(La Oveja Negra) Coronavirus und Arbeit

Dieser Text wurde in der anarchistischen Publikation La Oveja Negra veröffentlicht, die Übersetzung ist von uns

Coronavirus und Arbeit

Boletín La Oveja Negra
1. Mai 2020, Rosario

Die Maßnahmen, die Staaten und Unternehmen rund um das Coronavirus1 ergriffen haben, haben die Prekarität und das Elend, dem unsere Arbeit tagtäglich ausgesetzt ist, noch verschlimmert. Alle Prognosen deuten auf schreckliche Zeiten für die proletarische Klasse hin: steigende Arbeitslosigkeit, Umstrukturierung und Flexibilisierung der Arbeit. Die giftige und widersprüchliche Arbeitswelt vertreibt uns, aber gleichzeitig braucht sie uns. Und deshalb erpresst sie uns und verarmt ständig unsere Lebensbedingungen.Während der Quarantäne wurden verschiedene Formen der Fernarbeit auferlegt, ohne zusätzliche Vergütung und mit wenig oder gar keiner Ausbildung. Die erzwungene Anpassung an die Arbeit über das Internet ist für Millionen von Arbeitern, die bei privaten Unternehmen und staatlichen Institutionen beschäftigt sind, eine Realität. Gepaart mit der Trennung von Arbeitskollegen, verwischt diese Situation die Grenzen zwischen bezahlter Arbeit und dem Rest des Lebens weiter.

Die weltweite Bourgeoisie drückt dies durch ihre Wortführer und Manager aus. Sie sprechen über elektronischen Handel, über Logistik. Sie prognostizieren und profilieren ein eher sesshaftes Leben, mit Fernunterricht und den „Vorteilen“ der Telearbeit/Heimarbeit. Sie verweisen auf die „Einsparungen“ beim Transport für diejenigen, die von zu Hause aus arbeiten, aber nicht auf die der Unternehmer im Besonderen und des kapitalistischen Systems im Ganzen.2

In der häuslichen Sphäre erleben wir einen größeren Druck, sei es durch eine Intensivierung der häuslichen Aufgaben – zum Beispiel Erziehung und Kinderbetreuung oder gesundheitliche Probleme angesichts der reduzierten Versorgung in verschiedenen Bereichen – oder auf der Arbeitsebene, indem wir von zu Hause aus arbeiten, die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auffangen oder die enormen Schwierigkeiten der informellen Arbeit in einer Situation der Eingeschlossenheit.

Der Hauslieferdienst mit seinem ausgeprägten Prekariat und die Internet-Marketing-Unternehmen expandieren infolge der sozialen Isolation erheblich. Die gegenwärtige Situation erinnert uns an die tiefe Bedeutung des Warenfetischismus, durch den die sozialen Beziehungen in Wirklichkeit Beziehungen zwischen den Dingen durch die Menschen sind: nur die Waren zirkulieren weiter, und die Menschen dürfen nur als Ware – Arbeitskraft – zirkulieren. Einige durch Zwang, wie Arbeiter, die „wesentliche Tätigkeiten“ ausüben, andere, weil sie keine Wahl haben, wie jene informellen Arbeiter, die aus der Not heraus gehen und Sanktionen ausgesetzt sind. Vor der Arbeit flüchtet man wie vor der Pest, und erst recht, wenn es ein zusätzliches Risiko gibt. Aber für die große Mehrheit der Proletarier auf der ganzen Welt gibt es keine Alternative zu weiteren elenden Subventionen oder hitzigen Reden über universelle Einkommens- und Vermögenssteuern.

Die vielen Arbeitskonflikte um Entlassungen, Suspendierungen, Kürzungen, Beurlaubungen und Arbeitsbedingungen stehen einer Kriegsökonomie gegenüber, in der Gewerkschaften und „soziale Bewegungen“ unisono den Opferdiskurs von Staat und Vaterland wiederholen. Die Angst ist fleischgeworden und ein schreckliches Hindernis für kollektives Nachdenken und Handeln. Die Prognosen sprechen von hunderten Millionen Arbeitslosen weltweit aufgrund der Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und von der brutalen Zunahme der Armut über das bereits bestehende Elend hinaus. Es wird jedoch betont, dass alles dem Schutz der Gesundheit und des Lebens dient.

Die massive Isolierung setzt uns einer der größten Situationen proletarischer Ohnmacht auf Weltebene in der Geschichte aus. Es geht nicht nur um Kriegsreden und Aufrufe zur Bürgerbeteiligung für das Gemeinwohl. Der Kampf selbst wird zu einer illegalen Aktivität. Bewegungen, Treffen, Mobilisierungen und sogar Äußerungen über das Internet werden zensiert und unterdrückt.

Dieser 1. Mai, ein historischer Tag des proletarischen Kampfes weltweit, sollte uns auch in den widrigsten Zeiten daran erinnern, dass nur der Kampf unsere Existenzbedingungen verändern kann. Dass der Kampf, sich von der Arbeit zu emanzipieren, so dringend ist wie ein Teller Essen oder die Pflege einer Krankheit. Es ist notwendig, die Isolation zu durchbrechen, unsere Geselligkeit zu bewahren, die Räume der Organisation zu erhalten und die Straßen zurückzuerobern. Dem Kapital und all seinen Plagen die Stirn bieten. Jeder Kampf birgt Risiken und Verantwortung, die wir täglich kollektiv übernehmen. Dem Staat ausgeliefert zu sein, wird immer unsere schlechteste Option sein.

 

1Für weitere Informationen zu verschiedenen Aspekten der aktuellen Situation siehe La Oveja Negra Nr. 69: Coronavirus und soziale Frage. A.d.H.,: Als Anhang in Soziale Ansteckung enthalten. Mikrobiologischer Klassenkampf in China, Lazo Ediciones, 2020].

2Dies waren Aussagen von Präsident Alberto Fernandez in einem Interview für Perfil und Net TV, das am 12. April veröffentlicht wurde. Er fügte hinzu, dass der Peronismus „die Partei der Arbeiter und der Telearbeiter“ sein wird.

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