(Grupo Barbaria) Stalinismus: Die rote Fahne des Kapitals

Von Grupo Barbaria, die Übersetzung ist von uns. Ein hervorragender Text, der dennoch in seiner historischen Analyse einige klare Fehler macht, bzw. an einigen Stellen sich selbst widerspricht. Diese hier zu erklären würde sehr viel Platz einnehmen. Wir werden es noch nachholen.


Stalinismus: Die rote Fahne des Kapitals

Einleitung

Der Inhalt dieser Broschüre erscheint uns für diejenigen von uns, die diese Welt radikal umstürzen wollen, unerlässlich. Wir sind davon überzeugt, dass die soziale Energie zur Verleugnung und Überwindung des Kapitalismus immer stärker werden wird. Damit diese soziale Energie aber fruchtbar wird, ist es wichtig, sie mit dem historischen Programm der Revolution und des Kommunismus zu verbinden. Und dadurch das Terrain der Revolution von dem der Konterrevolution abzugrenzen. Diese Broschüre ist den theoretischen, politischen und historischen Ursprüngen der wichtigsten Konterrevolution des 20. Jahrhunderts gewidmet, die wir bequemerweise Stalinismus nennen. Der Name ist problematisch. Wenn wir von Stalinismus sprechen, beziehen wir uns nicht auf die Handlungen einer Person, Stalin, einer Art Superschurke, sondern auf ein politisches und praktisches Programm, das die Grundlagen des Kommunismus als echte Bewegung leugnete und alle Begriffe umkehrte. Internationalismus wurde durch Sozialismus in einem Land und Klassenunabhängigkeit durch Interklassismus1 ersetzt. Das kommunistische Ziel, eine klassen- und staatenlose Gesellschaft, wurde unter den Trümmern einer kapitalistischen ursprünglichen Akkumulation und einer Entschuldigung für Akkordarbeit hinweggefegt. Mit der stalinistischen Konterrevolution erleben wir ein wahres Lexikon der politischen Trickserei (Léxico de la truhanería política)2, wie Munis es ausdrückte. Alle Begriffe der Revolution und unserer historischen Bewegung wurden in ihr genaues Gegenteil verwandelt. Deshalb ist es so wichtig zu verstehen, was wir meinen, wenn wir von Kommunismus und menschlicher Befreiung sprechen. Der Kommunismus ist eine echte Bewegung und nicht eine Idee unter anderen, die die materiellen und kategorischen Grundlagen der Welt des Kapitals leugnet. Der Kommunismus ist die Bejahung der menschlichen Weltgemeinschaft, einer Gemeinschaft ohne Geld und Waren, ohne Staat und ohne soziale Klassen. Dies wurde auf der Grundlage der historischen Erfahrung unserer Klasse und des rigorosen Studiums der Gesellschaft des Kapitals durch unsere historische Partei, ausgehend von Marx, bekräftigt. Der Kommunismus als Weltgesellschaft erfordert eine politische Zwischenphase, die unsere Gefährtinnen und Gefährten die Diktatur des Proletariats nannten. Die Klassendiktatur ist die Gewalt, die das als Klasse und Partei konstituierte Proletariat gegen das Kapital und seine Kategorien sowie gegen die Bourgeoisie als Klasse ausübt. Die Existenz einer Klassengesellschaft bringt immer die Vorherrschaft einer Klasse über eine andere, einer Produktionsweise über die Bestätigung einer anderen mit sich. Diese Klassengewalt ist grundlegend und steht im Einklang mit dem Endziel des Kommunismus. Deshalb besteht das grundlegende Ziel der Diktatur des Proletariats darin, den revolutionären Prozess auf Weltebene auszuweiten, nationale Grenzen zu überwinden, die Kommodifizierung und den Einfluss des Kapitals auf die Gesellschaft so weit wie möglich zu reduzieren, den Arbeitstag zu reduzieren, den bewussten Protagonismus des Proletariats in der Ausübung seiner eigenen Diktatur auszudrücken… Antagonistische Realitäten, die im Gegensatz zu dem standen, was die stalinistische Konterrevolution behauptete, die den Nationalismus, die Verteidigung der russischen Grenzen als „revolutionäres“ Bollwerk, die Unterwerfung des Proletariats unter höllische Arbeitszeiten im Namen des Aufbaus des Sozialismus, in Wirklichkeit des russischen Staates und der kapitalistischen Industrie, und die physische Vernichtung von Millionen von Proletariern auf der ganzen Welt bekräftigte.

Deshalb ist der Marxismus eine Doktrin über die Konterrevolution. Denn es ist wichtig, Emanzipation von Ausbeutung, Kommunismus von Kapitalismus zu unterscheiden, wenn wir diese katastrophale Welt überwinden wollen, die an ihre inneren Grenzen stößt und das Aussterben unserer Spezies bedroht. Unsere Gefährtinnen und Gefährten, die sich in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als es die Mitternacht im Jahrhunderts war, die Aufgabe gestellt haben, sich von der Konterrevolution abzugrenzen, sahen die zwingende Notwendigkeit, unsere Theorie doktrinär zu rekonstruieren, zu ihren ursprünglichen Grundlagen zu gehen, um zu zeigen, dass der Stalinismus die konterrevolutionäre Negation unserer Doktrin ist. Er ist kein Kind von uns, weder legitim noch illegitim. Er ist die totale Negation unserer grundlegenden, theoretischen und materiellen Fundamente – man denke nur an die stalinistischen Massaker an echten Revolutionären). Auf diesen Seiten werden wir versuchen, die wichtigen Kämpfe zu rekonstruieren, die unsere Gefährtinnen und Gefährten gegen diese große Lüge führen werden, gegen diese verwirrende Lüge, die der Stalinismus war und heute in viel geringerem Maße ist, um das wichtige Buch von Anton Ciliga zu paraphrasieren.

Wir leben in turbulenten Zeiten, interessanten Zeiten. Es sind Zeiten der Katastrophe und Zeiten der Hoffnung auf eine neue Welt, die entstehen kann. Wir haben Beweise dafür, und zwar nicht nur negativer Natur. Es sind nicht nur die negativen Beispiele von Krieg, Klimawandel oder ökonomischen Krisen, die immer dramatischer werden. Wir sprechen auch von sozialen Umwälzungen überall und von den materiellen Möglichkeiten, heute in einer kommunistischen Gesellschaft zu leben. Der Kapitalismus negiert sich selbst. Der Hauptgrund für seine Krise ist, dass er immer weniger in der Lage ist, die Gesellschaft an die miserablen Zeiten seines gesellschaftlichen Maßes, des Tauschwerts und der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, zu ketten. Schon heute wäre es möglich, global in einer Gesellschaft zu leben, in der die Arbeitszeit minimal wäre und die gesellschaftliche Produktion rationell und kostenlos verteilt würde, ohne Geld- oder Warenvermittlungen. Es sind der Kapitalismus und seine Widersprüche, die den Kommunismus zu einem realen Ziel machen und nicht zu einer idealen oder bloß moralischen Utopie, zu einem Don Quichotte-Abenteuer, wie Marx in Grundrisse sagte.

Entscheidend für die Bewegungen der zukünftigen sozialen Polarisierung ist, dass sie sich das historische Programm der Vergangenheit wieder aneignen, um die Praxis umzukehren, zu der der Kapitalismus uns verdammt. Der Kommunismus als wirkliche Bewegung verlangt, mit dieser kapitalistischen Praxis zu brechen, mit dem Warenfetischismus zu brechen, an einem bestimmten Punkt den kommunistischen Kopf und die bewussten Ziele ans Ruder zu setzen. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit der vergangenen Konterrevolution so wichtig, und das umso mehr, als wir als weiteren der gegenwärtigen positiven Anlässe eine neue Generation sehen, die sich mit den vergangenen Debatten unserer Klasse auseinandersetzt. An sie richtet sich dieser Text in erster Linie. In sozialen Netzwerken oder in Diskussionen auf der Straße ist oft von einer Internationalen Kommunistischen Bewegung (IKB) die Rede. Was wäre diese IKB? Eine nominalistische Vereinigung, bei der ein gemeinsamer Name ausreicht, um uns alle mehr oder weniger zu nahen Verwandten zu machen. Wir sagen ein klares NEIN zu dieser Union Sacree. Wir sprechen ein klares Nein aus. Und das ist der Vektor, der diese Broschüre bewegt. Die Revolution von der Konterrevolution zu unterscheiden. Zu verstehen, mit Nachdruck zu spüren, dass der Stalinismus in seinen vielfältigen Versionen – vereint durch das Programm des nationalen „Kommunismus“, das Bündnis mit der Bourgeoisie und den faktischen Aufbau des Staatskapitalismus – ein Todfeind der Revolution und der Kommunisten ist, ein legitimes Kind der Welt des Kapitals. Und das Kapital, in welcher Form auch immer, bekämpfen wir erbarmungslos und mit aller Kraft. Deshalb gibt es kein Wir, sondern einen radikalen Antagonismus, den Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Revolution und Konterrevolution, zwischen Kapitalismus und Kommunismus. In diesem Sinne ist unsere Kritik an der Konterrevolution keine Form des Anti-Stalinismus im üblichen Sinne, sondern sie erfolgt aus einem kompromisslosen Kommunismus heraus.

Die Prinzipien der Konterrevolution

Sozialismus in einem Land

Diese theoretische „Innovation“ Stalins wurde zur theoretischen Achse, um die sich die stalinistische Konterrevolution drehte und die bis heute anhält. Die Idee, dass der Sozialismus in einem einzigen Land aufgebaut werden kann, noch dazu mit einem rückständigen und ungleichen Kapitalismus wie dem russischen vor hundert Jahren. Eine Position, die sich radikal von der von Marx oder Engels unterscheidet – von der Kritik des Gothaer Programms bis zum Anti-Dühring -, die argumentiert hatten, dass der Kommunismus, ob in seiner niederen oder höheren Phase, eine Gesellschaft ohne soziale Klassen und den Staat, ohne Warenvermittlung zwischen Produktion und Verteilung der Produkte, ohne Geld voraussetzt. Vor dieser Phase, nach dem Triumph einer Revolution in einem bestimmten Gebiet, herrscht die politische Diktatur des Proletariats mit dem Ziel, sich weltweit auszudehnen, um den Kapitalismus zu zerstören und die Kräfte der kommunistischen Gesellschaft freizusetzen. Marx war sich über den Gegensatz zwischen nationalem Sozialismus und Kommunismus immer sehr im Klaren. Zum Beispiel sagte er in der Kritik des Gothaer Programms und in Bezug auf Lassalle:

Lassalle hatte, im Gegensatz zum Kommunistischen Manifest und zu allem früheren Sozialismus, die Arbeiterbewegung vom engsten nationalen Standpunkt gefaßt. Man folgt ihm darin – und dies nach dem Wirken der Internationalen!

Es versteht sich ganz von selbst, daß, um überhaupt kämpfen zu können, die Arbeiterklasse sich bei sich zu Haus organisieren muß als Klasse, und daß das Inland der unmittelbare Schauplatz ihres Kampfs. Insofern ist ihr Klassenkampf, nicht dem Inhalt, sondern, wie das Kommunistische Manifest sagt, „der Form nach“ national. Aber der „Rahmen des heutigen nationalen Staats“, z.B. des Deutschen Reichs, steht selbst wieder ökonomisch „im Rahmen des Weltmarkts“, politisch „im Rahmen des Staatensystems“. Der erste beste Kaufmann weiß, daß der deutsche Handel zugleich ausländischer Handel ist, und die Größe des Herrn Bismarck besteht ja eben in seiner Art internationaler Politik.

Und worauf reduziert die deutsche Arbeiterpartei ihren Internationalismus? Auf das Bewußtsein, daß das Ergebnis ihres Strebens „die internationale Völkerverbrüderung sein wird“ – eine dem bürgerlichen Freiheits- und Friedensbund entlehnte Phrase, die als Äquivalent passieren soll für die internationale Verbrüderung der Arbeiterklassen im gemeinschaftlichen Kampf gegen die herrschenden Klassen und ihre Regierungen. Von internationalen Funktionen der deutschen Arbeiterklasse also kein Wort!

Marx ist glasklar gegen den nationalen Sozialismus, dessen fortschrittlicher und innovativer Erbe Stalin war. Der Kapitalismus ist ein ökonomisches und politisches Weltsystem, daher kann der Inhalt des Kommunismus niemals national sein. Seine Form ist ebenso global wie die des Kapitalismus. Dem Weltcharakter des Kapitals kann nur eine Klasse entgegengesetzt werden, die ebenfalls weltumspannend ist, eben weil sie das Ergebnis der Entwicklung des Kapitalismus selbst ist, die Menge der Proletarier, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um zu überleben. Es ist also gerade die Entwicklung des Kapitalismus, die den Weltkommunismus notwendig macht, um mit den Kategorien des Kapitals – von der Ware bis zum Nationalstaat – materiell zu brechen. Die internationale proletarische Union ist keine bloße humanitäre Phrase, nach dem Motto „Wir müssen miteinander auskommen und uns wie gute Freunde lieben“: Sie ist, wie Marx selbst sagt, ein gemeinsamer Kampf gegen die Gesamtheit der herrschenden Klassen und ihrer Staaten, die sich in der Heiligen Familie auch gegen das Proletariat zusammengeschlossen haben. Es ist ein weltweiter Antagonismus, Klasse gegen Klasse, Produktionsweise gegen Produktionsweise.

Dieser internationale Charakter der Revolution war eine unumgängliche Grundlage für die Bolschewiki. Für sie gab es keine russische Revolution an und für sich. Sie war eine Episode der Weltrevolution, die ausbrechen musste und ausbrach und in Deutschland (November 1918) ihre nächste Episode hatte. Ein Beispiel:

Als wir seinerzeit die internationale Revolution begannen, taten wir es nicht in dem Glauben, dass wir ihre Entwicklung vorgreifen könnten, sondern deshalb, weil eine ganze Reihe von Umständen uns veranlasste, diese Revolution zu beginnen. Wir dachten: Entweder kommt uns die internationale Revolution zu Hilfe und dann ist unser Sieg ganz sicher, oder wir machen unsere bescheidene revolutionäre Arbeit in dem Bewusstsein, dass wir selbst im Falle einer Niederlage der Sache der Revolution dienen und dass unsere Erfahrungen den anderen Revolutionen von Nutzen sein werden. Es war uns klar, dass ohne die Unterstützung der internationalen Weltrevolution der Sieg der proletarischen Revolution unmöglich ist. Schon vor der Revolution und auch nachher dachten wir: Entweder sofort oder zumindestens sehr rasch wird die Revolution in den übrigen Ländern kommen, in den kapitalistisch entwickelteren Ländern, oder aber wir müssen zugrunde gehen.3 4

Lenin sprach 1921 und stellte klar, dass es ihnen klar war, dass der Sieg der proletarischen Revolution ohne die Unterstützung der proletarischen Weltrevolution nicht möglich ist. Wenn diese nicht zu ihrer Hilfe käme, wenn wir nicht im Weltmaßstab triumphierten, wären wir dem Untergang geweiht, aber das sei in jedem Fall in Ordnung, denn sie hätten der Sache der Revolution gedient, und ihre Lehren würden dem Weltproletariat nützlich sein: kurzum, eine internationalistische Position, mit der Stalin radikal brechen wird. Das ist die tiefe, infame und konterrevolutionäre Bedeutung der Theorie des Sozialismus in einem Land. Wie wir bereits gesagt haben, wiederholt Lenin in Bezug auf Marx einfach, was die Gründer unserer historischen Partei gesagt haben. Schon Engels erklärte in seinen Grundsätzen des Kommunismus, die dem Manifest vorausgingen:

Wird diese Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können? Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so weit gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein.

Und das in der Zeit vor den bourgeoisen Revolutionen von 1848. Es liegt auf der Hand, dass diese Position 1917 und erst recht heute, da der Kapitalismus zum Weltkapitalismus geworden ist, wiederum eine Revolution voraussetzt, um ihn auch auf Weltebene zu bekämpfen und zu besiegen. Sogar Stalin selbst bis 1924: Man lese nur seine Über die Grundlagen des Leninismus, in denen er behauptet, dass die russische Revolution die Diktatur des Proletariats in Russland errichtet hat, ihr endgültiger Triumph aber eine Weltrevolution erfordert. Erst im Dezember 1924 veröffentlichte Stalin in der Prawda einen Artikel mit dem Titel „Die Oktoberrevolution und die Taktik der Kommunisten“, in dem er zum ersten Mal vom Aufbau des Sozialismus in einem einzigen Land sprach. Im Jahr 1925 wird er als Vorwort zu Stalins Buch „Oktoberweg“5 und in den folgenden Ausgaben von „Zu den Fragen des Leninismus“ erscheinen. Für Stalin kann das russische Volk nicht „in seinen Widersprüchen dahinvegetieren und verrotten, während es auf die ‚Weltrevolution‘ wartet“. Auf diese Weise rekonstruiert und manipuliert er, wie wir weiter unten genauer sehen werden, Texte, um sie mit der Notwendigkeit der Entwicklung des russischen Staates und seiner kapitalistischen Akkumulation in Einklang zu bringen. Die zentrale These vom Sozialismus in einem Land ist eine konterrevolutionäre Umkehrung des bisher Gesagten: Der Sozialismus wird in Russland aufgebaut und das Proletariat muss ihn in allen Ländern verteidigen. Eine These, die des Sozialismus in einem Land, die untrennbar mit dem Scheitern der Weltrevolution verbunden ist – die ihre letzten beiden großen Episoden in Deutschland 1923 und in China 1927 erlebte. Diese Isolierung der russischen Revolution angesichts des besiegten Weltproletariats erzeugt in Russland nationalen Druck für eine Normalisierung der Beziehungen zu den kapitalistischen Staaten auf diplomatischer und ökonomischer Ebene. Diese Normalisierung ist das, was der Idee des Sozialismus in einem Land zugrunde liegt. Wir sollten uns auf uns selbst und unsere Entwicklung konzentrieren. Geben wir die Schimären einer Weltrevolution auf. Der Sozialismus muss in Russland auf der Grundlage des Willens der Arbeiter und Bauern, verkörpert durch die Partei, aufgebaut werden. Und das Weltproletariat muss vom aktiven Subjekt der Weltrevolution zum Verteidiger des Heimatlandes des Sozialismus, der belagerten russischen Bastion, werden. In der Fortsetzung der Debatte innerhalb der Russischen Kommunistischen Partei war es Bucharin, der theoretisch viel kompetenter war als Stalin6, der die Perspektive des Sozialismus in einem Land aufgriff und dieser Idee auf dem XIV Parteitag der Kommunistischen Partei Russlands mehr theoretisches Gewicht verlieh. Stalin griff sie im Rahmen des Kampfes gegen Sinowjew und Trotzki endgültig wieder auf und gab sie nicht auf. Sein Text ist in dieser Hinsicht wichtig: Die Frage des Sieges des Sozialismus in einem Land. Stalin verwendet seine typische Prosa voller einfacher Fragen, die bejahend oder verneinend beantwortet werden. Eine Prosa, die eine Schule schaffen wird, die Schule der Konterrevolution. Stalin beginnt mit einer Selbstkritik an seiner Behauptung, dass der Triumph des Sozialismus den Triumph der Weltrevolution voraussetzt, eine Formel, die sich in Über die Grundlagen des Leninismus findet:

Aber die Macht der Bourgeoisie stürzen und die Macht des Proletariats in einem Lande errichten heißt noch nicht, den vollen Sieg des Sozialismus sichern. Das Proletariat des siegreichen Landes, das seine Macht gefestigt hat und die Führung über die Bauernschaft ausübt, kann und muss die sozialistische Gesellschaft aufbauen. Bedeutet das aber, dass es damit schon den vollständigen, endgültigen Sieg des Sozialismus erreichen wird, das heißt, bedeutet es, dass das Proletariat mit den Kräften eines Landes allein endgültig den Sozialismus verankern und das Land gegen die Intervention und folglich auch gegen eine Restauration völlig sichern kann? Nein, das bedeutet es nicht. Dazu ist der Sieg der Revolution wenigstens in einigen Ländern notwendig. Deshalb ist die Entwicklung und Unterstützung der Revolution in den anderen Ländern eine wesentliche Aufgabe der siegreichen Revolution. Deshalb soll sich die Revolution des siegreichen Landes nicht als eine sich selbst genügende Größe betrachten, sondern als Stütze, als Mittel zur Beschleunigung des Sieges des Proletariats in den anderen Ländern.

Stalin sagt, dass diese Formel bis zur Zerstörung der Opposition von Trotzki und Sinowjew innerhalb der russischen KP gerecht war. Sobald sie zerstört ist, ist klar, dass eine vollständige sozialistische Gesellschaft mit den Kräften Russlands allein und ohne Hilfe von außen aufgebaut werden kann.

Ihr Fehler liegt darin, dass sie zwei verschiedene Fragen zu einer einzigen verschmilzt: die Frage nach der Möglichkeit, den Aufbau des Sozialismus mit den Kräften eines einzigen Landes durchzuführen, eine Frage, die bejaht werden muss, und die Frage, ob ein Land mit einer Diktatur des Proletariats ohne eine siegreiche Revolution in anderen Ländern als vollständig garantiert gegen eine Intervention und damit gegen die Wiederherstellung des alten Regimes angesehen werden kann, eine Frage, die verneint werden muss. Ganz zu schweigen davon, dass eine solche Formulierung Grund zu der Annahme geben könnte, dass es unmöglich ist, die sozialistische Gesellschaft mit den Kräften eines einzigen Landes zu organisieren, was natürlich falsch ist.

Wie wir deutlich sehen können, sind alle Grundlagen des stalinistischen nationalen „Kommunismus“ bereits in dieser Formulierung enthalten. Dies ist der Kern der Konterrevolution. Die offenkundig falsche Behauptung vom Sozialismus in einem Land dient dazu, das Weltproletariat auf ein bloßes Anhängsel zur Verteidigung der geopolitischen und imperialistischen Interessen der UdSSR als kapitalistischer Staat zu reduzieren. Es gibt eine radikale Umkehrung der Pyramide des proletarischen Internationalismus, wie Bordiga auf der Sechsten Erweiterten Exekutive der Kommunistischen Internationale 1926 erklärte. Das Subjekt ist nicht mehr das Weltproletariat, das sich als Klasse konstituiert, durch seine Partei als Klassenorgan, und das den Triumph der Weltrevolution anstrebt. Das Proletariat ist lediglich ein passiver Akteur, der den russischen Staat als Vaterland des Sozialismus, eines selbsternannten Sozialismus, unterstützt. Das wird die Geschichte des Stalinismus von da an sein: die Reduzierung der kommunistischen Parteien auf Agenten zur Verteidigung der ökonomischen und politischen Interessen des russischen Staates. Letzterer, seine politischen Apparate und die Komintern selbst werden durch die Theorie des Sozialismus in einem Land als Agenten des russischen unpersönlichen Kapitals und der Weltbourgeoisie konstituiert. Das ist das Geheimnis des Stalinismus und seiner Konterrevolution, die sich im Sozialismus in einem Land verkörpert.

Zunächst einmal ist es wichtig, immer wieder zu betonen, dass der Sozialismus in einem Land unmöglich ist, denn Sozialismus bedeutet, wie Sinowjew selbst in der Diskussion gegen Stalin in Anlehnung an Marx sagte, die Abschaffung der Diktatur des Proletariats und die Auslöschung der sozialen Klassen. Der Sozialismus oder die erste Phase des Kommunismus, wie Marx sagte, ist eine Gesellschaft, in der die kapitalistischen Kategorien nicht mehr gelten: Lohnarbeit, Staat, Geld und Waren, soziale Klassen… Stalin und der Stalinismus, als unbewusster Ausdruck der unpersönlichen Kräfte des Weltkapitals, geben als Kommunismus aus, was ein Ausdruck des nationalen Kapitals ist. Wie wir bereits in unserem Text Stalins Kapitalismus7 erläutert haben, verteidigt dieser, dass die Existenz des Wertgesetzes, der Akkumulation von Waren zum richtigen Preis – denn dieser totalitäre proudhonianische Kapitalismus wäre exzessive, monopolistische Profite -, des Lohnsystems als Vermittlung zwischen Produktion und Konsum … der Aufbau des Sozialismus in Russland wäre, eines Sozialismus, den der Vater der Konterrevolution bereits 1931 proklamierte.

Diese Diskussion ist nicht nur terminologisch, denn es geht um die Verfälschung des Programms des Kommunismus. Eine Verfälschung, die bis heute anhält, wenn auch in abgeschwächter Form. Wir erleben junge Proletarier, die sich gegen den Kapitalismus radikalisieren und ihn auf revolutionäre Weise überwinden wollen, doch dafür finden sie in ihren vielen Familien die Instrumente der Konterrevolution in verschiedenen stalinistischen Apparaten verkörpert. Sie kommt aber auch selbst bei linken Kritikern des Stalinismus vor, wie z. B. den Kommunisierern8, die den Sozialismus mit dem verwechseln, was Stalin darüber gesagt hat – d. h. eine Gesellschaft, in der das Wertgesetz herrscht -, die die Notwendigkeit der Überwindung jeglicher Übergangsphase zum Kommunismus beteuern – und dabei die zentrale Bedeutung der Diktatur des Proletariats als revolutionäre politische Phase ignorieren – und damit Stalins voluntaristische Position radikalisieren. Der Kommunismus wäre sofort möglich, ohne Weltrevolution, nicht einmal auf nationaler Ebene, denn er würde sich im Kampf selbst, im Aufstand selbst, durchsetzen. Ohne es zu wissen, sind diese Theorien das Ergebnis dessen, was sie vorgeben zu kritisieren, nämlich die Vorstellungen der Konterrevolution, die sie als die von Marx und unserer historischen Bewegung ausgeben. Nein, der Sozialismus ist bereits Kommunismus, er ist keine Gesellschaft mit sozialen Klassen und einem Staat, sondern eine Klassendiktatur als Übergangsphase. Und der Kommunismus braucht diese Zwischenphase. Er entsteht nicht aus bloßem Willen, wie es die kommunizierende Ideologie voraussetzt9.

Aber um auf Sinowjew zurückzukommen: Im Kampf gegen Stalins Positionen sprach er bereits von der nationalen Beschränktheit des Georgiers und wie dieser den proletarischen Internationalismus leugnete. Trotzki und Sinowjew haben in ihrer Reaktion gegen den Stalinismus sehr viele Grenzen. Wir werden sie im Laufe unseres Textes und der Lehren, die wir heute als Kommunisten ziehen müssen, entwickeln und auch auf die Grenzen von Lenin selbst zurückkommen. Aber es ist wichtig, auf seine Reaktion hinzuweisen, auf die verwirrte, aber gerechte Verteidigung der Grundlagen des Kommunismus. Der Sozialismus ist eine klassenlose und staatenlose Gesellschaft, wie Trotzki in Die verratene Revolution von 1936 sagen wird.

Das Endergebnis der stalinistischen Konterrevolution kommt für uns als revolutionäre Kommunisten, die versuchen, die materialistische Methode auf die Geschichte anzuwenden, nicht überraschend. Eine proletarische Revolution, die in einem Land triumphiert, aber international isoliert ist, ist dem Untergang geweiht. Das ist das Geheimnis hinter dem russischen Schlamassel. Die russische Revolution war eine proletarische Revolution, deren Ziel es war, den Kommunismus zu erreichen. Dieses Ziel ist erst nach der Entwicklung und dem Sieg einer Weltrevolution möglich, die zwar stattgefunden hat, aber gescheitert ist. Wie Rosa Luxemburg in ihrer Analyse der russischen Revolution sagte, tragen die Bolschewiki das unvergängliche Verdienst in sich, es gewagt zu haben. Doch damit stellten sie eine Herausforderung dar, die nur vom internationalen Proletariat angenommen werden und in der Weltarena des Klassenkampfes triumphieren konnte. Die Isolierung der Revolution stärkte das Gewicht des Weltkapitalismus in Russland. Als historische Materialisten wissen wir, dass es nicht anders sein konnte. Im Gegensatz zu dem, was die Rätekommunisten später behaupteten, war die russische Revolution eine proletarische Revolution, die in einem kapitalistischen Kontext stattfand. Es konnte nicht anders sein: Das war die soziale Realität des damaligen Russlands und jedes anderen Landes seiner Zeit – obwohl die deutsche Entwicklung natürlich mehr dazu beigetragen hätte als die russische Situation – und das wird auch in unserer Zeit so sein, selbst wenn der Kapitalismus die gegenwärtige Reife des Kommunismus stark erweitert hat. In jedem Fall bedeutet eine siegreiche Revolution immer auch eine politische Übergangsperiode, die durch die revolutionäre Diktatur des Proletariats gekennzeichnet ist.

Wie wir sagen, führt ein Kontext der Isolation der Weltrevolution unweigerlich zu einer Anhäufung konterrevolutionären Drucks, der schließlich triumphiert. Unter diesen schwierigen Bedingungen agieren die Bolschewiki und das führt sie in eine Reihe von Fehlern. Inmitten der Isolation der Revolution, vor allem ab 1921, konzentrierten sich die Bolschewiki auf den Versuch, die nationale Ökonomie, die NEP, den Staatskapitalismus zu entwickeln, um eine kapitalistische Entwicklung zu erzeugen, während sie auf den Triumph der Weltrevolution warteten. Lenin geht sogar so weit, diesen Staatskapitalismus als einen Fortschritt auf dem Weg zum Sozialismus zu bezeichnen – in einer Perspektive, die sich zu sehr auf die nationale ökonomische Entwicklung konzentriert, sind die Übergänge zum Sozialismus, die zweifelsohne weltweit sind. Lenin argumentiert, dass das Beste, was sie in dieser Zeit für das Weltproletariat tun können, ist, sich auf ihre eigene ökonomische Entwicklung zu konzentrieren:

Mit unserer ökonomischen Politik greifen wir in die Weltpolitik ein; wenn wir dieses Problem lösen, werden wir auf internationaler Ebene sicher und endgültig gewinnen.10

Den Bolschewiki geht es immer darum, sich Luft und Zeit zu verschaffen, um durchzuhalten, bis die Weltrevolution wieder ausbricht, daher die Bedeutung, die die Kommunistische Internationale 1923 dem Triumph der deutschen Revolution beimessen wird. Es scheint uns sehr wichtig zu sein, den qualitativen Bruch zu betonen, den die bolschewistische Perspektive im Verhältnis zum Stalinismus impliziert. Wir verstehen zwar, dass dieser Druck bereits in der anfänglichen Entwicklung der russischen Revolution vorhanden war, aber wir verstehen auch, dass er ohne einen Triumph der Weltrevolution unvermeidlich war. Es ist unmöglich, eine gesunde proletarische Macht im Kontext einer kapitalistischen Welt- und Nationalökonomie auf Dauer zu erhalten. Lenin hat auf jeden Fall das Verdienst, die Situation beim richtigen Namen zu nennen. Was existiert und sich aus der bolschewistischen Macht entwickelt, ist eine Form des Staatskapitalismus, der volle Sozialismus wird nicht auf nationaler Ebene aufgebaut. Er selbst erkennt an, dass der Wagen des Staates seinen eigenen Weg geht, dass sie ihn nicht kontrollieren. Es wäre sehr wichtig gewesen, diesen Aspekt deutlicher herauszuarbeiten, um die bolschewistische Partei und die Kommunistische Internationale davor zu bewahren, Instrumente der Konterrevolution zu werden.

Und doch sind die Bolschewiki, angefangen bei Lenin, nicht klar genug. Die Konzentration auf die Entwicklung einer nationalen Ökonomie, während die Weltrevolution ausbricht, wird die Grundlage sein, die die stalinistische Konterrevolution später ausnutzen wird. Sie schafft Missverständnisse über den endgültigen Horizont der kommunistischen Revolution und erzeugt eine Reihe von Tendenzen, die automatisch, unpersönlich und für sich selbst funktionieren, wenn sie nicht durch die Ausdehnung der Weltrevolution und die internationale Macht des Proletariats durchbrochen werden. Andernfalls wird die Logik des Staates und der kapitalistischen Ökonomie schließlich jede revolutionäre Erfahrung verschlingen und brechen, was schließlich auch geschah. Die merkantile Logik der Kapitalakkumulation und die geopolitischen Interessen des russischen Staates legten die Rechnung für ihre Interessen vor und fanden in Stalin und seinem Kreis die Agenten und Funktionäre ihrer Logik11. Wir werden später auf diese Lektionen zurückkommen, aber es scheint uns sehr wichtig, sie jetzt hervorzuheben. Das Problem war nicht die Anwendung der NEP im Jahr 1921 oder gar Lenins Positionen zugunsten des Staatskapitalismus – wir teilen sie nicht, aber sie scheinen uns ein taktisches Problem zu sein, andere ökonomische Maßnahmen, die den Konsum und die proletarische Freizeit so weit wie möglich gefördert hätten, wären besser gewesen – solche Maßnahmen – merkantil – sind in einem gesellschaftlichen Kontext, der kapitalistisch bleibt, unvermeidlich. Was stärker hätte betont werden müssen, war, dass diese Maßnahmen ohne die proletarische Weltrevolution ihre Tage gezählt hatten, dass diese das A und O der revolutionären Macht sein muss und dass sich der russische Staat und die bolschewistische Partei gerade deshalb der Zentralisierung der Internationale unterwerfen mussten – wie Bordiga auf der Sechsten Erweiterten Exekutive der Kommunistischen Internationale betonte. Es war nicht möglich, die Illusion zu nähren, dass man sich außerhalb der Marktbörsen befände und dass deren Wirbelwind die Revolution nicht verhängnisvoll mit sich reißen würde. Wenn die Weltrevolution dem Kapitalismus nicht ein Ende setzte, würde der Kapitalismus am Ende in Moskau mit ihm abrechnen12. Und es musste berücksichtigt werden, dass, wenn die Zeit gekommen war, auf die politische Macht verzichtet werden musste, damit sie das Klassenorgan, die Weltpartei, nicht zerdrückte und deformierte. Wer diese Perspektive nicht berücksichtigt, wird am Ende den Prozess ruinieren und eine kapitalistische Konterrevolution herbeiführen, aber mit einer roten Fahne, die die revolutionären Möglichkeiten des Proletariats über Jahrzehnte hinweg unterdrückt hat. Deshalb ist es heute so wichtig, die Lehren aus der russischen Revolution und vor allem aus der Konterrevolution, die uns niedergeschlagen hat, klar zu erkennen.

An diesen Punkten sind Lenin und die Bolschewiki nicht klar genug. Ihr rechtschaffener Wille, durchzuhalten und Widerstand zu leisten, berücksichtigt nicht ausreichend die Gefahren, die entfesselt werden, und die Art und Weise, wie die Logik des Kapitals und der internationalen Diplomatie sie schließlich verschlingen wird. Schon sehr früh gibt es zwei Logiken, die nebeneinander existieren. Die eine ist die der Kommunistischen Internationale und die andere die der internationalen Verträge, in denen der russische Staat versucht, die Anerkennung durch die bourgeoise Staatengemeinschaft zu erlangen. Die ersten revolutionären Impulse waren im Abklingen begriffen. Tschicherin und Litwinow (Kommissare für auswärtige Angelegenheiten der UdSSR) unterscheiden sich stark von Trotzki, der behauptete, er wolle seinen Posten nutzen, um revolutionäre Propaganda unter deutschen und österreichischen Soldaten zu verbreiten, nur um dann die Tür des Ministeriums zu schließen. Jetzt, in den frühen 1920er Jahren, strebt der russische Staat nach internationaler Anerkennung, die er 1922 in Rapallo erlangt. Er machte geheime Vereinbarungen nicht mehr öffentlich, sondern schloss sie ab: zum Beispiel ein geheimes Protokoll mit Weimar-Deutschland, in dem die UdSSR den Bau von Fabriken für die heimliche Bewaffnung der deutschen Armee genehmigte; oder der Rückzug der UdSSR aus der Unterstützung für die Sowjetrepublik Guilan im Nordiran aufgrund des Abkommens zwischen der russischen und britischen Diplomatie von 1921; oder der Moskauer Vertrag von 1921 mit Atatürks Türkei, der sowjetische Militärhilfe für die Türken im Krieg mit den Griechen vorsieht, während Atatürk die türkischen Kommunisten verfolgt.

Wir sehen also einen engen Zusammenhang zwischen den Bewegungen der russischen Staatsdiplomatie, der Einbindung in die Gemeinschaft der kapitalistischen Staaten durch internationale Verträge und wie diese Dynamik nach und nach gegen die Interessen der Weltrevolution ausgespielt wird. Dies zu verstehen, ist der entscheidende Aspekt, und darüber waren sich die Bolschewiki trotz ihres Internationalismus nicht im Klaren. Dieser Mangel an Klarheit führte zusammen mit der internationalen Dynamik der Isolierung der Revolution zur Entstehung eines Teils der russischen Partei, der die Interessen der automatischen Dynamik des internationalen Kapitalismus verkörperte.

Interklassismus als Bündnis mit der fortschrittlichen Bourgeoisie

Wir haben die Hauptstütze der stalinistischen Konterrevolution, den Sozialismus in einem Land, der die logische Krönung der Interessen des russischen kapitalistischen Staates vor denen des Weltproletariats ist, bereits eingehend analysiert. Es ist die theoretische Ursache, die eine praktische Dynamik bestätigt, nämlich die der Zerstörung der kommunistischen Partei, die von einem proletarischen Organ in ein Instrument der bourgeoisen Weltkonterrevolution verwandelt wird. Diese konterrevolutionäre Position wird auf dem XV. Kongress 1927 als notwendige Bedingung für die Mitgliedschaft in der russischen KP und auf dem VI. Kongress 1928 in der Kommunistischen Internationale eingeführt. Von da an wurde die Behauptung von der Notwendigkeit des Sozialismus in einem Land zu einem Glaubensdogma der Konterrevolution.

Und das ist sehr wichtig, wenn man bedenkt, was wir in der Einleitung zu diesem Text gesagt haben. Viele der Organisationen, die sich heute als kommunistisch bezeichnen, sind in Wirklichkeit national-“kommunistisch“. Sie sind die Erben dieser Konterrevolution in Prinzip und Praxis, die die proletarische Bewegung zerfressen hat. Deshalb ist es, wie gesagt, so wichtig, sich von diesen Kräften zu distanzieren, sie im feindlichen Lager zu sehen und sie als konterrevolutionär zu bezeichnen.

Im Lexikon der politischen Tricks des Stalinismus wird der Sozialismus zum Nationalismus und der Internationalismus zur Verteidigung der geopolitischen Interessen des russischen Staates, wie wir bereits gesagt haben. Ein Internationalist zu sein bedeutet nicht, die Klassensolidarität hochzuhalten und gegen die Weltbourgeoisie zu kämpfen, sondern das Heimatland des Sozialismus zu verteidigen.

Wie wir bereits erahnen können, hat dies direkten Einfluss auf die internationale Politik der stalinistischen Komintern. Die Dritte Internationale wurde 1919 als Ausdruck der Weltpartei des Proletariats gegründet. Zweifellos war sie, mit all ihren Grenzen und Zögerlichkeiten, eine sehr klare Demonstration des Internationalismus, der der russischen Revolution und den Bolschewiki innewohnt. Die Politik des Sozialismus in einem Land verändert alles, denn dann geht es um die Verteidigung der Interessen des russischen Staates und die Bündnisse, die er mit den nationalen Bourgeoisien in zahlreichen Ländern eingeht. Seit 1927 sind die kommunistischen Parteien ein Anhängsel der Konterrevolution.

Um das oben Gesagte zu verdeutlichen, wollen wir uns mit verschiedenen revolutionären Prozessen und der opportunistischen und kriminellen Politik der Kommunistischen Internationale befassen. Wir werden über den Prozess der Bolschewisierung der Kommunistischen Internationale von 1923-24, das Anglo-Russische Komitee von 1925/26, die chinesische Revolution von 1927 und den Zickzackkurs der stalinistischen Politik von der Theorie des Sozialfaschismus zum Volksfrontismus und Antifaschismus als Bündnis mit der demokratischen Bourgeoisie sprechen. In einem späteren Abschnitt werden wir auf andere Prozesse der berüchtigten Politik des Stalinismus eingehen, wie zum Beispiel Spanien 1936.

Die Kommunistische Internationale durchlief von 1923 bis 1924 einen Prozess der Bolschewisierung aller kommunistischen Parteien, der 1926 seinen Höhepunkt erreichte. Im Rahmen dieses Prozesses wurde die Pyramide der Internationale völlig auf den Kopf gestellt. Wie Bordiga auf der IV Erweiterten Exekutive sagte:

Wir können unsere internationale Organisation mit einer Pyramide vergleichen. Diese Pyramide muss eine Spitze haben und Seiten, die zu dieser Spitze hin tendieren. So können Einheit und die notwendige Zentralisierung dargestellt werden. Aber heute ruht unsere Pyramide aufgrund unserer Taktik gefährlich auf ihrer Spitze. Die Pyramide muss daher umgedreht werden […]. Das ganze System muss von oben nach unten verändert werden.

Bordiga bringt die Prinzipien der organischen Zentralisierung, die die Internationale haben muss, klar zum Ausdruck. Sie muss sich auf ihre Basis stützen und auf eine Bewegung in zwei Richtungen, von unten nach oben und von oben nach unten, die eine Einheit auf der Grundlage gemeinsamer kommunistischer Positionen ermöglicht. Im Gegensatz dazu bedeutet Bolschewisierung – ein Begriff, den der französische Kommunist Albert Treint verwendet hat – die Schaffung einer internationalen Disziplin, die den revolutionären Geist der kommunistischen Parteien und der Kommunistischen Internationale verkrüppeln wird. Und wie die italienische Linke in der gleichen Exekutive erklärte:

Die Disziplin ist ein Ankunftspunkt, kein Ausgangspunkt, keine unveränderliche Plattform. Andererseits entspricht dies dem freiwilligen Charakter der Mitgliedschaft in unserer Organisation der Partei. Aus diesem Grund kann eine Art Parteistrafgesetzbuch kein Heilmittel für die häufigen Fälle von Disziplinlosigkeit sein. In unseren Parteien ist in letzter Zeit ein Terrorregime eingeführt worden, eine Art Sport, der darin besteht, einzugreifen, zu bestrafen, zu unterdrücken und zu vernichten. Und das alles mit einem ganz besonderen Vergnügen, als ob dies das Ideal des Parteilebens wäre.

Der anthropologische Typus des stalinistischen Militanten wurde hier geboren, aber es war ein Bruch mit den revolutionären Traditionen der frühen Jahre der Kommunistischen Internationale. Der Rubaschow in Koestlers Roman Sonnenfinsternis ist bereits jemand, der an dieser künstlichen Disziplin zerbrochen ist, die aus Infamien, Verrat und Denunziationen besteht, die die Verbindung zu einem wahren revolutionären Programm und zu einer Disziplin, die bewusst sein muss, korrumpieren und von innen heraus brechen. Die Bolschewisierung und ihr Triumph auf Kosten der Militanten, die die authentischen Traditionen unserer Klasse vertraten, ist die Erklärung für die organisatorische und moralische Logik des Stalinismus: von Säuberungen bis hin zu einem ständigen Zickzackkurs der taktischen Positionen und Prinzipien. Und das alles im Namen der Verteidigung der UdSSR als Heimatland des Sozialismus, der Verteidigung der „Eigenen“, um dem Feind keine Waffen zu geben. Mit anderen Worten: All das um den Preis, dass das wahre kommunistische Programm und die Ziele begraben werden. Es wird also bekräftigt:

Eine Methode der persönlichen Demütigung, die eine bedauerliche Methode ist, selbst wenn sie gegen politische Elemente eingesetzt wird, die es verdienen, hart bekämpft zu werden. Ich glaube nicht, dass es eine revolutionäre Methode ist. Ich denke, dass die meisten von denen, die heute ihre Rechtgläubigkeit beweisen, indem sie sich auf Kosten von Sündern und Verfolgten amüsieren, höchstwahrscheinlich aus ehemaligen Gegnern bestehen, die seinerzeit gedemütigt wurden […]. Dieser Selbstaufopferungswahn muss aufhören, wenn wir uns wirklich für die Führung des revolutionären Kampfes des Proletariats bewerben wollen.

Die Logik der Kritik und Selbstkritik wurde bereits 1926 als etwas beschrieben, das im Namen des kommunistischen Programms radikal bekämpft werden muss, als Zeichen dafür, dass die Konterrevolution zwar eine Frage des Inhalts und nicht der Form ist, die Methoden, die die kommunistische Organisation und Militanz aufbauen, aber nicht unabhängig von diesen Inhalten sind, sondern untrennbar mit ihnen verbunden sind. Es gibt eine ständige Beziehung zwischen Mitteln und Zielen. Und den Zielen der stalinistischen bourgeoisen Konterrevolution entsprechen die Mittel: Denunziation und Selbstaufopferung, die Zerstörung der kollektiven Reflexion und künstliche Disziplin, Personalismus und die unerbittliche Verfolgung von Sündern. Eine Logik, die den Antipoden der Organisation der Kommunisten entspricht. Ziele und Mittel sind im Stalinismus untrennbar miteinander verbunden, und seine Methoden sind weder unserer Bewegung noch dem bolschewistischen Zentralismus im Besonderen eigen, sondern sind seine eigentliche Negation als Produkt der Konterrevolution.

Der oben beschriebene Prozess der Bolschewisierung dauert nun schon drei Jahre an. Er ist das Ergebnis der langsamen Durchsetzung der Konterrevolution, die die Bolschewiki dazu bringt, sich in ihre belagerte Festung zurückzuziehen, und sie dazu bringt, zu versuchen, die Kommunistische Internationale zu kontrollieren, um sie in den Dienst des Vaterlandes des Sozialismus zu stellen. Paradox ist in diesem Sinne, was in der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) geschah, wo die linke Führung 1923 von Moskau abgelöst und von Gramsci angeführt wurde, der von da an zum Verteidiger der Moskauer Linie wurde, die versuchte, die revolutionäre Unnachgiebigkeit der italienischen Partei – die sich gegen die politischen Einheitsfronten und die Arbeiterregierung oder den Zusammenschluss mit den Sozialisten von Serrati stellte13 – zu mildern. Gramsci, der sich offensichtlich sehr von dem berüchtigten Togliatti unterscheidet, wird die Kontrolle der Partei durch die Kommunistische Internationale unerbittlich durchsetzen, sogar mit einer Parteipolizei, die versuchte, die von den Militanten mitgeführten Dokumente und Papiere zu kontrollieren, um Fraktionslogiken zu verhindern, und mit so undemokratischen Methoden wie der Vergabe aller Stimmen an die Führung, die aufgrund der Geheimhaltung der Partei im faschistischen Italien nicht abgegeben werden konnten. Und trotz alledem war die Linke auf der Konferenz von Como (1924) immer noch in der Mehrheit, und erst 1926 wurde die Partei durch Gramsci vollständig von Moskau kontrolliert. Und, wie wir schon sagten, gab es immer noch eine gewisse Logik und einen gewissen Kameradschaftsgeist, der in den 1930er Jahren in der italienischen Partei wie auch in den anderen kommunistischen Parteien endgültig zerschlagen werden sollte.

Was wir gerade für Italien angedeutet haben, was auch dazu dient, das heutige geschönte Bild eines akademisch verbrämten Gramsci zu diskreditieren, lässt sich auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Klarstellungen auf alle kommunistischen Parteien der Welt verallgemeinern. In Frankreich wurde die Führung von Boris Souvarine, Rosmer und Monatte abrupt durch die Figur von Albert Treint ersetzt, der später zugunsten von Maurice Thorez eliminiert wurde. In Deutschland säubert die KPD zunächst – unter Paul Levi – die Mehrheit ihrer Militanz, woraus die KAPD entsteht. Nach der gescheiterten Revolution von 1923 wird Brandler durch die „Linken“ Maslow und Ruth Fischer ersetzt, und schließlich setzt sich der disziplinierte und unterwürfige Thälmann durch. Das ist das Geheimnis der stalinistischen Führer, Produkte der Konterrevolution, unterwürfige Menschen, die zu Moskau ja zu sagen wissen und die ihrerseits als kleine Väter oder Mütter des Proletariats gefeiert werden: von Dolores Ibárruri bis Tito, von Mao bis Thorez, von Dimitrov bis zum ungarischen Rákosi. In einigen Fällen handelt es sich um intelligente und berüchtigte Figuren wie Togliatti, die ihre Intelligenz in den Dienst der Konterrevolution stellen und die Säuberungen durch eine Kombination aus Glück, Fügsamkeit und vor allem einer hohen Dosis an Niedertracht überleben. In anderen Fällen werden die Kinder gegen ihre Eltern rebellieren. Das ist es, was Tito mit Stalin, Mao mit Chruschtschow oder Carrillo mit Ibárruri macht. Aber die konterrevolutionäre Logik ist identisch, das national-“kommunistische“ Programm treibt sie an und sie fordern einfach ihren eigenen Anteil am Kuchen. Aber darauf werden wir später zurückkommen. Für den Moment wollten wir betonen, dass sowohl die Bolschewisierung der Kommunistischen Internationale als auch die Bolschewisierung der russischen Partei selbst für den Erfolg der laufenden Konterrevolution entscheidend waren.

Das erste Beispiel, auf das wir eingehen wollten, um die Folgen dieser interklassistischen und versöhnlichen Politik der Komintern genau zu beobachten, ist der britische Fall. Im April 1925 wurde zwischen den sowjetischen und britischen syndikalistischen Anführern, die sich der „Linken“ zugewandt hatten, ein Abkommen unterzeichnet, das als „Anglo-Russisches Komitee“ bekannt wurde. Tatsächlich ist diese Vereinbarung untrennbar mit früheren diplomatischen Schritten verbunden. Im Januar 1924 kam die erste Labour-Regierung überhaupt an die Macht und erkannte die UdSSR am 1. Februar 1924 diplomatisch an. Sowjetische Diplomaten, darunter der syndikalistische Anführer Tomsky, treffen im Mai 1924 auf britischem Boden ein. Britische syndikalistische Anführer besuchen die UdSSR Ende 1924 und, wie bereits erwähnt, wird im April 1925 das berühmte Anglo-Russische Komitee zwischen den sowjetischen und britischen Gewerkschaften/Syndikate unterzeichnet. Diese Vereinbarungen bedeuteten die Unterordnung der Autonomie der Britischen Kommunistischen Partei (GBCP) unter diesen Ausschuss und die syndikalistische Logik der britischen linken Anführern: radikal in ihren Worten und absolut zaghaft in ihrem Handeln. Kurz gesagt, eine für den Syndikalismus typische Logik, die den Radikalismus der Arbeiterbewegung aufgreift und ihn in den politischen Rahmen des bourgeoisen Staates integriert, und genau das werden sie mit Hilfe der UdSSR tun. Lloyd George, der berühmte liberale Politiker, hatte bereits 1919 zu den syndikalistischen Anführern gesprochen und ihnen gesagt, dass ihre Funktion darin besteht, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Es ist allgemein bekannt, dass die Funktion das Organ bestimmt, in diesem Fall dem Syndikalistischen14.

Im Jahr 1926 erlebten wir in Großbritannien eine sehr wichtige Streikwelle, die durch den Kampf der Bergarbeiter vorweggenommen wurde. Am ersten Tag des Streiks, dem 4. Mai, war der Streik total. Alles ist still als Zeichen der potenziellen Macht des Proletariats im Kampf. Der Verkehr im Land steht komplett still, nur 3,5% der Personenzüge und 2-3% der Güterzüge fahren. Gleichzeitig ist die GBCP eine schwache Partei und den syndikalistischen Leitungen völlig untergeordnet. Wie wir bereits in El pasado de nuestro ser angedeutet haben, ist dies ein neuer Beweis für die Freiwilligkeit der Dritten Internationale, revolutionäre Situationen durch Abkürzungen zu schaffen. Doch hier vollziehen wir einen qualitativen Sprung, da die Politik der Komintern der Perspektive des Sozialismus in einem einzigen Land und den geopolitischen Interessen des russischen Staates untergeordnet ist.

Die britische Regierung und die Gewerkschaften/Syndikate fürchteten sich zu Tode vor der Radikalisierung und der proletarischen Offensive, die sich jeden Tag auf den Straßen manifestierte. Nach etwas mehr als einer Woche Streik beendeten sie den Streik am 12. Mai, um den Prozess der Radikalisierung der Klasse zu brechen und zu versuchen, den Prozess wieder in Richtung der Ordnung des Kapitals zu lenken. Die Bergarbeiter setzten den Streik allein fort, aber in Isolation. Mitte Oktober 1926 kehrten 200.000 Bergarbeiter an die Arbeit zurück, und bis zum Ende des Jahres waren es alle. Der Streik von 1926 war die Niederlage von Millionen von Proletariern im Kampf. Das lag zum einen an der politischen Schwäche des Proletariats im Kampf, zum anderen aber auch an einer Politik der Kommunistischen Internationale, die den Kampf der Logik der britischen Gewerkschaften/Syndikate und damit dem politischen Rahmen des britischen Kapitals unterordnete. Für Stalin war es vorrangig, eine Politik der kommunistischen Parteien zu gewährleisten, die die Sicherheit der UdSSR garantieren würde. In diesem Sinne diente das Anglo-Russische Komitee als Instrument des russischen Staates im geopolitischen Spiel mit dem britischen Imperialismus.

Vom Standpunkt der Weltrevolution aus gesehen sind die Ereignisse in China von 1925 bis 1927 noch wichtiger. Wir sind Zeugen einer echten proletarischen Radikalisierung, die aufgrund der Politik der Dritten Internationale, die das chinesische Proletariat der von der Kuomintang (KMT) vertretenen nationalen Bourgeoisie unterordnet, in Blutvergießen enden wird. Die Politik der Führung der Dritten Internationale, die bereits der Logik des Sozialismus in einem Land und einer Vision der Weltrevolution in Etappen und als nationale Revolutionen untergeordnet ist, die eine Revolution von der anderen in wasserdichte Abteile trennt, wird in China mit schrecklichen Folgen angewandt werden. Die erste, die Idee einer Revolution in Etappen, bedeutete, die chinesische Revolution auf eine bourgeoise Revolution mit antiimperialistischem Charakter zu reduzieren. In diesem Sinne war es notwendig, ein Bündnis mit den übrigen nationalen Klassen gegen den ausländischen Imperialismus zu suchen – eine Politik, die später von Mao in den 1930er und 1940er Jahren angesichts des vollständig stalinistischen Charakters des chinesischen bourgeoisen Nationalismus entwickelt werden sollte. Das heißt, dass er in erster Linie ein Bündnis mit der nationalen Bourgeoisie anstrebte, die von der KMT vertreten wurde, der Partei, die von Sun Yat Sen gegründet worden war und die nach seinem Tod im März 1925 Jiang Jieshi zu ihrem wichtigsten Anführer gemacht hatte. Die stalinistische Dritte Internationale zwang die junge Kommunistische Partei Chinas (KPCh), sich ganz der KMT unterzuordnen. Das ging so weit, dass sich die KPCh innerhalb der KMT auflöste, an ihren Strukturen teilnahm, ohne eine eigene politische Physiognomie zu haben, und die KMT sogar zu den Treffen der Dritten Internationale eingeladen wurde. Sie gehen sogar so weit, dass sie Jiang Jieshi als Vizepräsidenten der Dritten Internationale vorschlagen. Auf diese Weise wird eine antiimperialistische Einheitsfrontpolitik betrieben, die die Dritte Internationale auch in anderen kolonialen und halbkolonialen Ländern anwenden wird – mit katastrophalen Folgen.

Neben der etapistischen Unterordnung und einem bourgeoisen Programm der KPCh erleben wir, dass die chinesische Revolution ausschließlich in nationalen Begriffen betrachtet wird. Dies ist eine direkte Folge der konterrevolutionären Strategie des Sozialismus in einem Land. Die chinesische Revolution wird nicht als Teil der 1917 ausgebrochenen Weltrevolution betrachtet, sondern als eine Revolution, die ausschließlich in ihren nationalen Grenzen gefangen ist. Und doch ist es unmöglich, irgendetwas über die chinesische Revolution zu verstehen, wenn wir sie nicht als einen Moment im Gesamtprozess der Weltrevolution betrachten, als einen entscheidenden Moment, der die revolutionäre Ebbe, die seit 1921 im Gange war, hätte umkehren können. Mit ihren Grenzen und Schwächen geht die junge KPCh zaghaft auf diese Positionen der Dritten Internationale ein. Und natürlich stand der Prozess der Klassenbildung des chinesischen Proletariats durch Landbesetzungen, wilde Streiks und die Bildung bewaffneter Milizen im Gegensatz zum kapitalistischen Charakter der chinesischen Gesellschaftsformation. Wie die italienische kommunistische Linke im Exil damals behauptete, ging es ihr um die klassenmäßige und organisatorische Unabhängigkeit von der Bourgeoisie und um die Durchsetzung der Diktatur des Proletariats in China als Teil der Weltrevolution15.

Die kapitulierende und konterrevolutionäre Position der Dritten Internationale wird nicht nur in China, sondern international Gegentendenzen haben. Die Linke Opposition, die beginnt, sich mit Trotzki und zeitweise auch mit Kamenew und Sinowjew zu verbinden, stellt sich der selbstmörderischen und kriminellen Politik von Stalin und Bucharin entgegen. Sie gehen nicht so weit, dass sie für einen organisatorischen Bruch mit der KMT plädieren, aber sie verteidigen die Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Politik der KPCh, die ihr eigenes proletarisches Programm in China verteidigen muss. Für Trotzki bedeutet dies die Entwicklung einer permanenten Revolution, die der chinesischen Revolution einen kommunistischen Charakter verleiht, auch wenn sie mit demokratischen und bourgeoisen Slogans gewürzt ist16. Diese sehr wichtigen Grenzen seiner Position können uns nicht über die radikalen Unterschiede zu Stalins Politik hinwegtäuschen. Für Trotzki ergibt sich das Element, das der chinesischen Bewegung Bedeutung verleiht, aus ihrem internationalen Charakter als Teil der Weltrevolution und aus den kommunistischen Zielen: Das heißt, die Revolution ist auf die Diktatur des Proletariats und die Enteignung der Bourgeoisie durch das kämpfende Proletariat gerichtet.

Sehr ähnliche Positionen werden, wenn auch zögerlich, von einigen KPCh-Führern vertreten. Li Dazhao zum Beispiel, neben Chen Duxiu der wichtigste Anführer jener Zeit, verband das chinesische und das britische Proletariat eindeutig als Teil desselben weltweiten Klassenkampfes. Chen Duxiu und der Rest der KPCh lehnten den Beitritt zur KMT zunächst ab, da dies zu Verwirrung führte und die proletarische Politik der KMT unterordnete. Die chinesische Führung beugte sich jedoch dem Druck und der Disziplin der Komintern, und die KPCh wurde so als Partei des Proletariats Teil des linken Flügels der nationalen Bourgeoisie. Li Dazhao gestand Peng Suzhi, dass sie die Arbeit von Nationalisten und nicht von Kommunisten machten, dass sie ihre Partei, die KPCh, im Austausch für die KMT aufgegeben hatten. Der Hintergrund der politischen und programmatischen Diskussionen ermöglicht uns ein besseres Verständnis der historischen Ereignisse, die André Malraux in seinen Romanen (Les Conquérants und So lebt der Mensch) verarbeitet hat. Am 30. Mai 1925 brach in Kanton und Hongkong ein Streik aus, aus dem der erste proletarische Sowjet in China hervorging, ein Streik, der durch die Ermordung von 10 Arbeitern durch die Polizei ausgelöst wurde. Ein Sowjet entsteht, wie wir sagen, mit bewaffneten proletarischen Milizen, die die Bewegung von Menschen und die Zirkulation von Waren kontrollieren, d.h. mit territorialer Kontrolle und Macht. Diese Logik der Klassenautonomie und der Verteidigung ihrer unmittelbaren und historischen Interessen als Proletarier wird durch die Unterordnung unter die KMT und ihr nationalistisches und bourgeoises Programm gebrochen.

Aber die Bedürfnisse des russischen Staates sind für Stalin und seine Politik von entscheidender Bedeutung. Er geht sogar so weit zu behaupten, dass die KMT die Herrschaft des Imperialismus im Osten beenden wird – als ob es möglich wäre, den Imperialismus zu beenden, ohne den Kapitalismus zu beenden. Stalin ist daran interessiert, einen politischen Verbündeten in China zu finden, um die geopolitischen und ökonomischen Interessen des russischen Staates zu verteidigen. So nimmt er in Kauf, dass die KPCh ihre Listen mit Militanten an die KMT aushändigt – was für die späteren Massaker von grundlegender Bedeutung sein wird. Die Revolution nimmt ihren eigenen Lauf aus der Klassenradikalisierung heraus, landlose Proletarier besetzen Land in Hubei und Hunan und organisieren bewaffnete Milizen. Doch das Zentrum der chinesischen Revolution liegt in Shanghai, wo 1927 Hunderttausende bewaffnete Arbeiter die Stadt kontrollieren. Am 21. März 1927, nach einem gescheiterten Versuch einen Monat zuvor, erobern 500.000 bis 800.000 Arbeiterinnen und Arbeiter die Stadt, bewaffnet mit Gewehren, Stöcken und Messern. Jiang Jieshi steht jedoch vor den Toren der Stadt und die bewaffneten Arbeiterinnen und Arbeiter, die von der KPCh beraten werden, halten ihn für einen Freund. Um 4 Uhr morgens am 11. April 1927 startete Jiang eine Militäroffensive gegen die Shanghaier Kommune, die zu einem brutalen Massaker an Proletariern führte. Von da an breitete sich die Repression wie ein Ölteppich aus. Unter dem Befehl von Jiang Jieshi, den die verbrecherische Politik von Stalin und Co. als Vizepräsidenten der Komintern vorgeschlagen hatte, werden mindestens 547.000 Arbeiter und Bauern ermordet17. Diese Katastrophe und das Scheitern der chinesischen Revolution sind einzig und allein auf die Politik der Kommunistischen Internationale zurückzuführen, auf ihre Idee einer Revolution in Etappen und national, einer Revolution, die isoliert und in rein nationalen Begriffen gedacht wird. Bei der Suche nach Bündnissen mit den nationalen Bourgeoisien, hinter denen sich in Wirklichkeit die imperialistischen Interessen des russischen Staates selbst verbergen. Das Studium der Vergangenheit und der chinesischen Revolution von 1927 muss uns dazu dienen, revolutionäre Lehren für die Gegenwart und die Zukunft zu ziehen. Und in dem Fall, der uns in diesem Text aufruft, dazu, den inhärent konterrevolutionären Charakter des Stalinismus von Anfang an zu verstehen.

Wir haben uns ausführlich mit dem chinesischen Fall befasst, weil er uns erlaubt, die ständigen Zickzackkurse der Politik der stalinistischen Komintern von nun an besser zu verstehen: Zickzackkurse, hinter denen sich, wenn wir an der Oberfläche kratzen, die geopolitischen Interessen des russischen Staates verbergen, der Versuch, einen Krieg mit den übrigen imperialistischen Mächten zu vermeiden, diplomatische und geopolitische Bündnisse zu schließen. Und zu diesem Zweck wird das Weltproletariat als Kanonenfutter benutzt.

So wurde auf dem Sechsten Kongress der Kommunistischen Internationale im Jahr 1928, der den Sozialismus in einem Land zur Pflichtaufgabe aller „kommunistischen“ Militanten machte, die Politik des Sozialfaschismus eingeleitet. Der Kapitalismus wäre nach der Stabilisierungsperiode von 1924 in eine dritte Periode eingetreten, die die revolutionären Wellen der Periode von 1918 wieder aufleben lassen würde, entweder aufgrund der Krise des Kapitalismus oder aufgrund der Radikalisierung des Proletariats. Die Verwirrung in den Reihen der Dritten Internationale ist angesichts der ständigen Schwankungen total. Sogar jemand, der so schlau und hinterhältig ist wie Togliatti, sagt in einem Brief zu sich selbst, dass er sich wünschte, Bordiga wäre anwesend, denn dann würde er ihnen wenigstens sagen, was los ist. Die Komintern war bereits ein Instrument der Konterrevolution in Aktion, voller nützlicher Idioten, die mit dem Machtapparat gefüttert wurden. Die Hauptlinie der Dritten Periode ist die des Sozialfaschismus, die Stalin mit seiner üblichen mittelmäßigen Klarheit zum Ausdruck bringt: „Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus… sie sind Seelenverwandte“. Angesichts des neuen Zickzackkurses entstanden in den lokalen KPs neue Führungen – Togliatti gelang es mit seinem üblichen Geschick, sich zu retten -, die die neue Linie vertraten. Bullejos in Spanien zum Beispiel vertritt diese Linie, unter der Aufsicht und Kontrolle des Argentiniers Codovilla.

Die Position zum Sozialfaschismus ist eine theoretische Absurdität. Die Sozialdemokratie ist eine bourgeoise Strömung, aber sie ist weder Teil des Faschismus noch sein Seelenverwandter. In Wirklichkeit unterscheidet sich diese Position nicht so sehr von dem, was der Stalinismus später mit dem Antifaschismus machen wird. Er ist immer auf der Suche nach dem kleineren Übel, das er schlagen und besiegen kann. Zuerst wird es die Sozialdemokratie sein – die KPD wird so weit gehen, bei einer Volksabstimmung in Preußen gegen die Landesregierung von Otto Braun ein Bündnis mit den Nazis zu schließen – und dann der Faschismus mit der Politik der Volksfronten. Der Kampf gegen den Kapitalismus wird also nicht auf der Grundlage des Klassenkampfes organisiert, sondern ausschließlich gegen den „Sozialfaschismus“. Es ist nicht mehr die Bourgeoisie, die bekämpft wird, sondern nur noch einer ihrer Flügel, die Sozialdemokratie. Und das alles mit dem Ziel, eine „nationale Emanzipation“ durchzuführen, was die KPD zu einer Politik führte, die mit der der Nazis übereinstimmte, und das alles, um Deutschland einem Bündnis mit der UdSSR näher zu bringen18. Nach der Taktik des Sozialfaschismus kam eine neue Wendung. Es ist der Antifaschismus, die Politik der Volksfronten, der tödliche Feind ist jetzt der Faschismus. Es ist notwendig, sich mit den antifaschistischen nationalen Bourgeoisien zu verbünden. 1935 unterzeichnete Stalin ein Abkommen mit dem französischen Premierminister Pierre Laval. Damit billigt Stalin, und durch ihn die PCF, die französische Politik der Wiederbewaffnung und der nationalen Verteidigung. Geben wir Stalins Satrapen das Wort, damit sie die Bedeutung der neuen Politik verstehen, deren Ziel der Sozialismus in einem Land ist:

Heute bestimmen die Interessen der Verteidigung der UdSSR die grundsätzliche Linie des Weltproletariats im Angesicht des Krieges.19

Die Sowjetunion ist die Ursache des Weltproletariats, das Land, in dem der Sozialismus aufgebaut und verwirklicht wird, das sozialistische Vaterland aller Länder.20

Nur wenn wir diese Logik verstehen, die des Sozialismus in einem Land, können wir die ständigen Ausschläge der national-“kommunistischen“ Parteien und der Komintern verstehen. Was diesen Zickzackkursen einen Sinn gibt, sind die Interessen der UdSSR als kapitalistische Macht. Der letzte dieser Schlenker kam für viele Militante überraschend: der Molotow-Von Ribbentrop-Pakt, das Bündnis zwischen Stalins UdSSR und Hitler-Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Auf diese Weise verteidigt die UdSSR ihre kapitalistischen und imperialistischen Interessen. Im Rahmen dieses Abkommens besetzt die UdSSR nach dem deutschen Einmarsch in Polen im September 1939 die baltischen Staaten und den östlichen Teil Polens. Das Einvernehmen zwischen den beiden Staaten wird durch gegenseitige „Geschenke“ hergestellt. Zum Beispiel übergibt Stalin 570 deutsche und österreichische Kommunisten an Hitler, ein verbrecherischer Pakt zwischen ebenso bourgeoisen Politikern21. Außerdem verhandelten die UdSSR und Nazi-Deutschland eine Zeit lang über die Ausweitung des Dreierpakts (Deutschland, Italien und Japan) auf die UdSSR. Schließlich werden die Verhandlungen durch Hitlers Einmarsch in die UdSSR im Juni 1941 abgebrochen und Stalins UdSSR wechselt im Zweiten Weltkrieg die imperialistische Seite. Wie wir sehen, ermöglicht nur ein Verständnis des imperialistischen Charakters der Politik des Sozialismus in einem einzelnen Land, die materiellen Wurzeln der stalinistischen Politik zu verstehen.

Die Grundlagen der Konterrevolution

Im letzten Abschnitt dieses Blocks möchten wir auf die programmatischen Beiträge zurückkommen, die die Gefährten der italienischen Linken im Exil in den 1930er Jahren geleistet haben. Wir sind der Meinung, dass sie grundlegende Beiträge zum Verständnis der stalinistischen Konterrevolution geleistet haben und uns darüber hinaus auf zukünftige Klassenkonfrontationen vorbereiten, die uns mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontieren werden wie die revolutionäre Welle von 1917-1921. Nicht zufällig lautete der Name der von diesen Gefährten herausgegebenen Zeitschrift BILAN, französisch für „Bilanz“, eine programmatische Bilanz der Revolution und Konterrevolution, immer mit der Perspektive des Kampfes für den Kommunismus und der Notwendigkeit, strategisch und theoretisch tiefer in die praktischen Probleme einzusteigen, was eine grundlegende methodische Lektion als Kommunisten ist.

Der erste Text, auf den wir uns beziehen wollen, ist der von Mitchell, einem belgischen Gefährten, Über die Probleme der Übergangszeit22. Mitchell untersucht die ökonomischen Probleme während der Diktatur des Proletariats anhand des russischen Beispiels. Grundlegend an diesem Text ist, wie er erkennt, dass die Ökonomie in einer solchen politischen Periode zwangsläufig kapitalistisch bleibt und dass eine kommunistische Gesellschaft – schon auf ihrer unteren Stufe – die Negierung von Geld, Waren und Wert als Maß für den gesellschaftlichen Reichtum impliziert. Dabei polemisiert er mit einem wichtigen Text aus der gleichen Zeit: Jan Appels und Henrik Canne-Meyers Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung. Darin versuchen die Rätekommunisten, sich ideell von den konkreten Problemen der Übergangszeit zum Kommunismus zu trennen. Sie erkennen die Existenz von Markt und Geld an, leiten daraus aber nicht die Vorherrschaft des Werts in der Produktion und Reproduktion der Gesellschaftsstruktur ab. Es wird also eine Art Marktsozialismus vorausgesetzt, in dem jeder Produzent das Produkt seiner Arbeit erhält. Diese ideale Verteilung des Produkts schließt, wie wir sagen, aus, dass in der Übergangszeit der kapitalistische Einfluss die ökonomischen Formen der Diktatur des Proletariats dominiert. Dies ist das große Problem und die größte Herausforderung, vor der uns nur die Weltrevolution retten kann.

Ähnlich ist Trotzkis Position, wenn auch mit einer anderen Lösung. Für Trotzki wäre auch eine Art von ökonomischer Politik in völliger Übereinstimmung mit sozialistischen Prinzipien möglich. Das zeigt sich in den ökonomischen Auseinandersetzungen in den 1920er Jahren zwischen der Linken Opposition und der Gruppe um Stalin und Bucharin. Erstere verteidigten die Notwendigkeit einer sozialistischen ursprünglichen Akkumulation – ein Ausdruck, den ihr Theoretiker Preobajenski in Wirklichkeit Kapitalakkumulation nannte -, die Russland die Industrialisierung ermöglichen würde. Während Bucharin die Theorie vertrat, dass der Sozialismus im Schneckentempo durch die Kommodifizierung des Landes erreicht werden würde, d.h. durch die Fortsetzung von Lenins NEP-Politik. Schließlich werden die Ungleichgewichte aufgrund der scherenartigen Entwicklung der Preise zwischen Stadt und Land Stalin dazu zwingen, die Industrie zu modernisieren und die Fünfjahrespläne sowie die Kollektivierung des Landes einzuleiten, eine brutale Politik der ursprünglichen Kapitalakkumulation, die den Tod von Millionen von Proletariern und Bauern zur Folge haben wird. Es ist wichtig, den kapitalistischen Charakter dieser ökonomischen Politik zu verstehen, was Trotzki nicht begreift, weil er immer noch in einer Vision gefangen ist, die den Sozialismus mit dem Staatseigentum an den Produktionsmitteln identifiziert. So verteidigt er in Die verratene Revolution die produktiven Fortschritte der UdSSR als Beispiel für die ökonomische Überlegenheit des Sozialismus – ohne zu verstehen, dass solche Fortschritte für einen jungen Kapitalismus wie den russischen charakteristisch sind und dass die Zunahme der Produktion von Kapitalgütern lediglich dessen kapitalistischen Charakter widerspiegelt. Wie Mitchell in seiner Polemik mit Trotzki sagt, geht es nicht darum, die Produktion zu beschleunigen, sondern die sozialen Beziehungen zu verändern, was eine Weltrevolution erfordert. Nur auf einer globalen Ebene ist der Kommunismus möglich.

Und letzteres ist zentral. Wir dürfen uns keine Illusionen über die Existenz kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse in der Zeit des Übergangs zum Kommunismus machen. Wir können und sollten versuchen, die Last der Kommodifizierung der Gesellschaft so weit wie möglich zu verringern, die Arbeitszeit zu verkürzen, die es dem Proletariat ermöglicht, eine führende Rolle in der Diktatur des Proletariats zu spielen – wie es BILAN oder andere Gefährten wie Munis befürworten. Aber wir dürfen uns keine Illusionen über die Art der ökonomischen sozialen Beziehungen machen, die in der Übergangsphase weiterhin vorherrschen werden. Sozialismus in einem Land ist nicht möglich. Ganz anders als Stalin ist dies paradoxerweise das, worüber sich Trotzki nicht im Klaren ist, wenn er von der UdSSR als Bastion des Sozialismus und einer sozialistischen ökonomischen Struktur spricht – durch die staatliche Verwaltung der Produktionsmittel und das Außenhandelsmonopol – und die Rätekommunisten selbst, wenn sie die Wirkungsweise des Wertgesetzes in der Übergangsphase ignorieren.

Wie BILAN in all seinen Texten aus dieser Zeit eindringlich darlegt, gibt es keine reifen und unreifen Länder für den Sozialismus: Die weltweite Verteilung der Produktivkräfte macht den Kommunismus sowohl für „fortgeschrittene“ als auch für „rückständige“ Länder unmöglich. Denn das Terrain des Sozialismus ist global, es ist die Weltrevolution. Wie Mitchell sagt, muss die proletarische Macht eine ökonomische Politik entwickeln, die so weit wie möglich mit den kommunistischen Zielen übereinstimmt, aber der zentrale Punkt ist die Entwicklung der Weltrevolution, die die wichtigsten politischen Zentren der Weltbourgeoisie zerstört. Nur aus dieser Weltrevolution kann der Kommunismus entstehen und die gesellschaftlichen Verhältnisse umgestaltet werden. Deshalb gibt es angesichts der bolschewistischen Schwächen auch keine Konkurrenz zwischen sozialistischer und kapitalistischer Ökonomie. Was es gibt, ist ein Antagonismus zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat. Die Weltrevolution ist der einzige Hebel, aus dem das Proletariat die Kräfte des Kommunismus befreien kann. Das große Problem ist zu glauben, dass die ökonomischen Grundlagen des Sozialismus geschaffen werden können.

Und dieser Internationalismus, als Grundposition der Kommunisten, wird in den folgenden Artikeln, die wir kommentieren werden, noch einmal eindringlich aufgegriffen. Sie stammen vom Hauptinitiator von BILAN, Ottorino Perrone, der unter dem Pseudonym Vercesi bekannt ist. Es sind die Artikel „Partei – Internationale – Staat“ und der darauf folgende Artikel in der Zeitschrift Octobre „Die Frage des Staates“, ein Text, der die Schlussfolgerungen des vorherigen aufgreift. Was sind die Hauptthesen von Vercesi?

1. Die Weltrevolution und die Revolution der Internationale haben Vorrang vor den nationalen Parteien. Das Ziel einer siegreichen Klassendiktatur ist nicht die ökonomische Reorganisation, um die ökonomische Leistung zu steigern, sondern um dem Bürgerkrieg des Proletariats den größtmöglichen Spielraum zu geben. Das Gegenteil ist die Suche nach Kompromissen mit den feindlichen Klassen, gerade in dem Moment, in dem die revolutionären Erfordernisse einen totalen Kampf gegen das Kapital verlangen. Das Zentrum ist immer das Weltproletariat.

2. Das Wesentliche ist immer der Inhalt des kommunistischen Programms und das erklärt das Wesentliche der Ausweitung der Revolution. Die Revolution ist eine Frage des Inhalts, obwohl sie nicht von ihren harmonischen Formen getrennt werden kann.

3. Wie er später in Octobre sagen wird, impliziert der leninistische Voluntarismus23 eine Mystifizierung der Gewalt, die es ermöglichen würde, die Probleme der Übergangsperiode zu lösen, wobei die Kontrolle der Partei über den Staat es ermöglichen würde, die unvermeidlichen Probleme der Isolierung der Revolution durch den Einsatz von Gewalt zu bewältigen, wenn sie gegen die proletarische Klasse selbst ausgeübt wird, was die Aufgabe der Klassenprinzipien bedeutet. Vercesi verweist ausdrücklich auf die bolschewistische Repression von Bewegungen wie der von Makhnov in der Ukraine oder Kronstadt im Jahr 1921. Auf diese Weise wurden die Substanz und die Grundlage des Staates in einem bourgeoisen Sinne verändert.

Was er in Octobre’s Text sagt, ist in dieser Hinsicht sehr wichtig:

Wenn es um grundlegende Probleme geht, dürfen wir nicht zögern: Es ist besser, den Kampf trotz der Gewissheit einer Niederlage aufzunehmen, als an der Macht zu bleiben, indem wir unsere proletarischen Prinzipien aufgeben.

Mit anderen Worten: Repression gegen das Proletariat bedeutet den Verzicht auf proletarische Prinzipien. In solchen Momenten ist eine Teilniederlage, aus der wir Lehren für die Zukunft ziehen können, besser als die Opferung von Klassenpositionen. Letzteres ist schließlich geschehen und hat die bolschewistische Partei und die Kommunistische Internationale zu Instrumenten der Konterrevolution gemacht. Diese Position von BILAN, in den 1930er Jahren, ist sehr wichtig für ihre Kohärenz. Im Mittelpunkt stehen die Internationale und der Triumph der Weltrevolution. Man kann eine Schlacht, eine Episode in der Weltrevolution verlieren – in diesem Fall die Klassendiktatur in Russland -, aber das Wichtigste ist, die revolutionären Positionen in der Internationale und in den Parteien als Klassenorganen kohärent aufrechtzuerhalten, im Gegensatz zu dem, was in der UdSSR geschah, wo am Ende das Verhältnis zum Rest der bourgeoisen Staaten die Aktionslinie bestimmte. Deshalb ist es, wie Vercesi sagte, wichtig zu verhindern, dass sich der proletarische Staat mit dem Rest der bourgeoisen Staaten verbindet.24

4. Ebenso problematisieren sie die Identifizierung zwischen Staat und Klassendiktatur. Der Staat ist immer Zwang und soziale Erhaltung. Deshalb steht er immer im Gegensatz zur Verwirklichung des kommunistischen Programms. Die Stärke der Klassendiktatur, so betont BILAN erneut, ist die Internationale und die Ausweitung der Weltrevolution. Von dort aus, aus der Übereinstimmung mit dem kommunistischen Programm, kann und muss die Diktatur des Proletariats ausgeübt und die Autonomisierung von Staat und bourgeoiser Logik verhindert werden. Solange es keine Weltrevolution gibt, neigt der innere und äußere Druck des Kapitalismus dazu, die Partei und die Klassendiktatur unter die Logik des Kapitalismus und des Staates zu subsumieren. Der Sozialismus in einem Land ist ein Versuch, die UdSSR – wo der Sozialismus angeblich verwirklicht wird – künstlich vom Rest der Welt zu trennen. Auf diese Weise werden alle Klassenprinzipien ins Gegenteil verkehrt. Das Problem der Entartung der russischen Revolution ist kein persönliches. Ob von außergewöhnlich guten Anführern (Lenin) oder von Abgesandten des Teufels, von Degeneration und Perversion (Stalin). Bei Lenin gibt es, wie wir gesehen haben, bereits Grenzen, die die sehr objektive Dynamik der Isolierung der Revolution zum Ausdruck bringen, wie in seinem Text Über die Genossenschaft (1923) zu sehen ist. Es ist kein Zufall, dass sich die Fälscher auf sie stützen, um die Theorie des Sozialismus in einem Land zu skizzieren. Aber Stalin ist der Ausdruck der gesellschaftlichen Kräfte, die aus der Isolation der russischen Revolution, aus der Ebbe der revolutionären Welle seit 1921, Kraft schöpfen. Die neuen Umstände hatten die Klassendiktatur ihrer natürlichen Stütze, dem Weltproletariat, beraubt, das vom Feind besiegt worden war. Der Versuch, sich unter diesen Umständen um jeden Preis an der Macht zu halten, wird die Kluft zwischen der Realität und dem Wesen dieser Macht und den kommunistischen Prinzipien immer größer werden lassen. Stalin und seine kapitalistische Diktatur wurden in diesem Riss geboren. Und schließlich wurde der russische Staat zum Ausdruck der Logik des Kapitals, ebenso wie die bolschewistische Partei, die von der offiziellen Partei des Proletariats zur Partei der Bourgeoisie wurde25. Daher sind „die Ursachen der gegenwärtigen Degeneration auf dem Terrain des Klassenkampfes zu suchen und nicht bei den Individuen“.

Wir haben BILAN´s Beiträge sehr synthetisch zusammengefasst, die uns sehr wichtig erscheinen, um die Kämpfe von morgen vorzubereiten, die uns wieder vor ähnliche Probleme stellen werden, wie sie unsere Gefährtinnen und Gefährten vor hundert Jahren zu bewältigen hatten. Dies in dem Wissen, dass, wie Vercesi selbst sagte, die Prinzipien der russischen Revolution und der Dritten Internationale nicht als Endpunkt betrachtet werden dürfen, sondern als ein weiterer Schritt auf dem Weg, den das Proletariat auf dem Weg zu seiner Befreiung gehen muss.

Die acht Schritte, mit denen die Konterrevolution aufgebaut wird

Bisher haben wir die Grundlagen gesehen, auf denen der Stalinismus als rotes Banner des Kapitals aufgebaut ist: der Sozialismus in einem Land und der Interklassismus als Politik der Bündnisse mit der internationalen Bourgeoisie. Wir werden uns nun kurz auf einige logische und historische Konsequenzen dieser Positionen konzentrieren, die uns erklären, was der Stalinismus historisch gewesen ist.

Diplomatie am Kommandoposten

Wir haben bereits gesehen, dass der russische Staat und seine Bedürfnisse nach Verteidigung oder Eroberung an den Kommandoposten rücken. Dies ist das Herzstück der internationalen Politik des Stalinismus. Kommunistische Parteien und die „marxistische“ Ideologie werden zur Verteidigung dieser Interessen eingesetzt. Wir sind also Zeuge eines Fälschungswerks, das in der Geschichte beispiellos ist. Es ist dieses Werk der Fälschung, das Orwell in seiner Metapher von 1984 im Sinn hatte. Wir haben bereits einige Beispiele im frühen Stalinismus gesehen: das Bündnis der Komintern mit der KMT und die anschließende Unterwerfung und das Massaker an der KPCh, die Bündnisse mit den westlichen Demokratien gegen den Faschismus und mit Hitler gegen eben diese westlichen Demokratien, die jetzt Plutokratien genannt werden. Aber die Beispiele sind unendlich, auch wenn sie durch die linke Mystifizierung im Laufe der Zeit nur wenig bekannt geworden sind. Zum Beispiel unterstützen die UdSSR und Kuba Videlas Argentinien – ja, das der Militärdiktatoren – oder Maos China verteidigt Pinochets Diktatur und tauscht mit seinem großen national-“kommunistischen“ Rivalen bei der Verteidigung einer Militärdiktatur. Im Gegenzug werden die Vereinigten Staaten, die mit China verbündet sind, auch die Roten Khmer in Kambodscha unterstützen. Die ganze Geschichte des Stalinismus ist voll von solchen Beispielen, die eine linke Logik konstruiert haben, die im Namen des Antiimperialismus die schlimmsten bourgeoisen Satrapen verteidigt: von Gaddafi bis Saddam, vom syrischen al-Assad bis zum sandinistischen Nicaragua oder dem chavistischen Venezuela.

Der Aufbau des nationalen Kapitalismus

Wir wissen bereits, dass man, wenn man vom Aufbau des Sozialismus in einem einzelnen Land spricht, in Wirklichkeit den nationalen Kapitalismus aufbaut. Das ist es, was Stalin mit seinen Fünfjahresplänen und den Prozessen der Zwangskollektivierung aufgebaut hat: 8,5 bis 9 Millionen Tote aufgrund der allgemeinen Knappheit, die er verursachte, geben uns eine Vorstellung davon, was diese enorme ursprüngliche Kapitalakkumulation zur Folge hatte26. Alle Staaten des falsch benannten „Realsozialismus“ sind nur Beispiele für diese Entwicklung eines nationalen Kapitalismus, in dem alle Kategorien des Kapitals beibehalten werden: Wert, Ware, Geld, Lohnarbeit, die Logik des Unternehmens … in dem auch auf dem Land wichtige Anteile des Privateigentums vorherrschen, zum Beispiel in den Kolchosen – die Genossenschaften sind – oder in einer Vielzahl von Subunternehmern, die durch Verträge mit den Staatsbetrieben verbunden sind, um sie mit Waren zu versorgen. Eine kapitalistische Logik, die weniger wettbewerbsfähig ist als die des Westens und die letztlich zum Zusammenbruch der meisten „realsozialistischen“ Ökonomien geführt hat, da diese nicht in der Lage waren, sich an die größere Effizienz und Produktivität der Vereinigten Staaten anzupassen. Andere stalinistisch-kapitalistische Ökonomien wie China und Vietnam waren in der Lage, sich weiterzuentwickeln. Aber es handelt sich dabei immer um kapitalistische Ökonomien, die die grundlegenden Kategorien des einzigen existierenden Kapitalismus beibehalten, abgesehen von den Besonderheiten, die bei der Reproduktion derselben abstrakten Kategorien auftreten können.

Die Rhythmen der Arbeit: Stachanowismus

Einer der Aspekte, in denen die kapitalistische Logik in den stalinistischen Ländern am deutlichsten sichtbar wird, ist die Frage nach dem brutalen Rhythmus der Arbeit. Die ursprüngliche Kapitalakkumulation, die den Fünfjahresplänen Stalins ihren Sinn gab, beinhaltete eine enorme Konzentration von Akkordarbeit. Der Aufbau einer ganzen Infrastruktur von Kapitalgütern zur Steigerung der russischen Wettbewerbsfähigkeit erfolgte auf der Grundlage der massiven Extraktion des absoluten Mehrwerts aus dem russischen Proletariat. Dies geschah durch höllische Arbeitszeiten – laut H. Schwartz 15-16 Stunden pro Tag -, durch Akkordlöhne für 50-60% der Proletarier in den Bergwerken und der Großindustrie, die 1928 auf 90% für die Arbeiter in der Großindustrie stiegen, und durch die Erhöhung der Lohnskala auf 17 verschiedene Typen. Außerdem gab es Arbeitsbrigaden und Vorzeigearbeiter als Arbeitshelden wie Stachanow, die idealisierte Figur des Proletariers, der sich wild ausbeutete und im Gegenzug einen höheren Lohn erhielt. Inzwischen machten Lebensmittel 40-50% des Familieneinkommens aus, und die Wohnungspreise verdreifachten sich zwischen 1921 und 1925, so dass die Bevölkerung im Durchschnitt nur noch 6 Quadratmeter pro Kopf zur Verfügung hatte.27 Das Strafgesetzbuch wurde vollständig an das neue sozialistische System angepasst.

Das Strafgesetzbuch ist vollständig an diese kapitalistische Logik angepasst, in der die Verteidigung des bourgeoisen Eigentums – ob privat oder staatlich – im Mittelpunkt steht. Jeder kann ab einem Alter von 12 Jahren eingesperrt werden und die Strafe für Diebstahl ist höher als die Strafe für die Entführung eines Kindes. Ebenso brutal sind die Änderungen im Familiengesetzbuch, die eine konterrevolutionäre Invasion bewirken, sei es bei den Frauenrechten oder bei der Entwicklung von Gesetzen zur Verfolgung von Homosexualität während des Stalinismus28, durch ein Dekretgesetz von Stalin im Jahr 1936 und das Familienedikt von 1944.

Doch fahren wir mit einigen Straftaten fort, die von den sowjetischen Strafgesetzbüchern erfasst wurden: das so genannte „Fünf-Ohren-Gesetz“ vom August 1932, das diejenigen zum Tode verurteilte, die sich eines geringfügigen Diebstahls schuldig machten, um nicht zu verhungern; die Anti-Arbeiter-Dekrete von 1940, die jede Verzögerung der Arbeit um mehr als 20 Minuten mit einem Sabotageakt gleichsetzten; das Dekret vom 4. Juni 1947, das sich aus dem Gesetz vom 7. August 1932 ableitete und Zehntausende von Frauen wegen eines geringfügigen Diebstahls von Milch oder Brot, um ihre hungernden Kinder zu ernähren, in den Gulag schickte.29

Nahrung für Maschinen, Hunger für Menschen ist ein Satz, der die Logik des Kapitalismus perfekt zusammenfasst, eine Logik, die von der UdSSR mit einer unerbittlichen repressiven Dynamik umgesetzt wird. Ihr kapitalistischer Charakter zeigt sich deutlich darin, wie sie der Akkumulation von Produktionsmitteln Vorrang vor der Produktion von Konsumgütern einräumt:

 19131928193219371940
Produktios-mittel44,3%32,8%53,3%57,8%61%
Konsum-mittel55,7%67,2%46,7%42,2%39%

So betrug der Milchverbrauch pro Person und Jahr 1928 189 Liter, während er 1937 nur noch 132 Liter betrug, während der Fleischverbrauch pro Person und Jahr 1928 bei 27,5 kg lag, während er 1937 nur noch 14 kg betrug. All dies gibt einen Eindruck vom Lebensstandard des russischen Proletariats im „Vaterland des Sozialismus“. In anderen Ländern des Realsozialismus werden wir ähnliche Phänomene erleben, wie der ständige Klassenkampf zur Verteidigung der unmittelbaren Bedürfnisse zeigt, der sich durch alle Länder zieht: Man denke nur an Berlin 1953 bis Poznań 1956, wo es aufgrund eines Kaufkraftverlustes von bis zu 30-40% im Falle der deutschen Hauptstadt zu proletarischen Ausbrüchen kam.

Staatlicher Totalitarismus

Die UdSSR zu Stalins Zeiten war ein wahres Konzentrationsuniversum. Aber wie wir gesehen haben, können wir dieses Universum nicht von seinen materiellen Grundlagen trennen: einer Konterrevolution zur revolutionären Bewegung von 1917 und einer brutalen Bestätigung der ursprünglichen Kapitalakkumulation. Die UdSSR war ein konzentrationalistisches Universum, das sich durch Repression und die brutale Kapitalakkumulation entfaltete. Gab es 1928 in der UdSSR 30.000 Häftlinge in Gefängnissen und Konzentrationslagern, waren es 1933-1935 bereits 5 Millionen und 1939 9 Millionen. Die stalinistischen Gulags sind Ausdruck einer offensichtlichen Klassengewalt gegen das Proletariat und einer präzisen Ideologie, die darauf ausgerichtet war, die Akkumulation des Kapitals in den 1930er Jahren zu rechtfertigen, eine Ideologie, die daher antikommunistisch war. Um die Fünfjahrespläne durchzusetzen, wurde im Juni 1929 beschlossen, dass man bei mehr als drei Jahren Haft direkt in die von der GPU betriebenen Arbeitslager kommt. 1934 wurden die Gulags und das Konzentrationslager-System verwaltungstechnisch eingerichtet. Die Verurteilungen konnten wegen unerlaubten Berufswechsels, Verstoßes gegen die Passvorschriften, Rowdytums, Schmarotzertums oder Profitmacherei, Beschädigung oder Diebstahl von sozialistischem Eigentum erfolgen. Die Gründe für die Verurteilungen geben diesem Zustand einen klaren Klassensinn.

Zwischen 1930 und 1953 starben 1.800.000 Menschen. Nicht mitgezählt sind die staatlichen Hinrichtungen, zum Beispiel die 750.000 zwischen August 1937 und November 1938, während der Zeit der großen Säuberungen und der Moskauer Prozesse: Diese 750.000 Hinrichtungen entsprechen durchschnittlich 50.000 pro Monat, 1.600 pro Tag. Ein Prozent der erwachsenen Russen wird durch den „klassischen“ Schuss in den Hinterkopf beseitigt, hinzu kommen 800.000 Menschen, die zu mehr als 10 Jahren Zwangsarbeit im Gulag verurteilt wurden. Im Jahr 1951, zwei Jahre vor Stalins Tod, befanden sich noch 2.700.000 Menschen im Gulag.

Das Repressionsfieber lässt sich durch konterrevolutionäre Gefräßigkeit erklären. Stalins Regime wusste, dass es schwach war und musste vor allem jede Art von Opposition auslöschen, die an die revolutionäre Vergangenheit erinnerte. Dazu musste es sich auch mit der unterwürfigen militanten stalinistischen Anthropologie umgeben, von der wir oben gesprochen haben. Stalin hatte nicht alles selbst in der Hand. Auf dem 17. Parteitag der KPdSU (1934) strichen 292 Delegierte seinen Namen aus dem Zentralkomitee. Stalin war der Kandidat mit den wenigsten Stimmen auf der einzigen Liste für das Zentralkomitee. Von den 63 Mitgliedern der Wahlkommission, die den Kongress organisierte, wurden 60 bei den Säuberungen getötet. Die verschiedenen Prozesse finden nicht nur in Moskau und in der UdSSR oder gegen internationalistische Revolutionäre in allen Teilen der Welt statt – von Spanien bis Griechenland, von Italien bis Frankreich, von China bis Vietnam – sondern auch in den Reihen der stalinistischen Dritten Internationale selbst. Wie wir bereits gesagt haben, massakriert Stalin genauso viele Anführer der KPD wie Hitler und liefert sogar viele von ihnen an ihn aus, damit der deutsche Kriegsherr die Arbeit zu Ende bringen kann. Er rottete die Führung der polnischen Partei aus – mit der autorisierten Unterschrift von Togliatti und mit der lobenswerten Arbeit des Antifaschisten Dimitrov, der die Termine in seinem Büro organisierte, wo sich auch der damalige offizielle Henker Djezov befand -, fast alle lettischen und türkischen Exilanten, 2000 italienische Kommunisten, 1.000 Bulgaren, 800 Jugoslawen… Niemand in den mittleren oder oberen Rängen des internationalen Stalinismus war sich eines solchen Maßes an Infamie bewusst, einer Infamie, die einen gewissen unterwürfigen Militanten und Diener der Konterrevolution prägte.30

Der Voluntarismus

Hinter der Theorie der stalinistischen Konterrevolution verbirgt sich ein tiefgreifender Idealismus. Die Vorstellung, dass der Sozialismus in einem einzigen Land aufgebaut werden kann, selbst wenn es isoliert ist, ist bereits ein Hinweis auf den Subjektivismus, der diese Konzeption ständig durchdringt. Stalin ging sogar so weit zu sagen, dass die Ablehnung der Theorie vom Sozialismus in einem Land bedeute, kein Vertrauen in die Macht des russischen Proletariats und der Bauernschaft zu haben. Seine Gegner wären nichts anderes als Defätisten, die dem westlichen Kapitalismus nachgeben. Die Entschuldigung für die Macht der großen Männer, der brillanten Anführer, der Väter des Volkes, ist daher auch der Kern der Theorie der Konterrevolution. Die Anführer sind durch die Kraft ihres Willens zu allem fähig. Das Proletariat hat ihnen alles zu verdanken. Deshalb sind Heiligsprechung und Personenkult Elemente, die dem Wesen des Stalinismus selbst innewohnen. Es ist nicht nur Stalin, alle national-“kommunistischen“ Parteien neigen dazu, ihre Anführer zu vergöttern, von Dolores Ibárruri bis Ceaucescu, von Kim Il Sung bis Ho Chi Minh. Es wird in der Tat eine von Maos Antworten auf Chruschtschow sein: die Bekräftigung, dass Stalin ein großer Marxist-Leninist ist31. Daher die stereotypen Formulierungen im Stalinismus, die vom „Mao Tse Tung-Gedanken“ oder „Gonzalo-Gedanken“ sprechen, um auf den peruanischen Anführer des Leuchtenden Pfads, Abimael Guzman, anzuspielen. Der Personenkult ist ein konstantes Merkmal des Stalinismus und ergibt sich aus seinem konterrevolutionären politischen Wesen. Die Beseitigung der theoretischen Grundlagen des Marxschen Werkes, seiner Untersuchung der Kategorien Kapital und Kommunismus als Negation und Auflösung dieser Kategorien, verlangt, dass das Kriterium der Wahrheit in die taktische und brillante Intelligenz des jeweiligen Anführers gelegt wird. Wichtig ist nicht mehr das kritische und rigorose Studium der Anatomie der bourgeoisen Gesellschaft, sondern das, was der brillante Anführer sagt, der – wie im Fall von Stalin – alles weiß, wie ein neuer irdischer Gott.

Deshalb ist es so wichtig, als Kommunistinnen und Kommunisten zu der theoretischen Lehre zurückzukehren, die Marx für das Studium der Klassengesellschaften und ihre Auflösung im Kommunismus aufgestellt hat. Diese theoretische Lehre basiert auf der materialistischen Geschichtsauffassung, auf der Kritik der politischen Ökonomie und auf der Methode der materialistischen Dialektik. Das ist unser unpersönliches Fundament und nicht die allwissenden Worte eines großen Mannes.

Die Unterwerfung der Kommunistischen Internationale unter die Weisungen Moskaus

Wir haben bereits gesehen, dass ein weiteres Merkmal des frühen Stalinismus die Umkehrung der Pyramide ist. Alles ruht auf einer Spitze, die über alles und jeden entscheidet. Das erklärt die Verwandlung der Kommunistischen Internationale von einem Weltorgan des kämpfenden Proletariats in einen Apparat, der den imperialistischen Interessen Russlands dient. Wir haben oben bereits auf verschiedene Beispiele hingewiesen: von England 1926 bis China 1927, von Deutschland in den 1930er Jahren bis zur gesamten Politik der UdSSR während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wir möchten diese Tatsache auch am Beispiel Spaniens während des Bürgerkriegs veranschaulichen. In diesem Fall ist die PCE keine autonome Partei, die ihre Entscheidungen auf der Grundlage ihrer eigenen Analyse der Situation trifft. Nein, die PCE ist eine Partei, die von Abgesandten der Komintern aus Moskau gelenkt wird: zuerst der Argentinier Codovilla und ab 1937 Palmiro Togliatti – der sich Alfredo nennt -, sekundiert von anderen Abgesandten wie dem Bulgaren Stepanov, dem Ungarn Erno Gerö – dem finsteren Pedro, der 1936/37 gegen die echten Revolutionäre in Barcelona vorgehen wird – oder dem NKVD-Agenten Orlov, der Nin und andere Militante verschwinden lassen wird. Stalin hat große Angst vor dem, was in Spanien passiert. Er fürchtet vor allem ein revolutionären Aufstieg des spanischen Proletariats. Er befürchtet, dass die Wiedererlangung der authentischen Traditionen des Internationalismus die laufende Konterrevolution in Frage stellen wird. Deshalb misst er der Intervention in Spanien so große Bedeutung bei. Sie ist kein Beispiel für altruistische Solidarität, wie die naive Linke glaubt. Nein, es ist eine bewusste Intervention, um den Klassenkampf dort zu belassen, wo er war, nämlich auf dem Terrain der Konterrevolution, um Mitternacht im Jahrhundert, wie Victor Serges gleichnamiger Roman es ausdrückt. Stalins Absichten sind konterrevolutionär und werden von allen spanischen republikanischen und bourgeoisen Politikern als solche gedankt. Außerdem sind sie eindeutig. Es genügt, den Brief zu lesen, den er 1936 an den spanischen Premierminister der Zweiten Republik, den Sozialisten Largo Caballero, schrieb:

Wir halten es für unsere Pflicht, im Rahmen unserer Möglichkeiten der spanischen Regierung zu helfen, die den Kampf aller Arbeiter, der gesamten spanischen Demokratie, gegen die militärische und faschistische Clique führt, die nichts anderes als ein Instrument der internationalen faschistischen Kräfte ist. […] Die spanische Revolution geht Wege, die sich in vielerlei Hinsicht von denen Russlands stark unterscheiden. Das liegt an den unterschiedlichen historischen und geografischen sozialen Bedingungen, an den Erfordernissen der internationalen Situation, die sich sehr von denen unterscheiden, denen sich die russische Revolution stellen musste. Es ist gut möglich, dass sich der parlamentarische Weg in Spanien als ein effektiveres Verfahren der revolutionären Entwicklung erweisen wird als in Russland… Besondere Aufmerksamkeit sollte den Bauern gewidmet werden, die in einem Agrarland wie Spanien so wichtig sind. Es wäre wünschenswert, eine Agrar- und Steuergesetzgebung zu erlassen, um die Interessen dieser Arbeiter zu schützen. Es wäre auch wünschenswert, diese Bauern für die Armee zu gewinnen und mit ihnen im Rücken der faschistischen Armeen Guerillagruppen zu bilden. […] Es wäre auch ratsam, die kleine und mittlere Bourgeoisie der Städte auf die Seite der Regierung zu ziehen oder ihnen zumindest die Möglichkeit zu geben, eine neutrale Haltung einzunehmen, die die Regierung begünstigt, sie vor Beschlagnahmungsversuchen schützt und ihnen so weit wie möglich Handelsfreiheit zusichert … Es gibt keinen Grund, die Anführer der republikanischen Parteien abzulehnen, sondern im Gegenteil, sie anzuziehen, ihnen näher zu kommen und sie mit den gemeinsamen Bemühungen der Regierung zu verbinden … Es muss verhindert werden, dass die Feinde Spaniens darin eine kommunistische Republik sehen, um so ihre erklärte Intervention zu verhindern, die die größte Gefahr für das republikanische Spanien darstellen würde…. Die Gelegenheit sollte genutzt werden, um über die Presse zu erklären, dass die Madrider Regierung Angriffe auf das Eigentum und die legitimen Interessen der in Spanien ansässigen Ausländer nicht dulden wird.…

Bei all dem, worauf wir in diesem Heft hingewiesen haben, passt alles zusammen: Der Sozialismus in einem Land führt zu einer nationalistischen Vision, die einige Revolutionen von anderen trennt; der Etapismus32, der die Revolution auf die Verteidigung des bourgeoisen und kapitalistischen Rahmens reduziert; die geopolitischen Interessen, Vereinbarungen mit bourgeoisen und kapitalistischen Mächten zu treffen… Die scheinbaren Widersprüche des stalinistischen Diskurses passen perfekt zusammen. Es gibt keine Trennung zwischen seinem Antifaschismus und den Säuberungen, die überall „Freunde“ und Feinde ausrotten. Es gibt keine Trennung oder Widersprüche, sondern immer dasselbe Programm: die kompromisslose Verteidigung der bourgeoisen und kapitalistischen Ordnung, die unnachgiebige Verteidigung ihrer Interessen als kapitalistische und imperialistische Macht. Zu diesem Zweck benutzt sie das Proletariat der Welt als Kanonenfutter und die „kommunistischen“ Parteien als Instrumente, mit denen sie in der nationalen Politik der verschiedenen bourgeoisen Staaten agiert. Der Sozialismus in einem Land ist die theoretische Rechtfertigung, die es dem konterrevolutionären Bauwerk ermöglicht, zu stehen, deshalb ist es wichtig zu klären, was er wirklich bedeutet: die Theorie der kapitalistischen Konterrevolution zu sein. Die rote Fahne des Kapitals zu sein.

Die nationalen Wege zum Sozialismus

Der Stalinismus trägt die Ursprünge seines Zerfalls in sich selbst. Die Verteidigung des Sozialismus in einem einzigen Land impliziert, wie wir gesehen haben, die Zerschlagung der einheitlichen Bewegung der Weltrevolution. Was dazu neigt, jede Revolution und jede proletarische Bewegung zu denken, wird in engen nationalen Begriffen gelesen. Die UdSSR als kapitalistischer und imperialistischer Staat nutzt die Komintern für ihre eigenen Zwecke, aber die Gegentendenzen, bei denen jede kommunistische Partei dazu tendiert, sich von der Kontrolle Moskaus zu emanzipieren und ihre eigenen Machtquellen zu suchen, sind immer eine lauernde Gefahr. Stalin selbst schaffte die Komintern 1943 ab, um sich bei seinen Verbündeten im Zweiten Weltkrieg einzuschmeicheln und ihnen zu zeigen, was sie bereits wussten: dass die Dritte Internationale kein revolutionäres Instrument war. Nach dem Beginn des Kalten Krieges und der Ausweitung des imperialistischen Lagers der UdSSR auf Osteuropa baute Stalin die Komintern wieder auf, jetzt unter dem Namen Kominform (1947). Doch 1947 kam es zum ersten Bruch innerhalb des Stalinismus: Titos Jugoslawien. Tito hatte mit eigenen Mitteln die Macht in Jugoslawien ergriffen und wollte sie behaupten, auch um den Preis der Konfrontation mit Stalin. In allen kommunistischen Parteien der Welt bricht ein unerbittlicher Kampf aus. Stalins beliebtester Leutnant, Tito, wurde 1948 über Nacht zum Symbol des inneren Feindes. Tito verteidigte sich, indem er Stalins Gefolgsleute in Jugoslawien inhaftierte und italienische National-“Kommunisten“, die in dem ehemaligen Land aufgrund der Existenz italienisch besiedelter Gebiete sehr zahlreich waren, in Konzentrationslager sperrte. Stalin verfolgte unerbittlich vermeintliche oder potenzielle Titoisten innerhalb der kommunistischen Parteien. Die Prozesse kehrten zurück, diesmal nicht in Moskau oder Barcelona – gegen die POUM oder die Trotzkisten – sondern in Osteuropa unter der Kontrolle der russischen Armee (von 1950 bis 1952). Nach Stalins Tod und Chruschtschows Eingeständnis der Fehler des Personenkults auf dem 20. Kongress der KPdSU (1956)33 kam es erneut zu einer teilweisen Versöhnung zwischen dem Bund der jugoslawischen Kommunisten und der KPdSU.

Doch innerhalb der Konterrevolution entstanden neue Casus Belli der Desintegration34, und hier spielen wir auf den chinesisch-sowjetischen Konflikt nach Stalins Tod an. Auch hier ist der Grund derselbe: Mao und Konsorten wollen die Quellen ihrer eigenen politischen Macht präsentieren, die sie während des Bürgerkriegs zwischen 1946 und 1949 erobert haben. Darüber hinaus kommt es in den ersten fünf Jahren der 1960er Jahre zu zahlreichen territorialen Konflikten, die zu Tausenden von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Armeen führen. Dies ist der wahre Grund für Maos stalinistische Orthodoxie im Gegensatz zum Sozialrevisionismus der Russen – so Mao, der zuvor Chruschtschows Rede nach dem XX Kongress gebilligt hatte. Erst nach den territorialen Zwischenfällen – und der Notwendigkeit, sich vom russischen imperialistischen Block zu distanzieren – ergriff er die Gelegenheit, im Namen der stalinistischen Orthodoxie mit Moskau zu brechen. Und so ist die Anprangerung des Personenkults auf dem 20. Parteitag der KPdSU nicht mehr „ein großer und mutiger Kampf“ („Volkszeitung“, offizielle Zeitung der KPCh im Jahr 1956), denn in einem anderen Artikel derselben Zeitung heißt es 1963, dass „Chruschtschow Stalin mit Beleidigungen überzieht“. Was zwischenzeitlich passiert ist, ist der imperialistische Konflikt zwischen Russland und China. Mao nimmt Stalin angesichts seiner eigenen kapitalistischen Interessen in Schutz.

Im Übrigen ist Mao ein theoretischer und praktischer Stalinist, der immer die Lehren seines Meisters fortgesetzt hat, indem er den Sozialismus in einem Land und den bourgeoisen Etapismus gegenüber der Revolution verteidigte:

Kann ein Kommunist als Internationalist gleichzeitig auch ein Patriot sein? Wir sind der Meinung, daß er das nicht nur kann, sondern auch muß. Der konkrete Inhalt des Patriotismus wird durch die historischen Bedingungen bestimmt. Es gibt einen „Patriotismus“ der japanischen Aggressoren und Hitlers, und es gibt unseren Patriotismus. Den sogenannten „Patriotismus“ der japanischen Aggressoren und Hitlers müssen die Kommunisten entschieden bekämpfen. […].eshalb müssen die chinesischen Kommunisten den Patriotismus mit dem Internationalismus verbinden. Wir sind Internationalisten, und wir sind auch Patrioten; unsere Losung lautet: Kampf zur Verteidigung des Vaterlands gegen die Aggressoren! Für uns ist Defätismus ein Verbrechen, die Erringung des Sieges im Widerstandskrieg aber eine unabweisliche Pflicht. Denn nur durch den Kampf zur Verteidigung des Vaterlands können wir die Aggressoren besiegen und die nationale Befreiung erreichen. Und nur wenn die Nation befreit ist, kann die Befreiung des Proletariats, des ganzen werktätigen Volkes herbeigeführt werden. Der Sieg Chinas und die Zerschlagung der Imperialisten, die China überfallen haben, werden auch eine Hilfe für die Völker der anderen Länder sein. Deshalb ist der Patriotismus die Verwirklichung des Internationalismus im nationalen Befreiungskrieg. Das ist der Grund, warum jeder Kommunist höchste Aktivität entfalten, tapfer und entschlossen auf das Schlachtfeld des nationalen Befreiungskriegs ziehen und das Gewehr auf die japanischen Aggressoren anlegen muß.35

Wir sehen, dass sich der Kampf für die kommunistische Revolution in einen patriotischen nationalen Befreiungskrieg auflöst, der auf eine Neue Demokratie abzielt, in der, in Maos Worten, der Hauptwiderspruch nicht mehr zwischen Proletariat und Bourgeoisie, sondern zwischen uns, dem Volk, und dem Imperialismus besteht. Dieses Wir, das Volk, besteht aus dem Block der vier nationalen Klassen – einschließlich der Bourgeoisie -, die durch die vier gelben Sterne auf der offiziellen Flagge des derzeitigen chinesischen bourgeoisen Staates repräsentiert werden. Maos gesamte theoretische Rhetorik: seine Idee der Neuen Demokratie, die Existenz von Haupt- und Nebenwidersprüchen, die sich je nach den Umständen ändern, sein Internationalismus, der ihn dazu bringt, Regime wie das von Reza Pahlevi oder Pinochet zu unterstützen… machen Mao zu einem würdigen Erben von Marschall Stalin36.

Wir haben zu Beginn dieses Pamphlets gesagt, dass wir den Stalinismus als theoretische und politische Strömung der Konterrevolution nicht mit der Figur Stalins verwechseln dürfen. Der Stalinismus ist ein konterrevolutionäres und bourgeoises Programm zum Aufbau des Sozialismus (Kapitalismus) in einem Land und zum Bündnis mit der nationalen Bourgeoisie unter dem roten Banner des Proletariats. Das ist ihre Mystifizierung: eine nationalistische und klassenübergreifende Mystifizierung37. Daher scheint es uns in diesem Abschnitt besonders wichtig zu verstehen, dass wir uns mit Stalinismus nicht nur auf diejenigen beziehen, die sich explizit auf Stalin beziehen. Wir beziehen uns auf ein Programm, das sich durch Nationalismus – der sich als Klassendiskurs tarnt – und logischerweise durch das Bündnis mit bürgerlichen Fraktionen auszeichnet. Dieses Programm wird heute von zahlreichen Strömungen geteilt, die trotz ihrer Unterschiede Erben desselben Programms sind: von den Maoisten bis zu den spanischen Stalinisten der PCPE-PCTE, von den Erben des Eurokommunismus38, wie Podemos oder den offiziellen kommunistischen Parteien fast überall, bis zu den fehlgeleiteten Anhängern von Enver Hoxha von Roberto Vaquero und Co.

Eine ethische Investition

Der Kommunismus ist eine Frage des Inhalts und nicht der Form. Aber wie wir bereits ausführlich in diesem Text gesehen haben, lassen sich Inhalt und Methoden nicht voneinander trennen. Kommunistische Militanz treibt – auf praktische Weise – die Kämpfe des Proletariats voran und verteidigt stets dessen allgemeine und historische Perspektive und Interessen. Sie ist zu jedem historischen Zeitpunkt Ausdruck der langen Kette, die seit der Entstehung der Spezies aus der Kooperation danach strebt, die Ausbeutung und Unterdrückung der Klassengesellschaften zu überwinden, um einen ganzheitlichen Kommunismus zu erreichen. Sie ist Ausdruck der Tendenz des Proletariats, sich als Klasse und Partei zu konstituieren, als Organ der Klasse, das in Übereinstimmung mit seinem Programm versucht, die kommunistische Gesellschaft, für die wir kämpfen, von jetzt an vorzubereiten.

Wir sind die Antipoden der stalinistischen Doppelzüngigkeit, der Korridormanöver, der aufgezwungenen Disziplin, der Unterwürfigkeit gegenüber den großen Anführern, des begleitenden Personalismus, der Säuberungen und Massaker im Namen einer glorreichen Zukunft – einer Zukunft, die aus denselben Formen und denselben Prinzipien besteht wie die des Kapitals. Diese Frage erscheint uns besonders wichtig, weil sie eine unüberwindbare Grenze zwischen Revolution und Konterrevolution zieht und weil sie diese Kohärenz zwischen Methoden und Programmen als wichtiges Element des Programms für den Kommunismus festschreibt.

Fazit

Wir sind nun am Ende dieses Textes angelangt. Das zentrale Ziel ist es, Prozesse der Klärung und theoretischen Klärung über das Wesen des Kommunismus zu begünstigen. Wir sprechen vom Kommunismus als einer realen Bewegung und einem lebendigen Programm und nicht als einem Namen, der von seinen größten Feinden enteignet wurde, von denen, die unerbittlich zur Zerstörung der revolutionären Welle von vor 100 Jahren beigetragen haben. Zu diesem Zweck haben wir versucht, konsequent unsere theoretische Methode anzuwenden, eine materialistische Sicht der Geschichte, die den Grund für die Konterrevolution erklärt und verständlich macht, das Programm, das sie definiert und dem Kommunismus entgegensetzt.

Heute hat der Stalinismus glücklicherweise weitgehend seinen bourgeoisen Charakter eingestanden. Die zahlreichen Parteien, in denen zig Millionen Proletarier in allen Teilen der Welt organisiert waren, haben sich aufgelöst. Wir haben es in der Gegenwart mit Strömungen zu tun, die im Vergleich zur Vergangenheit einen winzigen Einfluss haben. Das ist ein Element, das uns für die Zukunft sehr wichtig zu sein scheint. Jede Revolution zieht eine Gegenrevolution nach sich. Die zukünftigen Revolutionen, die unweigerlich aus den anhaltenden Widersprüchen eines Kapitalismus entstehen, der an seine inneren Grenzen stößt, werden nicht den mächtigen Feind haben, der der Stalinismus in der Vergangenheit war. Sein Triumph ermöglichte eine politische und ideologische Konterrevolution, die erst in den 1960er und 1970er Jahren zu erodieren begann, eine konterrevolutionäre Epoche, von der wir glauben, dass wir langsam beginnen, sie zu überwinden. Wir befinden uns in einer Scharnierperiode zwischen Vergangenheit und Zukunft39, einer Periode, die aufgrund der materiellen Widersprüche des Kapitalismus zu einer sozialen Polarisierung tendiert, die nicht nur Massenprotestbewegungen hervorbringt, sondern auch das Entstehen kleiner Klassenminderheiten bewirkt, die versuchen, sich in eine revolutionäre Richtung zu orientieren. Das Ziel dieses Papiers ist es, eine solche Orientierung in einem authentisch revolutionären Sinne zu fördern.


1A.d.Ü., klassenübergreifend.

2Siehe diesen Artikel in der virtuellen Bibliothek von barbaria.net.

3V.I. Lenin: Referat über die Taktik der KPR, 05. Juli 1921.

4A.d.Ü., wenn man diesen Text von Lenin weiterließt, wird dieser den Brest-Litowsker Frieden dennoch verteidigen, obwohl genau dieser ein weiterer Grund, wie viele weitere, die Revolution zu erdrosseln und nur im herrschenden Interesse der Bolschewiki zu handeln. Typisch Lenin, Zickzack-Kurs, Stalin lernte vom Meister.

5A.d.Ü., den Originaltitel dieses Textes haben wir nicht gefunden.

6Einmal, auf einer Parteiversammlung, sagt David Rjasanow, der russische Marxologe, zu ihm: „Gib es auf, Koba! Mach dich nicht lächerlich. Jeder weiß ganz genau, dass die Theorie nicht deine Stärke ist“, als Stalin Trotzki kritisierte.

7A.d.Ü., auf Spanisch hier und auf Deutsch hier.

8A.d.Ü., gemeint ist die Strömung der Kommunisierung.

9Siehe zu diesem Thema unter anderem den Text von Leon de Mattis über kommunistische Maßnahmen: https://colectivobrumario.wordpress.com/2015/12/22/las-medidas-comunistas-leon-de-mattis

10Zitat aus BILAN´s Artikel: „Partido, Internacional y Estado“.

11Stalin beruft sich dabei auf Texte von Lenin, die diese Notwendigkeit des Durchhaltens und der Maßnahmen unterstreichen, die angewendet werden müssen, um Schritte in Richtung Sozialismus zu unternehmen, um die industriellen Grundlagen für den Sozialismus zu schaffen. Auf jeden Fall spricht Lenin nie von der Möglichkeit, den Sozialismus in Russland aufzubauen, da er ganz klar sagt, dass Sozialismus eine klassenlose Gesellschaft bedeutet. Selbst wenn er sich zweideutig ausdrückt, wie in seinem Text Über die Genossenschaften (1923), spricht Lenin von einem Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern, um den sozialistischen Aufbau voranzutreiben. Natürlich bleibt eine Gesellschaft mit Arbeitern und Bauern, mit Waren und Geld, eine kapitalistische Gesellschaft. Lenin wusste ganz genau, und er wiederholt es ständig, dass der Triumph der internationalen Revolution die unabdingbare Voraussetzung für den Triumph der russischen Revolution ist. Er fragt sich nur, was zu tun ist, bis die Revolution in anderen Ländern ausbricht (siehe Bericht über die Naturalsteuer, 1921).

12Das ist es, was Bordiga in seinem Text Dialog mit den Toten feststellt.

13Um diese Debatten innerhalb der Kommunistischen Internationale zu verstehen, die bereits die Schwierigkeiten der bolschewistischen Mehrheit widerspiegeln, eine revolutionäre Unnachgiebigkeit angesichts der Ebbe der revolutionären Welle zu verteidigen, siehe unseren Text el pasado de nuestro ser auf barbaria.net.

14Vgl. auf barbaria.net [Audio] Contra los Sindicatos

15Vgl. hierzu den wichtigen Text von Vercesi: „La tattica del Comintern (1926-1940)“, der zwischen 1946 und 1947 in Prometeo veröffentlicht wurde und wertvolle programmatische Hinweise gibt.

16Über die Idee der permanenten Revolution bei Trotzki und die Grenzen dieser Politik kannst du unseren Artikel Sobre la decadencia del capitalismo, la revolución permanente y la doble revolución in barbaria.net lesen.

17Daten von Pierre Broué in seiner Histoire de l’Internationale Communiste.

18Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf den bereits erwähnten Text von Vercesi über La tattica della Comintern. Und auf die hervorragende Broschüre des Programma Comunista, in der die Verflechtungen zwischen der KPD und dem deutschen Nationalismus im Detail erklärt werden. Und wie all dies koexistiert es mit der Entwicklung einer nationalbolschewistischen Strömung: https://internationalcommunistparty.org/images/pdf/testi/Nazionalismo_e_internazionalismo.pdf.

19Manuilsky, russischer Anführer der Komintern.

20Dimitrov, Rede auf dem Siebten Kongress der Komintern.

21Pierre Broué gibt in seiner Histoire de l’Internationale Communiste die Anzahl der von Hitler und Stalin getöteten Anführer der KPD an, wobei die Rechnung nicht zugunsten Hitlers ausfällt.

22Diesen Artikel, wie auch die beiden anderen Artikel von Vercesi, die wir kommentieren werden, findest du im Abschnitt unserer Seite, der der Bibliothek der historischen Texte gewidmet ist.

23Siehe in diesem Zusammenhang auch El pasado de nuestro ser.

24Litwinow, Auslandskommissar unter Stalin, sprach vor Chruschtschow von der „friedlichen Koexistenz von Kapitalismus und Sozialismus“. Wie wir sehen können, waren die Erfolge der kapitalistischen Logik bereits in vollem Gange.

25Wie Bordiga später kommentierte: „Die historische Situation, dass der proletarische Staat nur in einem Land konstituiert worden war, während es ihm in den anderen nicht gelungen war, die Macht zu erobern, machte es für die russische Sektion schwierig, die klare organische Lösung zu finden, das Ruder der Weltorganisation in der Hand zu halten. Die [kommunistische] Linke war die erste, die bemerkte, dass das Verhalten des russischen Staates sowohl in seiner inneren Ökonomie als auch in den internationalen Beziehungen anfing, Abweichungen zu zeigen, und sie warnte auch davor, dass sich ein Unterschied zwischen der Politik der historischen Partei, d.h. aller revolutionären Kommunisten der Welt, und der Politik einer formalen Partei, die die Interessen des kontingenten russischen Staates verteidigt, herausbilden würde“, Überlegungen zur organischen Tätigkeit der Partei, wenn die allgemeine Lage historisch ungünstig ist. So wurde die russische Partei unweigerlich und in perfekter Logik mit dem Determinismus des historischen Materialismus zu einer Leine des russischen Staates und seiner Bedürfnisse nach Kapitalakkumulation. Der Kampf, der geführt werden musste, und deshalb ist die Konterrevolution politisch und nicht unvermeidlich, bestand natürlich darin, die Partei und die Internationale vor der kompromisslosen Verteidigung des kommunistischen Programms zu bewahren. Eine isolierte Revolution kann die Klassendiktatur nicht auf Dauer aufrechterhalten. Die Anerkennung dieser Tatsache durch Revolutionäre ist die wichtigste Lehre, die wir ziehen können, um die schlimmste aller Konterrevolutionen zu vermeiden: diejenige, die die Bourgeoisie mit den von unserer Klasse im Kampf geschaffenen Instrumenten ausstattet. Deshalb argumentiert BILAN eindringlich, dass die Konterrevolution in erster Linie politisch und ideologisch ist. Das Scheitern der Klassendiktatur war unvermeidlich, die Degeneration der Partei nicht. Und genau auf diese Logik müssen wir, die Kommunisten von heute und morgen, uns vorbereiten.

26Zu den Daten siehe das Buch von Graziano Giusti: I conti con nemico. Über den kapitalistischen Charakter der Ökonomie der ehemaligen UdSSR, siehe unsere Broschüre Stalins Kapitalismus auf barbaria.net.

27Alle diese Daten sind dem großartigen Werk von Graziano Giusti: I conti col nemico entnommen. Giusti ist ein Gefährte der internationalistischen kommunistischen Gruppe Pagine marxiste.

28Das sowjetische Strafgesetzbuch von 1933 verurteilte das Verbrechen der männlichen Homosexualität nach Artikel 121 mit bis zu 5 Jahren Zwangsarbeit im Gefängnis, im Gegensatz zum Gesetzbuch von 1922, das sie entkriminalisiert hatte.

29Siehe das Buch von Jean Jacques Marie: Le rapport Khrouchtchev.

30Die Daten stammen aus dem oben erwähnten Buch von Pierre Broué. Ich möchte nur hinzufügen, dass diese Art von Militanten der Konterrevolution der Gegenpol zu den Zehntausenden von Kommunistinnen und Kommunisten, Anarchistinnen und Anarchisten und Revolutionären im Allgemeinen ist, die sich der konterrevolutionären Schandtat mutig entgegenstellten. Die Geständnisse, die die Henker und Richter – manchmal nur durch brutale Folter – erpresst haben, haben nicht verhindert, dass der Zusammenbruch dieser schändlichen Regime uns dem wahren Geständnis näher gebracht hat: dem kapitalistischen Charakter dieser Staaten.

31Im Oktober 1961 legte Chu En-Lai einen Kranz an Stalins Sarkophag nieder, der dem „großen Marxisten-Leninisten Joseph Wissarionowitsch Stalin“ gewidmet war. Damit reagierte er auf die Kritik, die Chruschtschow seit dem 20. Kongress geübt hatte. Uns geht es darum zu betonen, dass der stalinistische Personenkult aus dieser personalistischen und voluntaristischen Sichtweise resultiert, die typisch für die bourgeoise Politik ist.

32A.d.Ü., der Etapismus ist die Idee die vorsieht dass die „Revolution“ in Etappen durchgehen muss. Wenn diese nicht vorhanden sind, kann sie auch nicht stattfinden.

33In Wirklichkeit handelt es sich um einen Versuch, das stalinistische kapitalistische Regime zu reformieren, das bereits Anzeichen einer tiefen Krise aufwies.

34Die Fälscher von gestern und heute bezeichnen das Lager der Konterrevolution als die Internationale Kommunistische Bewegung. Wir denken, dass in diesem Pamphlet deutlich gemacht wurde, warum wir es für wichtig halten, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen und die Realität nicht mit Bezeichnungen zu verwechseln, die sie leugnen.

35Mao: Der Platz der Kommunistischen Partei Chinas im nationalen Krieg. Die Kursivschrift ist von uns.

36Wir können der Kritik an dem Konterrevolutionär Mao keine ausführlichere Studie widmen, da dieses Pamphlet bereits umfassend genug ist. Wir möchten uns in nicht allzu ferner Zukunft damit befassen, weil seine Figur bei jungen Generationen von radikalisierenden Proletariern nach wie vor für große Verwirrung sorgt.

37Ein Programm, das sich von dem offiziellen Programm der evolutionistischen und reformistischen Sozialdemokratie der Zweiten Internationale unterscheidet. Letztere gab vor, den Kapitalismus mit schrittweisen Mitteln zu überwinden, und stützte sich dabei auf ein Klassenprogramm, das sich formal von dem der Bourgeoisie unterschied. In Inhalt und Form war es ganz offensichtlich ein bourgeoises Programm, auf das unsere damaligen Gefährtinnen und Gefährten die ihm gebührende Antwort gaben. Wir wollen lediglich darauf hinweisen, dass der Reformismus von damals ernster war, wie es ein Gefährte, der beide konterrevolutionären Strömungen bekämpfte, ausdrückte.

38 Der Eurokommunismus ist der endgültige Bruch der westlichen KPs – insbesondere der italienischen, spanischen und französischen Parteien – mit der UdSSR aufgrund der offensichtlichen Krise des Stalinismus, einer Krise, die die politische Stärke dieser nationalen Parteien selbst schwächt, was die Suche nach einem eigenen, unabhängigen Weg zum Sozialismus verstärkt.

39Siehe dazu auf unserer Website unsere Broschüre 10 Anmerkungen zur revolutionären Perspektive und andere Texte.

This entry was posted in Grupo Barbaria, Kritik am Leninismus, Texte. Bookmark the permalink.