Einleitung der Soligruppe für Gefangene:
Wir haben einen weiteren wichtigen Text ausgegraben und aus dem Italienischen übersetzt, einen der schon seit vielen Jahren auf der Liste ganz oben stand, ein Text der uns in unserer Jugend sehr beeinflusste und auch vor 15 Jahren, oder länger, hätte erscheinen können, aber erst jetzt das Licht sieht. Wie auch immer…
Unter dem Strich geht es gegen die Legalisierung von besetzten Häusern, wie der Titel schon selbst sagt, aber nicht nur. Es sollte erwähnt werden, dass dessen Voraussetzung, logischerweise, aber eben besetzte Häuser waren, was heutzutage, zumindest hier in Berlin nicht gerade en vogue ist. Deshalb spielte dieser Text, der ursprünglich aus Italien, 1994 veröffentlicht, konkret aus einem anarchistischen besetzten Haus in Turin stammt, eine wichtige Rolle für einigen Länder, in denen es eine große Welle an Besetzungen gab und zum Teil noch gibt, also nicht nur Italien, damals so wie heute, sondern auch z.B., der spanische Staat, wo dieser Text schon in den späten 1990er im Umlauf war.
Denn eine wichtige Frage, die sich alle anarchistischen und revolutionären Gruppen stellen sollten, ist, was für eine genaue Funktion diese denn haben sollen. Ist es, wie der Text selbst vorschlägt, ein Sprungbrett für die Selbstverwaltung von Kämpfen, für Direkte Aktionen, usw. oder ist es ein Fetisch, welcher von jeglicher herrschenden Ideologie eingenommen werden kann? Dies wären nur ein paar wenige der Fragen, die dieser Text behandelt.
Als der Text erschien, sprich vier Jahre nach der Gründung der BRD, sind vor allem in Berlin die letzten besetzten Häuser entweder legalisiert worden, als sie einen Vertrag kriegten, oder geräumt worden. Es entgeht unser Kenntnisse, wie und ob in den früheren 1980er und dann später in den früheren 1990er, aber dann vor allem in Ost-Berlin, Debatten und Diskussionen um das Legalisieren von besetzten Häusern existierten, bzw., es entgeht uns wie dies genau stattfand. Ob dies nur intern in der Bewegung diskutiert wurde, oder ob es auch längere Debatten gab, die niedergeschrieben wurden und fürs hier und jetzt von großem Nutzen wären. Wir wissen von Bekannten, die diese Zeit erlebten und in den Kämpfen involviert waren, dass vor allem in den 1980er, in West-Berlin zumindest, solche Debatten und Diskussionen existierten und die Mehrheit der Bewegung gegen die Legalisierung war. Das Ende dieser Geschichte ist die Niederlage dieser Bewegung und der Sieg derjenigen reformistischen und realpolitischen Kräfte, die danach dem Konzept der Hausprojekte Tür und Tor öffneten, als nicht wenige ehemalige besetzte Häuser legalisiert wurden und die Dynamik von Kämpfen diesem Widerspruch angepasst wurden. Es lässt sich daraus die Frage stellen, was für Konsequenzen dies alles bis in unsere Tage noch mitbeeinflusst.
Ein weiteres Thema, das in diesem Text von Bedeutung ist, dreht sich um die Frage der Selbstverwaltung, aber nicht in der sinnentleerten Form wie sie heute gestellt und geäußert wird, sondern sich plastisch aus der Frage der Praxis im Kampf gegen Staat und Kapital bildet. Oder anders formuliert, es handelt sich um die Selbstverwaltung der Kämpfe und die entscheidende Rolle die darin Räume wie besetzte Häuser spielen könnten.
Alles weitere was uns zu diesem Text einfällt, sind Fragen, die in anderen Beiträgen zu der Frage von Eigentum und Wohnungsfrage, zu Themen wie dem Reformismus in einigen anarchistischen Gruppen und weiteres erscheinen werden.
Tod dem sozialen Frieden!
OPUSCOLO DI SVILUPPO DEL MANIFESTO CONTRO LA LEGALIZZAZIONE DEGLI SPAZI OCCUPATI
Torino, febbraio 1994
da El Paso Occupato e Barocchio Occupato
GEGEN DIE LEGALISIERUNG VON BESETZTEN RÄUMEN
Turin, Februar 1994
PAMPHLET ZUR ENTWICKLUNG DES MANIFESTS GEGEN DIE LEGALISIERUNG VON BESETZTEN RÄUMEN
von Mario Frisetti, Mario Spesso, Luca Bruno, aus El Paso Occupato und Barocchio Occupato
EINLEITUNG: FREI LEBEN ODER STERBEN
Unser Traum ist es, frei zu leben, alle Formen der konstituierten Macht und alle Hierarchien, die ihre Negation sind, zu zerstören.
Für uns ist die Freiheit nicht von der Freude zu trennen. Wir sind jedoch bereit, titanische Anstrengungen zu unternehmen, um Freiheit und Freude zu erreichen. Im Bewusstsein, dass es keine Freiheit in der Opferung und Aufopferung gibt.
In diesem Sinne ist die vollständigste Erfahrung, die wir heute machen können, die der Selbstverwaltung, die Raum für direkte Aktionen schafft, verstanden als eine offene, kollektive, erweiterbare Erfahrung, die sich nicht um die vom Staat gezogenen Zäune zwischen Legalität und Illegalität schert.
Die Besetzung von verlassenen Räumen bringt diese Prärogative zusammen und öffnet den Weg, auf die richtige Art und Weise, zur Selbstverwaltung. Die Entwicklung der Selbstverwaltung unseres Lebens ist nicht möglich, ohne das Bestehende zu unterwandern.
DIE SELBSTVERWALTUNG
Ist die Form der Verwaltung der Anarchie. Ihr schlagendes Herz.
Selbstverwaltung ist die Möglichkeit, nach dem Prinzip der Eigenverantwortung und der Methode der Einstimmigkeit (sicher nicht der der – demokratischen – Mehrheit) die Regeln unserer Existenz festzulegen.
Selbstverwaltung, um die Möglichkeit zu bieten, die getrennten Sphären der menschlichen Erfahrung wieder zu vereinen: die Ideen und Handlungen, Hand- und Kopfarbeit, um jene Vollständigkeit wiederzugewinnen, die uns durch die von der Kultur der Macht auferlegte Spezialisierung der Tätigkeiten genommen wurde.
DENN DIE SELBSTVERWALTUNG IST DIE PRIMÄRE KRAFT DER BESETZUNGEN UND DIE UNABDINGBARE VORAUSSETZUNG FÜR IHRE ENTWICKLUNG IM SUBVERSIVEN SINNE.
Schon 1988 schrieben die Besetzer von El Paso im Bulletin der Sozialen Zentren, dass die Besetzer die Subjekte ihrer Aktion seien, die ersten Nutzer, die ersten, die diese Genugtuung verspürten.
Das Besetzen von Häusern geht von der Notwendigkeit aus, die realen Bedürfnisse zu befriedigen; nach einem Zuhause, einem Ausdrucksraum, einem Ort der Geselligkeit und der Nicht-Kommerzialisierung, sowie der Ablehnung gegenüber den entfremdenden Regeln der Institutionen.
Nur dieses direkte Interesse, der Wunsch, diese starken Bestrebungen zu verwirklichen, die verweigert werden, gibt den Besetzern die Kraft, die Phasen der Repression zu überwinden, von Räumung zu Räumung, von Anzeige zu Anzeige zu gehen, bis sie es schaffen, einen Raum zu öffnen und wirklich die kollektive Selbstverwaltung zu beginnen. Und die tausenden von Schikanen der Macht gegen die besetzten Orte (Kontrollen – Razzien – neue Anzeigen) zu ertragen.
Die Tatsache, dass die Besetzer die Ergebnisse ihrer Aktionen und ihrer Selbstverwaltung egoistisch in erster Linie auf sich selbst richten, ist die beste Garantie für die Echtheit ihres Diskurses. Diejenigen, die das Gleiche tun wollen, finden so einen neuen Weg, der bereits getestet wurde. Auf diese Weise verleugnen die Besetzer, ohne auf den politischen Kampf oder vielmehr den Kampf für die Zerstörung der Politik verzichten zu müssen, negieren sich die Besetzer selbst losgelöst von der militanten Avantgarde und schlagen sich selbst als die ersten Benutzer ihrer Werke vor, indem sie sich persönlich aufs Spiel setzen.
Die Güte ihres Lebensexperiments und die subversive Aufladung ihrer Vorschläge wird sich an den Ergebnissen der Selbstverwaltung innerhalb und außerhalb des besetzten Hauses zeigen.
Die persönlich beteiligten Besetzer, nicht mehr nur auf der Ebene der ideologischen Abstraktion – wie die Militanten der politischen Kollektive – werden also tausend gute Gründe haben, für die Verwirklichung der Selbstverwaltungsprojekte hart zu kämpfen, die sie als Protagonisten einer unmittelbaren Verbesserung ihrer Lebensqualität durch die Wiederaneignung der von der Macht weggenommenen Freiheitsräume sehen.
Auf diese Weise wird die vollständige Überwindung der traurigen und anachronistischen Figur des politisch-ideologischen Militanten der 70er Jahre, der mit der Dynamik der Selbstverwaltung unvereinbar ist, in einem subversiven Sinn realisiert. Und mit seinem Verschwinden haben auch die blassen Gestalten der Viehtreiber und der Massen (A.d.Ü., Menschenmassen) der Platz-Manöver, künftige Stimmen der Linken, ein schweres Leben. Ein sauberer Bruch mit der politischen Entfremdung der marxistisch-leninistischen Matrix, die zu den bekannten Katastrophen der 70er und 80er Jahre führte.
Ein Schlag ins Gesicht der Massifizierung, welches Delegation und Hierarchie voraussetzt, sowie der Rollenteilung und der starren Organisation. Ein Schlag ins Gesicht für das Quantitative als zentrales Bewertungskriterium aller Initiativen und Ideen.
Das quantitatives Konzept des „mit allen Mitteln“, das der viel beschworenen Politik der Aggregation zugrunde liegt.
DIE EINGESPERRTE SELBSTVERWALTUNG STIRBT
Die Selbstverwaltung ist die unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung einer subversiven Praxis der Soziabilität.
Dies ist in den Besetzungen stark ausgeprägt.
Aber die Selbstverwaltung, die in den Mauern einer Besetzung eingeschlossen ist, stirbt.
Die subversive libertäre Idee und Praxis kann nicht in der Erhaltung eines Raumes erschöpft werden, auch wenn besetzt. Ihre Entwicklung schließt eine statische Dimension aus.
Der Gedanke der Selbstverwaltung ist nicht denkbar, wenn er nicht auf alle Lebensbereiche ausgedehnt wird und die Einpferchung in vier Wänden nicht akzeptiert wird. Aus der zurückgezogenen Selbstverwaltung wird unweigerlich die Selbstverwaltung des Elends, die Selbstverwaltung des Ghettos.
Sich an die Krümel zu klammern, die vom Bankett der Mächtigen fallen, wenn es alles wiederzugewinnen gibt, ist ein Diskurs der kleinlichen Erhaltung, der uns fremd ist, der stattdessen den Plänen der Kontrolle und der Wiedererlangung1 der Macht entgegenkommt.
Die Erfahrungen der sozialen Zentren und der besetzten Häuser der 80er Jahre in Italien und die internationalen Erfahrungen, geben uns ein klares Bild vom traurigen Ende der selbstverwalteten Realitäten, die sich in sich selbst eingeschlossen haben.
Die Stadien der Selbstauslöschung sind wiederkehrend: große Verknappung der nach außen gerichteten Aktivitäten. Vor allem keine politische Tätigkeit. Jegliche politische Aktivität, die als Beginn der Korruption erlebt wird, wird verteufelt und – nicht ohne Grund – als nutzlose Opfertätigkeit identifiziert.
Man spezialisiert sich darauf, andere Käfige zu betreten: den der ‚künstlerisch‘-handwerklichen Kreativität, der Selbstgestaltung, der Selbstinszenierung, der kollektiven Arbeit oder der Unterhaltung: Sex, Drugs, Rock’n’Roll.
Die Ausprägung und Spezialisierung der Selbstverwalter auf eine oder wenige dieser Tätigkeiten trennte sie vom Rest der gelebten Erfahrung, die nur dann behandelt wird, wenn man sich den Kopf zerbricht, individuell.
Zu den ersten „politischen“ Formen, die fallen, gehört die Vollversammlung: eine nutzlose Zeitverschwendung. Überflüssig in Ansammlungen von wenigen Individuen, instrumentalisiert von geschwätzigen Anführern, niemals erschöpfend wegen ihrer eigenen Begrenztheit, bleibt die Vollversammlung ein Instrument der Konfrontation und der kollektiven Entscheidungsfindung, das in bevölkerungsreichen Besetzungen voller Initiativen nicht ersetzt werden kann. Es ist in der Tat unabdingbar für Anführer in der Ausbildung, zu viele Konfrontationen zu vermeiden, besonders kollektive, um ihre Initiativen als vollendete Tatsachen durchzusetzen.
Die Mitläufer der Herde ihrerseits sind sehr froh, ihre Zeit nicht an einem frustrierenden Ort vergeuden zu müssen, an dem sich andere äußern und an dem sie immer still und passiv sind.
Die Delegation entwickelt sich als natürliche Art des Umgangs miteinander, und damit auch Verleumdung und Murren als Ventil für Unzufriedenheit.
Mit der Schließung von nach außen gerichteten Aktivitäten herrscht ein natürlich hierarchischer Bandengeist. Und die Aufteilung der Rollen entsprechend dieser Hierarchie.
So entstehen Kapos und Unterkapos und einfache Statisten. Echte Chefs, die entscheiden, ohne sich mit den anderen abzusprechen, sondern die „die Luft riechen“. Die Umsetzung der Entscheidungen der Kapos obliegt den Unterkapos, die in der Gruppe der Loyalisten zu finden sind, die sich um die Kapos dreht.
Auch in Situationen der Überbelegung überwiegt die Freundschaft – wir sind hier alle Freunde – was zur fast sofortigen Bildung von mafiösen Beziehungen führt. Es gibt nämlich nicht mehr eine gemeinsame Vereinbarung, an die sich jeder Einzelne hält, weil er sie frei gewählt hat, indem er sie mit den anderen besprochen und nach der Methode der Einstimmigkeit gebilligt hat. Aber alles wird von denen zugegeben, die Freunde des Freundes sind, nichts von denen, die in Ungnade fallen oder als Außenstehende der Bande gelten. Es werden (miserable) Privilegien und Missbräuche verübt, ohne dass es eine Möglichkeit gibt, die eigenen Gründe in einem Moment der kollektiven Konfrontation, die nicht mehr existiert, geltend zu machen. Die einzigen Möglichkeiten, sich durchzusetzen, sind Gewalt und Intrigen.
Alle individuellen Spannungen, die sich draußen und vor Ort aufgestaut haben, explodieren im Inneren der Hausbesetzung. Es gibt keine Möglichkeit mehr, sie nach außen zu verschütten, wo sie herkommen, es fehlen nach außen gerichtete Aktivitäten und revoltierende Aktionen.
Wenn Aktivitäten für die Außenwelt überleben, dann sind es „stille“ Dinge: schlampige und überflüssige handwerkliche Produktionen, soziale Teilleistungen, die mit einem Enthusiasmus erbracht werden, der nur mit dem der Parastaaten vergleichbar ist, meist Shows.
Alles wird zur Kasse gebeten, nicht um neue Initiativen der Selbstverwaltung zu fördern, sondern um die Manager der „Selbstverwaltung“ zu erhalten. Ständige Verarmung der Ideen, die nur noch im privaten Bereich eine Konfrontation haben. Man trifft sich nur zu rituellen Aktivitäten, die aus der Zeit stammen, als es noch ein Gefühl in der Gruppe gab, das müde wiederholt wurde. Offensichtliche Permanenz im besetzten Haus aufgrund der Unfähigkeit, andere, mehr anstrebenswerte Möglichkeiten zu schaffen und nicht aus freien Stücken.
Die Tendenz, im Laufe der Zeit alle Räume zu privatisieren und diejenigen, die nicht zum Wohnen genutzt werden, anzupassen, versucht, mit netten Geschäften über die Runden zu kommen. Verwandlung des besetzten Ortes in einen riesigen heruntergekommenen Laden, in dem alle Bewohner gerne leben würden, wobei sie die Illusion kultivieren, dem Vergleich mit dem Rest der Welt zu entkommen.
An diesem Punkt können wir nicht einmal von Selbstverwaltung des Unglücks sprechen, sondern nur von Unglück.
Innerhalb der Besetzung wurden alle Mechanismen der Entfremdung, des Autoritarismus, der Ausbeutung und des einfachen Konformismus, denen man durch die Besatzung entkommen ist, reproduziert, schlecht nachgeahmt.
Der Hausbesetzer verzichtet zunächst auf direkte Aktionen, erfüllt von dem, was ihn zur Eroberung des Ortes geführt hat. Im Glauben, auf der glücklichen Insel leben zu können, verzichtet er nach und nach auf die Selbstverwaltung. Aber der Hausbesetzer, der die Selbstverwaltung verliert, verliert seinen Geist, seine Identität. Es ist nur der Unrat des Standes der Dinge.
DIE DIREKTEN AKTIONEN
Bekanntlich ist der Akt der Besetzung eines Gebäudes eine Form der direkten Aktion: illegal – kollektiv – offen durchgeführt, die eine Gruppe von Individuen dazu bringt, einen lebenswichtigen Raum zurückzugewinnen, der der Gemeinschaft zuvor von der Macht genommen wurde.
Die anarchistische Praxis der direkten Aktion belebt die Selbstverwaltung der bestehenden Besetzungen, indem sie den Besetzern die richtige dynamische Dimension gibt, die die Besetzungen vom Sammelbecken des ganzen Elends aller Besitzlosen, dem Überbleibsel des Zustands der Dinge, in eine zügellose Erfahrung der Befreiung verwandeln kann.
Wir, die wir eine Vorliebe für das Abenteuer und den freien Fluss der Leidenschaften kultivieren, sehen, dass wir nur durch die fortgesetzte Praxis der direkten Aktion, den Sprung aus den vier Wänden, die Überwindung der vom Staat auferlegten Grenzen des Legalen mit Gleichgültigkeit, neue Räume für die Selbstverwaltung unseres Lebens jenseits der Hausbesetzung eröffnen und den bestehenden Besetzungen neue Spannung/Ansporn zuführen können. Kurz gesagt, um hier und jetzt die Praxis der generalisierten Selbstverwaltung zu verbreiten.
DAS ETIKETT DER SELBSTVERWALTUNG
Im bunten Panorama der Besetzungen in Italien sticht eine ganze Reihe von sozialen Zentren durch ihre einzigartige Interpretation der Selbstverwaltung hervor.
In diesen Zentren überwiegt die politische Entfremdung gegenüber anderen Formen der Entfremdung (künstlerische, existenzielle, produktive Entfremdung). Es sind die Zentren, in denen sich die Zombies der Opfermilitanz noch mitschleppen. Ihre Matrix ist marxistisch-leninistisch mit hier und da etwas stalinistischer oder maoistischer Färbung. Hier, und nur hier, ist die Ideologie nie gestorben, die Zeit ist stehen geblieben, es kursieren Bärte, Parkas, Ches Heiligenbilder und Hammer und Sichel in 3D.
Der einzige wirkliche Grund, warum sie entstanden sind, ist die Aggregation der Massen zu politischen Zielen, die von den Führern der politischen Organisationen, denen sie angehören, beschlossen wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Zentren nur in Larvenstadium Formen der Selbstverwaltung aufweisen. Aber es ist gut, wie eine Fahne geschwenkt zu werden.
Einige dieser CSA2 zeichnen sich durch eine instrumentale, spektakuläre und zentralisierte Verwaltung der Musik aus. Sie fühlen sich sehr wohl mit der Kommerzialisierung und dem Rockstar-System.
Wenn das Ziel ist, Leute anzugliedern, ist es besser, dass die berühmte Gruppe spielt, auch wenn sie Huren im Dienste des Kapitals einer großen Plattenfirma sind, es werden mehr Leute kommen. Und lasst die große Gruppe im großen sozialen Zentrum der Metropole spielen, wo, … mehr Menschen kommen werden.
Seltene und gelegentliche Praxis des Selbstaufbaus und ebenso seltene, gelegentliche und verzögerte Praxis der Selbstproduktion. Die Selbstproduktion wird mit erheblicher Verzögerung von der der Libertären nachgeahmt. Aber sofort „modernisiert“ mit kühner Straffung im Sinne des machiavellistisch-jesuitischen Denkens, das jedes Mittel rechtfertigt, um den höchsten Zweck zu erreichen. Selbstproduktionen und Selbstverwaltung von Musik, die im Geschäft, in der Kommerzialisierung, in der Werbung versinken. Die das sterilisierende Zeichen aller Aktivitäten tragen, die instrumentell für einen übergeordneten Willen geboren werden.
Die CSA, die sich Selbstverwaltung auf die Fahnen geschrieben haben, sind keineswegs gefeit vor der Forderung nach staatlichen Zuschüssen und der Forderung nach Dienstleistungen für den Staat (Umstrukturierung, Instandhaltung, Bereitstellung von Materialien), um natürlich auch andere Dienstleistungen für die Gemeinschaft zu erbringen. Auf diese Weise können wir die touristische Herangehensweise an die Themen des Selbstaufbaus besser erklären.
Es wäre gut, wenn die vom italienischen Staat subventionierten sozialen Zentren aus dem Missverständnis herauskommen würden, indem sie jedem klar machen, dass der letzte Buchstabe ihres Akronyms für Assistiert und nicht für Selbstverwaltet steht.
Vor allem aber ist in vielen CSAs ein vertikales, auf Hierarchie und Delegation basierendes Entscheidungssystem erhalten geblieben, das mit Selbstverwaltung nichts zu tun hat. Diese Zentren kümmern sich sehr wenig um die Verbreitung der Praxis der Selbstverwaltung, sondern kümmern sich sehr um die von der Spitze der Organisation vorgegebene „Parteipolitik“, wobei das soziale Zentrum die Rolle des Transmissionsriemens spielt.
Die Zentralisierung von allem im großen sozialen Zentrum erzeugt verheerende Effekte der Verarmung der Peripherie, so dass die Parole 10-100-1000 Besetzungen wie ein Scherz klingt.
Schließlich sind viele CSA mehr als bereit, sich selbst zu reformieren und Kompromisse mit der Macht einzugehen, die vom Gegenüber zum Gesprächspartner geworden ist, von dem sie sich Sicherheit, Anerkennung, Garantien, Verträge, Rechte und Geld wünschen. Vor allem, wenn ein institutioneller Teil – die Parteien der Linken – sie unterstützt (wenn auch aus unaussprechlichen Gründen der Wahlpropaganda). Der Mythos der Einheit auf gemeinsamen ideologischen Grundlagen taucht wie ein Gespenst wieder auf. Sie tun so, als ob sie es nicht wüssten, und geben die Legalisierung – die im übrigen Westeuropa das Ende der Besatzung bedeutete – als politischen Sieg aus…
Tatsächlich kann man sich mit einer guten Dosis Blindheit vormachen, dass die antagonistischen Kämpfe auch von Zentren aus geführt werden können, die vom Staat legalisiert, subventioniert, umstrukturiert, reguliert und kontrolliert werden.
Was unter solchen Bedingungen sicher nicht entstehen kann, ist Selbstverwaltung.
Die Selbstverwaltung erfordert maximale Freiheit, um zu wachsen. Und die von den Besetzern praktizierte Selbstverwaltung ist die einzige kohärente Grundlage für eine Entwicklung der Subversion außerhalb und innerhalb des besetzten Hauses.
SPEKTAKULARISIERUNG (A.d.Ü., DIE VERWANDLUNG IN EINEM SPEKTAKEL)
Seit ihrer Geburt bis vor wenigen Monaten wurden die Heldentaten der besetzten Räume in Italien immer von den großen versklavten Informationen (Presse, Radio, Fernsehen) zensiert. Ihr Spektakel wurde nur noch als Füllreportage und gegenkulturelles Kolorit oder als Episoden der Kriminachrichten verbreitet. Das Bild des Hausbesetzers, das den Massen vorgeworfen wurde, oszillierte vom bunten jungen Punk bis zum angehenden „Terroristen“, Autonomen oder Anarchisten. Auf allen lastet der Verdacht, nur Junkies zu sein.
Wenn die Besetzer mit ihren Aktionen einen Aspekt der Lage in die Krise brachten, dann griffen sie auf das zweite, nicht sehr beruhigende Bild zurück: die Erben der extremistischen Schläger der 70er Jahre, wütende Verrückte, völlig isoliert vom zivilen Kontext. Sonst würde im Sommer irgendein bunter Bericht über diese seltsamen Typen erscheinen, die von Arbeit nichts wissen wollen, sich die Ohren piercen, sich wie Tiere tätowieren und Rock hören. Immer offen, zum anfänglichen Erstaunen der Bewohner selbst, die Kolumne über die Shows in der großen Presse.
Die demokratische Offenheit für die spektakulär-kulturellen Aspekte sozialer Räume ist eine Tatsache, die uns zum Nachdenken anregt.
Durch die große Presse waren die sozialen Räume in der Lage, den Massen das spektakulär-assistierende Gesicht zu präsentieren, das alles andere systematisch zensiert oder falsch dargestellt hat. Eine bedeutende und nicht zufällige Verstümmelung in der kollektiven Vorstellung.
Diese Situation ist seit Jahren unverändert. Aber die Dinge ändern sich. Seit einiger Zeit, und gerade seit der Räumung der CSA Leoncavallo3, erleben wir das Tauwetter großer und weniger großer Organe der Konsensmanipulation in den Händen der institutionellen Linken gegen die extreme Linke, vor allem die Autonomen, die in der CSA präsent sind.
Zwei Beispiele: die Berichte über die Gutmenschen von Leonka (A.d.Ü., Abkürzung für Leoncavallo) auf RAI34, das Manifest, das sich in eine Tribüne der Autonomie in der Frage der sozialen Zentren verwandelt.
Was ist passiert?
Einerseits beschloss die institutionelle Linke, PDS5, Rifondazione6, Rete, Verdi7, ihren Wahlkampf gegen die siegreiche Liga in Mailand mit der Räumung des Leoncavallo zu beginnen.
Dies ist ein exemplarischer Fall von politischem Opportunismus der Ex-PCI8, die 1989, als sie mit dem Genosse Craxi9 die Stadt regierte, den größten Teil von Leoncavallo militärisch geräumt und dem Erdboden gleichgemacht hatte. Aber das gierige Anti-Liga-Stichwort10 hat dazu geführt, dass sich die politische Einschätzung der sozialen Zentren plötzlich geändert hat.
Von Seiten der Autonomie, die das Leoncavallo leitet, geht die Entscheidung, das älteste und berühmteste soziale Zentrum Italiens „mit allen Mitteln“ zu retten, mit der offensichtlichen Entscheidung einher, – auf höchster Ebene – eine gewisse Legitimation durch den Staat zu suchen.
In Mailand, wie auch in Rom, sucht die Autonomie nach der politischen Stärke, die notwendig ist, um dem Staat eine gewisse Anerkennung abzuringen. Aber diese Kraft ist nicht da, und es ist notwendig, Bündnisse zu schließen und sich zu verbünden.
Und hier ist ein altes Werkzeug, das zyklisch zum Vorschein kommt, wenn die extreme Linke in einer Krise von Ideen und Projekten steckt. Das Bündnis auf ideologischen Grundlagen mit der institutionellen Linken.
In Rom bringt die obszöne Umarmung die CSA dazu, zusammen mit ARCI11 und den Pfadfindern Unterschriften für die Legalisierung zu sammeln und Rutelli12 im Wahlkampf zu unterstützen. Aber es ist in Mailand, dass die um Leoncavallo vereinte „Volksfront“ ihren vollständigsten Ausdruck in der Show findet. Interviews, Gesprächsrunden, endlose Berichte, Paraden, Proteste, Gegenproteste, Künstler, Akrobaten, Clowns, Märtyrer, Oscar-Preisträger, progressive Intellektuelle, Gießer und Polizisten, große Zeitungsseiten und besorgte Mütter. Fiktion und Realität vermischen sich und alles wird zum Spektakel.
Und mit dem Spektakel kommt die Sterilisation.
Alles geschieht in einer großen Show, und die Show dominiert das Leben.
Das Soziale Zentrum, das 1989 Molotow-Cocktails als Verteidigungsmittel gewählt hatte, verteidigt sich nun mit den Zeitungsberichten seiner Rauswerfer13. Und die Bedingungen sind sehr hart. Zwei Monate Leoncavallo-Spektakel führen es in eine Sackgasse, die allmählich von den Genossen der institutionellen Linken definiert wird. Das Zentrum rückt vorübergehend an die äußerste Peripherie und unterschreibt sehr einschränkende Bedingungen, sollten diese angewendet werden.
Und wenn das Leonka aus dem mit der Linken vereinbarten Skript herausrutscht und etwas passiert, was den Genossen nicht gefällt, kommen die Stockhiebe vorher und das Schweigen der Zensur nachher.
In der Zwischenzeit ging monatelang das entmutigende Bild, das als Prototyp des sozialen Zentrums aufgedrängt wurde, durch alle Fernsehgeräte und Zeitungen. Das, was den Parteien gefällt, das soziale Zentrum als Ort der Versorgung von Ausgegrenzten, schwarzen Nicht-EU-Bürgern, als Ort der Rehabilitierung von bedauernswerten Fällen, als Ort der „Freizeit“, für die Unglücklichen, als Erzeuger und Behälter von Jugendsubkultur, als Zentrum des Treffpunkts von Spannungen, die sich dort offensichtlich sublimieren, geadelt nur durch die Tatsache, links zu sein und letztlich ein Reservoir von Stimmen und Kadern für die linken Parteien zu bilden.
Im Wesentlichen ist das soziale Zentrum als unterstützter und ergänzender Ort der Reproduktion des Konformismus und der Normalisierung durch die Verwaltung von Dienstleistungen, die dem Staat fehlen, an jene marginalen Subjekte gerichtet, die, da sie sich in den Großstädten vermehren, zu einem Problem für die öffentliche Ordnung werden könnten.
Das ist vielleicht der beunruhigendste Aspekt der Spektakularisierung, die die gesamte Linke vereint auf Leoncavallo ausübt.
DIE LEGALISIERUNG IM AUSLAND
Ungeachtet der unterschiedlichen Entwicklung und Geschichte der nordeuropäischen Besetzungen sind bestimmte Beobachtungen möglich, vor allem über das Verhältnis zwischen der „Bewegung“ der Besetzer und der Macht.
Die Legalisierung, eines der wirksamsten Mittel gegen die Beschwerden der Subversion, wurde vor allem von den sozialdemokratischen Regimen eingesetzt, um die radikalsten und offen subversiven Bestrebungen zu dämpfen.
Schon vor Jahren schlug der TREVI-Plan14, der von verschiedenen EWG-Innenministern15 gegen jede soziale Subversion ausgearbeitet wurde, zwei Wege zur Lösung des Hausbesetzerproblems vor: das direkte Eingreifen der öffentlichen Gewalt oder den Rückgriff auf „…schrittweise Prozesse der Legalisierung/Integration“ (aus Umanità Nova, 28.11.93).
Hier in Kürze einige der Phänomene, die die Legalisierung in den großen europäischen Städten, Hamburg, Berlin, Genf, Paris, Zürich, hervorgebracht hat:
Trennung in der Absicht und vor allem in der Praxis zwischen Hausbesetzern und Legalisierten. Legalisierte Häuser sind in der Regel nicht solidarisch mit illegalen, von Räumung bedrohten Häusern.
Sind die Wohnung und der Wohnraum erst einmal durch einen Vertrag mit dem Vermieter erobert, lässt die Anspannung der Ex-Besetzer nach, sie sind seltener bei Demonstrationen und Kämpfen zu sehen, das häusliche Familienleben tritt an die Stelle der Lust am Handeln.
In Berlin und Hamburg wurden in der Besetzungsbewegung der frühen 80er Jahre die illegalen Hausbesetzungen allmählich weniger, bis sie verschwanden, gleichzeitig dünnten sich auch die radikalsten Kämpfe aus.
Verträge binden die Bewohner.
Die unter Vertrag stehenden Häuser werden nach Absprache mit dem Eigentümer renoviert, Graffiti und Fassaden werden neu gestrichen, der Eigentümer verlangt die Zahlung der Miete. Der Hausbesetzer wird von einem potentiellen Subversiven zu einem normalen betreuten Mieter.
Das alternative Geschäft ist geboren.
Von Berlin bis Genf gibt es viele legalisierte soziale Zentren, die ihre Kellner bezahlen, wer die Plakate aufhängt, den Kassierer, der die Tickets abnimmt.
Musikbusiness, Showbusiness, Partybusiness: Selbst in den alternativsten Räumen fragen Theater-, Film- und Musikgruppen nach Subventionen der Kommune und treten für eine Handvoll Geld gerne die elementaren Prinzipien der Unabhängigkeit, der Selbstfinanzierung und der Selbstverwaltung mit Füßen, während sie das alternative Label pflegen. Außerdem ist es nicht unüblich, dass sie die verschiedenen Steuern, die der Staat auf Musik und Unterhaltung erhebt, akzeptieren.
Isolierung der radikalsten Diskurse.
Initiativen und Aktionen, Demonstrationen und Kämpfe werden einer Bewegung vorgeschlagen, die sich bereits mit der Illusion zufrieden gibt, den Haifischen ein paar Quadratmeter abgetrotzt zu haben. In der Praxis der direkten Aktion drückt sich die Bewegung tatsächlich in festen und spektakulären Stichtagen aus; ein markantes Beispiel ist das sportliche Ritual des Berliner Maifeiertags.
In Hamburg sind die Hausbesetzungen trotz der bekannten Radikalität der Aktionen in der Hafenstraße alle legalisiert. Besetzer werden in 24 Stunden geräumt. Einige Hausbesetzer haben sich mit dem Wohnungsproblem arrangiert, indem sie in Wohnwagen leben. Die gleiche Lösung wurde in Bema gewählt: Zaffaraya ist ein Lager aus Wohnwagen und Lastwagen am Stadtrand, das von etwa zwanzig Hausbesetzern bewohnt wird.
DIE POLITISCHE VERANTWORTUNG DERJENIGEN, DIE EINE LEGALISIERUNG WOLLEN
In letzter Zeit sind fast alle linken Parteien wegen ihrer angeblichen Sympathie für die sozialen Zentren in den Vordergrund getreten; natürlich geschah dies vor allem wegen des instrumentellen Antagonismus, den sie gegenüber der Rechten (dem Monster des Augenblicks, das es zu bekämpfen gilt, den Rest vergessend und die Linke wählend, die „die Nase rümpft“) erscheinen lassen wollten, der Rechten, deren hasserfüllte und kristalline Position gegenüber der CSA allen wohl bekannt ist.
Nicht zufällig sprechen sie nicht von Besetzungen, sondern von sozialen Zentren: Dieser furchterregende Begriff mit dem Beigeschmack bürokratisch-sozialistischer Realpolitik schließt unterschiedslos alle Orte ein, die in der institutionellen Interpretation und in den Augen der so genannten Zivilgesellschaft gemeinnützige Funktionen ausüben: von Seniorenzentren bis zu Genossenschaften von Keramikern, von Notaufnahmen für Junkies bis zu Nachbarschaftsproberäumen. Alles sozialen Zentren.
Bei solch zweideutigen Begriffen hat die Linke mit allen Mitteln der Solidarität um jeden Preis gewettert, aber IMMER VERMIEDEN, ÜBER BESETZUNGEN ZU REDEN. Als Folge dieser Haltung haben die roten Stadträte weiterhin jeden illegalen Ort geräumt, sobald sie ihre Sitze errungen hatten: von Genua bis Rom, in einer idealen Fortsetzung der guten linken Regierung, die all jene gut kennen, die in den letzten 10 Jahren von den roten Stadträten in Turin, Mailand, Bologna, Genua etc. etc. geräumt wurden. So viel zu den Faschisten!
Wir haben also gesagt, dass es kein Zufall ist, dass wir nicht von Besetzungen sprechen: Die linken Parteien (Rifondazione, PDS, Verdi, Rete) sind bereit, die C.S. nur und ausschließlich dann zu tolerieren, wenn sie eine vom zivilen Konsortium anerkannte Funktion haben und wenn sie durch die Zufriedenheit der Nutzer ihrer Dienstleistungen legitimiert sind, um den Wählerkonsens nicht zu verlieren und den Vorwurf zu vermeiden, Situationen zu tolerieren, die der bestehenden Ordnung fremd oder sogar feindlich sind.
Mit wenigen Worten: Die Macht arrangiert sich, indem sie die physische Existenz von vier Wänden, die nicht direkt von ihr gewährt werden, nur unter der Bedingung toleriert, dass die Wege und endgültigen Absichten, die von der Gegenseite kommen, nicht im Gegensatz zum Status quo stehen; und daher die kostenlosen und freiwilligen Dienstleistungen willkommen heißen, die die Wohlfahrtslücken des Staates ausgleichen; die sozialen Werke willkommen heißen, die einerseits die Existenz der C. S. gegenüber dem Volk legitimieren, andererseits legitimieren sie die Macht, die sie zulässt, und ihre gute Regierung, mit deren Mitarbeit wir unsere Lebensweise in diesem Staat verbessern können, ohne jemals seine Existenz zu gefährden.
Aber unglaublicherweise sind es nicht – wie es logisch wäre zu denken – nur die Parteien der Wiedererlangung16, die auf eine Legalisierung, auf eine friedliche Koexistenz, auf einen Wiedereintritt der Instanzen der Revolte in Kategorien, die von der Macht besser assimilierbar sind, drängen, sondern auch einige spezifische Realitäten des Gebietes, das wir, wenn auch mit gebührenden Vorbehalten, „Bewegung“ nennen werden, insbesondere des Gebietes der sogenannten Autonomie.
In diesem Fall scheint es, dass die Instanzen der Legalisierung und/oder der Versöhnung mit den Institutionen Hand in Hand mit der Konsolidierung ihrer eigenen Sitze gehen, also mit der Anerkennung einer Macht oder Gegenmacht, wie man will. Dies ist eine direkte Folge einer Art und Weise, der Art und Weise, die Besetzungen zu leben, die wenig mit den eigenen Wünschen und dem Wunsch, sich zu befreien, zu tun hat, sondern die sich aus einer politischen Methodik ableitet, die schon auf individueller Ebene all ihre monströsen Fehlschläge gezeigt hat.
Um vollständig zu verstehen, was ihre Verantwortlichkeiten angesichts der oben erwähnten Legalisierungsbewegung sind, lasst uns ein paar Details im Auge behalten:
1) Für sie legitimiert sich C.S. nur durch Massenverwendung.
2) Botschaften, Arten der Kommunikation, Nutzer und vor allem Aktivitäten werden in strikter Beziehung zur Existenz präziser sozialer Klassen (dieselben, die die Macht vorsieht) etabliert: Proletarier (!?!), Studenten, schwarze Immigranten.
3) Jede individuelle revolutionäre Dimension wird ignoriert, d.h. das eigene Leben ändert sich überhaupt nicht, sondern wird zwischen der Zeit der „privaten“ und der kämpferischen „freien“ Zeit aufgeteilt.
4) Totales Verschwinden auch des revolutionären Imaginären: nicht mehr „Glaubt den Medien nicht“, sondern „wir benutzen sie, weil die Botschaft stark ist“; nicht mehr „Um eine Zukunft zu haben, müssen wir zuerst von ihr träumen“, denn es ist Zeit, konkret zu werden, es gibt immer eine Masse auf dem Platz, der wir präzise Hinweise geben können; nicht mehr „Gegen die Mafia der Parteien“, denn nicht alle Parteien sind gleich, es gibt linke Parteien mit Freunden, die wir kennen, die uns helfen, beraten, verteidigen, unterstützen, finanzieren können; der Feind ist nur die Rechte.
Behalten wir diese vier Besonderheiten im Hinterkopf.
Rahmen wir sie in das nationale Panorama ein, in dem es mindestens hundert berufliche Realitäten gibt, aber Informationen, die ausschließlich (wie es die Gewohnheit aller Massenmedien ist) die Positionen von zwei großen organisierten Realitäten, Rom und Mailand, widerspiegeln.
Und nun denken wir darüber nach, was die Folgen von Vereinbarungen sein können, die von großen Orten in diesen beiden Städten in Bezug auf den Rest der Welt getroffen werden: Zunächst einmal wird sich zeigen, dass man nicht einmal dort (wo die Massen sind, wo also nach der demokratischen und Herden-Mentalität die größten Kämpfe stattfinden, auch wenn sie vom politischen und revolutionären Standpunkt aus unbedeutend sind) einen Ort besetzen und halten kann, ohne sich mit den Parteien auseinanderzusetzen, geschweige denn in den provinziellen Realitäten oder für diejenigen, die – ach, wehe! sie sind schuldig, dass keine Masse hinter ihnen steht!
Und stellen wir uns die Haltung der Administratoren vor, die sich angesichts eines solchen Beispiels ihrer politischen Unverletzlichkeit sehr sicher sein werden, falls diejenigen, die sich solchen Pakten nicht beugen, geräumt werden müssen; wenn es solche eklatanten Präzedenzfälle gibt, ist die Karriere sicher (es sei denn, das Blut fließt und dann gibt es noch eklatantere Fälle).
Alle anderen Orte, die bereits geborenen, aber vor allem die neuen, die der Metropole, aber vor allem die der Kleinstädte und Provinzen, INSBESONDERE DIE NICHT AUFGESTELLTEN, werden mit einer sofortigen und militärischen Unterdrückung konfrontiert sein oder mit der Alternative, einen Zustand zu akzeptieren, der in einem begrenzten Sinne durch die Vereinbarungen bedingt ist, die zuvor von anderen Realitäten „in hohen Positionen“ getroffen wurden, die vor den Behörden legitimierter sind.
Und alle besetzten Orte, die weiterhin keinen DIALOG MIT DER MACHT WOLLEN und die mit den Gruppierungen koexistieren, die auf eine legale Anerkennung gedrängt haben, werden gewaltsam geräumt werden; die Räumenden werden in ihrer Arbeit der Unterdrückung durch die Vereinbarungen, die zuvor in den Städten von den großen Orten getroffen wurden, voll legitimiert sein. Vereinbarungen, die auch in den Augen der Öffentlichkeit eine Trennlinie zwischen den Guten (denen, die den Dialog mit den Institutionen akzeptieren) und den Bösen (denen, die ihn verweigern) ziehen.
Es wird die Möglichkeit, neue Besetzungen zu machen, endgültig beenden, wie wir in anderen europäischen Ländern sehen können, in denen die Legalisierung von Hausbesetzungen existiert. Wer einen Platz haben möchte, kann sich bei der Verwaltung bewerben und im Glauben warten. Diejenigen, die darauf bestehen, mehr zu besetzen, werden sofort geräumt.
Die Ernsthaftigkeit der Verantwortung derjenigen, die einen unnötigen Dialog mit der Macht wollen oder suchen, wird durch die Tatsache verstärkt, dass dieser Bereich sich als eine kompakte Gruppe präsentiert, die für jede Initiative/Kampagne eine genaue Linie angegeben hat, die von all ihren Mitgliedern rigoros eingehalten wird, wodurch präzise Ausrichtungen im gleichen Bereich der extremen Linken geschaffen werden: es ist kein Zufall, dass es Situationen des Zusammenstoßes und des Konflikts in Städten wie Rom, Padua, Florenz und Mailand gibt. Die Situationen, die, obwohl sie der Linken angehören, sich nicht angleichen, werden von jeglicher Betrachtung abgeschnitten und von der offiziellen Information ignoriert; die einzige Stimme, die nach außen vertreten wird, ist die derjenigen, die sich entschieden haben, mit den Institutionen in Beziehung zu treten, und die sich als der EINZIGE existierende Gesprächspartner aufdrängt.
Daher die Vorstellung von nationalen Versammlungen, die sich als die einzigen Vertreter der sogenannten Bewegung definieren.
Es ist auch klar, dass, wenn es diejenigen gibt, die eine eindeutige „Linie“ bilden, es den ganzen Rest gibt (d.h. die meisten Erfahrungen von Besetzungen), der eigentlich auf der anderen Seite steht, nicht Partei ergreift oder nicht Partei ergreifen will. Für sie gibt es keine Alternative zur Konfrontation mit der Macht, außer der, sich einer Linie zu stellen, die sie nicht erbeten oder gewollt haben, mit der sie aber rechnen müssen; und das nennt man, gewollt oder nicht, Ausflucht.
Natürlich wird diese Legalisierung nicht einmalig und eindeutig sein, es könnte ein Durchgang sein, der die Zwangsvereinigung (mit Statut, Präsident, Karten usw.), die Genossenschaft, die symbolische Miete oder vielleicht nicht symbolisch, sondern von der Gemeindeverwaltung bezahlt, die Koexistenz mit anderen Vereinigungen jeder Art, die Einhaltung der feuerfesten, hygienischen, Benutzbarkeits- und Bewohnbarkeitsnormen mit relativen Kontrollen von Beamten und verschiedenen Polizisten beinhaltet. Und dann wieder die SIAE17, Lizenzen für Alkohol, die Finanzen (etwas, das bereits von den Grünen in Turin vorgeschlagen: die C.S. sammeln, so dass sie Steuern und Einnahmen wie andere zahlen müssen …), etc. etc. Es mag nicht alles sein, vielleicht auch nicht alles auf einmal, aber einmal eröffnet, kann der Diskurs nie wieder geschlossen werden. Es ist ebenso offensichtlich, dass der Staat, der schon sehr zufrieden ist, den Präzedenzfall geschaffen zu haben, um das Problem anzugehen und zu lösen, den großen C.S. der großen Städte keine ungerechten Bedingungen auferlegen wird, die die Reaktionen der Basis auslösen könnten, aber er wird keine Skrupel haben, sie von Anfang an den kleineren Realitäten aufzuerlegen.
Aber auch bei diesem Problem schimmert die Konsequenz der Politik der Autonomie durch: Die Orte, denen es gelingen wird, sich mit der Macht zu unterhalten, ohne ihren Platz zu verlieren, werden ausschließlich diejenigen sein, die die Massen auf ihre Seite gezogen haben, indem sie sich demagogisch als politische Avantgarde platziert haben, die also den Aggregationsfaktor auf ihrer Seite haben werden und damit eine Stimme in Zeitungen und im Fernsehen, legitimiert vor der öffentlichen Meinung und den Institutionen, ganz nach dem demokratischen Dogma: die Mehrheit hat immer Recht.
Wenn die Hauptachse des Kampfes um Besetzungen die Sicherheit der Unantastbarkeit des Ortes, die Sicherheit der Anerkennung des eigenen Status sein muss, fehlt das psychologische Element des Bruchs mit der eigenen Erfahrung, das einen revolutionären Willen charakterisiert.
Wer wirklich eine radikale Veränderung anstrebt, kann nicht nach Sicherheit suchen, denn die einzige Sicherheit, die wir haben können, ist die Bewahrung unserer Würde als Individuen, die gegen eine Welt revoltieren, in der wir nicht frei leben können, der Rest ist eine tragische Naivität oder entfremdende Mystifizierung des Lebens.
Auf der anderen Seite leben die Anarchisten, die natürlich keine Bewegung sind und weder Linien noch zentrale Organe haben, auf die heterogenste Weise ihre Situationen der Besetzung und Selbstverwaltung und überlassen das Feld für alle Experimente denen, die die Erfahrungen auf ihrem Territorium direkt leben, und gerade deshalb vermeiden sie es sorgfältig, genaue Angaben und ideologische Vorschriften darüber zu machen, wie der Fall ist.
Die einzigen Grundsätze, die wir nicht nur gegenüber den Anarchisten, sondern gegenüber allen, die einen Weg der Selbstverwaltung anstreben, der auf den Umsturz dieses Zustandes gerichtet ist, wiederholen wollen, sind: je freier wir sind, desto besser; es scheint offensichtlich, aber wir werden niemals den Dialog mit den Institutionen suchen (geschweige denn mit Parteien, weder rechts noch links), außer in Fällen äußerster Notwendigkeit. Uns scheint, dass das Schicksal der Besetzungen, vor allem in den Großstädten, nicht völlig der Gunst der Parteien und des Gesetzes ausgeliefert ist, was andernorts häufiger vorkommt; wir können einen solchen Vorgang nur als Versuch bewerten, eine parainstitutionelle Macht zu legitimieren, die mit Selbstverwaltung und Revolte nichts zu tun hat.
Außerdem haben wir nicht die Absicht, für diese opportunistische Politik des Revisionismus zu bezahlen.
Sollte dies geschehen, werden wir wissen, wen wir zur Verantwortung ziehen können. Deshalb weisen wir gerade jetzt alle auf diese kompromittierenden Nebelkerzen mit all der Last an Bedrohungen hin, die sie verbergen.
Deshalb sind wir nicht daran interessiert, so „viele“ wie möglich zu sein, wenn wir nicht durch unsere tägliche Praxis der direkten Aktion die Affinität überprüfen, die uns mit den Individuen verbindet.
Wir wollen uns nicht in einer „Bewegung“ von alternativen Vereinen wiederfinden, die den Traum vom Showbusiness verfolgen oder vom Markt der Armen leben wollen, geschweige denn mit parainstitutionellen Zellen, die bereit sind, sich mit Machtorganen (auch wenn sie von der Linken sind) zusammenzuschließen, um zu überleben und eine imaginäre Rolle als Vorhut der Massen zu erfüllen.
Unser Ziel ist die Zerstörung der Politik, deshalb wollen wir keine Art von Macht, Macht muss zerstört werden.
Wir schlagen daher vor, die verschiedenen Erfahrungen der Selbstverwaltung, die als operative Heterogenität der Besatzungserfahrungen auf dem gesamten nationalen und internationalen Territorium als revolutionär deklariert werden, maximal zu verbreiten, insbesondere durch direkte Aktionen. Wir fordern eine Reihe von Treffen mit dem Ziel, Informationen und Erfahrungen über ihre Methoden auszutauschen, die illegal sind und außerhalb der Institutionen liegen, die alle Fragen, individuelle und kollektive, derjenigen berühren, die sich aus eigener Wahl – und nicht aus elender Notwendigkeit – entschieden haben, nach den Prinzipien der Selbstverwaltung und Freiheit zu leben.
Die Thematiken, die wir vorschlagen, sind daher die derjenigen, die aktiv und täglich in verschiedenen Bereichen arbeiten: von der Selbstfinanzierung bis zur Organisation von Konzerten außerhalb des alternativen Betriebs, zur Selbstproduktion, zum Vertrieb, zum Selbstaufbau, zu Unterstützungsaktivitäten für kleinere Realitäten, zur Propaganda unserer Ideen und unserer Aktivitäten; und alle Bereiche der Aktivität außerhalb der Besetzungen: Antimilitarismus, Antiklerikalismus, Abstentionismus, soziale Kontrolle, Kritik der Arbeit, andere Formen des selbstbestimmten Kampfes.
Gegen die Zentralisierung, gegen die Homogenisierung, gegen alle Ausrichtungen, verbreiten wir tausend Praktiken der Befreiung.
ENDE
1A.d.Ü., im Originaltext wird der Begriff recupero verwendet, was Wiedererlangung oder Wiedergewinnung bedeutet, aber dieser Begriff kann auch in der Form wie es die Situationistische Internationale verwendet hat auch verstehen, nämlich als etwas (eine Idee, eine Tat, usw.) was von seinem Inhalt durch die herrschende Realität entleert wurde und zur Ware verkommen ist. Es besitzt nicht mehr die materielle Basis seines Seins und kann nur noch als Ware verstanden werden.
2A.d.Ü., Centro Sociale Autogestito – Selbstverwaltetes Soziales Zentrum
3A.d.Ü., das Centro Sociale Leoncavallo ist ein selbstverwaltetes Sozialzentrum in Mailand, Italien, das seit der Besetzung einer ehemaligen Fabrik in der Via Leoncavallo im Jahr 1975 besteht. Es wurde 1989 geräumt und teilweise abgerissen, dann schnell wieder besetzt und wieder aufgebaut. 1994 wurde es erneut geräumt und kurzzeitig für sechs Monate in ein Lager umgezogen, bevor es seinen noch bestehenden Standort in der Via Antoine Watteau bezog. Zu den Aktivitäten gehören Konzerte, Theater, Debatten, Ausstellungen und ein Radiosender. Das Zentrum bezeichnet sich selbst als Leoncavallo Selbstverwalteter Öffentlicher Raum (italienisch: Leoncavallo Spazio Pubblico Autogestito).
4A.d.Ü., RAI3 – Radiotelevisione Italiana – ist das dritte Fernsehprogramm oder Kanal, des öffentlichen Rundfunkanstalt von Italien.
5A.d.Ü., PDS – Partitio Democratico della Sinistra – Demokratische Partei der Linken, war eine Nachfolgepartei der PCI, Partito Comunista Italiano – Kommunistische Partei Italiens, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bildete.
6A.d.Ü., Rifondazione – Partito della Rifondazione Comunista – Partei der Kommunistischen Wiedergründung, war ebenfalls eine Nachfolgepartei der PCI, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bildete.
7A.d.Ü., Verdi – Grüne, die Grüne Partei in Italien, eine Ökopartei.
8A.d.Ü., gemeint wird die ehemalige PCI – Partito Comunista Italiano.
9A.d.Ü., Benitto Craxi, war Ministerpräsident von Italien von 1983 bis 1987 und Mitglied der PSI – Partito Socialista Italiano – Sozialistische Partei Italiens.
10A.d.Ü., hier wird die Lega Norte gemeint, die in der Zeit als dieser Text veröffentlicht wurde, zwar eine rassistische Partei war, deren Ziele die Unabhängigkeitsanstrebungen im Norden des Landes war und sich von Italien loslösen wollte.
11A.d.Ü., ARCI – Associazione Ricreativa e Culturale Italiana – Italienischer Verein für Freizeit und Kultur, ist eine linker Kulturverein in Italien der seit 1957 existiert.
12A.d.Ü., Francesco Rutelli war der Bürgermeister von Rom von 1993 bis 2001, dies wurde durch eine linke Koalition von PDS, Verdi und Radicali möglich gemacht, sein Kontrahent war der Faschist der Partei MSI, Gianfranco Fini.
13A.d.Ü., als jener die das Zentrum räumen lassen.
14A.d.Ü., TREVI – Terrorismo Radicalismo Extremismo Violencia Internacional – Terrorismus Radikalismus Extremismus Internationale Gewalt, war ab 1975 eine informelle Zusammenarbeit europäischer Länder gegen den Terrorismus, über die Jahrzehnte würde daraus die Europol entstehen.
15A.d.Ü., Europäische Wirtschaftsgemeinde.
16A.d.Ü., siehe Fußnote Nr.1.
17A.d.Ü., Società Italiana degli Autori ed Editori – Italienische Gesellschaft der Autoren und Verleger