Die Aktion

Gefunden auf marxists.org, die Übersetzung ist von uns. Wie wir schon auf unserer Veranstaltung/Diskussion zum ‚Aufständischen Anarchismus‘ sagten, ist es historisch nicht möglich den Anarchismus von der aufständischen Praxis der Massen zu trennen. Wir werden in kommender Zeit mehrere Artikel veröffentlichen, bzw. übersetzen die genau dass unterstreichen, es handelt sich hier um Artikel/Texte aus verschiedenen Epochen und Ländern, die unser Wissen nach auch noch nie zuvor ins Deutsche übersetzt worden sind.


Geschrieben: 1880

Quelle: Text aus The Raven #6, Oktober 1988. Die englische Übersetzung stammt von Nicolas Walter, der schreibt: L’Action wurde am 25. Dezember 1880 in Le Révolté veröffentlicht. Es wurde gelegentlich auf Französisch nachgedruckt und in andere Sprachen übersetzt, aber im Allgemeinen fälschlicherweise Kropotkin zugeschrieben.


Die Aktion

Es gibt keinen Grund für Gelehrte, so mit den Schultern zu zucken, als ob sie die Last der ganzen Welt tragen müssten: Nicht sie haben die revolutionäre Idee erfunden. Es waren die unterdrückten Menschen, die durch ihre oft unbewussten Versuche, das Joch ihrer Unterdrücker abzuschütteln, die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf die soziale Moral lenkten; und erst später gelang es einigen wenigen Denkern, diese für unzureichend zu halten, und noch später waren sich andere einig, sie für völlig falsch zu halten.

„Ja, es ist das vom Volk gespaltene Blut, das am Ende in den Köpfen der Gelehrten Ideen formt. Ideale entspringen aus Taten und nicht umgekehrt“, sagte Carlo Pisacane in seinem politischen Testament, und er hatte Recht. Es sind die Menschen, die sowohl den Fortschritt als auch die Revolution machen: die konstruktiven und destruktiven Aspekte desselben Prozesses. Es sind die Menschen, die jeden Tag geopfert werden, um die universelle Produktion aufrechtzuerhalten, und es sind wiederum die Menschen, die mit ihrem Blut die Fackel nähren, die das Schicksal der Menschheit erhellt.

Wenn ein Denker, der das Buch der Leiden der Menschheit sorgfältig studiert hat, die Formel für das Streben des Volkes definiert, – beginnen Konservative und Reaktionäre aller Art auf der ganzen Welt lauthals zu schreien: ‚Das ist ein Skandal!‘

Ja, es ist ein Skandal, und wir brauchen Skandale, denn die revolutionäre Idee bahnt sich ihren Weg durch die Kraft des Skandals. Welch ein Skandal wurde von Proudhon ausgelöst, als er rief: „Eigentum ist Diebstahl!“ Aber heute gibt es keinen Menschen mit Verstand und Gefühl, der nicht der Meinung ist, dass der Kapitalist der schlimmste Schurke unter den Dieben ist; mehr noch, er ist der einzig wahre Dieb. Bewaffnet mit dem schrecklichsten Folterinstrument, dem Hunger, quält er sein Opfer nicht nur für einen Moment, sondern ein Leben lang: Er quält nicht nur sein Opfer, sondern auch die Frau und die Kinder des Mannes, den er in seiner Gewalt hat. Der Dieb riskiert seine Freiheit und oft auch sein Leben, aber der Kapitalist, der wahre Dieb, riskiert nichts, und wenn er stiehlt, nimmt er nicht nur einen Teil, sondern den ganzen Reichtum des Arbeiters.

Aber es reicht nicht aus, eine theoretische Formel zu finden. So wie die Tat die revolutionäre Idee hervorbrachte, so ist es wiederum die Tat, die sie in die Praxis umsetzen muss.

Auf dem ersten Kongress der Internationale gab es im französischen Proletariat nur wenige Arbeiter, die die Idee des kollektiven Eigentums akzeptierten. Es bedurfte des Lichts, das von den Brandstiftern der Kommune auf die ganze Welt geworfen wurde, um die revolutionäre Idee zum Leben zu erwecken und zu verbreiten und uns zum Haager Kongress zu bringen, der mit den Stimmen von 48 Vertretern der französischen Arbeiter den freien Kommunismus als Ziel anerkannte. Und trotzdem erinnern wir uns noch daran, dass gewisse autoritäre Dogmatiker voller Ernsthaftigkeit und Weisheit noch vor wenigen Jahren behaupteten, die Kommune habe die sozialistische Bewegung gebremst, indem sie die verhängnisvollsten Reaktionen hervorgerufen habe. Die Tatsachen haben die Richtigkeit der Ansichten dieser „wissenschaftlichen Sozialisten“ (von denen die meisten keine Ahnung von Wissenschaft haben) gezeigt, die versuchten, unter den Sozialisten die bekannte „Politik der Ergebnisse“ zu verbreiten.

Es ist also Aktion angesagt, Aktion und nochmals Aktion. Indem wir in Aktion treten, arbeiten wir gleichzeitig für die Theorie und für die Praxis, denn es ist die Aktion, die Ideen hervorbringt und die auch dafür verantwortlich ist, sie in der Welt zu verbreiten.

Aber welche Art von Aktion sollen wir unternehmen?

Sollen wir ins Parlament gehen oder andere in unserem Namen ins Parlament oder sogar in die Gemeinderäte schicken?

Nein, tausendmal Nein! Wir haben nichts mit den Intrigen der Bourgeoisie zu tun. Wir haben es nicht nötig, uns auf die Spiele unserer Unterdrücker einzulassen, es sei denn, wir wollen uns an ihrer Unterdrückung beteiligen. ‚Ins Parlament gehen heißt parlieren, und parlieren heißt Frieden schließen‘, sagte ein deutscher Ex-Revolutionär, der danach viel parlierte.

Unsere Aktion muss eine permanente Rebellion sein, durch Wort, Schrift, Dolch, Gewehr, Dynamit und manchmal sogar durch Stimmzettel, wenn es darum geht, für einen wählbaren Kandidaten wie Blanqui oder Trinquet zu stimmen. Wir sind konsequent und werden jede Waffe einsetzen, die zur Rebellion verwendet werden kann. Für uns ist alles richtig, was nicht legal ist.

‚Aber wann sollen wir mit unseren Aktionen beginnen und unseren Angriff eröffnen?‘, fragen uns Freunde manchmal. Sollten wir nicht warten, bis unsere Kräfte organisiert sind? Wer angreift, bevor er bereit ist, setzt sich der Gefahr aus, zu scheitern.

Freunde, wenn wir warten, bis wir stark genug sind, bevor wir angreifen, – werden wir nie angreifen, und wir werden wie der gute Mann sein, der schwor, nicht ins Meer zu gehen, bevor er nicht schwimmen gelernt hat. Es ist genau die revolutionäre Aktion, die unsere Stärke entwickelt, so wie Übung die Stärke unserer Muskeln entwickelt. Zugegeben, am Anfang werden unsere Schläge nicht tödlich sein; vielleicht werden wir sogar die ernsten und weisen Sozialisten zum Lachen bringen, aber wir können immer antworten: Ihr lacht über uns, weil ihr genauso dumm seid wie diejenigen, die über ein Kind lachen, das hinfällt, wenn es laufen lernt. Macht es euch Spaß, uns Kinder zu nennen? Na gut, wir sind Kinder, denn die Entwicklung unserer Kräfte steckt noch in den Kinderschuhen. Aber indem wir versuchen zu laufen, zeigen wir, dass wir versuchen, Menschen zu werden, d.h. vollständige Organismen, die gesund und stark sind und in der Lage sind, eine Revolution zu machen, und keine kritzelnden Redakteure, die vor ihrer Zeit alt sind und ständig an einer Wissenschaft herumkauen, die sie nie verdauen können, und die in unendlichem Raum und unendlicher Zeit eine Revolution vorbereiten, die in den Wolken verschwunden ist.

Wie sollen wir unsere Aktion beginnen?

Sieh dich einfach nach einer Gelegenheit um, und sie wird sich bald zeigen. Überall dort, wo Rebellion zu spüren ist und der Klang des Kampfes zu hören ist, müssen wir sein. Warte nicht darauf, dich an einer Bewegung zu beteiligen, die mit dem Etikett des offiziellen Sozialismus daherkommt. Jede populäre Bewegung trägt bereits die Saat des revolutionären Sozialismus in sich: Wir müssen uns an ihr beteiligen, um ihr Wachstum zu gewährleisten. Ein klares und präzises Ideal der Revolution wird nur von einer verschwindend kleinen Minderheit formuliert, und wenn wir darauf warten, an einem Kampf teilzunehmen, der genau so aussieht, wie wir ihn uns vorgestellt haben, – werden wir ewig warten. Mach es den Dogmatikern nicht nach, die vor allem nach der Formel fragen: Das Volk trägt die lebendige Revolution in seinem Herzen, und wir müssen mit ihm kämpfen und sterben.

Und wenn die Befürworter des legalen oder parlamentarischen Vorgehens kommen und uns vorwerfen, dass wir nichts mit dem Volk zu tun haben, wenn es abstimmt, werden wir ihnen antworten: ‚Gewiss, wir weigern uns, etwas mit dem Volk zu tun zu haben, wenn es vor seinem Gott, seinem König oder seinem Herrn auf die Knie fällt; aber wir werden immer bei ihm sein, wenn es aufrecht gegen seine mächtigen Feinde steht. Für uns ist die Enthaltung von der Politik keine Enthaltung von der Revolution; unsere Weigerung, an irgendeiner parlamentarischen, legalen oder reaktionären Aktion teilzunehmen, ist das Maß unserer Hingabe an eine gewaltsame und anarchistische Revolution, an die Revolution des Pöbels und der Armen.



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