Worldwide Intifada # 1 (1992) – Weltweite Intifada #1 (1992)

Gefunden auf libcom, die Übersetzung ist von uns, der zweite Teil des Textes war selbst im englischen sehr holprig und schwer zu übersetzen. Aus der gleichnamigen Publikation die erstmals im Sommer 1992 als Worldwide Intifada, Nr. 1 veröffentlicht wurde; dannach neu aufgelegt im Jahr 2002; diese Ausgabe wurde 2016 veröffentlicht. Wir haben diesen Text aus mehreren Gründen übersetzt, erstens es geht voran um die Klassenfrage und die Kämpfe des palästinensischen Proletariats während der ersten Intifada, welches sich auch gegen SEINE EIGENE HERRSCHENDE KLASSE richtete. Nämlich die PLO/Fatah.

Der Konflikt in Israel-Palästina hat eine immense historische Dimension, wie eigentlich fast alles auf der Welt und vieles muss daher berücksichtigen werden, was weit über die Gründung des Staates Israels hinausgeht (der Holocaust, die Verfolgung und Vertreibung von Juden und Jüdinnen seit 2000 Jahren, die Entstehung und Geschichte von Antijudaismus (Mittelalter) bis hin zum Antisemitismus in der früheren Geschichte (18. bis 19. Jahrhundert)… Aber genauso die Vertreibung von Palästinensern und der dauerhafte Konflikt/Krieg im Nahen Osten.

Entgegensetzt was eigentlich alle Menschen mit dem Begriff „Intifada“ verbinden, was ja ‚Aufstand‘ bedeutet, verteidigt dieser Text den Klassencharakter des Aufstandes des Proletariats in Palästina im Jahr 1987 und nicht seine spätere nationalistische Rekuperation und Pervertierung seitens der herrschenden Klasse in Palästina, sowohl wie in Israel. Da der Konflikt in Israel-Palästina fast rein auf nationalistische-religiöse-ideologische Kategorien reduziert wird, auf einen Konflikt zwischen zwei ‚Volksgruppen‘, wird dabei die Klassengesellschaft im Nahen Osten komplett und bewusst ignoriert. Die Intifada 1987, sowie spätere Ereignisse bis in unsere Tage richtete sich genauso auch gegen die herrschende Klasse in Palästina, damals vor allem der PLO bzw. der Fatah.

Dass dies immer wieder geschieht, genauso wie Kämpfe des Proletariats gegen Hamas geführt werden wird allzu gerne verschwiegen, als ob sich das Proletariat nur den Interessen ihrer eigenen Herrschenden unterwerfen können und außerhalb dieser nichts passieren kann. Vielen interessiert genau dieses Narrativ, wie im Krieg in der Ukraine, aber überall auf der Welt kämpfen Menschen für eine Welt in der das Joch aller Nationen, der Hass zwischen Menschen, die Ausbeutung der Lohnarbeit und vieles mehr ein endgültiges Ende nimmt.


Worldwide Intifada # 1 (1992) – Weltweite Intifada #1 (1992)

Die erste Intifada

Wir geben hier ein seit langem existierendes Pamphlet wieder, auf das im Aufheben-Artikel Behind the 21st century intifada Bezug genommen wird. Es wurde im Jahr 1992 veröffentlicht.

WELTWEITE INTIFADA

Palästinensische Autonomie oder die Autonomie unseres Klassenkampfes?

Es muss gleich zu Beginn unseres Bulletins gesagt werden, dass wir nicht die Schaffung eines palästinensischen Staates anstelle des zionistischen Staates Israel wünschen. Wir unterstützen weder die Friedensverhandlungen noch wünschen wir uns eine palästinensische Autonomie: Die einzige Autonomie, für die es sich zu kämpfen lohnt, ist die Autonomie unseres Klassenkampfes gegen den Kapitalismus.

Überall auf der Welt stellt die Bourgeoisie die Intifada als einen nationalistischen Kampf zwischen Palästinensern und Israelis oder Arabern und Juden dar. Von Tel Aviv bis Algier, von Rom bis New York beschreibt die internationale Bourgeoisie über ihre Medien den Kampf mit den gleichen Begriffen.

Der Konflikt besteht nicht zwischen Palästinensern und Israelis, sondern zwischen zwei Klassen mit gegensätzlichen Interessen: der Bourgeoisie und dem Proletariat.

Der Aufstand der palästinensischen Arbeiterklasse wird von bestimmten bourgeoisen Fraktionen als Beweis für den Wunsch nach einem palästinensischen Staat benutzt, der vom „offiziellen Sprecher“ des palästinensischen Volkes – der bourgeoisen Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) – dominiert wird.

Nationale Befreiungskämpfe werden traditionell von Maoisten, Stalinisten und anderen Parteien auf dem linken Flügel der Bourgeoisie unterstützt. In der Regel beruht das Argument auf der falschen Idee, dass der Sozialismus in einem einzigen Land aufgebaut werden kann. Die Geschichte zeigt uns die Torheit dieser Vorstellung: Selbst wenn Regierungen mit dem Ziel eingesetzt werden, die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu verteidigen, können sie angesichts des imperialistischen Charakters des Kapitals nicht darauf hoffen. Die Nation-Staaten müssen nach den Regeln des Weltmarktes funktionieren. Die einzige Antwort auf die weltweite Ausbeutung ist der weltweite Kommunismus.

In den so genannten nationalen Befreiungskämpfen, oder in den Kämpfen, die dazu missbraucht werden, findet immer ein Klassenkampf statt: in Nordirland, wie in Kaschmir, wie in Israel. Die Schaffung eines neuen Staates bietet der Arbeiterklasse nichts anderes als die Chance, von einer herrschenden Klasse regiert zu werden, die einen Teil ihres kulturellen und sprachlichen Erbes teilt.

Linke auf der ganzen Welt unterstützen die PLO und ihre „fortschrittliche“ Politik der nationalen Befreiung. Genauso wie sie den Afrikanischen Nationalkongress, die Roten Khmer und den Vietcong unterstützt haben. Wenn die PLO kritisiert wird, dann wegen ihres „Statismus, ihrer Hierarchie, ihrer Avantgarde und ihres Terrorismus“ – die Tatsache, dass die PLO der Klassenfeind des Proletariats ist, wird übersehen.

Linke argumentieren, dass ein Bündnis der Arbeiterklasse mit „fortschrittlichen“ Elementen der Bourgeoisie gegen das größere Übel des Staates Israel notwendig sei. Wir lehnen diese gefährliche und falsche Vorstellung ab. Ein Bündnis mit irgendeiner Fraktion oder einem Element der Bourgeoisie stärkt die Intifada keineswegs, sondern entwaffnet sie unwiderruflich. Zum Beispiel fegte 1979 eine massive Welle des Klassenkampfes im Iran den Schah hinweg. Innerhalb eines Jahres entwaffnete das „Bündnis mit fortschrittlichen Elementen der Bourgeoisie“ den Klassenkampf: Streiks und Arbeiterinnen und Arbeiterräte wurden aufgelöst und niedergeschlagen. Das Ergebnis war ein Massaker an militanten Kämpfern und die Errichtung einer radikal arbeiterfeindlichen islamischen Republik.

Warum kann es kein Bündnis zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse geben? Weil die Klasseninteressen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse diametral entgegengesetzt sind. Die einzige Möglichkeit für die Arbeiterklasse, sich zu verteidigen, ist ein autonomer Klassenkampf, der unabhängig von allen Kräften ist, die versuchen würden, ihn abzulenken oder auf kapitalistische Ziele zu beschränken; ein autonomer Klassenkampf steht im Krieg mit allen spaltenden Kräften wie Gewerkschaften/Syndikate, linken Parteien, nationalen Befreiungsfronten oder religiösen Bewegungen.

Die Geschichte hat bewiesen, dass der Aufbau von Staaten der Arbeiterklasse nichts bringt. Neue Staaten bieten nur einer neuen Fraktion der herrschenden Klasse die Möglichkeit, uns anstelle der alten auszubeuten, aber unsere Interessen sind gegen alle Regierungen gerichtet.

Arafat und Sharon stehen auf der gleichen Seite: Gegen die Arbeiterklasse

Innerhalb der geographischen Grenzen des historischen Palästina gibt es eine starke Tradition des Klassenkampfes, die im Dezember 1987 mit einem wilden Generalstreik in ein militantes Stadium trat. Die Geschäfte, Straßen und Arbeitsplätze in den besetzten Gebieten waren menschenleer, und 120 000 Arbeiterinnen und Arbeiter erschienen nicht zu ihrer Arbeit in Israel. Dies war der erste Generalstreik seit 1936. Die palästinensische und israelische Bourgeoisie war fassungslos.

Der Generalstreik von 1936 war der Höhepunkt eines dreijährigen intensiven Klassenkampfes gegen die Großgrundbesitzer: Briten, Zionisten und Palästinenser. Die Häfen und die Ölraffinerie von Haifa waren sechs Monate lang lahmgelegt. Die Weltbourgeoisie war alarmiert: Der britische Staat entsandte 30.000 Soldaten, um den Kampf niederzuschlagen. Er bewaffnete und organisierte lokale zionistische Siedler, und gemeinsam machten sie sich daran, die Arbeiterklasse zu terrorisieren und zu unterwerfen. Unterdessen organisierten die Zionisten jüdische Arbeiter, um die Streiks zu brechen. Die lokale arabische Bourgeoisie in Jordanien und im Irak rief die Arbeiterklasse auf, sich zu ergeben. Als sie dies nicht taten, wurde der Kampf schließlich durch die Hinrichtung von 5 000 Streikenden und die Verhaftung von 6 000 durch eine gemeinsame Anstrengung der britischen, arabischen und zionistischen Armeen niedergeschlagen.

Heute steht die palästinensische Arbeiterklasse erneut einer Weltbourgeoisie gegenüber, die sich geschlossen gegen die Intifada stellt. Die Bourgeoisie hat zwei Strategien verfolgt: den Kampf abzulenken und ihn zu unterdrücken.

Die palästinensische Bourgeoisie hat versucht, die Führung der Intifada zu übernehmen, indem sie sie in den Nationalismus oder den islamischen Fundamentalismus umlenkte und sie auf die „besetzten Gebiete“, zeitweise sogar auf die Flüchtlingslager, beschränkte. Stets hat sie ihre eigenen Interessen verteidigt, indem sie versucht hat, die Zahl der Streiktage zu begrenzen, um die kapitalistische Infrastruktur zu schützen, die sie zu erben hofft.1

Das Ziel der palästinensischen Bourgeoisie ist es, die Intifada als eine Bewegung zur nationalen Befreiung darzustellen. Die bourgeoise Presse in aller Welt hat sich dem angeschlossen. Die palästinensische Bourgeoisie braucht einen Staat; sie braucht die Intifada, solange sie ihr genug Leichen liefert, um diese Möglichkeit auf der Tagesordnung der UNO zu halten. Sie hat ihre eigene Polizei, ihre eigenen Terrorbanden, ihre eigenen Gefangenenlager; sie braucht nur die offizielle Anerkennung durch die internationale bourgeoise Familie – die UNO.

Die israelische Bourgeoisie und ihre Streitkräfte tragen die Hauptlast der Intifada. Sie haben mit faschistischen Repressionsmaßnahmen reagiert: Kollektivstrafen, Ausgangssperren, Hauszerstörungen, Entweihung von Ackerland, erzwungene Schließung von Schulen und Krankenhäusern und Masseninhaftierungen, viele davon in Konzentrationslagern in der Negev-Wüste (z. B. Ansar, das von den Insassen den Spitznamen „das Lager des langsamen Todes“ erhielt). Auf den Straßen werden unbewaffnete Arbeiterinnen und Arbeiter – Männer und Frauen, Junge und Alte – mit Gummigeschossen angeschossen. Tränengas wird in Häuser, Schulen und Krankenhäuser geschossen. Ebenso hat die palästinensische Bourgeoisie in ihrem Versuch, den Charakter der Intifada zu verschleiern, zahllose verblendete Menschen auf Selbstmordattentate geschickt. Tausende sind dabei ums Leben gekommen.

Auch die jordanische Bourgeoisie wurde durch die Intifada aufgeschreckt. Einige Wochen nach Beginn der Intifada traf König Hussein heimlich mit israelischen Anführern zusammen und forderte ihre sofortige Niederschlagung. Hussein war besorgt, dass die Intifada auf das Ostufer des Jordans übergreifen könnte, wo die Arbeiterklasse in ähnlicher ausufernder Armut lebt wie ihre Brüder und Schwestern auf dem Westufer.

Die Reaktion von König Hussein ist typisch für die Reaktion der Bourgeoisie in der gesamten arabischen Welt. Die Unterstützung der Intifada durch die arabische Arbeiterklasse hat die arabische herrschende Klasse gezwungen, öffentlich ihre Unterstützung zu bekunden. Arabische Staatsoberhäupter haben Millionen gespendet, um „die Intifada zu unterstützen“. In Wirklichkeit wurde dieses Geld von der PLO vergeudet, um Limousinen und Konsulate im Stil von Botschaften in den Hauptstädten der Welt zu kaufen; und ein Großteil davon wurde in die „besetzten Gebiete“ geleitet, um die Militanz der Arbeiterklasse zu erkaufen. Diese Politik ist aus zwei Gründen gescheitert: erstens wegen der persönlichen Korruption der von der PLO unterstützten Funktionäre und zweitens, weil ein Großteil des Geldes seit dem Sturz der PLO nach dem Golfkrieg versiegt ist. Die palästinensische Bourgeoisie schreit nach Geld und warnt die arabischen Länder, dass sie „ein ökonomisches Hilfsprogramm zur Erleichterung der Bedingungen im Westjordanland unterstützen müssen…Dies würde die Chancen einer weiteren ansteckenden Radikalisierung des populären Denkens verringern, das die Stabilität des gesamten Nahen Ostens bedroht.“2

Die arabische Bourgeoisie hat versucht, die Unterstützung der Bevölkerung für die Intifada in Hass auf die israelische Bevölkerung umzuwandeln. Doch auch diese Politik ist gescheitert. Mehrmals ist die Intifada aus ihren geografischen Grenzen herausgebrochen. In Jordanien übernahmen die Arbeiterinnen und Arbeiter 1988 bei Ausschreitungen, Demonstrationen und Streiks gegen Sparmaßnahmen die Methoden ihrer palästinensischen Gefährten und Gefährtinnen, indem sie Steinschleudern benutzten und ihre Gesichter mit Kufiya verhüllten.

Auch in Algerien schlug Sultan Ben Jahid seine eigene „Intifada“ im November 1988 nieder, gerade rechtzeitig, um den Palästinensischen Nationalrat zu empfangen und sein angeschlagenes Regime in „revolutionärer, antiimperialistischer“ Rhetorik zu baden.

Wenn die israelische Bourgeoisie ein Gebiet abtritt, dann deshalb, weil sie sich einer unkontrollierbaren militanten Arbeiterklasse entledigen will. Aus demselben Grund hat König Hussein von Jordanien seinen Anspruch auf das Westjordanland aufgegeben.

Welche bourgeoise Fraktion (oder Fraktionen) auch immer die Gebiete erben wird, die erste Aufgabe wird die Zerstörung der autonomen Arbeiterklasse sein. Dazu bedarf es einer starken, brutalen Repression und der schnellen Assimilation der palästinensischen Arbeiterklasse an den Weltmarkt:

„Wir werden einen Industriesektor brauchen, der 6.000 Arbeiterinnen und Arbeiter aufnehmen kann, und müssen uns auf Industrien mit hoher Qualität konzentrieren. Wir müssen uns auf die Verwendung lokaler Rohstoffe konzentrieren und die japanische Art der schnellen Produktion zur Kenntnis nehmen.“3

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Wir veröffentlichen hier die Übersetzung eines Artikels, der zuerst auf Arabisch in El Oumami (The Internationalist), Ausgabe 10, Juli 1980, von der bordigistischen Gruppe, der Internationalen Kommunistischen Partei, veröffentlicht wurde. Aufgrund unserer Schwierigkeiten bei der Übersetzung vom Arabischen ins Englische sind einige Teile des Textes möglicherweise schwer zu verstehen. Der Text ist unbearbeitet.

Das Übersetzen, Vervielfältigen und Verfügbarmachen solcher Dokumente ist ein wichtiger Teil der Arbeit unserer Gruppe.

Dieser Artikel ist eine Darstellung und Bewertung des allgemeinen Klassenkampfes im Libanon in den 1970er Jahren und insbesondere der Schlacht von Tel-al-Zatar.

Zum Gedenken an den proletarischen Aufstand in Tel-al-Zatar

Um den 22. Juni 1976 herum lebten die Bewohner von Tel-al-Zatar mutig in einer angespannten Situation. Die üblen Aktionen der syrischen und libanesischen Bourgeoisie trieben den Massen Tränen in die Augen – diese Tränen zeugten von ihrem Mut und führten dazu, dass sie sich zweiundfünfzig Tage lang gegen die rechtsgerichteten libanesischen und syrischen Armeen sowie gegen das, was von der royalistisch-monarchistischen Armee des Libanon übrig geblieben war, wehrten. Die Massen der Arbeiterinnen und Arbeiter waren vom Hunger überwältigt, aber trotz ihrer Unzufriedenheit mit der militärischen Stärke, trotz des Hungers, des Durstes und der Krankheiten, die sie zwei Monate lang überwältigten, gab es keine Bewegung seitens der Palästinensischen Opposition4, die die Arbeiterinnen und Arbeiter vor ihren Augen sterben ließ, schweigend, obwohl sie die Türen von Riad und Kairo einschlugen und diejenigen mitnahmen, die ihnen rieten, den Weg zu gehen, um dem Volk in seiner schwierigen Lage zu helfen.

Bevor wir in eine tiefergehende Analyse einsteigen, müssen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Flüchtlingslager werfen.

Die Jahre des Bürgerkriegs 1975-76 sind nur ein Kapitel des täglichen Klassenkriegs zwischen den Bewohnern der Flüchtlingslager und der libanesischen herrschenden Klasse. Dieser Kampf begann sich ab 1968/69 mit dem Eintritt der palästinensischen Opposition in den Libanon zu verstärken und zu nähren. 1950 stellte die Größe von Tel-al-Zatar keine Bedrohung für die libanesische Bourgeoisie dar, da sich nur 400 palästinensische Flüchtlinge in dem Lager befanden. Die palästinensischen Flüchtlinge konzentrierten sich im Herzen der ärmsten Industriegebiete; 1972 zählten sie 14.000 und zu Beginn des Krieges 1975/76 300.000. Sechzig Prozent der Lagerbewohner waren Palästinenser, der Rest waren syrische und libanesische Arbeiterinnen und Arbeiter. Das Gebiet von Tel-al-Zatar liegt in einem Industriegebiet, in dem sich neunundzwanzig Prozent der libanesischen Industrie, dreiundzwanzig Prozent der produktiven Ressourcen und zweiundzwanzig Prozent der produktiven Unternehmen befinden. Diese industriellen Kräfte konzentrierten sich dort aufgrund des großen Arbeitskräftepotenzials; die Arbeit war von größter ökonomischer Ausbeutung. Diese Arbeitskräfte setzten sich hauptsächlich aus „ausländischen“ Arbeiterinnen und Arbeitern zusammen. Palästinensische Arbeiterinnen und Arbeiter durften ohne offizielle Genehmigung nicht in den größten Unternehmen arbeiten. Diese Genehmigung kostete sie jedes Jahr einen Monatslohn und beschränkte sie auf ein Unternehmen. Sie hatten keinen Anspruch auf Sozialversicherung oder andere Leistungen, selbst wenn sie die entsprechende Versicherung bezahlt hatten. In den Kleinbetrieben kam es zu Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeiterinnen und Arbeitern. Diese Konflikte betrafen die Nichtzahlung von Abfindungen oder die Nichtgewährung von Urlaub durch die Chefs.

Die syrischen Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen die meisten ohne Arbeitsvisum aus Syrien in den Libanon geflohen waren, arbeiteten unter denselben Bedingungen. Sie erhielten zwölf Monate Arbeit, wurden dann entlassen und den syrischen Grenzbehörden übergeben, die sie für einige Monate inhaftierten, weil sie gegen das Gesetz der Bosse verstoßen hatten. Was die Lebensbedingungen der Flüchtlinge anbelangt, so verliefen offene Abwasserkanäle durch die Lager; in jedem Zelt lebten sechs bis acht Personen, und ein Zelt war ein Kinderspielplatz. Außerhalb der Flüchtlingslager gab es eine andere Welt mit großen Gebäuden und prächtigen Palästen.

In den zwanzig Jahren bis 1969 standen die Flüchtlinge unter der Aufsicht der libanesischen Geheimpolizei. Es war gesetzlich verboten, über Politik zu sprechen, ohne Erlaubnis Besucher zu empfangen, das Zelt ohne Erlaubnis zu verlegen, sich mit mehr als fünf Personen zu treffen und sich nach 21 Uhr abends draußen aufzuhalten.

Im Jahr 1969 änderte sich die Geschichte der Flüchtlinge grundlegend. Es begann mit der militärischen Zerschlagung der herrschenden Hunde und ihrer Gesetze, und Tel-al-Zatar begann leichter zu atmen, als die Flüchtlinge in den täglichen Straßenschlachten Waffen erhielten. Das berühmteste Ereignis war der 23. Juni 1969, als eine große Zahl von Libanesen bei der Verteidigung ihrer Waffen im Kampf gegen die Flüchtlinge getötet wurde.

Es war von Anfang an klar, dass die Anwendung von Gewalt im Interesse aller Fraktionen lag. Die Anführer der palästinensischen Opposition, die sich nicht offiziell auf die Seite der bourgeoisen Führer und ihrer Gesetze stellen wollten, sagten:

„…die Kämpfe haben sich von Israel in die Nachbarländer verlagert, um Probleme zwischen den Brüdern und Söhnen des geeinten Volkes des Libanon zu schaffen.“

Die Arbeiterinnen und Arbeiter verlegten ihre Waffen in die Fabriken, um das üble Eingesperrtsein der Arbeit zu zerstören. Der Kampf begann. Die Bosse können die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht mehr willkürlich entlassen – sie haben die Kontrolle über die Fabriken verloren. Die Gewalt breitete sich auf andere Bereiche aus. Die Bourgeoisie verlangte von den Flüchtlingen, ihre Macht aufzugeben und zu den alten Verhältnissen zurückzukehren. Das libanesische Radio spielte der Bourgeoisie in die Hände und forderte, dass die herrschende Klasse des Libanon die gesamte Macht zurückerhalten solle:

„Das Land ist im Chaos. Es gibt jetzt inoffizielle Armeen, während die offizielle Armee nicht anerkannt wird. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass es auf libanesischem Boden, sowohl in den Vororten als auch in den Städten, Orte gibt, an denen es keinerlei Regeln gibt, was denjenigen, die außerhalb des Gesetzes agieren, mehr Macht verleiht.“

Der Anführer der neuen Armee, Bashir Al-Jameel, nannte seine Gründe für den Aufschwung der revolutionären Aktivitäten in Tel-al-Zatar: „Die Armee von Tel-al-Zatar wollte eine sichere Zone schaffen, eine No-Go-Zone, die vor der libanesischen Armee und dem Staat sicher ist. Tel-al-Zatar ist ein blühendes Industriegebiet, von dem die libanesische Arbeiterklasse profitieren sollte. Vierzig Prozent der libanesischen Industrie befinden sich in Tel-al-Zatar.‘

Die Arbeiterinnen und Arbeiter begnügten sich nicht damit, die Bosse zu bekämpfen, sondern strebten die Zerstörung aller Gesetze an, nicht nur in den Flüchtlingslagern, sondern auch in anderen Gebieten. In Hazam-al-Ba’s weigerten sich die Arbeiterinnen und Arbeiter, Steuern an die Bourgeoisie zu zahlen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter wollten mit staatlichen Geldern ein neues Zelt bauen, das Wasser und Strom in andere Häuser leiten sollte.

Während der gesamten 1970er Jahre versuchte der Staat, die Stärke der Arbeiterklasse zu zerstören und sie dazu zu bringen, wieder den (staatlichen) Gesetzen zu gehorchen. Im Jahr 1970 wurden alle Häuser zerstört, die von militanten Gruppen in Al-Maklis, Al-Mahathya und Tel-al-Zatar gebaut worden waren. (Der damalige libanesische Innenminister war Kamal Jumblat – ein enger Freund der libanesischen Linken). Rasheed Karami gab Pläne zur Zerstörung aller von den Revolutionären errichteten Wohnungen heraus und ordnete den Wiederaufbau des Gebiets mit staatlichen Mitteln an, damit der Staat alle Steuern und Gelder aus den Wasser- und Stromrechnungen erhielt. Außerdem gab dies dem Staat die Macht, das Gebiet zu überwachen und zu kontrollieren, indem er seine Männer in allen offiziellen Positionen einsetzte. Sie behaupteten, dass die Häuser eine Gefahr für die staatliche Sicherheit darstellten.

Im Jahr 1974 kam es bei mehreren Versuchen, den Strom in dem Gebiet abzuschalten, zu „Kalaschnikow“-Schlachten, an denen viele der Frauen der Arbeiter teilnahmen. Es gab Pläne, alle Spuren der Autonomie der Arbeiterinnen und Arbeiter zu beseitigen. Diese Pläne scheiterten zunächst an der wachsenden Wut der bewaffneten Bewohner von Tel-al-Zatar. Diese Bewohner profitierten von der Intervention militanter Palästinenser in dem Gebiet. Das Ergebnis war eine Verschärfung des Klassenkampfes.

Es war der Einsatz von Waffen, der dem kämpfenden Proletariat den sozialen Sieg bescherte. Sie blieben trotz der Stärke des Staates unverwüstlich, Waffen glänzten in den Händen jedes Flüchtlings und Arbeiters, Waffen hingen hinter der Tür jedes Hauses. In einem Artikel eines linken Schriftstellers kommt er zu dem Schluss, dass es: „306.000 bewaffnete Kämpfer in Tel-al-Zatar, 2.471 in Al-Naba’a und 7.000 Milizionäre in den Lagern… Die Präsenz von Waffen ermöglichte Streiks, die zur Zerstörung des libanesischen Industrielebens führten.“

Die Explosion des Bürgerkriegs führte zu einem harten Durchgreifen der Bourgeoisie gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie machten ihrem Ärger Luft, indem sie das Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter in allen Bereichen vollständig zerstörten: Sabniya, Hara Al-Ghawarim, Al-Sabahya, Hay Al-Tank, Al-Naba’a, Burj Al-Hamood, Al-Maklus, Harsh Thabat, und schließlich Tel-al-Zatar, bis kein Leben mehr übrig war.

Angesichts der Macht der herrschenden Klasse und ihrer zerstörerischen Maßnahmen war es unvermeidlich, dass der Staat die Kontrolle übernahm, um seine eigenen Interessen zu „verteidigen“, die durch den Nachweis von Waffen unter den Arbeiterinnen und Arbeitern bedroht waren. Die syrische Regierung sah Tel-al-Zatar als ein Zeichen für die Macht der palästinensischen Arbeiterinnen und Arbeiter über den libanesischen Staat. Die Lage der Flüchtlinge und Arbeiterinnen und Arbeiter, die nun auf den Einsatz von Waffen angewiesen waren, verschlechterte sich mit dem Aufbau eines stärkeren libanesischen Staates. Die offizielle Lösung für die politischen Probleme im Libanon bestand darin, die Bourgeoisie des gesamten Landes zu vereinen. Hafez Al-Assad „befahl seiner Armee, in den Libanon einzumarschieren“, um das Problem von Tel-al-Zatar zu lösen. Er rechtfertigte diese Intervention gegenüber der Bourgeoisie mit den Worten: „Es gibt keinen Staat mehr, der den Libanon regiert. Unsere Rolle wird darin bestehen, in den Gebieten einzugreifen, die der libanesische Staat nicht regieren kann“. Die offizielle Haltung des syrischen Regimes zur Intervention war jedoch gegenteilig: „Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Libanon verstößt gegen die Souveränitätsgesetze, die davon abraten, sich in die Angelegenheiten eines anderen arabischen Landes einzumischen“.

In der Schlacht um Tel-al-Zatar wurde der Klassenkampf nun vom Militär überwältigt. Obwohl das syrische Regime mit Raketen einmarschierte, um Wohngebiete zu beschießen, schworen die Bewohner von Tel-al-Zatar, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen. Sie schrieben einen Brief an den Operationssaal der Opposition, in dem es hieß:

„Wir haben eine Entscheidung getroffen, und zwar eine endgültige Entscheidung, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen. Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können bis zu unserem Tod kämpfen oder wir können den Feind vernichten. Wir werden weiterkämpfen, bis wir unsere letzte Patrone verbraucht haben und bis zum Äußersten gehen. Unser Volk hat die große Hoffnung, dass ihr kämpfen werdet, um den Feind zu vernichten, egal ob er libanesisch oder syrisch ist“.

Die Anführer der palästinensischen Nationalisten, der arabischen Nationalisten und der Rechten waren alle der Meinung, dass der Krieg ein „…schmutziger Krieg ist. Er ist nicht in unserem Interesse, da er uns davon abhält, den wahren Feind, Israel, zu bekämpfen. Wir müssen das um jeden Preis verhindern; selbst wenn wir aufhören zu schießen, dürfen die Journalisten ihren Krieg nicht beenden.“ Als die Kämpfer um militärische Hilfe gegen die Besetzung von Tel-al-Zatar baten, antwortete die Führung der Fatah: „Al Naba ‚a und Sala fand Harash sind nicht vergleichbar mit Jaffa, Haifa und Jerusalem, die besetzt sind.“

Die Menschen in Tel-al-Zatar ertranken nun in einem Meer von Tränen angesichts des Feindes. Sie hielten zweiundfünfzig Tage lang die militärische Besatzung aus. Außer Linsen, Wasser und Tränen gab es keine Nahrung. Die Führung der palästinensischen Opposition fuhr fort, mit der arabischen herrschenden Klasse zu kollaborieren, wie sie es im Laufe der Geschichte getan hatte; sie ließ sich mit imperialistischen Weltmächten wie Khalid in Saudi-Arabien und Sadat in Ägypten ein; sie stand ständig an den Türen des syrischen Staates und spielte Hafez Al-Assad in die Hände, der bis über beide Ohren im Blut der Märtyrer von Tel-al-Zatar steckte.

Dies ist ein einfaches Beispiel dafür, dass Arbeiterinnen und Arbeiter ohne Gegenleistung mit Waffen für das Wohl ihrer Klasse kämpfen. Was in Tel-al-Zatar geschah, war nicht nur der Verlust einer militärischen Schlacht, sondern ein Versuch, sich von der Führung der palästinensischen Opposition zu lösen und ein Leben unter syrischer Herrschaft abzulehnen. Darauf weisen einige Aussagen von Kämpfern hin, die aus Tel-al-Zatar kamen: „Nachdem sich die Bewohner von Tel-al-Zatar von der Opposition losgesagt hatten, organisierten sie Arbeiterinnen- und Arbeiterräte, die aus 200 Personen bestanden.“ Die Antwort der palästinensischen Opposition an die Flüchtlinge lautete: „Es ist nicht nötig, Forderungen zu wiederholen, das Wichtigste ist die gewerkschaftliche/syndikalistische Organisierung, die die Situation auf eure Seite bringen wird.“

Die Menschen erkannten, dass die Führung im Unrecht war. Was bedeutet diese Position angesichts einer schweren militärischen Niederlage? Der Kampf ist mit der Entwaffnung der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Flüchtlinge nicht zu Ende. Die Kämpfer baten verschiedene Organisationen, ihre Position zu dieser Frage deutlich zu machen. Die Antworten dieser Organisationen waren Ausdruck ihrer Verlegenheit; sie konnten ihren Verrat nicht verbergen: „Die Situation ist gefährlich, deshalb können wir keine Verbindungen mit euch organisieren… Unsere Position vor dem Volk ist peinlich und schwierig.“ Sie versuchten, ihre Besorgnis zu zeigen, indem sie denjenigen, die lebend aus Tel-al-Zatar herauskamen, eine kostenlose Unterkunft anboten. Am 11. April sollen sie auch gesagt haben: „Die Situation ist sehr schlecht. Sorgt dafür, dass eure Leute eine schnelle Lösung finden.“

Der Verrat an den Arbeiterinnen und Arbeitern von Tel-al-Zatar durch die Opposition verliert an Bedeutung, wenn wir uns die Stärke dieses Experiments vor Augen führen. Es bestärkt uns in der Überzeugung, dass der Kampf um Tel-al-Zatar das vergossene Blut der Arbeiterinnen und Arbeiter wert war und beweist, dass die einzige Lösung der Klassenkampf in seinem speziellen Programm und mit seiner speziellen Anführung ist, die sich um die Arbeiterklasse dreht.

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Intifada: Aufstand für Nation oder Klasse?

Die Intifada begann am 8. Dezember 1987. Sie begann im Flüchtlingslager Jebalya in Gaza, dem ärmsten Gebiet der „besetzten Gebiete“ und dem am dichtesten besiedelten Gebiet der Erde. Auslöser war die Ermordung von Arbeiterinnen und Arbeitern an einem Kontrollpunkt der israelischen Armee. Sie hatte kein anderes Ziel als die Zerschlagung der Polizeikräfte der israelischen Bourgeoisie, die zwanzig Jahre lang die Flüchtlinge misshandelt, geschlagen, gefoltert und routinemäßig getötet hatten. Sie nahm die Form von Ausschreitungen und eines wilden Generalstreiks an.

Wenn man die Intifada zu Beginn des Jahres 1988 analysierte, konnte man sie leicht als eine homogene proletarische Bewegung gegen die Armut des täglichen Lebens sehen, als einen gewaltsamen Angriff auf den natürlichen, unmittelbaren Feind – die Bourgeoisie.

Die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) verhörten die ersten hundert verhafteten Randalierer; die Ergebnisse schockierten die Weltbourgeoisie:

„Kaum einer der Verhafteten kannte die Klauseln des Palästinensischen Nationalrats oder wusste von dessen Existenz. Sie waren nicht in der Lage, die gängigsten Slogans der PLO-Propaganda zu wiederholen, und selbst das zentrale Konzept des palästinensischen Kampfes – das Recht auf Selbstbestimmung – war ihnen völlig fremd. Keiner von ihnen hörte sich die abendlichen Sendungen des PLO-Radios aus Bagdad an. Sie wussten nicht, dass die palästinensische Frage auf dem Gipfeltreffen zwischen Reagan und Gorbatschow in Washington nicht auf der Tagesordnung stand, und es war ihnen egal. In den meisten Fällen handelte es sich um Arbeiter, die in Israel die Drecksarbeit erledigten. Im gesamten Gazastreifen füllten sich die Haftanstalten mit mürrischen jungen Männern, die sich als Opfer von Regierungen und Politikern aller Couleur sahen. Sie sahen sich nicht als Fußsoldaten des palästinensischen nationalen Kampfes, und die PLO hatte keine Unterstützung aus dieser Klasse instinktiver Rebellen.“5

Aber jetzt, 1992, nach fünf Jahren ununterbrochenen Kampfes und fünf Jahren Opposition gegen die Intifada seitens der israelischen und palästinensischen Bourgeoisie und der Weltbourgeoisie, was ist das Potenzial dieser Bewegung? Ist die Intifada „im Treibsand des Nationalismus versunken“? Ist das Proletariat noch militant und wütend? Wir müssen der Intifada Gehör schenken, denn sie birgt sowohl die Saat einer tragischen und blutigen Niederlage als auch die Saat des Sieges und des Fortschritts für die Weltarbeiterklasse und ihren Kampf.

Die Saat des Sieges

Die Intifada begann als ein völlig autonomer Kampf. Sie überschritt die Grenzen, die die palästinensische Bourgeoisie gesetzt hatte, und begann mit einer offenen Feindseligkeit gegenüber allen bourgeoisen Fraktionen. Sie wurde durch eine Klassenpolarisierung und nicht durch eine Rassenpolarisierung ausgelöst. Zwischen 1977 und 1985 hatte die PLO eine halbe Milliarde Dollar in die Gebiete gepumpt; die Arbeiterinnen und Arbeiter hatten gesehen, wie sich ihre bourgeoisen Nachbarn – die Bürgermeister, Unternehmer und selbsternannten Anführer – an dieser Bestechung bereicherten.

Als sich die Hölle von Gaza in ein Pandämonium verwandelte, richtete sich die Raserei nicht nur gegen die Israelis. Von Al-Bourej, Nuseirat und Ma’azi aus drangen Tausende auf die Felder der Landbewohner dieser Gebiete vor, zertrampelten und plünderten ihre Ernten. In Jebalya ertönten die Rufe „erst die Armee, dann Rimal“, denn Rimal ist eines der wohlhabenderen Viertel von Gaza.6

Auch die Vermieter waren das Ziel des Mobs, was viele dazu veranlasste, öffentliche Erklärungen zu veröffentlichen und drastische Mietsenkungen anzukündigen.

Die lokale palästinensische Bourgeoisie forderte die IDF auf, Straßensperren zu errichten, um die Ausschreitungen einzudämmen und ihr eigenes Eigentum vor Plünderungen und den Exzessen des Mobs zu schützen.7

Traditionelle Formen der sozialen Kontrolle mit geringer Intensität, die normalerweise in der Lage sind, Antagonismen zwischen den Klassen auszugleichen – die Familie, das Patriarchat und die Schule – haben ihre Macht verloren. Kinder im Alter von zwölf Jahren, manchmal auch jünger, widersetzen sich ihren Müttern und Vätern und gehen auf Ausschreitungen los; bei einem Vorfall in Ramallah steinigte eine Gruppe von Mädchen ihre eigenen Eltern, weil sie versucht hatten, ihre Intifada-Aktivitäten zu unterbinden. Lehrer werden von ihren Schülern in die Ausschreitungsgebiete gezerrt, mit Steinen beworfen und vor die israelischen Soldaten gestoßen. Frauen aus der Arbeiterklasse stehen an der Spitze des Kampfes: Zwei Fünftel der Todesopfer in den ersten drei Monaten waren Frauen, obwohl die IDF versuchen, nicht auf weibliche Demonstranten zu schießen.

Die Intifada begann frei von nationalistischen Forderungen, Merkmalen oder Charakter. Die Nationalisten und Linken der PLO in den Gebieten blieben in ihren Häusern, als die Intifada wütete, und warteten auf Befehle aus Tunis (dem damaligen Hauptquartier der PLO); ihre einzige Funktion auf der Straße bestand darin, vor den Fernsehkameras aufzutreten, um den Charakter der Ereignisse zu verzerren. Als die Befehle kamen, waren sie eindeutig: Wo sind die palästinensischen Fahnen? Wo sind die Poster von Arafat? Wo ist das PLO-Graffiti? Während die kämpfenden Proletarier ihren Bedarf an Waffen zum Ausdruck brachten, verteilte die PLO Fahnen und Plakate und sabotierte die Beerdigungen der Toten.

Wenn die Intifada einen wirklichen Erfolg für die Arbeiterklasse bringen soll, muss sie diesen bourgeoisen nationalistischen Karneval nicht nur überflügeln, sondern ihm den Kampf ansagen. Zugegebenermaßen war die Glaubwürdigkeit der PLO in den Gebieten noch nie so lächerlich wie heute, aber dieser Argwohn und dieses Misstrauen müssen gebündelt und mit Nachdruck gelenkt werden. Die PLO weiß, dass dies eine reale Möglichkeit ist. Sie hat wiederholt Waffen in den Gebieten zurückgehalten, weil sie befürchtete, dass sich diese gegen ihre eigenen lokalen Vertreter richten würden.

Der palästinensische nationalistische Kampf wurde im Exil geboren, in den bourgeoisen Vorstädten der europäischen Städte und den Universitäten der arabischen Welt. Palästinensische Flüchtlinge wurden in Lagern zusammen mit anderen unerwünschten überzähligen Arbeiterinnen und Arbeitern aus dem ganzen Nahen Osten abgeladen: Libanon, Irak und Pakistan. Sie erkennen, dass ihr Feind die Weltbourgeoisie und alle ihre Regierungen sind. Die Idee, für eine Nation zu sterben, ist nicht das, was die Intifada antreibt. Die Feindseligkeit gegenüber nationalistischen Perspektiven ist eine echte Stärke der Bewegung, aber der Nationalismus ist nicht die einzige ideologische Waffe der Bourgeoisie.

Die Saat der Niederlage

Die palästinensische Bourgeoisie war gezwungen, bei ihren Versuchen, der Intifada entgegenzukommen, viele neue Gesichter anzunehmen: links, rechts, islamistisch, christlich, pro-irakisch, anti-irakisch – so viele verschiedene Fraktionen wie in jedem bourgeoisen Parlament. Die internationalistische Perspektive des Islam hat sich als geeignet erwiesen, unter vielen jungen Flüchtlingen in Gaza Unterstützung zu finden.

Die palästinensische Bourgeoisie hat in letzter Zeit auch bewiesen, dass sie in der Lage ist, ihre Kontrolle in den Gebieten zu festigen: linke PLO-Banden sind eine palästinensische Polizei; sie verhindern, dass sich die Antagonismen zu einem offenen Klassenkrieg ausweiten, indem sie das Eigentum der Bourgeoisie vor den Plünderern und hungrigen Proletariern bewahren. Diejenigen, die die Reichen bestehlen und dabei erwischt werden, oder militante Klassenkämpfer werden als „Kollaborateure“ gebrandmarkt und öffentlich ausgepeitscht, in die Knie gezwungen, gehängt oder erschossen.

Die Bourgeoisie versucht auch, die Antagonismen zwischen den Klassen zu verschleiern; manchmal versucht sie sogar, sich selbst zu verschleiern! Reiche Kaufleute tauschen ihre Mercedes gegen verbeulte Jeeps ein. Die ganze Zeit über organisieren sie sich in ihrem eigenen Interesse.

So wie die Intifada die Komitees der Arbeiterinnen und Arbeiter ins Leben rief, um den Kampf zu organisieren, schuf die Bourgeoisie ihre eigenen Komitees: die Komitees der Händlerinnen und Händler, die Komitees der Ladenbesitzer, usw. Sie kommen zusammen, um zu besprechen, wie sie den Kampf unterdrücken und ihre eigenen Interessen verteidigen können. Diese Komitees sind relativ machtlos ohne die Unterstützung der linken Banden, die über die Waffen zu ihrer Verteidigung verfügen.

In den Gebieten ist ein neues arabisches Sprichwort entstanden: „walad bisaqa’a bilad“, „ein Kind kann eine Stadt zumachen“. Kinder stehen vor den Geschäften, die trotz der Streiktage geöffnet sind, und zünden vor den Augen des Ladenbesitzers Streichhölzer an, bis der Laden schließt. Während der achtwöchigen Ausgangssperre während des Golfkriegs griffen Jugendliche Geschäfte an, die zu hohe Preise verlangten. Die Ladenbesitzer hatten die Wahl: Entweder sie senkten ihre Preise auf das, was sich die Leute leisten konnten, oder sie wurden geplündert und ausgebrannt. Die Angst vor dem Proletariat und seiner Macht überwiegt bei der palästinensischen Bourgeoisie bei weitem die Angst vor den Israelis.

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Die Erfahrung des Proletariats ist international. Im Sudan wurden Hausbesetzer aus Lagern in den Außenbezirken von Khartum vertrieben und mit vorgehaltener Waffe in „Flüchtlingslager“ gebracht, wo sie nun unter der Kontrolle von Soldaten mit elektrischen Viehtreibern und Maschinengewehren leben. Die Arbeiterinnen und Arbeiter im Lager mit dem zynischen Namen „Al Salem“ (Frieden) stehen um vier Uhr morgens auf, um zwanzig Kilometer zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt zu laufen.

Selbst wenn ein palästinensischer Staat entstehen würde, würden sich die materiellen Bedingungen und die Klassenantagonismen, die zur Intifada geführt haben, nicht ändern. Die Ausbeutung durch den Kapitalismus würde unter anderer Flagge weitergehen.

Die Intifada hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, eine Klassenautonomie zu entwickeln; die Antagonismen der Klassengesellschaft sind alltäglich und flammen immer wieder zu einem sichtbaren Klassenkampf auf, wenn der eine oder andere Gutsbesitzer gelyncht wird.

Im Kampf werden die beiden Klassen der Gesellschaft auseinandergerissen. Arafat kann nicht die Lüge verkaufen, dass „wir alle Palästinenser im Kampf gleich sind“, wenn im Laufe der Intifada die gegensätzlichen Klasseninteressen von Vermietern und Mietern, von Arbeiterinnen und Arbeitern so anschaulich zutage treten.

Während die Intifada wütet, muss die Bewegung diese Autonomie entwickeln, um alle, die sich ihr entgegenstellen, wegzufegen, um ihren Angriff zu verstärken und ihre Verteidigung zu gewährleisten.

Die Intifada birgt in ihrem Kampf Perspektiven, die den zerbrechlichen sozialen Frieden in der ganzen Welt bedrohen. In dem Maße, in dem sich die Intifada zunehmend verselbständigt, wird die Reaktion der Bourgeoisie vorhersehbar sein – sie wird sich in ihren Bemühungen, sie zu zerschlagen, vereinen. Nur eine Verallgemeinerung des Kampfes kann dieser Bedrohung entgegenwirken: FÜR EINE WELTWEITE INTIFADA!!!

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Glossar

Intifada (arabisch) – Anarchie, chaotisch, abschüttelnd, ein Grollen von unten, Aufstand. Das Wort impliziert ein Geräusch. Es wurde von den Menschen innerhalb und außerhalb der „besetzten Gebiete“ übernommen, um den Aufstand gegen die israelische Armee zu bezeichnen; ein Aufstand zur Veränderung der Situation des palästinensischen Proletariats im Besonderen; um das bourgeoise Joch weltweit abzuschütteln, im Allgemeinen.

Hafez Assad – Präsident von Syrien

Sultan Ben Jahid – Präsident von Algerien

Ariel Sharon – Premierminister von Israel

König Hussein – König von Jordanien

Fatah – „Eroberung“, größte nationalistische Gruppierung innerhalb der PLO

Zionismus – nationalistische Bewegung des „jüdischen Volkes“. Obwohl Israel in unserem Bulletin als „zionistischer Staat Israel“ bezeichnet wird, sehen wir den israelischen Staat nicht einfach als das Ergebnis der zionistischen Ideologie, denn „er hat durchweg nach der Logik des Kapitalismus funktioniert“. Die Vertreibung der Palästinenser von ihrem Land und ihre Umwandlung von Bauern in Proletarier ist beispielsweise am besten als eine Form der primitiven Akkumulation zu verstehen. Dieser Prozess der Plünderung und Landnahme war überall ein Merkmal der kapitalistischen Entwicklung (siehe z. B. die Highland Clearances in Schottland im neunzehnten Jahrhundert). Es reicht jedoch nicht aus, bestimmte Ausbeutungsstrukturen wie den Zionismus anzugreifen; wir müssen die gesamte Grundlage dieser Phänomene – Kapital und Staat – angreifen.

Palästinensischer Nationalrat – ein palästinensisches Exilparlament, das sich aus verschiedenen bourgeoisen Fraktionen zusammensetzt: religiöse, nationalistische und linke.

Erstmals veröffentlicht im Sommer 1992 als Worldwide Intifada, Nr. 1; neu aufgelegt im Jahr 2002; diese Ausgabe wurde 2016 veröffentlicht.


1April 1992 – die PLO appelliert an die besetzten Gebiete, „die Zahl der Streiktage unverzüglich zu reduzieren“.

2K. Aburish, „Der Weg zu einer vernünftigen Zukunft“: Aufschrei Palästinas.

3Dr. Mahmoud Abu AI-Rab, außerordentlicher Wirtschaftsprofessor an der An-Najah-Universität; zitiert in Palestine Post, #57, November 1991.

4Die palästinensische Opposition, wie im Text erwähnt, bezieht sich auf die palästinensische nationalistische Bewegung, die gegen den Aufstand war und die Hilferufe der Arbeiterinnen und Arbeiter ignorierte.

5Der IDF-Bericht wird aus „Intifada“ von Ze’ev Schiff und Ehud Ya’ari – zwei linksliberalen israelischen Journalisten – zitiert. Das Buch ist eine nützliche Informationsquelle.

6Gleiches wie oben.

7Ein Beispiel dafür war das Dorf Dir al-Balah in den ersten Tagen des Aufstandes.

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