die Dinge verbindet:
„Als materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums, als individualisierter Tauschwert, muss das Geld der direkte Gegenstand, das Ziel und das Produkt der allgemeinen Arbeit, der Arbeit aller Individuen sein. Die Arbeit muss direkt den Tauschwert, also das Geld, produzieren. Sie muss daher Lohnarbeit sein.“ Marx – Grundrisse
Das Geld als Gemeinschaft des Kapitals ist also die Einheit dieser singulären Individuen, dieser Staatsbürger, die Negation der Klassen, als Lohnsklaven. Wo das Lohnsystem existiert, existiert die nicht-menschliche Gemeinschaft des Geldes; wo das Lohnsystem nicht existierte, löste das Geld die alte Gemeinschaft auf, um sich selbst durchzusetzen und die Lohnarbeit zu erzwingen.
„Wo das Geld selbst nicht die Gemeinschaft ist, muss es die Gemeinschaft auflösen.“ Marx – Grundrisse
Im Kapitalismus existiert jedes Individuum nur noch als Produzent von Tauschwert, von Geld, und das Geld selbst ist sowohl die gesellschaftliche Vermittlung – die Hinzufügung von einzelnen Individuen, die monetär würdig sind, Teil der bourgeoisen Gesellschaft zu sein – als auch die eigentliche Substanz des entfremdeten Menschen, da er als ausgebeuteter Mensch nur als Geld existiert.
„Es ist die elementare Voraussetzung der bourgeoisen Gesellschaft, dass die Arbeit unmittelbar den Tauschwert, d.h. das Geld, produziert; und ebenso, dass das Geld unmittelbar die Arbeit und damit den Arbeiter kauft, aber nur insoweit, als er seine Tätigkeit im Tausch entfremdet (veraussert). Lohnarbeit auf der einen und Kapital auf der anderen Seite sind also nur andere Formen des entwickelten Tauschwerts und des Geldes (als Inkarnation des Tauschwerts). Das Geld wird dadurch unmittelbar und gleichzeitig zur wirklichen Gemeinschaft, da es die allgemeine Substanz des Überlebens für alle und zugleich das gesellschaftliche Produkt aller ist.“
„Aber wie wir im Geld gesehen haben, ist das Gemeinwesen zugleich eine bloße Abstraktion, ein bloß äußeres, zufälliges Ding für das Individuum und zugleich nur ein Mittel zu seiner Befriedigung als isoliertes Individuum. Die Gemeinschaft des Altertums setzt ein ganz anderes Verhältnis zum Individuum und auf Seiten des Individuums voraus. Die Entwicklung des Geldes in seiner dritten Rolle zerschlägt daher diese Gemeinschaft. Die gesamte Produktion ist eine Vergegenständlichung des Individuums. Im Geld (Tauschwert) wird das Individuum jedoch nicht in seiner natürlichen Eigenschaft vergegenständlicht, sondern in einer gesellschaftlichen Eigenschaft (Beziehung), die ihm zugleich äußerlich ist.“ Marx – Grundrisse
Geld ist also sowohl die universelle Ware (als materieller Vertreter des Reichtums) als auch die „Nicht-Ware“ (als bloßes Zirkulationsmittel). In der kapitalistischen Produktionsweise – die die Produktionsweise des Tauschwerts und damit des Geldes (G-W-G‘) ist, wobei letzteres die Gemeinschaft des Kapitals, die unmenschliche Gemeinschaft der entfremdeten Individuen ist – werden die Menschen unter das Geld subsumiert (und dasselbe gilt für die Politik), und insofern sie Mitglieder dieser fiktiven Gemeinschaft sind, d.h. als zirkulierende Waren, sind sie frei und gleich, sie sind Staatsbürger, sie gehören zu den Atomen einer verwirklichten Demokratie. Die kapitalistische Produktionsweise ist die Produktionsweise der Demokratie der Politik, der Politik, des Geldes. Eine vollständige Demokratie erfordert die Entwicklung des Geldes (und damit des Wertes). Und da die kommunistische Bewegung die Produktionsweise von und für Geld (G-W-G‘, G’= G + delta G) zerstört, zerstört sie auch die Demokratie als Gemeinschaft des Kapitals, als Gemeinschaft des Geldes. Die Demokratie ist also die Gemeinschaft des Kapitals, die Grundlage der kapitalistischen Diktatur – der Diktatur des Geldes, des Wertgesetzes. Und diese fiktive Gemeinschaft (fiktiv im Gegensatz zu der wahrhaft menschlichen Gemeinschaft, die es zu schaffen gilt: das in einer kommunistischen Partei organisierte und gelenkte Proletariat) wird durch eine Reihe von a-klassistischen Gruppierungen (die die Klassen und ihren Antagonismus negieren) materialisiert, die alle Demokratie als ihre Substanz haben. Ob Volk, Nation, Religion, Politik oder Geld – all diese „Gemeinschaften des Kapitals“, durch die und in denen die Staatsbürger organisiert und das Proletariat desorganisiert sind, sind letztlich nichts anderes als Formen der fiktiven Gemeinschaft, der Demokratie, der Diktatur des Wertgesetzes, des Geldes und des Kapitals. Diktatur des Proletariats gegen die Arbeiterdemokratie.
In den vorangegangenen Kapiteln dieser Studie haben wir gesehen, dass die Demokratie grundlegend mit allen wesentlichen Kategorien des Kapitalismus verbunden ist: Warenproduktion, Geld, Kapital usw. Bleibt nur noch, sich mit der allzu berühmten „Arbeiter“-Demokratie zu befassen, die im Wesentlichen darauf hinausläuft, das Proletariat, seine Bewegung und damit auch seine Diktatur als denselben Inhalt und dieselben Kriterien wie die des Kapitals zu betrachten … oder genauer gesagt, die Merkmale des Kapitalismus von seinen „unannehmbarsten“ Eigenschaften zu bereinigen. Und sie geben vor, dass die Demokratie der Arbeiterinnen und Arbeiter die einzig wahre Demokratie ist, die endlich verwirklicht wird. Für all diese Demokraten ist die Bourgeoisie (weil sie die Inkarnation des Bösen ist) nicht in der Lage, die ideale Demokratie vollständig zu verwirklichen (was falsch ist, denn wie wir gesehen haben, wird diese reine Demokratie in ihrem „Garten Eden“ – der Warenzirkulation – erreicht). Für diese Demokraten ist es daher Aufgabe des Proletariats, diese unantastbare Demokratie und ihre Rechte zu verwirklichen – ihre mehrheitsfähigen und humanitären Fetische. Diese „Schönredner“ injizieren das demokratische Gift in die Kämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter auf folgende Weise: die Notwendigkeit, zu wählen, bevor man kämpft, die Notwendigkeit, sich dem Willen der Mehrheit zu beugen, sich der demokratischen Disziplin zu unterwerfen… das heißt, der bourgeoisen Disziplin.
Die gesamte Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter bezeugt genau das Gegenteil dieser Politik der Sabotage. Nimmt man das Beispiel der Russischen Revolution, wird deutlich, dass alle Klassenpositionen, der wirkliche (wenn auch unzureichende) Bruch mit der bourgeoisen sozialdemokratischen Tradition immer das Werk von Minderheiten waren und jedes Mal mit Gewalt gegen die Mehrheiten, gegen die herrschenden Ideen durchgesetzt werden mussten3.
– Zum Beispiel: das Aufgreifen internationalistischer Positionen durch Lenin und Sinowjew im Jahr 1915 („Gegen den Strom“), indem sie mit der zahlreichen Mehrheit der Sozialdemokratie in Russland und weltweit brachen, da diese wieder einmal ihren konterrevolutionären Charakter gezeigt hatte.
– Zum Beispiel: Die Aprilthese, die der bolschewistischen Partei, die mehrheitlich einen reformistischen und defensiven Standpunkt vertrat, diktatorisch aufgezwungen wurde.
– Zum Beispiel: Die grundsätzliche Frage der notwendigen militärischen Vorbereitung (das „Komplott“), die heimlich und gegen die große Mehrheit der bolschewistischen Partei organisiert wurde, die bereits weitgehend von Sozialpazifisten und Partisanen der konstituierenden Demokratie (alte Bolschewiki: Stalin, Kamenjew, Sinowjew, Kalinin,…) durchsetzt war, und es war Trotzki, der erklärte, dass es im Herzen der bolschewistischen Partei zwei Haupttendenzen gab:
„Die eine war proletarisch und führte auf den Weg der Weltrevolution; die andere war demokratisch, d.h. petit bourgeois, und führte letztlich zur Unterordnung der proletarischen Politik unter die Erfordernisse der Reformierung der bürgerlichen Gesellschaft.“ Trotzki – Die Lehren des Oktobers
– Ein Beispiel: Die mit Bajonettengewalt erzwungene Auflösung der ersten und letzten Sitzung der berühmten Konstituierenden Versammlung, die demokratisch gewählt und von der Mehrheit der Bolschewiki wieder abgewählt worden war:
„Die theoretische Kritik an der Demokratie und dem bourgeoisen Liberalismus erreicht ihren Höhepunkt durch die Vertreibung dieses Haufens demokratisch gewählter Schurken, die die Konstituierende Versammlung bilden, wie sie von bewaffneten Arbeiterinnen und Arbeitern durchgeführt wird.“ Bordiga – Lenin auf dem Weg zur Revolution
All diese Akte, die sich im Laufe der Revolution – der Verteidigung der historischen Interessen des Proletariats – mehr und mehr materialisierten, mussten mit Gewalt durchgesetzt werden. Sie mussten mit Gewalt durchgesetzt werden (sowohl militärisch als auch exemplarisch), sie mussten praktisch von Minderheiten übernommen werden, die im Grunde genommen nie den bestehenden formellen Parteien entsprachen. Im Gegenteil, konterrevolutionäre Positionen und das rasche Abgleiten in den bourgeoisen Sumpf werden immer sehr demokratisch und mit sehr großen Mehrheiten durchgesetzt. Um sich davon zu überzeugen, genügt es zu sehen, dass auf den Kongressen der Kommunistischen Internationale die bourgeoisen Positionen immer demokratischer durchgesetzt wurden, so dass es zu der sehr demokratischen und systematischen Einstimmigkeit kam, die in der Zeit von Stalin eingeführt wurde, vor allem, wenn es darum ging, mit der rechten Hand zu verurteilen, was die linke Hand getan hatte.
„Stalin war in der Lage, (…) seinen Triumph zu vollenden, indem er die Demokratie im Herzen der Partei zur Zeit der Kämpfe gegen die Opposition 1926/28 voll funktionsfähig machte.“ Verceci – „Oktober“
Und wenn man das Beispiel der „verlorenen Revolutionen“ in Deutschland in der Zeit von 1917-1923 heranzieht, über die wesentliche Rolle, die die antiquierten demokratischen Vorstellungen im Herzen des Proletariats spielten, vervielfältigen sich die Taten. Was als revolutionäre Positionen der kommunistischen Avantgarde, vor allem von R. Luxemburg und dem Spartakusbund, präsentiert wurde, war nichts anderes als eine „Verbeugung“ vor dem Fetischismus der Massen (und damit der Demokratie), nichts anderes als ein blasser Ersatz für den Sozialdemokratismus, leicht radikalisiert, um den Umständen zu entsprechen.
Um den Massen und ihren Ideen zu folgen, weigerte sich der Spartakusbund, mit der Sozialdemokratie zu brechen. Sie traten ein und bürgten für die Gründung der USPD auf denselben Positionen wie die SPD und mit Männern wie Kautsky, Bernstein und Hilferding4. Die wirklich kommunistische Kraft, die im Herzen der ISD (Radikale Internationalisten Deutschlands) organisiert war, lehnte diesen Beitritt jedoch ab und beschuldigte sogar Luxemburg und Liebknecht, den „Verrat von 1914“ zu wiederholen. Auf die notwendige Klassenspaltung, die Abgrenzung zwischen den Kräften der Revolution und denen der Konterrevolution, antwortete der zentristische Sumpf: „Die Losung lautet nicht Spaltung oder Einheit, neue Partei oder alte Partei, sondern Rückeroberung der Partei von unten, durch die Revolte der Massen, die die Organisationen und ihre Instrumente in die Hand nehmen müssen.“ (Zitiert von Broué in „Revolution in Deutschland“). Angesichts dieser Rückkehr der Luxemburger Gruppe zur Sozialdemokratie (wenn es sie je gegeben hätte!) verkündeten die Kommunisten: „Die ‚Internationale‘ ist tot“ (Arbeiterpolitik), und gründeten die IKD (Internationale Kommunisten Deutschlands) als Kern der zukünftigen kommunistischen Partei.
Ebenso sollten Luxemburg und ihre Nachfolger Levi und Zetkin usw. in jeder revolutionären Phase unter dem Vorwand der „Unreife der Massen“ dem Aufstand (der Grundlage der marxistischen Vorstellung von der Zerstörung des Staates) die fortschreitende Eroberung der Massen und des Staates entgegensetzen, die allen Sozialdemokraten am Herzen liegt.
„Wir müssen den bourgeoisen Staat von unten untergraben, indem wir so handeln, dass die öffentlichen, gesetzgebenden und administrativen Gewalten nicht mehr getrennt, sondern zusammengelegt werden, und indem wir sie in die Hände der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Soldatenräte legen.“ Luxemburg – Rede auf dem Gründungskongress der KPD
All der Gradualismus, der Administrationismus, der Pädagogismus,… „Arbeiter“-Ableitungen der reformistischen Demokratie sind in dem enthalten, was die luxemburgische Ideologie werden sollte: die Vorstellung von der Eroberung des Bewusstseins der Mehrheit der Arbeiterinnen und Arbeiter, von den Arbeiterräten, die als „das Parlament der Proletarier der Städte und des Landes“ (Luxemburg, -Die Rote Fahne- 1918) konzipiert sind, von den „Boss-losen“ Fabriken,. … im Grunde von einer neuen bourgeoisen Suppe, die das Proletariat in Richtung Massaker zerrt, die immer wieder wiederholt werden, wobei die Organisation aus Angst vor der Gegenrede, dass sie sich von den mythischen Massen abschneiden würden, abgelehnt wird.
Von der Besetzung des „Berliner Lokalanzeigers“ durch bewaffnete Militante, die von Luxemburg verurteilt wurde, bis zur Denunziation der „März-Aktion“ durch Levi gibt es ein und dieselbe beschwichtigende Linie, nämlich die Ablehnung der Konfrontation (immer unter dem Vorwand, dass dies gleichbedeutend mit Putschismus wäre), die Ablehnung des bewaffneten Aufstandes, die Ablehnung der kommunistischen Revolution.
Ebenso machte sich Luxemburg in der berühmtesten Polemik zwischen „Masse und Anführern“ zu einer der glühendsten Verteidigerinnen der Massen gegen die Anführer der Freiheit der Kritik (vgl. „Marxismus gegen Diktatur“!!!). Dieser Scheinwiderspruch zwischen den Massen und den Anführern, die die Massen verraten, ist ein reines Produkt der Demokratie und ihrer pathogenen Funktionsweise. In demokratischen Organismen (gewählt oder nicht, föderalistisch oder zentralistisch,…) kann diese Art von Problem überhaupt erst entstehen, denn sie setzt sowohl eine Masse ungebildeter, amorpher und atomisierter Individuen voraus, die bereit sind, verraten zu werden, als auch das außergewöhnliche Individuum, den Anführer, der am Ende einer bestimmten Zeit verraten kann oder nicht (für Libertäre verraten sie per Definition).
Für uns autoritäre Marxisten haben die Massen nur die Anführer, die sie verdienen. Es waren nicht die Noskes, die Scheidemanns, die Kautskys, … die die „guten“ sozialdemokratischen Massen verraten haben. Gerade weil diese Massen sozialdemokratisch waren, durchdrungen von mehr als 20 Jahren Klassenkollaboration, Pazifismus, Nationalismus, Demokratismus,… waren Noske, Scheidemann und Kautsky in der Lage, den ursprünglichen Inhalt, die Substanz der Sozialdemokratie, d.h. den bourgeoisen Sozialismus, klar zum Ausdruck zu bringen. Der „Verrat“ am revolutionären Programm datiert nicht plötzlich aus dem Jahr 1914, sondern geht auf die Jahre um 1875 zurück, als sich in Gotha die Lassalianer und die bereits kaum noch revolutionären Marxisten (Bebel, Liebknecht,…) zusammenfanden, um die sozialdemokratische Partei von finsterem Ruf abzurunden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lassalianer bereits gut in den Bismarckschen Staat integriert. Die Autonomisierung der Anführer (und damit der Bürokratie) kann nur im Herzen von Organisationen, Parteien usw. existieren, wo das Einzige, was die Individuen verbindet, einige allgemeine humanistische und gut gemeinte Ideen sind. Dies ermöglicht es den demokratisch gewählten Anführern (mit all dem Personenkult, Karrierismus und den damit verbundenen Kämpfen zwischen verschiedenen Sekten oder Cliquen), die bourgeoise Politik im Namen des unmittelbaren oder mythischen Wohls „ihrer“ armen Massen weiterzuführen. Ob man diese Funktionsweise nun Föderalismus oder demokratischen Zentralismus nennt, jedes Mal geht es darum, Anführern Vollmachten zu erteilen, die heute genauso verehrt werden, wie sie morgen als Verräter denunziert werden (zum Beispiel Kautsky, der sowohl vor als auch nach 1914 im Wesentlichen die gleichen Positionen vertrat!). Diese Anführer werden dadurch ermächtigt, laut zu sagen, was die Massen in diesem unmittelbaren Moment denken. Nun kann die „Unmittelbarkeit“ der Massen, der Mehrheit, nur die unmittelbare Realität ihrer Unterwerfung unter das Kapital sein, weshalb die herrschenden Ideen im Herzen der Massen die Ideen der herrschenden Klasse sind, Ideen, die die „Anführer“ nur wiederholen können. Bernstein hat die Sozialdemokratie nicht verraten, als er sagte, dass „die Bewegung alles und das Ziel nichts ist“, er hat nur die reale Praxis der deutschen Sozialdemokraten theoretisiert. Luxemburg kämpfte in ihrem Widerstand gegen Bernstein nicht gegen die konterrevolutionäre Praxis der Sozialdemokratie, sondern nur dafür, diese Praxis in Verbindung mit revolutionären Ideen, mit dem „Ziel“, zu erhalten. Dies geschah, um eine völlig formale Kohärenz zwischen „Reform und Revolution“ aufrechtzuerhalten, d.h. um die revolutionäre Vorbereitung zugunsten unmittelbarer Reformen zu liquidieren.
Für Luxemburg ist die einzige Vorbereitung, der einzige Bereich, in dem man von Revolution sprechen kann, der der reinen Ideen, des Bewusstseins, der „Erziehung der Massen“:
„Ich glaube im Gegenteil, dass die einzige Gewalt, die uns zum Sieg führen wird, die sozialistische Erziehung der Arbeiterklasse im täglichen Kampf ist.“ Luxemburg – Abhandlung über die Taktik, 1898
„Pädagogismus“, der Akt, jedes proletarische Individuum intellektuell für den Sozialismus gewinnen zu wollen, führte Luxemburg dazu, die revolutionäre Situation und die Aufgaben, die sie aufwirft, nie zu verstehen, immer zu versuchen, die Bewegung unter dem Vorwand zu verzögern, sie sei noch nicht massiv genug, nicht „bewusst“ genug. Und die Luxemburger „Pädagogik“ diente nur dazu, die wahren proletarischen Kämpfer zu entwaffnen, um aus ihnen parlamentarische Marionetten und Pazifisten zu machen:
„Statt aus den gegenwärtigen Verhältnissen unbezwingbare Rebellen zu machen, würde der Sozialismus damit enden, fügsame Schafe zu machen; domestiziert und „kultiviert“, um bereit zu sein, geschoren zu werden, (…) Wir können also die Revolution nicht mit der Erziehung des Proletariats verbinden, denn dann würde die Revolution niemals kommen.“ Avanti – Das Problem der Kultur. (Polemik im Herzen der PSI, wo die abstentionistische Linke, die sich um Bordiga gruppierte, eindeutig kultur- und bildungsfeindliche Positionen vertrat).
Entgegen der Legende, die sowohl von Trostyisten als auch von Rätekommunisten aufrechterhalten wird, steht R. Luxembourg nicht für den Kommunismus, sondern im Gegenteil für die vielfältigen und verzweifelten Versuche, seine Vorbereitung und Verwirklichung zurückzudrängen. Es steht besonders grausam für die Zersetzung der Arbeiterbewegung durch demokratisches Gift, umso mehr, wenn diese als „Arbeiterinnen und Arbeiter“ eingestuft wird. Es gibt einen Klassenunterschied zwischen der deutschen kommunistischen Linken (deren eigentliche direkte Linie die IKD-KAPD ist) und dem Luxemburgismus, der Basis, auf der die Levis, Radeks, Zetkins, Brandlers,… die KPD, Interessenpartei (A.d.Ü., oder – abwertend – Klientelpartei (Max Weber: Patronagepartei)) und andere Politiken der fatalen Erinnerung aufgebaut haben5.
Für Luxemburg:
„Es geht heute nicht um die Wahl zwischen Demokratie und Diktatur. Die Frage, die uns die Geschichte heute stellt, lautet: bourgeoise Demokratie oder sozialistische Demokratie. Denn die Diktatur des Proletariats ist die Demokratie im sozialistischen Sinne des Wortes. Die Diktatur des Proletariats bedeutet nicht Bomben, Putsche, Aufruhr, „Anarchie“, wie die Agenten des Kapitalismus zu behaupten wagen, sondern für die Erbauung des Sozialismus, für die Enteignung der Kapitalistenklasse nach dem Gefühl und dem Willen der revolutionären Mehrheit des Proletariats und damit im Sinne der sozialistischen Demokratie. Ohne den bewussten Willen und ohne die bewusste Aktion des Proletariats gibt es keinen Sozialismus.“ Rosa Luxemburg – Die Rote Fahne
Für die revolutionären Kommunisten gibt es einen Klassenunterschied zwischen der Demokratie der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Diktatur des Proletariats und:
„Wir könnten entgegnen, dass, vorausgesetzt, dass die Revolution den vom bourgeoisen Regime angehäuften Haufen von Schandtaten hinwegfegt und vorausgesetzt, dass der gewaltige Kreis von Institutionen, die das Leben der produktiven Massen unterdrücken und verstümmeln, durchbrochen wird, es uns überhaupt nicht stören würde, dass die Schläge von Männern ausgeführt werden, die sich des Ergebnisses des Kampfes noch nicht bewusst sind.“ Bordiga – Kraft, Gewalt und Diktatur im Klassenkampf 1946-48
Der Luxemburgismus ist nur die liberale Version des Leninismus (und später des Stalinismus) und diente nicht umsonst als Warnung für alle humanistischen „anti-stalinistischen“ Demokraten, von M. Pivert bis Cohn-Bendit, von R. Lefevre bis D. Guerin, von Sabatier bis Mandel, ohne die „neuen“ Apologeten, die ICC, zu vergessen. Mehr noch als ihr leninistischer Cousin reiht sich die luxemburgische Ideologie in die sozialdemokratische Tradition ein, die unter dem Deckmantel des Namens Marx nichts anderes ist als eine vulgäre Mischung aus Proudhon und Lassalle. Lenin und vor allem Trotzki hatten trotz einer ähnlichen Gleichsetzung der Diktatur des Proletariats mit der „Arbeiter“-Demokratie zumindest versucht, mit demokratischen Vorstellungen zu brechen, indem sie allein auf die „rettende Tugend“ der Gewalt, des Terrorismus und des Terrors vertrauten6.
Der Luxemburgismus ist somit eine der repräsentativsten Ideologien für den Mythos der „Arbeiter“-Demokratie und ihre fatale Praxis der völligen Erniedrigung, des pazifistischen Defätismus vor den Kräften der Bourgeoisie. Aber sie ist nicht die einzige. Auch die Austromarxisten, die sich mit Max Adler und seiner Theorie der Arbeiterräte als Verwirklichung der „Arbeiter“-Demokratie ganz in der Nähe von Luxemburg und Gramsci befinden, sowie alle Strömungen, die eine „Kontrolle der Arbeiterinnen und Arbeiter“, eine „Selbstverwaltung“ fordern, die in Wirklichkeit nur die Anwendung der „Arbeiter“-Demokratie auf die ökonomische Sphäre ist, d.h. die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung im Namen des Proletariats (vgl. Socialisme ou Barbarie, der SI,…). Und hier berühren wir einen grundlegenden Punkt: die Verbindung zwischen der „Arbeiter“-Demokratie, die „politisch“ die Anwendung demokratisch-parlamentarischer Regeln im Herzen der proletarischen „Massen“-Organe (Vollversammlungen, Gewerkschaften/Syndikate, Räte,…) bedeutet, d.h. die Unterwerfung der proletarischen Aufgaben unter die Anwendung einer Mehrheit und damit meist unter die bourgeoise Ideologie; und der „Arbeiter“-Demokratie, die „ökonomisch“ die Verwaltung ihrer eigenen Ausbeutung durch die (atomisierten) Proletarier bedeutet. In der Tat bedeutet „Arbeiter“-Demokratie (oder „direkte“ Demokratie für Libertäre) in erster Linie die Anwendung demokratischer Regeln (Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit; ein Individuum, eine Stimme) im Herzen der proletarischen Organismen (sowohl derjenigen, die die Massen der Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenfassen, als auch derjenigen, die eine eindeutig revolutionäre Mitgliedschaft haben). Diese Organisationen (vor allem die passiveren) basieren für die Demokraten nicht auf einem politischen Inhalt, einem Programm und dem Willen zum Kampf, sondern im Gegenteil auf vulgärsoziologischen Kriterien, auf der „ökonomischen“ Zugehörigkeit der Individuen. („Ein Arbeiter oder eine Arbeiterin ist jemand, der oder die diese und jene Arbeit macht, oder noch vulgärer: jemand, der oder die etwas verdient…“). Es handelt sich also um eine Addition von „atomisierten Arbeiterinnen und Arbeitern“, d.h. von Atomen des Kapitals. Im Kern dieser so gebildeten Vollversammlungen sanktioniert die demokratische Abstimmung die Hinzufügung von Individuen und damit die Tatsache, dass die Ideologie und die herrschenden Meinungen im Kern dieser Vollversammlungen die der herrschenden Klasse, d.h. der Bourgeoisie, bleiben. Vom isolierten Individuum, soziologisch gesehen einem Arbeiter und einer Arbeiterin, auszugehen und seine Einzelmeinungen hinzuzufügen, führt zwangsläufig nicht zu einer Position unserer Klasse (die das Individuum zugunsten der kämpfenden Kollektivität verleugnet), sondern zu einer Summe von bourgeoisen Positionen.
„Von der Einheit des Individuums (?) auszugehen, um daraus gesellschaftliche Schlussfolgerungen zu ziehen und Pläne für die Gesellschaft zu entwerfen, oder gar die Gesellschaft zu leugnen, bedeutet, von einer irrealen Voraussetzung auszugehen, die selbst in ihren modernsten Formulierungen im Grunde nur eine modifizierte Reproduktion von Konzepten der religiösen Offenbarung, der Schöpfung und des geistigen Lebens unabhängig von den Tatsachen des natürlichen und organischen Lebens ist.“ Bordiga – Das demokratische Prinzip, 1921
Die Erfahrung der Arbeiterinnen und Arbeiter zeigt uns, dass sich im Herzen dieser Organismen (Räte in Deutschland, Sowjets in Russland, „Gewerkschaften/Syndikate“ in den USA und Lateinamerika,…) die bestehenden, verworrenen oder offen bourgeoisen Positionen am leichtesten durchsetzen und sich oft sogar nach dem siegreichen Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter behaupten. Wir wollen schnell das Beispiel anführen, dass es der „blutige Hund“, aber dennoch „Arbeiter“, Noske war, der in Deutschland demokratisch an die Spitze der Räte gewählt wurde und dass in fast allen proletarischen Zentren seine SPD-Kolleginnen und -Kollegen die Mehrheit der Räte kontrollierten. Genauso war es in Russland notwendig, den Aufstand am Vorabend des Sowjetkongresses zu organisieren, um diesen vor vollendete Tatsachen zu stellen! (vgl. die Polemik zwischen Lenin und Trotzki).
Das demokratische Prinzip steht im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Arbeiterinnen und Arbeiter, zu den Notwendigkeiten des Kampfes, d.h. zu dem proletarischen Inhalt, den diese Vollversammlungen haben könnten, wenn ihre Konstituierung nicht von der soziologischen und individuellen Zugehörigkeit der Proletarierinnen und Proletarier abhinge, sondern im Gegenteil von ihrem Willen zum Kampf… Die Abgrenzung erfolgt durch den Kampf, und gerade die Realität der Antagonismen der Klassen zeigt, dass es meistens Minderheiten sind (ein äußerst relativer Begriff, da diese Minderheiten in revolutionären Zeiten zu Millionen von Proletariern im Kampf werden), die praktisch die revolutionären Aufgaben übernehmen und „die Revolution machen“.
„Die Revolution ist kein Problem der Organisationsformen. Die Revolution ist im Gegenteil ein inhaltliches Problem, ein Problem der Bewegung und Aktion der revolutionären Kräfte in einem unaufhörlichen Prozess, der nicht theoretisiert werden kann, indem man ihn in verschiedenen Ansätzen einer unveränderlichen ‚Verfassungslehre‘ festlegt.“ Bordiga – Das demokratische Prinzip, 1921
„Arbeiter“-Demokratie behauptet sich so als letzter Schutzwall des Kapitals, als ultimative bourgeoise Lösung für die Krise des Kapitals, denn sie neigt dazu, in jedem Moment die konterrevolutionären Ideen im Herzen des Proletariats in den Vordergrund zu stellen und nicht die kommunistischen Aspekte; sie übernimmt die Aufgabe, die Avantgarde-Sektoren warten zu lassen und sich deshalb unter dem Vorwand zurückzuziehen, dass andere, massivere Sektoren im Rückstand sind. Die „Arbeiter“-Demokratie stellt also in jedem Moment die vom Kapital produzierte Heterogenität des Proletariats in den Vordergrund, zum Nachteil der Aspekte der kommunistischen Vereinheitlichung und Homogenisierung. Die Demokratie stellt sich damit direkt gegen die weltweite Zentralisierung des Proletariats, seine organische Einheit und seine Konstituierung in einer Weltpartei.
Ergänzend zur „Arbeiter“-Demokratie in der politischen Sphäre, in der die Arbeiterinnen und Arbeiter über ihre historisch festgelegten Aufgaben entscheiden, gibt es die „Arbeiter“-Demokratie in der ökonomischen Sphäre in Form der „Arbeiterkontrolle“ oder, modischer, der „Selbstverwaltung“. Und wenn die Kommunistinnen und Kommunisten schon immer gegen die Selbstverwaltung, gegen die Lehre der Arbeiterinnen und Arbeiter von der kapitalistischen Verwaltung (die Proudhon, Sorel, Adler, Gramsci,…) im Herzen des Kapitalismus gekämpft haben, bleibt es uns überlassen, ihren Mythos auch nach dem siegreichen Aufstand zu zerstören.
„Wir wollen nicht, dass sich unter der Masse der Arbeiterinnen und Arbeiter die Überzeugung verbreitet, dass es durch die Entwicklung der Institution der Räte möglich ist, die Betriebe in Besitz zu nehmen und die Kapitalisten zu beseitigen. Das wäre die gefährlichste aller Illusionen. Das Unternehmen wird erst dann von der Arbeiterklasse erobert – und nicht nur von der Belegschaft, was eine sehr kleine Angelegenheit und nicht sehr kommunistisch wäre – wenn die gesamte Arbeiterklasse die politische Macht ergreift. Ohne diese Eroberung werden die Illusionen durch königliche Garden, Karabiniere (italienische Geheimpolizei) usw. zerstreut, d.h. durch die Unterdrückungs- und Gewaltmechanismen, über die die Bourgeoisie durch ihren Staatsapparat verfügt.“ Bordiga – Die Lehren aus der jüngsten Geschichte
Und wenn vor dem Aufstand die Eroberung der Fabriken durch die Arbeiterinnen und Arbeiter nur dazu dienen kann, diese von ihren zerstörerischen Aufgaben abzulenken, so sind nach dem siegreichen Aufstand die Eroberung der Fabriken durch die Arbeiterinnen und Arbeiter, die „Arbeiterkontrolle“ und die Selbstverwaltung keine „sehr kommunistischen“ Maßnahmen, die nur die allgegenwärtigen bourgeoisen Tendenzen verstärken, wie Bordiga feststellte.
Diese Politik entspringt in direkter Linie zwei grundlegenden und komplementären sozialdemokratischen Abweichungen: dem Politizismus und dem ökonomischen Managementismus, die in Wirklichkeit nur die Anwendung der Demokratie im revolutionären Prozess darstellen. Es ginge darum, den Aufstand, die Revolution als einen primär und ausschließlich politischen Akt zu betrachten (Marx sprach von einer Revolution „mit politischer Seele“): die Übernahme der politischen Macht, des Staatsapparats, ja sogar die „Besetzung“ des bourgeoisen Staates durch eine gewaltsame Eroberung, und dann, in Abhängigkeit von den Umständen (wo sonst immer ungünstig! ), das Ergreifen dieser oder jener ökonomischen Maßnahmen im Interesse oder nicht des Proletariats, mit oder ohne dessen Zustimmung (vgl. die Einführung des tayloristischen Systems und des 8-Stunden-Tages seit Beginn der bolschewistischen Diktatur). Nach dieser Auffassung, die ebenso die der politischen Vermittlung wie die der „Arbeiter“-Demokratie ist, ist die kommunistische Revolution keine soziale Revolution mehr, die den bourgeoisen Staat und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse vollständig zerstören und im gleichen Zuge die Lohnarbeit vernichten und die Produktion in die Reproduktion des menschlichen Lebens umwandeln muss; die „kommunistische“ Revolution ist nichts anderes als ein Wechsel des politischen Personals (wie in der bourgeoisen Revolution), das sich zusammenfindet, um einige ökonomische Maßnahmen zur Reform der Produktionsweise zu treffen. Das ist die eigentliche Grundlage der Vorstellung vom „Sozialismus in einem Land“, die die Menschen glauben lässt, dass sich die „politische Macht der Arbeiterinnen und Arbeiter“ auf der Grundlage des kapitalistischen Systems selbst (und für die UdSSR sprechen wir heute von mehr als 60 Jahren) aufrechterhalten kann, vor allem wenn sie reformiert wird. Von daher ist die Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus natürlich nichts weiter als „die vorübergehende Produktionsweise“, „Arbeiterdemokratie“ in der Politik und „Arbeiterverwaltung“ in der Ökonomie, die sozialistische Produktionsweise (die Sowjets plus Elektrifizierung), die eine kluge Mischung aus Kapitalismus und… „Arbeiterinnen und Arbeiter“-Demokratie, während wir auf die endgültige Erlösung warten. Und hier finden sich all die „marxistischen Theoretiker“ der „sozialistischen Etappe“, des „Staatskapitalismus, der notwendigerweise als Vorspiel zum Kommunismus dient“,… in der Tat, vulgäre Apologeten des kapitalistischen Systems in seiner sowjetischen Form, russisch oder chinesisch…
Für uns wie für Marx ist die Periode des Übergangs im Gegenteil nichts anderes als die Diktatur des Proletariats zur Abschaffung der Lohnarbeit, d.h. ein ganzer Prozess, der die fundamentalen Grundlagen des kapitalistischen Systems (Wert, Geld, Kapital, Lohnarbeit) zerstört, um in und durch denselben Prozess sofort und immer massiver und bewusster die menschliche Gemeinschaft, das menschliche Kollektivwesen, zu bejahen. Die Zeit des Übergangs kann nur als ein einheitlicher Prozess verstanden werden, als eine totalitäre Bewegung der positiven Zerstörung/Bejahung, der Zerstörung – der Negation – insofern sie die Grundlagen des Kapitalismus diktatorisch untergräbt (Extraktion des Mehrwerts auf der Grundlage der Differenz zwischen notwendiger Arbeit und überschüssiger Arbeit), der Bejahung – der Negation der Negation – denn je mehr der Prozess der Zerstörung verallgemeinert wird und damit aufhört zu existieren, desto vollständiger wird eine neue gemeinschaftliche Lebensweise, eine kommunistische Lebensweise, in Erscheinung treten. Jede Bemühung, die darauf abzielt, die beiden Begriffe – Zerstörung und Bejahung – des Prozesses, der vergänglichen Bewegung, zeitlich oder räumlich zu trennen, endet unweigerlich damit, dass sie zerbricht und auf die eine oder andere Weise zur Lohnsklaverei zurückkehrt. Das ist offensichtlich der Punkt, an dem der Politizismus und der Ökonomismus enden, ebenso wie alle Vorstellungen von einer „transitorischen Produktionsweise“, d.h. einer Phase der „Arbeiterinnen und Arbeiter“-Demokratie zwischen Kapitalismus und Kommunismus.
Die Diktatur des Proletariats durch die „Arbeiter“-Demokratie zu ersetzen oder mit ihr gleichzusetzen, bedeutet, abgesehen von der Veränderung des terroristischen Charakters der Arbeiterdiktatur, die Aufrechterhaltung der politischen Vermittlung, die Aufrechterhaltung der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse – Lohnarbeit -, die von den Proletarierinnen und Proletariern selbst verwaltet und demokratisch kontrolliert werden. Dies geschieht durch die Leugnung des „halbstaatlichen“ (Marx) Charakters des proletarischen Staates, d.h. des Prozesses der Auslöschung der politischen Sphäre und der Ausweitung der menschlichen Gemeinschaft. Eine solche selbstverwaltete Gesellschaft ist die verwirklichte Utopie des Kapitalismus, eine Welt, deren Motor der sich selbst verwertende Wert – der Kapitalismus – bleibt, die aber die revolutionäre, zerstörerische Seite – das Proletariat – aus ihr entfernt hat, um nur den reproduktiven Pol des Kapitals zu erhalten. Die „Arbeiter“-Demokratie bringt somit den Traum aller Reformer der Welt am besten zum Ausdruck: das Kapital ohne seine Widersprüche, „die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente“ (Marx – Der konservatie oder Bourgeoissozialismus, Das Manifest der Kommunistischen Partei). Wie Barrot zu Recht sagte:
„Die Demokratie diente dazu, die unterschiedlichen Interessen im Rahmen des bourgeoisen Staates zu harmonisieren. Der Kommunismus kennt keinen Staat, er zerstört ihn; und er kennt auch keine entgegengesetzten sozialen Gruppen. Er verzichtet damit automatisch auf jeden Vermittlungsmechanismus, der darüber entscheiden würde, was ihm angemessen wäre. Kommunismus und Demokratie zu wollen, ist ein Widerspruch. Da er das Ende der Politik und die Einigung der Menschheit bedeutet, setzt er keine Macht über die Gesellschaft, um sie stabil und harmonisch zu machen.“ Barrot – Le Mouvement Communiste (Editions Champ Libre)
Das Paradoxon zwischen Kommunismus und Demokratie ist nur der Ausdruck desjenigen zwischen dem revolutionären Proletariat und der Bourgeoisie. Das ungeheure Gewicht, das die sozialdemokratische und libertäre Tradition auf der kommunistischen Bewegung lastet, hat das Proletariat lange Zeit dazu veranlasst, den bourgeoisen Staat, ob friedlich oder nicht, zu erobern, ihn zu besetzen und zu reformieren; dass man der Fäulnis der bourgeoisen Demokratie die Reinheit der „Arbeiter“-Demokratie entgegensetzen musste, kurz, dass man all den bösen Kapitalisten ihre Vorteile, die Vorteile der Demokratie – die Demokratie als positiver Pol des Kapitals – entgegensetzen und realisieren musste.
Gegen all diese Rückbesinnungen auf den bourgeoisen Sozialismus grenzt sich der revolutionäre Marxismus stets durch die Notwendigkeit ab, die gesellschaftlichen Verhältnisse des Kapitals, die Totalität des Systems, zu zerstören.
– Es geht nicht darum, den Pol der Arbeit gegen den des Kapitals zu verteidigen.
– Es geht nicht darum, die „bösen“ Kapitalisten zu liquidieren, um die „guten“ Produktivkräfte zu nutzen.
– Es geht nicht darum, die barbarische bourgeoise Demokratie zugunsten der zivilisatorischen „Arbeiterinnen und Arbeiter“-Demokratie zu kritisieren.
Was uns interessiert, ist die Zerstörung des gesamten Systems, dessen positive Pole – Demokratie, Fortschritt, Zivilisation, Wissenschaften,… – nur als Funktion und dank der negativen Pole – weißer Terror, Krieg, Hungersnot, Umweltverschmutzung,… – existieren.
„Wir Marxisten haben unsere theoretischen Papiere in diesem Punkt vollkommen in Ordnung: Zum Teufel mit der Freiheit! Zum Teufel mit dem Staat!“ Bordiga – Kommunismus und menschliches Wissen, 1952
1Wir verweisen den an dieser Frage interessierten Leser auf die Klassiker von Marx (vor allem: „Zur Judenfrage“) sowie auf Bordigas Werk (vor allem: „Das demokratische Prinzip“) – von dem wir dir ein englisches Exemplar schicken können -, das von der Kommunistischen Linken aus Italien im Exil fortgeführt wird, d.h. von Bilan, Octobre,
Prometheo und in jüngerer Zeit von Camatte und der Zeitschrift Invariance (erste Serie). Wir selbst haben eine Reihe von Texten zu dieser Frage verfasst und neu veröffentlicht:
– „Fasciste ou anti-fasciste, la dictature du capital c’est la démocratie“ – in Le Communiste No.9.
– „Gegen den Mythos der demokratischen Rechte und Freiheiten“ – in Communisme Nr. 8.
– „L’Etat démocratique“ (Bilan No.12) – Le Communiste No.12.
– „La dictature du prolétariat et la question de la violence“ (Octobre No.5) – in Le Communiste No.17.
2A.d.Ü., wir haben diese Stelle nicht in den Marx-Engels Werken gefunden, haben es also frei übersetzt.
3Der Leser wird auf den Text „Quelques leçons d’octobre“ in Le Communiste Nr. 10/11 verwiesen (auf Französisch).
4Die USPD oder „Unabhängige Sozialdemokratische Partei“, auch „Majoritär“ genannt, die auf der Grundlage desselben Programms – dem alten Gothaer Programm – der Sozialdemokratie die Jungfräulichkeit zurückgeben wollte, die die SPD in den dreieinhalb Jahren des imperialistischen Krieges unerbittlich verteidigt hatte, war, gelinde gesagt, zerbrochen. Der Einzug der Spartakisten in das Herz der USPD hatte zur Folge, dass der Aufbau einer Kraft auf kommunistischer Basis unmöglich wurde. Viele Spartakisten schlossen sich den Positionen der ISD an (was sich später, 1918, bewahrheitete), und zur Zeit der Gründung der KPD (S) waren es antidemokratische, gewerkschaftsfeindliche/anti-syndikalistische und antiparlamentarische Tendenzen, die die formale zentristische Führung (Luxemburg, Levi, Jogishes, Dunker,…) beherrschten.
Zu dieser Frage verweisen wir den Leser auf das Buch von Authier und Barrot: „Die kommunistische Linke in Deutschland“ sowie auf unseren Text „Die KAPD in der revolutionären Aktion“, in Le Communiste Nr. 7.
5Wie im Text erwähnt, wurden die IKDs gegründet, um sich dem Sozialdemokratismus der Spartakusbünde entgegenzustellen, wobei der Name „kommunistisch“ auf die Klassenspaltung mit den Sozialdemokraten jeder Couleur hinweist. Die VKPD – Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands – wurde 1920 nach dem Ausschluss der Mehrheit der KPD(S) – ein Zusammenschluss, der dem Wesen der IKD und des Spartakusbundes zuwiderlief – dank der Manöver von Levi und Zetkin gegründet und schloss damit die „Linken“, d.h. alle wahrhaft revolutionären Tendenzen, aus. Im Zuge dieses Ausschlusses konstituierte sich 1920 die KAPD – Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands -, die das Erbe der ISD und der IKD fortsetzen sollte. Die Überreste der KPD(S), im Wesentlichen die Belegschaft und die Führung, sollten sich mit den „Massen“ der USPD zur VKPD zusammenschließen, einer zentristischen, wenn auch nicht ganz bourgeoisen Massenpartei.
6Wir haben bereits bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass für uns die Anwendung von Gewalt, Terrorismus und Terror zwar Klassenmethoden und als solche Teil des kommunistischen Programms sind, Gewalt und Terror an sich aber niemals eine Klassenabgrenzung darstellen. Terror und Terrorismus sind unverzichtbar, aber nicht ausreichend. Im Gegensatz zu Lenin und Trotzki, die in dem Glauben, Terror sei die wesentliche Abgrenzung, letztlich das revolutionäre Proletariat massakrierten und niederschlugen (Streiks von 1921-23, Krondstat,…), verteidigen wir diese Methoden des Kampfes der Arbeiterinnen und Arbeiter, wenn sie im historischen Interesse des Proletariats eingesetzt werden. In diesem Sinne sind sie „subsidiär“, d.h. sie werden von der Klasse bestimmt, die sie anwendet. Zu dieser Frage verweisen wir den Leser auf unseren Text „Critique du réformisme armé“ in Le Communiste Nr. 17 und Nr. 19.
„(Die Kommunisten) schlagen vor, das heimtückische Spiel der Demokratie im Voraus zu entlarven und ihren Angriff gegen die Sozialdemokratie zu beginnen, ohne darauf zu warten, dass ihre konterrevolutionäre Funktion mit einem Blitz in der Realität enthüllt wird.“