Gefunden auf aaap, ursprünglich erschienen in Internationale Rätekorrespondenz: Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung. – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1937, Nr. 22 (Juli).
Genauso wie im vorherigen Text, (Helmut Wagner, 1937) Der Anarcho-Syndikalismus und die spanische Revolution, setzt er sich mit Fragen auseinander, aber schon nach den berühmt berüchtigten Mai-Ereignissen in Barcelona. Genauso wie der Text von Helmut Wagner, setzt sich dieser mit Fragen auseinander die nicht an Relevanz verloren haben. Wir würden uns hier nur mit der Einleitung des Textes von Helmut Wagner wiederholen.
Revolution und Konterrevolution in Spanien
Die allgemeine Bilanz
„Die republikanische Valencia – Regierung hat, nachdem es gelang, den anarchistischen Elementen Herr zu werden oder ihren Einfluss ganz zu brechen und ein verhältnismäßig diszipliniertes Heer aufzubauen, beschlossen, dass dieselbe Politik auch in Katalonien durchgeführt werden soll. Sie hat dem Herrn Companys1 und der Generalidad angeraten, jetzt endlich jenes Dekret, welches bis dahin lediglich auf dem Papier stand und welches die Entwaffnung der Extremisten der libertären Bewegung anordnet, zur Durchführung zu bringen. Die Anarchisten, die in Barcelona, was ihre Stärke und die Stärke ihrer Bewaffnung anbetrifft, die größte Macht darstellen, nahmen daraufhin unverzüglich ihre Maßnahmen [in Angriff] und begannen mit der individuellen Entwaffnung der Guardias de Asalto. So begann der Kampf auf den Straßen; und seine ersten Resultate waren derart, dass die Regierung es für nötig achtete, mit den Libertären zu einer Übereinstimmung zu kommen und von deren Entwaffnung Abstand zu tun. In diesem Moment beschloss die Regierung in Valencia zu intervenieren und die Aufrechterhaltung der Ordnung in Katalonien in ihre Hände zu nehmen. Der General Pozas wurde mit dem Kommando der geregelten Kräfte der Generalidad belastet. Gleichzeitig schickte die zentrale Regierung motorisierte Einheiten und gab drei Kriegsschiffen den Auftrag, sich nach Barcelona zu begeben“.
(Le Temps, 8. Mai)
Die Ereignisse in Barcelona waren der Beginn einer neuen Phase im Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution. Die Phrase von der „Antifaschistischen Einheitsfront“ ist für alle, die sehen wollen, eindeutig widerlegt. Von einer Einheitsfront zwischen Bourgeoisie und Proletariat kann auch in Spanien keine Rede sein.
Zum ersten Male in der Ära der Volksfront standen sich die beiden Klassen der kapitalistischen Ordnung wieder offen gegenüber. Die Frage nach der Macht in der Gesellschaft wurde mit aller Deutlichkeit gestellt. Dieser Kampf um die Macht ist allerdings vorläufig beendet, ohne eine definitive Entscheidung gebracht zu haben. Die Arbeiter haben sich durch die Führer ihrer Organisationen zur Beendigung des Kampfes überreden lassen, sie haben sich mit Versprechungen und bedeutungslosen Zugeständnissen begnügt.
Alle wirklichen Vorteile dagegen sind der Bourgeoisie in den Schoss gefallen. Sie, die überhaupt sich auf dem Gebiete des auf geschliffene Weise Unterminierens der Machtpositionen der Arbeiterschaft mehr zu Hause fühlt als auf dem Gebiete des offenen Kampfes, in dem sie ja ihr konterrevolutionäres Gesicht gar zu deutlich zeigen müsste, konnte ihre Politik von vor dem 5. Mai nicht nur fortsetzen, sondern sogar verschärfen. Es gelang ihr, die ganze Regierungsmacht in ihren Händen zu vereinigen und wichtige militärische und ökonomische Positionen neu zu besetzen. Sie begann mit der Entwaffnung der revolutionären Arbeiter und hat die Verfolgung derselben eröffnet. Das Resultat der Ereignisse des 3.-5. Mai ist ein noch weiteres Aufrücken der bourgeoisen Kräfte gegenüber dem Proletariat.
Aber der Kampf ist noch nicht zu Ende, er hat den Proletariern nicht einzig und allein Nachteile gebracht. Allerdings sind die Arbeiter zurückgedrängt, geschlagen jedoch sind sie nicht.
Sie haben zwar viele materielle Positionen verloren, aber der Gegensatz zur Bourgeoisie ist verschärft, und das ist ein Gewinn.
Noch gelingt es der Bourgeoisie mit Hilfe ihrer Handlanger den größten Teil der Proletarier zu missleiten und ihm den Glauben an ein freies und demokratisches Spanien unter kapitalistischer Herrschaft aufzuschwätzen. Dieses aber wird von Tag zu Tag schwieriger, die Revolutionäre in Spanien erhalten damit ein stets dankbareres Arbeitsfeld. Die wachsende Verfolgung der revolutionären Kräfte in Spanien ist der Beweis nicht allein für das Anwachsen der Konterrevolution, sondern auch für einen Aufschwung des revolutionären Bewusstseins.
Es ist schwierig, über den zukünftigen Verlauf des Kampfes zwischen Revolution und Konterrevolution sichere Voraussagen zu machen. Das spanische Proletariat weiß, dass es im Falle der konsequenten Durchsetzung seiner Revolution die Bourgeoisie aller Länder gegen sich vereinigt sehen wird. Dieses Wissen ist eine die revolutionäre Entwicklung stark bremsende Kraft, Stalinisten und Sozialdemokraten machen von ihr weitgehend Gebrauch. Sie sollen auch in Zukunft alles tun, um das Gefühl der Ohnmacht zu verstärken, indem sie immer und immer wieder betonen, dass Franco ohne die Hilfe der Bourgeoisie nicht zu besiegen ist. Es ist von großer Bedeutung festzustellen, dass demgegenüber bereits andere Stimmen hörbar werden, die der Beweis sind für eine tiefere Einsicht in die tatsächliche Lage der Dinge. Die „Bolschewiki-Leninisten“, die Trotzkisten, die der offiziellen p.o.u.m.-Leitung oppositionell gegenüber stehen, die mit der Volksfront-Politik derselben nicht einverstanden sind, schreiben in einem zum ersten Mai ausgegebenen Manifest unter der Überschrift „Gegen Faschismus und bürgerliche Reaktion – die Diktatur des Proletariats!“ das Folgende: „Einem spanischen Proletariat, das die Macht eroberte, wird die Solidarität des Weltproletariats im ungleich höherem Masse als gegenwärtig zuteilwerden. Die demokratischen Imperialisten helfen Spanien nicht, weil sie fürchten, die Arbeiter könnten die Waffen, die sie dann erhalten würden, gegen ihre eigene Bourgeoisie richten. Dagegen steht es fest, dass z. B. das englische Proletariat einem proletarischen Baskenland viel mehr Hilfe zukommen lassen würde, als es heute katholischen Nationalisten gegenüber tut. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die baskische Reaktion den Kampf sabotiert und über die Köpfe der Arbeiter hinweg einen Waffenstillstand vorbereitet.
„Ohne Weltrevolution sind wir verloren“ sagte Lenin. Dies gilt ganz besonders für Spanien; aber um das Weltproletariat zum Aufstand zu bringen, müssen wir mit unserem Vorbild voran gehen.
Um das französische Proletariat zu veranlassen, mit der Volksfront zu brechen, ist es notwendig, die Volksfrontpolitik unserer eigenen Führer zu zerbrechen und ihr die revolutionäre Front der Arbeiter gegenüber zu stellen.
Die Entwicklung des Kampfes in Spanien hängt ab von der Entwicklung in der ganzen Welt, aber auch das Umgekehrte ist wahr. Die proletarische Revolution ist international, die Reaktion ist es ebenfalls. Jede Aktion der spanischen Proletarier findet ihr Echo in der übrigen Welt und jedes Aufflammen des Klassenkampfes hier, ist eine Stütze für die spanischen proletarischen Kämpfer.
Wird auch im Moment das spanische Proletariat zurückgedrängt, sein Kampf ist noch nicht verloren, denn er ist lediglich eine Phase in der internationalen Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, diese aber wird weitergehen. In ihr gibt es Zeiten des Aufstiegs und des Niedergangs, doch der Sieg der Proletarier ist gewiss. Die Pflicht des revolutionären Arbeiters ist darum, seine Sache unentwegt bis zum Äußersten hoch zu halten und niemals das Ziel, die Befreiung seiner Klasse aus dem Auge zu verlieren. All sein Handeln muss ihm untergeordnet sein.
Eine der ersten Vorbedingungen der Entwicklung des Kampfes im proletarisch-revolutionärem Sinne ist das Wissen der Proletarier von der Notwendigkeit dieses unversöhnlichen Klassenkampfes. Deswegen ist ein Aufräumen mit der Ideologie jener 0rganisationen, die sie an die Volksfront binden, im höchstem Masse notwendig. Trotz alles und allem dürfen die revolutionären Arbeiter niemals vergessen, die Schädlichkeit der Volksfrontpolitik aufzudecken. In diesen Rahmen fällt auch die Entlarvung der c.n.t. und f.a.i., die ebenfalls, und mögen sie es auch ableugnen, die Volksfront und damit die bürgerliche Reaktion unterstützen.
Die Haltung der C.N.T. vor den 3. Mai
Wieder einmal haben die Ereignisse den Bankrott der anarcho-syndikalistischen Grundsätze ans Licht gebracht. Im selben Augenblick, in dem der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie offen losbrach, hat die c.n.t., trotz der Tatsache, dass sie selbst in den Zusammenstoß der Kräfte einbezogen war, trotz der Tatsache, dass die Militanten aus ihren Reihen seit Tagen eine deutliche Antwort auf die Frage, ob die Arbeiter sich entwaffnen lassen sollten oder nicht, formuliert hatten, sich zum politischen Schacher verleiten lassen und hat damit geholfen, den Widerstand der Arbeiter zu zerbrechen. Die c.n.t. ist eine der Hauptschuldigen an der Unterdrückung des Aufstands, weil sie das Proletariat in dem Augenblick, in dem es gegen die demokratische Reaktion in Bewegung kam, demoralisierte. Man kann diese Haltung der c.n.t. nicht scharf genug anprangern, denn sie beweist den definitiven Bruch dieser Organisation mit dem revolutionären Klassenkampf und verstärkt ihre Verbindung mit der Volksfront und mit der kapitalistischen Reaktion.
Immerhin jedoch ist es notwendig, sich über die Ursachen klar zu werden, welche die c.n.t. zu dieser Haltung veranlassten. Es wäre nämlich ein Irrtum etwa anzunehmen, dass die c.n.t. einen gemeinen Verrat durchgeführt habe, indem sie sich bewusst gegen die Arbeiterrevolution gewandt hätte. Ein ebenso großer Irrtum wäre auch die Auffassung, dass diese Haltung nicht in Übereinstimmung mit dem Willen des größten Teiles der Arbeiterklasse gewesen sei. Es ist gerade umgekehrt, die c.n.t. brachte nichts anderes zum Ausdruck als das Bestreben der großen Masse der katalonischen Arbeiter, die zwar bis zum Äußersten den Kampf gegen den Faschismus und für ihre Befreiung führen wollen, aber die gesellschaftlichen Probleme nicht klar genug erkennen, um den revolutionären Kampf vom Reformismus, um bürgerliche Demokratie, von proletarischer, um Kapitalismus von Kommunismus zu unterscheiden. Die c.n.t. drückte nichts anderes aus als die Meinung des schwankenden, politisch noch unreifen Teiles des Proletariats. Und ebenso wenig als man die nicht revolutionär – bewussten Arbeiter als Klassenverräter kennzeichnen kann, weil die Angst vor Franco sie in ihrem Kampf gegen die „demokratische“ Reaktion schwächt, ebenso wenig kann man dies gegenüber den Organisationen tun, die ihre Auffassungen verkörpern. Viel besser ist es, die Ursachen und Motive dieser Haltung begrifflich zu erfassen, nicht in seiner Auswirkung, sondern an seiner Wurzel anzugreifen. Die c.n.t., die Millionen Arbeiter umfasst, die die einzige revolutionäre Organisation von Bedeutung in ganz Spanien war, die nach dem 19. Juli praktisch die gesamte katalonische Arbeiterbevölkerung als Anhängerschaft zählen konnte, ist trotzdem nie eine wirkliche Klassenorganisation gewesen. Die c.n.t., die alle Politik stets kategorisch ablehnte, die alle Staats- und Parteidiktatur verurteilte, hat sich nun so verirrt in Parteipolitik und Regierungsschacher, dass sie als revolutionäre Organisation daran zugrunde gehen musste. Der Widerspruch zwischen Theorie und Handeln erscheint riesenhaft, aber ist nur oberflächlich. Der Vorwurf ausländischer Anarchisten, dass die c.n.t. ihre anarchistischen Prinzipien verraten habe, ist keineswegs angebracht. Die c.n.t. konnte gar nicht anders handeln mit ihren absolut wirklichkeitsfremden Grundsätzen, sie musste sich einer der kämpfenden Mächte anschließen.
Gerade ihre anarchistischen Grundsätze‚ ihre Illusion, dass sie die Organisation sei, die den Kampf der Arbeiter verkörpere, hielt sie ab von der Vorbereitung der wirklichen Klassenorganisation und trieb sie in die Arme der Bourgeoisie, wo sie als revolutionäre Klassenkampforganisation ihren Untergang fand.
Der Syndikalist vom 29. August 1931 schrieb:
„Es gibt im nationalen Komitee der c.n.t. eine Anzahl Kämpfer, die nicht glauben, dass die c.n.t. in ihrem augenblicklichen Stadium nicht imstande ist, die Produktionsleitung zu übernehmen, sie möchten Zeit haben, sehr viel Zeit, um die c.n.t. besser zu organisieren.“
Diese Äußerung ist charakteristisch für die gesamte anarcho-syndikalistische Bewegung bis auf den gegenwärtigen Tag. In den Augen der spanischen anarcho-syndikalistischen Bewegung ist der Kommunismus eine Angelegenheit der Übernahme der Produktion durch die c.n.t. und der Leitung derselben durch die Syndikate, also nicht das Werk der Arbeiterklasse insgesamt mittels seiner eigenen Räteorganisationen.
Diese Auffassung, die kennzeichnend ist für eine Gewerkschaft, die infolge besonderer Umstände kampfkräftig blieb und nicht reformistisch entartete, ist darum nicht weniger im Widerspruch zur Wirklichkeit.
Hier liegt der wesentliche Grund, warum die c.n.t. ihrer revolutionären Aufgabe nicht gewachsen ist.
Wie sehr diese Auffassung das ganze Denken und Handeln der c.n.t. beherrscht, so dass sie selbst die leiseste Spur einer wirklichen Klassenpolitik vernichtete, ist deutlich ersichtlich aus den Materialien, die die c.n.t. anlässlich der Ereignisse in Katalonien herausgegeben hat. Wir verweisen auf das in deutscher Sprache erschienene Informationsbulletin der a.i.t. (i.a.a.) vom 11. Mai 1937:
„Wir müssen jedoch auch einsehen, dass eine der beiden Gewerkschaften, c.n.t. oder u.g.t., allein nicht imstande sein wird, um diese Arbeit (nämlich das Vorwärtsschreiten nach konkreten Formen des ‚freien Sozialismus‘) zu erfüllen. Die u.g.t. kann sich der c.n.t. nicht aufdrängen, aber auch das Gegenteil ist unmöglich, das würde Bürgerkrieg bedeuten. Es können auch keine zwei Produktionsformen nebeneinander bestehen. Die Arbeiter in den Betrieben haben die Lösung in dem praktischen Zusammenwirken beider Richtungen gefunden. Dies muss im Landesmaßstabe auch geschehen. Wenn wir für den Ausbau der Industrieföderationen und die Allianz c.n.t.-u.g.t. arbeiten, dann werden wir die Fundamente jener neuen iberischen Wirtschaft legen, die wesentlich verschieden ist von allen bisherigen sozialen Experimenten, die Ausdruck unseres Volkes ist.“
Die c.n.t. sieht also die Lösung der Gegensätze zwischen Sozialdemokratie und Anarchismus in einer Einheitsfront der Organisationen, die jedoch an den Zielstellungen derselben nichts verändern kann. Welche Politik muss diese Einheitsfront nun führen, eine sozialdemokratische oder eine anarchistische? Oder muss sie zwischen beiden Richtungen hindurchlavieren? Die Sozialdemokratie denkt in ihren „revolutionärsten“ Augenblicken vielleicht einmal an eine allgemeine Nationalisierung der Ökonomie, während sie in der Praxis jede Veränderung des ökonomischen Lebens sabotiert. Die Anarchisten stehen prinzipiell jeder Staatsmacht feindlich gegenüber und wollen die Produktion unter die Führung der Gewerkschaften bringen und dies, wie sie meinen, als Ausdruck einer selbständigen Arbeitermacht. Ein Kompromiss zwischen einer solchen Arbeitermacht und der Sozialdemokratie ist jedoch ein unmögliches Ding. Falls ein Kompromiss zwischen Sozialdemokraten und Anarchisten aber doch besteht, muss es notwendig einen anderen Charakter haben als den oben angegebenen. Und in der Tat, es ist so. Es bedeutet nichts anderes als eine Reihe von Konzessionen der c.n.t. an die Sozialdemokratie mit der Hauptverpflichtung, die bestehende bürgerliche „Demokratie“ nicht anzugreifen. Die notwendige Folge hiervon ist, dass die Gewerkschaftsorganisationen als bereits jetzt schon mehr oder minder verbürokratisierte Apparate in kurzer Zeit vollkommen mit dem Staat verwachsen, der Arbeiterschaft total entfremdet werden und dann von selbst als überflüssiger Ballast verschwinden. So erscheint der Kompromiss zwischen Sozialdemokratie und Anarchismus nicht als ein Kompromiss zwischen c.n.t. und u.g.t., sondern als ein vollkommener Sieg der Sozialdemokratie und des Bürgertums.
Aber die c.n.t. kann dies nicht einsehen. Nach ihrer Meinung ist es bereits Sozialismus, wenn die Gewerkschaften die Leitung der Produktion übernehmen.
Warum sich also Sorgen machen über die verschiedenen politischen Richtungen? Die Produktion unter gemeinsamer Leitung der Syndikate, das ist zugleich Beginn und Ende der Revolution. Das ist Kommunismus nach ihrer Auffassung. Der ganze Rest ist eine Angelegenheit technischer Art und weiter nichts. Die fortwährende politische Diskussion jedoch [steht] der Einheit im Wege und darum, fort mit aller Politik! Gemeinschaftliche Leitung durch die Gewerkschaften! Wenn nur die Sozialdemokraten wollen, dann ist alles in Ordnung! Dann sind diese, mögen sie sich noch so sehr gegen die Tatsache sträuben, Anarchisten geworden. Sie haben dann doch immerhin verwirklicht, was die Anarcho-Syndikalisten sich als Ziel gestellt hatten, der freie Kommunismus ist also geboren.
Die Anarchisten begreifen nicht, dass revolutionäre Klassenmacht etwas ganz anderes ist. Gewiss ist die Einheit der Arbeiterklasse notwendig, aber gerade die Scheineinheit des Kompromisses der Organisationen verhindert das Zustandekommen der revolutionären Klasseneinheit. Es ist keine Einheit möglich zwischen der sozialdemokratischen Auffassung, die die Macht in die Hände des bürgerlichen Staates legen will, welche die Arbeiter zu entwaffnen versucht, sobald sich ihr die Möglichkeit bietet, jede Vergesellschaftung rückgängig macht und jenen revolutionären Auffassungen die Parole : „Alle Macht dem Proletariat“ als Ausgangspunkt nehmen. Wenn die Arbeiterklasse sich in einem revolutionären Kampf organisiert, dann geschieht das nicht, um die Macht einer Volksfrontregierung zu übergeben und sich durch diese entwaffnen zu lassen – sondern um alle Macht selbst auszuüben.
Die Organisationen, die Parteien so gut als die Gewerkschaften, verkörpern die verschiedenen politischen Strömungen, welche in der Arbeiterklasse vorhanden sind und die sich beziehen auf die innerhalb des Kapitalismus gegen die Bourgeoisie zu führende Politik. In einem revolutionären Kampfe traten den Arbeitern jedoch neue Probleme entgegen. Die sie nur lösen können auf der Basis der konkreten Forderungen des Augenblicks. Hierzu ist eine völlige Umwälzung in den Köpfen der Arbeiter notwendig.
Die alten Organisationen ließen den Ideenkampf zu einen Kampf um überlieferte Dogmen erstarren; sie stehen der geistigen Erneuerung der Arbeiter im Wege. Auch darum müssen sich die Arbeiter von ihnen lösen, denn sie bedrohen die Revolution ebenso durch ihren geistigen als auch materiellen Einfluss. An Stelle des Kompromisses zwischen c.n.t. und u.g.t. gilt es die Losung: „Alle Macht an die Arbeiterräte“ zu stellen. Die Arbeiter müssen ihre Macht unmittelbar ausüben, und nicht auf dem Umwege über eine Bürokratie, die sich ihnen, je länger je mehr, entfremden muss. Ihre geistige Befreiung aus den Fesseln des Kapitalismus kann ebenfalls nur ihre eigene Aufgabe sein. Sie kann sich keinesfalls durch Kuhhandel und Abkommen der Bürokraten vollziehen.
Aus diesem Grunde sind die revolutionären Oppositionen so bedeutungsvoll, nicht allein, weil sie die Einzigen sind, die mehr oder weniger klar einen revolutionären Standpunkt vertreten, sondern auch weil sie den erstarrenden Einfluss der alten Organisationen brechen. Sie verwandeln den Kampf der Organisationen in einen Kampf der Auffassungen, die nicht länger mehr nach ihrer Herkunft beurteilt werden können, sondern allein nach ihrem Wert für die Revolution. Sie verkörpern selbst dort, wo sie unzulänglich erscheinen, den geistigen Befreiungskampf des Proletariats.
„Mit klarem Blick für die Möglichkeiten des Augenblickes erklärte die c.n.t., dass sie auf eine sofortige Verwirklichung ihres eigentlichen Zieles, des freien Kommunismus verzichte. Doch setzte sie sich ein für die Kollektivierung der Groß- und Mittelbetriebe durch die Arbeitergewerkschaften und für die fortschreitende Zersetzung der alten Staatsinstitutionen durch neue wirtschaftliche und politische und kulturelle Organe unter Kontrolle der Arbeitersyndikate. Da die c.n.t. sich schon vor dem 19. Juli darüber klar war, dass sie allein diese Aufgabe nicht durchführen könnte, erklärte sie als Mittel zur Erreichung dieser Gegenwartsziele die revolutionäre Allianz zwischen den anarchistischen und sozialistischen Gewerkschaften, d.h. zwischen c.n.t. und u.g.t.. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend gestand die c.n.t. der u.g.t. selbst in Katalonien in allen Komitees Parität zu, obwohl in Katalonien eine u.g.t. nicht bestanden hatte und erst nach dem 19. Juli geschaffen wurde als Zufluchtsstätte gewisser gehobener Arbeiterschichten und des gesamten Kleinbürgertums.“
(Aus demselben Bulletin).
„Wir sehen die Dinge so wie sie sind, ohne Brille, ohne doktrinäre Voreingenommenheit. Es handelt sich um eine Revolution und nicht um gelehrte Diskussionen über dieses oder jenes Prinzip. Prinzipien dürfen nicht strenge Gebote sein, sondern handliche Formen zur Bewältigung und Gestaltung der Wirklichkeit. Garantiert diese unsere Plattform die Errichtung des reinen freiheitlichen Kommunismus am Tage nach der Revolution? Sicherlich nicht. Aber sie garantiert die Zerschlagung des Kapitalismus und die Vernichtung seiner Stütze, des Faschismus. Sie garantiert die Errichtung eines proletarischen, demokratischen Regimes ohne Ausbeutung und ohne Klassenprivilegien und ein breites Zugangstor zu einer freiheitlichen Gesellschaft im weitesten Sinne.“ (Deutsches Bulletin der a.i.t. vom 11. Mai 1937).
Hier erreicht die anarchistische Verwirrung ihren Höhepunkt. Welches sind nun gemäß der c.n.t. oder i.a.a. die konkreten Aussichten dieses Kampfes? Nicht der freie Kommunismus‚ wohl aber die Vernichtung des Kapitalismus, Errichtung eines proletarisch demokratischen Regimes ohne Ausbeutung und Klassenprivilegien. Aber wenn dies noch kein freier Kommunismus ist, was ist es dann wohl?
Wir waren immer der Meinung, dass nach der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und der Aufhebung der Ausbeutung in Verbindung mit der Durchführung der proletarischen Demokratie, der Kommunismus verwirklicht sein würde. Anscheinend haben wir uns geirrt. Oder – sollte die c.n.t. unter proletarischer Demokratie, Aufhebung der Ausbeutung usw. etwas anderes verstehen als wir?
Angesichts der Praxis ist die Antwort nicht schwierig. Die Verwirklichung dessen, was die i.a.a. als ein Minimum-Programm bezeichnet, können wir in der gegenwärtigen Praxis erkennen.
Proletarische Demokratie? Gemeint ist: Gleichmäßige Vertretung der Gewerkschaftsverbände in der Regierung, also Verhinderung der revolutionären Einheit mittels einer Scheineinheit, dargestellt durch den Kompromiss und den Konkurrenzkampf der Meinungsfraktionen.
Aufhebung des Kapitalismus? Gemeint ist: Ausschaltung der Kapitalisten, jedoch ohne dass die ökonomische Macht über die Betriebe in den Besitz der Arbeiter gelangt.
Aufhebung der Klassenprivilegien? Gemeint ist: Die Arbeiterorganisationen dürfen neben den bürgerlichen in der Regierung Platz nehmen, während das Arbeitslose Einkommen der Besitzer [?] bestehen bleibt.
Aufhebung der Ausbeutung? Gemeint ist: Aufhebung der Ausbeutung durch die Privatkapitalisten, die Übergabe der Produktionsleitung an die Syndikate.
Da die Syndikate jedoch bürokratische Organisationen sind, in denen der Einfluss der Arbeiter absolut ausgeschaltet ist – die Praxis hat dies auch in Spanien zur Genüge bewiesen (Siehe auch Rätekorrespondenz, Nr. 21) –, bedeutet dies, dass die Arbeiter das Bestimmungsrecht über Produkt und Produktionsmittel aus den Händen geben und zwar an eine bürokratische Organisation, die ihnen entfremdet ist. Das bedeutet, dass eine über den Arbeitern stehende herrschende Schicht über die durch diese erzeugten Produkte verfügt und dieselben nach eigenem Gutdünken verteilt. Das bedeutet letzten Endes, dass die Arbeiter anstatt durch Privatkapitalisten durch die Gewerkschaftsbürokratie ausgebeutet werden. Hieraus muss sich dann notwendig eine neue Staatsherrschaft bilden, da nun einmal keine Überherrschung ohne Staat existieren kann.
Dies sind also die Programmpunkte, wie sie in konkreten Fällen durch die c.n.t. ausgearbeitet wurden. Wenn dies ihr Minimum-Programm ist, dann hat sie allerdings recht, wenn sie meint, dass dies kein freier Kommunismus ist. Aber sie hat auch doppelt unrecht, wenn sie behauptet, dass es die Eingangspforte zum freien Kommunismus weit öffnet.
Kapitalismus und Kommunismus sind Begriffe, welche die c.n.t. anscheinend nicht gut unterscheiden kann. Ihre ganze Handlungsweise trägt den Stempel dieses Unvermögens. Überall proklamiert sie die „Proletarische Demokratie“. Und darum schließt sie die Einheitsfront mit der u.g.t., von der sie selbst schreibt, dass sie: „in Katalonien nicht bestanden hatte und erst nach dem 19. Juli geschaffen wurde als Zufluchtsstätte gewisser gehobener Arbeiterschichten und des gesamten Kleinbürgertums.“
Und mit Hilfe dieser Organisation will sie die proletarische Demokratie errichten, den Kapitalismus vernichten, die Ausbeutung aufheben, die Sonderstellung der Klassen abschaffen!
„Die im Lande verbliebene kleine und mittlere Bourgeoisie, die Berufspolitiker, Parlamentarier, Angestellten reformistischer Arbeiterorganisationen und vor allem die Kommunisten leiteten jedoch eine immer aktiver werdende Politik zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse ein. Der korrupte bürgerliche Parlamentarismus wurde als Ideal des kämpfenden antifaschistischen Volkes hingestellt. Eine große Offensive gegen die revolutionären Komitees setzte ein, die‚ zusammengesetzt aus c.n.t. und u.g.t. oder diesen beiden Gewerkschaften und den antifaschistischen Parteien, alle wesentlichen Funktionen des öffentlichen Lebens übernommen hatten.“
Die Konterrevolution, umfassend die Reste der Bourgeoisie, Berufspolitiker, Parlamentarier, Beamter der reformistischen Organisationen, Kommunisten, also Esquerra, p.s.u.c., u.g.t., griffen also die Revolution an, die in den revolutionären Komitees verkörpert war, welche aus Gewerkschaften und Parteien bestanden, d.h. ebenfalls aus Esquerra, p.s.u.c., u.g.t., und c.n.t.-f.a.i..
Wie steht es denn nun eigentlich mit den Stalinisten, Sozialdemokraten, und Bürgerlichen? Sind sie revolutionär oder konterrevolutionär? Augenscheinlich sind sie revolutionär in den Komitees und konterrevolutionär in der Regierung. Und doch führen sie an beiden Stellen dieselbe Politik…
Es ist übrigens genügend bekannt, dass von den Anarchisten fortwährend Konzessionen den Richtungen und Organisationen gemacht wurden und werden, die sie selbst als konterrevolutionär bezeichnen.
„Die c.n.t. […] opferte der antifaschistischen Einheit manche Forderung, die von den revolutionären Arbeitern als unveräußerlich betrachtet worden war. Die Massen der c.n.t. hielten Disziplin und bissen die Zähne zusammen.“
(Im selben Bulletin).
Hier geht es um die Vernichtung der anarchistischen Machtpositionen an der französischen Grenze, um die direkte Vorbereitung zum konterrevolutionären Angriff. Die Anarchisten geben hier im Interesse der Einheit eine der wichtigsten Positionen preis und schneiden sich selbst die Verbindung zum französischen Proletariat ab. Dies alles zu Gunsten einer „Einheit“, die nur existieren konnte durch die absolute Niederlage des einen Teils, nämlich des kämpfenden Proletariats. Und dies, während die Anarchisten selbst erklären:
„Für die revolutionären Arbeiter Spaniens hatte die Verteidigung gegen den Faschismus nur Sinn als gleichzeitiger Kampf gegen das kapitalistische Regime.“
(selbes Bulletin).
Aber wir müssen wiederholen; die Widersprüche zwischen diesen Äußerungen und den Taten sind nur scheinbar. In Wirklichkeit besteht Übereinstimmung, weil die Anarchisten nun einmal unter Kapitalismus und Kommunismus, Revolution und Reformismus etwas Anderes verstehen als wir. Bei ihnen ist die Revolution nichts weiter als eine einfache Übernahme der Produktion durch die c.n.t. und Kommunismus nichts anderes als die Leitung der Produktion durch die Gewerkschaften. Wird dieser Maßstab angelegt, dann erhält das Zurückweichen der c.n.t. nur den Charakter ziemlich unbedeutender Konzessionen, während es in Wirklichkeit eine vollständige Kapitulation vor der Reaktion darstellt.
Die Haltung der C.N.T. während der Maitage
Nach alledem braucht die Haltung der c.n.t. während der Maitage keine Verwunderung mehr zu erregen. Wir erinnern an das scharfe Manifest der iberischen libertären Jugend2, welches die Anklage der anarcho-syndikalistischen Jugend gegen die Volksfrontpolitik enthielt und zur Kenntnis des spanischen Volkes gekommen ist. Hier handelt es sich um einen Teil der anarchistischen Bewegung, die sich mitten im revolutionären Kampf befindet und darum die Gegensätze zwischen Revolution und Konterrevolution scharf erkennt. Mit der offiziellen c.n.t. steht es dagegen ganz anders, sie hat sich im Laufe der Monate zu einem Teil des Regierungsapparates entwickelt. Ihre Komitees sind ein Teil des Staates. Ihre Leute sitzen in den Ministerien und hohen Armeepositionen. Aber sie sitzen dort nicht (natürlich nicht) als Vollstrecker des Willens der Arbeiter, sondern als Agenten des herrschenden Regimes. Die Regierungskrisis in Katalonien, die Ernennung eines Regierungsgenerals zum Kommandanten der katalanischen Miliztruppen, – der Versuch der Besetzung der Telefonzentrale hatte für sie nur die Bedeutung von Zwischenfällen. Sie widersetzte sich diesen Versuchen und billigte den Widerstand ihrer Anhänger gegen diese Maßregeln; aber sie ging nicht weiter, weil sie nicht begreifen konnte, dass diese Maßnahmen nur Teilaktionen im Rahmen eines großangelegten Versuches der Bourgeoisie, die Arbeiterklasse zu entwaffnen, darstellten. Die Anarchisten erhielten „Genugtuung“, indem einzelne „Provokateure“ ihrer Funktion enthoben und durch andere Offiziere zwecks Aufrechterhaltung der Ordnung ersetzt wurden. Und schon rief die c.n.t. ihre Anhänger zur Einstellung aller Aktionen auf. Der Zwischenfall war für sie erledigt, die Konterrevolution hatte gesiegt. Doch Letzteres scheint die c.n.t. nicht zu wissen.
„Wir sind ermächtigt zu erklären, dass weder die c.n.t. noch die f.a.i. noch irgendwelche andere verantwortliche Organisation, die von diesen abhängt, die antifaschistische Einheitsfront gebrochen oder dazu irgendeinen Versuch unternommen haben.
Die Gewerkschaften und die anarchistischen Organisationen arbeiten weiter mit voller Loyalität, wie bis heute, mit allen anderen gewerkschaftlichen und politischen Sektoren der antifaschistischen Front zusammen. Beweis dafür ist, dass die c.n.t. weiter an der Regierung der Republik, wie an der Generalidad von Katalonien mitarbeitet, wie auch in allen Gemeinden. Als der Konflikt in Barcelona hervorgerufen wurde, haben die c.n.t. im regionalen und Landesmaßstab alles getan, um den Konflikt so rasch wie möglich lösen zu können. Am zweiten Tage des Konfliktes kamen in Barcelona der Sekretär des Nationalkomitees der c.n.t. und der Justizminister, ebenfalls ein bekanntes Mitglied der c.n.t., an und taten alles Menschenmögliche, damit der Bruderkampf aufhörte. Außer den Schritten, die sie bei den Verantwortlichen der anderen politischen Sektoren unternahmen, richteten sie an die Bevölkerung von Barcelona Reden, die die ganze Welt gehört hat; sie muss erkennen, dass aus ihnen nur Ernst und Wille zur Einigkeit in der Aktion gegen den gemeinsamen Feinde, den Faschismus, sprachen.“
Der Sekretär des Nationalkomitees, Mariano Vasques, sagte in seiner Rede vor dem Mikrofon der Generalidad am 4. Mai folgendes:
„Wir müssen aufhören mit dem was hier vorgeht. Wir müssen aufhören, damit unsere Genossen an der Front wissen, dass wir uns die Realitäten des gegenwärtigen Augenblickes vor Augen gehalten haben, und damit sie wissen, dass wir gewillt sind uns miteinander zu verständigen. Keinen Augenblick darf dieses Gefühl der Unsicherheit im Hinterlande bestehen, darf der Faschismus Hoffnung haben. Stellt das Feuer ein, Genossen! Aber niemand soll diesen Waffenstillstand dazu benützen, Positionen zu erobern. Wir sind hier vereinigt und werden solange diskutieren, wie es notwendig ist, aber wir werden die Lösung finden, einen Akkord zwischen allem, weil es unsere Pflicht ist, weil es der Selbsterhaltungstrieb uns befiehlt, dass in diesem Punkte alle antifaschistischen Kräfte der Generalidad in Katalonien unter sich einig werden. Wir hier Versammelten und insbesondere das Exekutiv-Komitee der u.g.t. und das Nationalkomitee der c.n.t., wir sind in größter Eile hierher gekommen, um die schwere Situation, in der sich Barcelona befindet, zu beendigen und wir kommen mit der Absicht, das Gemeinsame zu finden, damit ein Ende gemacht wird mit dem, wir wiederholen es, was nur dem gemeinsamen Feind, dem Faschismus nützen kann.“
(aus Nr. 44 des Bulletin der i.a.a.).
„Stellt das Feuer ein, Kameraden!“ so spricht der anarchistische Vorsitzende aus dem Gebäude der Generalidad, welches durch die revolutionären Anarchisten belagert wird. „Stellt das Feuer ein“! Wir werden solange diskutieren, bis Revolution und Konterrevolution zur Übereinstimmung gekommen sind.
Die konföderale Presse hat verschiedene Aufrufe zur Wiederaufnahme der Arbeit erlassen. Die durch [das] Radio gegebenen Noten an die Syndikalisten, an die Verteidigungskomitees waren nichts anderes als Aufrufe zum Ernst und zur Befriedigung der Geister.
Ein weiterer Beweis dafür, dass die c.n.t. nicht die antifaschistische Einheitsfront brechen wollte, besteht darin, dass sie am 5. Mai die Bildung einer neuen katalonischen Regierung ermöglichte, an welcher der Sekretär des Regionalkomitees der c.n.t. selbst teilnimmt.
Wir sind weiterhin ermächtigt zu erklären, dass die c.n.t. und die f.a.i. in keinem Falle die öffentliche Gewalt, noch die Einrichtungen des Staates oder der Generalidad angegriffen haben. An keinem Orte, für den die Mitglieder der c.n.t. verantwortlich waren, ist ein ‚erster Schuss‘ gefallen.
Die verantwortlichen Männer der Konföderation, die an der Spitze des Kriegsministeriums stehen, haben Befehle an sämtliche Kräfte gegeben, die vom Ministerium abhängen, dass sie in keiner Weise in den Konflikt eingreifen sollen. Sie haben auch darüber gewacht, dass diese Befehle durchgeführt wurden.
Die verantwortlichen Genossen der konföderalen Verteidigungskomitees der c.n.t. und f.a.i. gaben die Parole aus, dass aus den Bezirken niemand sich entfernen und niemand auf Provokationen antworten soll, Befehle, die ebenfalls überall durchgeführt wurden.
Die Regionalkomitees der c.n.t.-f.a.i. haben weiterhin die Parole ausgegeben, dass sich in ganz Katalonien niemand bewegen und die Ordnung nirgends gestört werden solle.
Als es sich darum handelte, das normale Leben der Stadt wiederherzustellen, waren die c.n.t. und die FAI die ersten, die ihre Mitarbeit anboten, die ersten, die die Parole zum Einstellen des Feuers gaben. Als die Zentralregierung beschloss, die öffentliche Ordnung selbst in die Hand zu nehmen, war die c.n.t. die erste, die der öffentlichen Ordnung ihre Kräfte zur Verfügung stellte. Als die Zentralregierung beschloss, Kräfte nach Barcelona zu schicken, um die politischen Elemente, die sich der Kontrolle zu entziehen versuchten, zu überwachen, war die c.n.t. wieder die erste, die in allen katalonischen Bezirken den Durchmarsch dieser Kräfte erleichterte, und ermöglichte so, dass diese nach Barcelona kamen. (Nr. 44 des i.a.a.-Bulletins).
Arbeiterdemokratie! Die Losung der c.n.t. Garantiert durch ihr Programm und durch die Verbündung mit der u.g.t. Was aber ist die Wirklichkeit?
Ministerkonferenzen, Aufrufe, den Kampf zu beenden, Verbote, die die Bewegungsfreiheit der Arbeiter einschränken, Begünstigung der Truppentransporte nach Barcelona, Bewachung jener „Elemente, die sich der Kontrolle entziehen“. Und die Arbeiter – sie müssen den Parolen gehorchen und abwarten, was Mariano Vasques mit Herrn Caballero und seinesgleichen verabredet. Und dann: Gehorsam! Keine Opposition, in jedem Falle keinen Kampf. Diskutieren. – So verteidigt die c.n.t. die Arbeiterdemokratie! So verteidigt sie die Revolution!
Aber nochmals: Es ist dies die logische Konsequenz der ganzen Entwicklung der c.n.t. und ihrer Auffassungen. Bedeutet nämlich Arbeiterdemokratie nichts anderes als paritätische Vertretung der Organisationen, dann muss der Kompromiss mit der u.g.t. um jeden Preis gerettet werden. Ein c.n.t.-General, Mariano Vasques, hat aufgerufen, den Kampf zu beenden. Er ist c.n.t.-Mann, also: Er personifiziert das katalonische Proletariat. Was wollen die Arbeiter noch mehr? Ihr Vertreter diskutiert mit Caballero, ist dies nicht die beste Garantie dafür, dass sie zu ihren Rechten kommen? Arbeiter Kataloniens, geht nur ruhig nach Hause, Mariano Vasques wird sowohl die Demokratie als auch die Revolution retten.
Das einen Tag später erschienene Bulletin vom 11.5., aus dem wir bereits einige Zitate entnahmen, gibt zwar einen einigermaßen anderen Eindruck von den Ereignissen, obwohl die konkreten Tatsachen dieselben sind. Während sich in dem zitierten Manifest der c.n.t.-f.a.i. diese Organisationen jeder Solidarität verschließen, schreibt das Bulletin der i.a.a. vom 11. Mai:
„Der 3. Mai bewies jedoch Barcelona von neuem, was der katalonische Anarcho-Syndikalismus ist. Wie am 19. Juli, so wurde auch an diesen Tagen eine Totalmobilmachung der Arbeiterbevölkerung der Stadt durchgeführt. Diese Bewegung war ein Plebiszit auf den Straßen. Alle Arbeiterviertel der Stadt, alle ohne Ausnahme, waren mit einem Schlage in Festungen der c.n.t. verwandelt. Die Wohnbezirke der proletarischen Massen Barcelonas stehen zur c.n.t. – heute wie immer.“
Inzwischen wurden auch hier dieselben Tatsachen bezüglich der Aufrufe zur Niederlegung der Waffen wiederholt. Noch einmal wird der Beweis geliefert, dass die Anarcho – Syndikalisten außerstande sind, den Klassenkampf als Klassenkampf zu sehen. Ihnen erscheint die ganze Angelegenheit nur als ein Kampf für diese oder jene Organisation. Obgleich sie selbst konstatiert, dass: „ Wo in diesen Stadtteilen, Kasernen und Wachen der Polizei und der republikanischen und marxistischen Milizen vorhanden waren, stellten sich diese entweder, wie die Polizei in Sans und San Gervasio, auf die Seite der Arbeiter oder sie erklärten ihre Neutralität wie die Soldaten der kommunistischen Kaserne in Sarria.
“[…] Die alte Polizei, die Marxisten und die Republikaner hingegen hielten die bürgerlichen Wohngegenden und das Stadtinnere besetzt, wo die durch sie vertretenen Bevölkerungsteile ansässig sind.“
(aus demselben Bulletin).
Die Folgen der Liquidation
Die c.n.t. half den Kampf in den Straßen Barcelonas mit allen Mitteln zu liquidieren. Man lese, wie i.a.a. die Folgen der Liquidation in ihrem, bereits oft zitierten Bulletin beurteilt:
„Am Abend des 5. Mai wurde eine neue katalonische Regierung gebildet. Sie ist zusammengesetzt aus je einem Vertreter der c.n.t., der u.g.t., der bürgerlichen Linken und der Kleinbauern. Nachdem das Feuer überall eingestellt und die Barrikaden auf Anordnung des Komitees der c.n.t. und f.a.i. zum großen Teil wieder abgebaut waren, griff auch die Regierung von Valencia ein. Es kamen in Barcelona 5000 Mann neue Guardia de Asalto an, die – so wird angegeben – die bisherige katalonische Polizei ablösen sollen. Wie es im Autonomiestaat Kataloniens für innere Unruhen vorgesehen ist, übernahm die Zentralregierung außerdem provisorisch die Kontrolle der öffentlichen Ordnung in Katalonien. Der Minister Aiguade und der Polizeichef Rodriguez Salas sind aus ihren Funktionen ausgeschieden. Zwei ausgesprochene Feinde der revolutionären Arbeiter, für die die Aufrechterhaltung der ‚öffentlichen Ordnung‘ gleich bedeutend war mit der Ausrottung der c.n.t. und der f.a.i., sind damit ausgeschaltet worden. Die von Valencia einsetzten neuen Verantwortlichen der öffentlichen Ordnung, denen jetzt die Polizeikräfte und die antifaschistischen Kontrollpatrouillen unterstehen, versichern, ihre Aufgabe unparteiisch erfüllen zu wollen. Die nächsten Wochen werden es zeigen.“
Es will uns scheinen, dass die Arbeitermacht – von der Ernennung einiger Polizeioffiziere abhängig – auf eine sonderbare Weise gesichert ist. Eine anarchistische Forderung heißt, „Die Arbeiter ernennen ihre Kommandanten selbst“. Jetzt aber ernennen die Kommandanten ihre Untergebenen. Lasst uns also hoffen, dass sie ihre Aufgabe unparteiisch erfüllen, sie haben es doch versprochen. (Aiguade und Salas etwa nicht?) „Die kommenden Wochen sollen es zeigen“. Aber bereits der 6. Mai hat es gezeigt. Auf derselben Seite desselben Bulletins lesen wir:
„Noch nachdem c.n.t. und u.g.t. am Morgen des 6. Mai einen gemeinsamen Aufruf zur Wiederaufnahme der Arbeit erlassen hatten, stürmten Kommunisten und Polizei das Ledersyndikat der c.n.t., wo sie die gesamte Einrichtung zertrümmerten, andere Syndikate, wie Sanität und Distribution wurden ebenfalls angegriffen und durch die Beschießung fast zerstört. Massenhaft wurden in der inneren Stadt Genossen der c.n.t.-f.a.i. entwaffnet und verhaftet, trotzdem sie wie alle anderen antifaschistischen Elemente zum Waffentragen autorisiert sind. In den Arbeitervierteln der Stadt jedoch gingen auch die bewaffneten Proletarier energisch vor gegen diejenigen Polizeikräfte, die sich gegen die Arbeiter gestellt hatten. So ergab sich z.B. nach heftigem Kampf eine Kaserne der Zivilgarde und 400 Mann Polizei fielen in die Hände der c.n.t. In ihrer Kaserne fand man faschistische und monarchistische Abzeichen. Trotzdem behandelte man die Gefangenen menschlich und gab sie wie alle anderen von den Arbeitern entwaffneten und festgesetzten Polizisten nach dem Waffenstillstand wieder frei.“
Für dieses Handeln der c.n.t. gibt es nur eine Bezeichnung, nämlich verbrecherisch. Die Arbeiter, die die Kaserne der reaktionären Guardia Civil stürmten, taten dies sicherlich nicht, um ihnen anschließend die Freiheit zu geben. Sie haben die Polizisten im guten Vertrauen der c.n.t. übergeben und diese hat die bewaffneten Faschisten und Monarchisten wieder frei gelassen! War dies vielleicht der Preis, den sie für ihre Ministersessel bezahlte? In derselben Zeit wurden Genossen der c.n.t.-f.a.i. massenweise arrestiert! Und diese Tatsache erscheint der c.n.t. so nebensächlich, dass sie die „kommenden Wochen abwarten will, um die Loyalität des neuen Kommandanten kennen zu lernen“. Ist es nicht dieser Haltung zu danken, wenn die c.n.t. von der Bourgeoisie zum alten Eisen gerechnet wird? Und hat die Arbeiterklasse viel dabei verloren?
Die Erklärung für dieses jämmerliche Verhalten ist in der Angst vor Franco zu suchen. Die Angst vor Franco bringt die c.n.t. dazu, sich und die Arbeiterklasse an jene „Demokratie“ auszuliefern, die nichts lieber will, als den Kampf gegen Franco durch einen Kompromiss mit demselben zu beenden. Es ist dieselbe Demokratie, die der Aragonfront die Waffen vorenthält, die die revolutionären Arbeiter ins Gefängnis wirft und den Verräter von Malaga beschützt. Es ist dieselbe „Demokratie“, die die reaktionäre Guardia Civil neu formiert und faschistische Spione unter ihren Schutz nimmt. Und dieser „Demokratie“, der Bundesgenossin des internationalen Kapitals will man die Macht geben aus Angst vor einem Siege Francos. Sie ist nichts anderes als die Verkörperung der Konterrevolution. Ihr müssen die Arbeiter denselben Widerstand entgegensetzen wie Franco, oder aber sie werden der dunkelsten Reaktion ausgeliefert sein. Es gibt für die Arbeiterschaft nur eine Hoffnung und nur eine Möglichkeit: der unversöhnliche Kampf gegen Faschismus und Reaktion bis zum Äußersten. Dies aber hat die CNT vergessen.
Im Bulletin, Nr. 45 der i.a.a. scheint die c.n.t. eine wichtige Entdeckung über den Charakter der Regierung zu machen: „Bereits seit Monaten war deutlich zu erkennen, dass die großen Arbeiterorganisationen (c.n.t. und u.g.t.) aus der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ausgeschaltet werden mussten. Die verkappte Konterrevolution forderte es und ausländischen Mächte, deren Dienerin die Konterrevolution ist, haben es soweit gebracht.“
Die verkappte Konterrevolution forderte es. Und die c.n.t. diskutierte und gehorchte.
„Der spanische Antifaschismus treibt nun steuer- und richtungslos dahin, es ist traurig, aber es muss laut gesagt werden. Ein Haufen von Nutznießern dieser Situation will das Steuer nach rechts herumreißen und so schnell wie möglich in den Hafen eines sogenannten Friedens einlaufen, der nicht der Sieg über den Faschismus wäre.“
(Bulletin, Nr. 45).
Die c.n.t., die stets von sich behauptete, dass sie das „wirkliche katalonische Volk und damit den wirklichen Antifaschismus repräsentiere“ erkennt also selbst ihre Ohnmacht. Wenn der spanische Antifaschist nun Steuer und Richtung verloren hat, dann heißt das nichts anderes, als dass die c.n.t. nicht mehr im Stande ist, ihm diese zu geben, dass sie außerstande ist, die Aufgabe, die sie auf sich nahm, zu erfüllen.
„Man will die Zukunft Spaniens, die Zukunft des Proletariats, das sein Blut im Kampfe vergießt, man will sie verschachern; verschachern zusammen mit der internationalen Demokratie und dem internationalen Faschismus. Aber das Proletariat ist nicht in den Kampf gezogen für die Verteidigung einer verfälschten demokratischen Republik, sondern für den Sieg der Revolution, für ein neues Leben, für die moralische und ökonomische Umgestaltung des Landes. Die Konterrevolution jedoch wollte den Vormarsch der Massen nicht länger dulden, die sich zum Kampf bereithielten und auf die Straße gingen, nur auf sich, aber nicht auf gewisse Mächte vertrauend, die nichts anderes wollen als eine Rückkehr zur Vergangenheit. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der Ereignisse in Barcelona, der Hauptstadt des revolutionären spanischen Proletariats.“
(Bulletin, Nr. 45).
Und wer hat mitgeholfen, den Aufmarsch der Massen zurückzudrängen? Die c.n.t.!
Aber auch jetzt, wo das Fiasko der bisherigen Haltung der c.n.t. offensichtlich ist, kann sie vom bisherigen Weg nicht mehr zurückkehren. Ihr ganzer organisatorischer Apparat ist nun einmal eingestellt auf den Versuch, das ökonomische Leben mittels der Gewerkschaften zu verwalten. Hiervon kann sie nicht loslassen. Hierin liegt dann auch die Ursache, dass die c.n.t. auch jetzt noch die Parole der Zusammenarbeit mit der u.g.t. anhebt.
„Jetzt mehr denn je Allianz c.n.t.-u.g.t. Jetzt mehr denn je: Arbeiter Spaniens, vereinigt euch!“
(Bulletin, Nr. 45).
Jawohl, vereinigt Euch, aber nicht in der Allianz c.n.t.-u.g.t.. Das wäre die Allianz mit der Konterrevolution!
Der Anarcho-Syndikalismus hat seine Unfähigkeit bewiesen!
1A.d.R., damalige Präsident von Katalonien.
2A.d.R., gemeint ist die FIJL Federación Ibérica de las Juventudes Libertarias.