Crisso und Odoteo – Barbaren – Unordentlicher Aufruhr

Passend zum Text über Toni Negri, hier ein weiterer herausragender Text der sich kritisch mit dem Hauptwerk von Toni Negri beschäftigt. Dieses Buch erschien vor über zwanzig Jahren in Italien und wurde unser Wissen nach auch auf mehrere Sprachen übersetzt.


Crisso und Odoteo

Barbaren
Unordentlicher Aufruhr

Datum: 2003

Quelle: Crisso / Odoteo: „Barbaren – Unordentlicher Aufruhr“, Amplexus Publikationen, ohne Ort, April 2010.

Bemerkungen: Original auf Italienisch, Originaltitel: „Barbari“. Übersetzung des italienischen Originals mithilfe der englischsprachigen Augabe.

Das zweite und dritte Vorwort sowie die biographische Notiz Negris sind der 2004 bei Elephant Editions erschienenen Ausgabe entnommen und aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

Vorwörter

Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe

Die Linke hat eine wichtige Rolle zur Entwicklung und Verteidigung der Technologie, des Fortschritts, des Kapitals und des Staates. Um einen Bruch mit der Macht vorzunehmen, ist es somit nicht genug über das Kapital zu schimpfen, es gilt die Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Aspekten des Fortschritts zu erkennen. Die linke Kirche mit ihrem marxistisch-hegelianischen Hintergrund liefert wichtige Teile der Philosophie der post-industriellen Erscheinungsformen der Macht. Es gilt uns die Rolle der Linken vor Augen zu halten und diese anzugreifen. Dieses Büchlein ist Teil dieses Angriffs. Um sinnhaft gegen die Macht zu arbeiten, benötigen wir aber selbstständige Projekte. die sich der Logik der reinen Kritik entziehen.

Über das Empire zu sprechen, heisst über den Zustand des Kapitalismus zu sprechen. Es heisst die Postmoderne auszuleuchten. Es heisst die Tatsache zu beleuchten. dass die Bedeutung der Worte, der Begriffe, die wir in unserem Wortschatz verwenden, vom Kapital und seinen linken Helferlein zerstört oder verzerrt wurden.

Über einen Angriff auf das Kapital zu sprechen, heisst Projekte zu entwickeln, die unvereinnahmbar sind, weil sie mit einer zerstörerischen und angreifenden Logik funktionieren. Denn die Zerstörung ist der Bereich der Revolte. derer das Kapital und seine linken Helferlein nicht habhaft geworden sind. Diesen Bereich zu vereinnahmen, würde für sie bedeuten, ein Messer in die eigene Ideologie zu rammen. Wir schenken diesem Bereich unsere Aufmerksamkeit, verlassen die postmoderne Unbegrifflichkeit und begeben uns in die Welt des sozialen Krieges.

Passagenweise erweckt dieser Text Ideen und zaubert der Leserin ein Lächeln des Hohns ins Gesicht. Der Hohn der verständnislosen Wilden. Der Zerstörer in einem jeden von uns, der es vorzieht, sich den zivilisierten Gesetzen und Etiketten der heutigen Gesellschaft zu entziehen, denen die Linke soviel beizutragen hat. Einer Gesellschaft, in der, wann immer sie in eine Sackgasse mündet, die Linke die Rolle übernimmt, einen Ausweg zu Enden. Damit das Rad des Fortschritts am Rollen bleibt. Damit die Macht Wege findet, sich an die unterschiedlichen Situationen des sozialen Konflikts anzupassen.

Negri und Hardt sind, wie es Crisso und Odoteo schon ausdrücken, Abgesandte einer Ideologie. Barbaren zeigt ihre Denk und Handlungsstruktur auf, ihre und die anderer ähnlich argumentierender Ideologen. Dazu gibt das Buch ein wenig Aufschluss und von da ist es leichter, den Formen der Politik und des Aktivismus bzw. des politischen Aktivismus zu entgehen und diese anzugreifen. Ein Wert dieses Buches ist es, jenen Ansporn und Anstoß zu Ideen zu geben, die es satt haben, sich an Prozessionen neuer, post-industrieller Kirchen zu beteiligen, die nichts anderes tun. als den demokratisch-fortschrittlichen Prozess zu untermauern, und die es weiters satt haben, Manieren und Sittlichkeit zu beweisen. Im speziellen, wenn die dafür notwendige Moral, von den eigenen Genossen geliefert wird. Eine Moral, die ständig von sozialer Kontrolle begleitet wird. Um eine Ethik für uns zu finden, müssen wir uns jenseits der linken Moral begeben.

Dies im Auge behaltend, machen wir uns also auf: zur Erschaffung von Projekten im Dienste des Angriffs und der Zerstörung.

Amplexus Publikationen


Erstes Vorwort der englischsprachigen Ausgabe

Warum sich die Mühe machen, die Thesen von Empire zu kritisieren, wenn die Realität diese Kritik selbst so großzügig klargemacht hat? Sicherlich nicht, weil es ein erfolgreiches Buch ist, über das in Universitäten und im Fernsehen gesprochen wird. Wir kritisieren die Ideen von Negri (und Hardt), weil sie eine praktische Kraft sind, weil sie die leuchtendste Version des Programms des heutigen linken Flügels des Kapitals repräsentieren und eine Bewegung beeinflussen, die “Disobbedienti” mit der Fähigkeit ein solches Programm zu unterstützen. Tatsächlich repräsentiert “ungehorsame” Politik ein hervorragendes Terrain zum Experimentieren für die Demokratie der Zukunft. Sehen wir in einem Überblick warum.

– Angesichts der Krise der militanten Politik alten Stils, stellt die „disobbediente“ Galaxie (im speziellen, die ehemaligen Tute Bianche und die Rifondazione Communista Partei) eine Mobilisierungskraft, mit all ihren so gut für die Mittelklasse adaptierten Slogans, dar. Die Parteien und Gewerkschaften werden durch deren Initiativen oft mitgerissen. Es ist zum Beispiel dank ihrer Demonstrationen, dass die CGIL (Italienische Handelsgewerkschaft Organisation) eine „oppositionelle Jungfräulichkeit“ erlangte. Gezwungen, während des letzten großen, selbst-organisierten Generalstreiks von den Arbeitern davonzulaufen, kehrten die Gewerkschafts-Direktoren, mit dem Vorwand, die Herrschenden zu bekämpfen zurück. Dasselbe gilt für die Stalinisten der früheren PCI (Italienische Kommunistische Partei), deren konstante Arbeit als Informanten, den rebellischen Arbeitern der 1970er Jahre in Erinnerung blieb. Beispielsweise wäre es keiner Partei oder Gewerkschaft gelungen, eine solche Teilnehmerzahl für das Soziale Forum in Florenz zusammenzubringen.

– Die „disobbediente“ Praxis der spektakulären Aktionen und der Verbindungen mit den Medien ermöglicht, was den alten Partei-Sekretären nie möglich war: innerhalb weniger Wochen zum Führer zu werden.

– Dank den „ungehorsamen“ Führern hat der Staat sein Ultimatum erteilt: Entweder du trittst in Dialog mit den Institutionen (tatsächlich ist es dies, was als „gewaltlos“ gilt) oder du bist ein Terrorist und wirst unterdrückt. Die verschiedenen internationalen Abkommen, die in Folge des 11. September unterzeichnet wurden, sind auf diese Weise zu verstehen. Auch zur Verwaltung der Straßen, ist die pazifistische Ideologie ein gewaltiges Einsatzgebiet der Macht.

– Wenn dem die internationalen Vorschläge der „Disohbedienti“ (zum Beispiel, diejenigen in Political Europe: Reasons for a Necessity, das letztes Jahr durch Manifestolibri veröffentlicht und von Negri in Zusammenarbeit mit Anderen herausgegeben wurde) hinzugefügt werden, wird man realisieren, wie all dies für den ökonomischen und politischen Konflikt zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zweckdienlich ist. Für den Professor stellt Europa eine „Gegenmacht bezüglich der kapitalistischen Vorherrschaft des Empires“ dar, eine „Kriegsmaschine für die Ausweitung der neuen Basisrechte für die Bürger des Empire“. Dabei wird das militärische und finanziell vereinigte Europa als der Ort für eine neue, demokratische Politik von unten verteidigt… das ist selbst für die Negri’sche Dialektik zuviel! Wenn dies die „andere“ Welt ist, dann bezweifeln wir nicht im geringsten, dass sie möglich ist.

– Letztlich ist das Basissystem jenes, des äußerst vulgaren und triumphalistischen Marxismus: die Entwicklung der Produktivkräfte ist für ihn der Faktor des Fortschritts, den die unerleuchtete Kapitalisten, d.h., die schlechte Globalisierung behindern. Doch die Bewegung hat den kooperativen und sozialen Charakter der aktuellen Ökonomie auf ihrer Seite. Falls du’s noch nicht bemerkt hast, Kommunismus ist am gewinnen.

Aber all dies zu kritisieren, ist nur sinnvoll, wenn man sein eigenes, subversives Projekt vertieft. Über die Pazifizierer zu sprechen, bedeutet, über Gewalt und Nicht-Gewalt zu sprechen, über Revolte und Kollaboration, über Solidarität und Distanzierung, über Anti-Kapitalismus und sein Stunt-Double, über Direkte Aktion und Massen-Medien. Während die Angriffe der Herrschenden täglich härter werden. mit Lebensbedingungen, die der Staat (extern und intern) nur mittels Terror aufzwingen kann, während die Faschisten nur einen Schritt hinter den Bullen stehen, wird es immer dringender, jegliche legalistische und institutionelle Hypothese zu beseitigen. Wie dem auch sei, sogar nach Genua verblieben zu viele, im Namen der taktischen Notwendigkeit, diktiert durch ständig erneuerbare „Notfälle“, in opportunistischer Beziehungen mit den Informanten und Feuerwehrleuten der Tute Bianche. Wie der richterliche und polizeiliche Druck erst kürzlich wieder gezeigt hat, schützt es einen nicht vor den repressiven Angriffen von morgen, wenn man sich von der revolutionären Unnachgiebigkeit lossagt. Es steht viel auf dem Spiel und die Herrschenden wissen das. Staat und Kapital wollen immer mehr und sind gesinnt, immer weniger zuzugestehen. Aber wie das jemand in anderen und glücklicheren Zeiten schrieb: „Die Herrschenden können vielleicht nicht mehr bezahlen, aber sie können verschwinden.“

Während kapitalistisches Barbarentum voranschreitet, hat sich ein anderes Barbarentum mit einer oft unverständlichen Sprache auf den Weg gemacht, eines das in die Teller der Demokratie spuckt und dem Staat, dem Geld, den Gefängnissen und allen Hierarchien einen Fußtritt verpassen will.

Wir denken, dass es wichtig ist sich mit diesen Themen zu konfrontieren, wenn auch mit dem Risiko, den Schlaf der Zivilisierten zu stören.


Zweites Vorwort der englischsprachigen Ausgabe

Barbaren von Crisso und Odoteo ist ein Text von einiger Wichtigkeit für Anarchisten und jeden, der das aufrichtige Verlangen nach der Zerstörung dieser sozialen Welt der Ausbeutung und Herrschaft verspürt. Es weist eine verheerende Kritik eines Buches vor, das zum bedeutsamsten theoretischen Einfluss für den Grossteil der sogenannten Anti- Globalisierungsbewegung wurde; Empire von Michael Hardt und Antonio Negri. Wenn man diese beiden Texte zusammen liest, werden sich zwei entgegengesetzte Wege. Sprache zu verwenden zeigen. Hardt und Negri verwenden eine Sprache, die offenbar dafür bestimmt ist, mindestens ebensoviel zu verbergen, wie sie aufdeckt, und dies sollte einem sofort einen Wink bezüglich der rekuperativen Natur ihres Textes geben. Im Gegensatz dazu verwenden Crisso und Odoteo eine direkte Sprache, scharf wie das Schwert eines Barbaren, um durch das trübe Netz von Hardt und Negri’s postmodemer Doppelsprache zu schneiden, mit dem Ziel, den essentiell anti-revolutionären Kern von ihrer Sichtweise aufzudecken.

Hardt und Negri behaupten beispielsweise, postdialektisch und post-marxistisch zu sein. Es braucht nur einen leichten Riss im Schleier, um den historischen Determinismus und die starre Dialektik des Klassenkampfes aufzudecken, die eine der rohesten Formen des Marxismus widerspiegelt. Tatsächlich rechtfertigen Negri und Hardt den Horror der Gegenwart nicht nur als historisch notwenig für die Entwicklung des Kommunismus, sondern als gegenwärtige Widerspiegelung der Macht der „Multitude“, als ihr historisches Subjekt.

Es ist besonders wertvoll, dass Crisso und Odoteo als Italiener mit den verschiedenen Bewegungen vertraut sind, die durch Negri beeinflusst wurden, wie auch mit seinen neuen Arbeiten, die nicht auf Englisch (oder Deutsch) erhältlich sind. Dies erlaubt ihnen, Empire in einen Kontext zu stellen, der seine rekuperative Bedeutung weiter entblößt.

Crisso und Odoteo decken die Liebe klar auf, die Hardt und Negri in Wirklichkeit für das Empire und dessen Methoden, die Welt zu homogenisieren verspüren. Tatsächlich reicht diese Liebe bis zur Unterstützung der Europäischen Union. Kürzlich gab Negri eine Sammlung von Texten von Linken mit heraus, die die politische Vereinigung von Europa preist (er zieht es jedoch vor, die Tatsache zu ignorieren, dass diese Vereinigung hauptsächlich eine Realität ist, die sich auf die Bedürfnisse der herrschenden Klasse bezieht: der freie Fluss von Kapital, die Vereinigung von Kontrollnetzwerken, usw.).

Erschreckender ist deren unhinterfragte Unterstützung der Gesamtheit der technologischen Entwicklungen – verlautbart, als seien es Ausdrücke der Begierden „der Multitude“. Sie gehen so weit, zur „Erkenntnis […] aufzurufen, dass es keine festen und zwingenden Grenzen zwischen […] Mensch und Maschine gibt“ und somit zur Akzeptanz von uns als Cyborgs. Für sie ist das Projekt, das Leben zu technologisieren, d.h. Biotechnologie verschmolzen mit Kybernetik, wünschenswert und notwendig, schlicht weil es existiert.

Crisso und Odoteo enthüllen auch deutlich die Natur der „Subjektivität,“ von der Hardt und Negri wiederholt sprechen. So wie die Professoren diesen Ausdruck verwenden, hat er überhaupt nichts mit individueller Wahl, Willen, Verlangen oder Selbst-Aktivität zu tun. Stattdessen bezieht sie sich auf die Produktion von Beziehungen, welche uns den Bedürfnissen der sozialen Institutionen unterwerfen. Dies ist weshalb, „die Produktion von Subjektivität“ „auf der Funktionsweise wichtiger Gesellschaftsinstitutionen, wie etwa Gefängnis, Familie, Fabrik und Schule“ gründen muss.

Tatsächlich lehnen Hardt und Negri das Individuum vollkommen ab, sehen sie das Konzept der Individualität doch gerade als Widerspruch zu ihrem Projekt. Sie sagen uns, dass „Keine Ontologie (außer eine transzendente) die Menschheit auf Individualität reduzieren kann“, und weiters sagen sie: „An erster Stelle steht dabei Korruption als individuelle Wahl, welche der grundlegenden, durch die biopolitische Produktion definierten Gemeinschaft und Solidarität entgegensteht und sie verletzt“. Somit ist Singularität nicht ein Merkmal von Individuen, sondern von „Gruppen und Personenkreisen der Menschheit“1 biopolitisch vereinzelt durch „die Multitude“. Und „die Multitude“, auf die sie sich wiederholt beziehen, wird in ihrem Buch schliesslich als „die Universalität der freien und produktiven Praktiken“ definiert. Um es deutlicher auszudrücken: die sozialen Produktivkräfte. Die marxistisch-leninistischen Wurzeln ihrer Perspektive zeigen sich deutlich. Für sie ist das Subjekt der Befreiung genau dieser produktive Apparat, für den wir nichts als Rädchen im Getriebe sind.

Mit einer Befreiungsvorstellung, die in Wirklichkeit die absolute Abhängigkeit der Individuen vom Produktionsapparat bedeutet, liegen Hardt und Negri richtig, wenn sie ihren Pfad „durch das Empire“ gehend sehen, denn ihr Projekt ist das Empire. Aber wenn das barbarische Schwert von Crisso und Odoteo erst einmal durch die sich windende Sprache der Professoren geschnitten hat, wird klar, dass diejenigen von uns, die sich unsere eigene Befreiung als Individuen wünschen, und die die Freiheit wollen, das eigene Leben in unserer eigenen Zeit zu erschaffen, ein „völlig anderes“ Projekt haben: die vollständige Zerstörung des Empires, hier und jetzt.

Die Zeit der Barbaren steht bevor.


Einleitung

Jemand hat einmal bemerkt, dass einer von Marx’ größten Tricks war, den Marxismus als lingua franca2 erfunden zu haben. Seit der Antike ist bekannt, dass die Überredungskunst in der Fähigkeit besteht, beim Sprechen und Schreiben in dem, der zuhört oder liest, einen präzisen, psychologischen Effekt hervorzurufen, der weit über die in dem Argument ausgearbeiteten Inhalte hinausgeht. Die Griechen sagten, dass Überredung bedeute, „den Verstand zu sich selbst zu führen“. Viele Marx’sche Ausdrücke und man könnte sagen, der „subtile Lärm“ seiner Prosa haben tausende Leser fasziniert, terrorisiert und zu Nacheiferern gemacht. Ausdrücke in der Art wie “historisch determinierte, soziale Bedingungen, Mehrwertgewinnung, objektiv konterrevolutionäre Elemente”, bestimmte journalistische Techniken und schließlich die berühmten genitiven Umkehrungen (“Philosophie des Elends, Elend der Philosophie”): Dieser Jargon hat viele hochstrebende Bürokraten und leibhaftige Diktatoren mit einem Arsenal an vorgefertigten Ausdrücken ausgestattet, um ihre Macht zu rechtfertigen. Und es hat ebensoviele Sozialdemokraten mit einem Rauchvorhang versorgt, womit ein jeder ruhig gestellt wird der sich damit zufrieden gibt, dass die Kapitulation in der Praxis von einer Radikalität des Stils begleitet wird. Das Wichtigste war und ist, die Haltung von jemandem einzunehmen, der mit wissenschaftlicher Präzision weiß, wovon er spricht.

Wenn man so will, dann spielen Antonio Negris Texte heute dieselbe Rolle. Tatsächlich gibt es zwei „theoretische Zentralen“ von dem, was die journalistische Neusprache als Anti-Globalisierungs Bewegung bezeichnet: das Le Monde Diplomatique Kollektiv und unseren Paduaner Professor, um genau zu sein. Die nach dem Kollektiv benannte, monatliche Publikation, die Organisation von Konferenzen und Seminaren, die Publikation von Büchern und die Kreation der sogenannten Bewegung für die Tobin- Steuer3 (Attac); verschiedene heute bestehende italienische Sektionen verdanken ihre Existenz des Ersten. Vom Zweiten, der einer der Begründer der Arbeitermacht (Potere Operaia) und dann Arbeiterautonomie (Operaia Autonomia) ist, kam viel von der italienischen Arbeiterideologie und nun die Theorie, für welche die Tute bianche (Weisse Overalls), die Disobbedienti (die Ungehorsamen) und so viele andere Weltbürger kleine Soldaten darstellen. Liest man irgendein Flugblatt irgendeines Sozialforums, wird man zweifellos die folgenden Ausdrücke darin finden: Zivilgesellschaft, Multitude, Bewegung der Bewegungen, Einkommen der Bürgerschaft, Diktatur des Marktes, Exodus, Ungehorsam (zivil oder bürgerlich), Globalisierung von unten und so weiter. Mit einer mehr oder weniger umfassenden Geschichte bilden diese Konzepte auf unterschiedliche Weise zusammengestellt, die gegenwärtigen Nachschlagewerke für den alternativen Rekuperateur und die idealen Reformisten. Einer der Manager dieser “ontologischen Fabrik”, einer der Techniker dieser “linguistischen Maschine”, ist einmal mehr Toni Negri.

Wir werden nicht dem banalen Fehler verfallen, zu glauben, dass bestimmte Theorien die Bewegung einseitig beeinflussen. Die Theorien verbreiten sich insofern, als dass sie bestimmten Interessen dienen und auf bestimmte Bedürfnisse antworten. Empire von Negri und Hardt ist, in diesem Sinne, ein beispielhaftes Buch. Zusammen mit den (Weiter-) Entwicklungen ihrer “diplomatischen”, französischen Cousins, bieten dessen Seiten die intelligenteste Version des linken Flügels des Kapitals. Die Gruppen, die sich darauf beziehen, sind die globalisierte Version der alten Sozialdemokratie und die gasförmigen Varianten der stalinistischen Bürokratie, die die starre Hierarchie der Funktionäre mit den Modellen des Netzwerks (oder des Rhizoms) ersetzt haben, in denen die Macht des Führers flüssiger erscheint. Kurz gesagt, die kommunistische Partei des dritten Jahrtausends, die Befriedung der Gegenwart, die Konterrevolution der Zukunft. Aufbauend auf dem Verfall der Arbeiterbewegung und ihren Repräsentationsformen, hat diese neue Methode Politik zu machen keine privilegierten Interventionsfelder mehr (wie die Fabrik oder das Viertel) und bietet den Begierden von ehrgeizigen Managern ein unmittelbareres Terrain, als das der alten Partei-Sekretäre: die Beziehung zu den Massenmedien. Das ist der Grund, weshalb die Parteien und Gewerkschaften der Linken als Verbündete dieser “neuen” Bewegung posieren und im Schlepptau ihrer Initiativen gehen, wohl wissend, dass jenseits der Durchbrüche, von egal wie kleinen Führern, und bestimmter Slogans von rhetorischen Guerillas, die ungehorsame Politik die Basis (auch für Wahlen) der künftigen demokratischen Macht repräsentiert. Sie erhält die stalinistische Rolle aufrecht, wobei ihre Zukunft jedoch vor allem in ihrer Kapazität liegt, sich selbst als eine Mediationskraft zwischen den subversiven Spannungen und den Erfordernissen der sozialen Ordnung aufzustellen, sowie die Bewegung in das institutionelle Flussbett zu führen und die Funktion zu erfüllen, Elemente, die sich ihrer Kontrolle entziehen, zu denunzieren.4

Auf der anderen Seite gelang es dem Staat, jegliche Kreativität unter der institutionellen Last zu ersticken, nachdem er das Soziale zunehmends absorbiert hatte; als er gezwungen war, es wieder auszustoßen, nannte er diesen Ausschuss Zivilgesellschaft und verzierte ihn mit all den Ideologien der Mittelklasse: Humanismus, Freiwilligendienst, Umweltschutz, Pazifismus, demokratischer Antirassismus. In überlaufender Passivität braucht der Konsens kontinuierliche Injektionen von Politik. Dazu dienen die ungehorsamen Politiker mit ihren Bürgern. Tatsächlich ist es die abstrakte Figur des Bürgers, die für die Waisenkinder der Arbeiterklasse nun alle Tugend besitzt. Geschickt mit den Bedeutungen des Wortes spielend (der Bürger ist zugleich Subjekt des Staates, Bourgeois, citoyen der französischen Revolution. Subjekt der polis, sowie Unterstützer der direkten Demokratie), richten sich diese Demokraten an alle Klassen. Die Bürger der Zivilgesellschaft widersetzen sich der Passivität der Konsumenten, ebenso, wie der offenen Revolte der Ausgebeuteten gegen die Verfassungsordnung. Sie sind das gute Gewissen der staatlichen (oder öffentlichen, wie sie es zu sagen vorziehen) Institutionen und diejenigen, die in jedem Genua aus bürgerlicher Pflicht stets die Polizei einladen werden, um die “Gewalttätigen” zu isolieren. Mittels der Komplizenschaft der demokratischen Mobilisierungen der “Ungehorsamen”, kann der Staat seinem Ultimatum größere Kraft und Glaubwürdigkeit verleihen: entweder man tritt in Dialog mit den Institutionen oder man ist ein “Terrorist”, der zur Strecke gebracht werden muss (die verschiedenen Vereinbarungen, die seit dem 11. September unterzeichnet wurden, sind so zu interpretieren). Die “Bewegung der Bewegungen” ist eine verfassunggebende Macht, d.h., ein sozialer Mehrwert in Befolgung der verfassungsgebenden Macht, eine institutionalisierende, politische Kraft, die auf etablierte Politik trifft und dort interveniert, in Negris Idee, die militante Version von Spinozas Konzept der Macht5. Seine Strategie ist die progressive Eroberung der institutioneilen Räume, eines zunehmends breiteren, politischen und gewerkschaftlichen Konsens, einer Legitimität, die erlangt wird, indem er seine Fähigkeit zur Mediation und seine moralischere Garantie von Macht anbietet.

In der Negri’schen Darstellung ist das wahre Subjekt der Geschichte ein seltsames Wesen von tausend Metamorphosen (zuerst Massen-Arbeitskraft, dann sozial-Arbeiter, jetzt Multilude-Menge) und tausend Tricks. Genaugenommen ist dieses Wesen an der Macht, auch wenn alles das Gegenteil zu bezeugen scheint. In Wirklichkeit ist all das, was die Herrschaft aufbürdet, wonach es ihm verlangt und was es erreicht hat. Der technologische Apparat verkörpert sein kollektives Wissen (nicht seine Entfremdung). Die politische Macht begünstigt seine Vorstöße von unten (nicht seine Rekuperation). Das legale Recht formalisiert seine Machtbeziehung mit den Institutionen (nicht seine repressive Integration). In dieser erbaulichen, historischen Vision findet alles gemäß den Schemata eines zutiefst orthodoxen Marxismus statt. Die Entwicklung der Produktivkräfte, ein wirklicher Faktor des Fortschritts, gelangt immer wieder mit den sozialen Beziehungen in Wiederspruch und modifiziert dabei die Gesellschaftsordnung im emanzipatorischen Sinne. Die Anordnung ist dabei dieselbe, wie in der klassischen, deutschen Sozialdemokratie, der wir das unanfechtbare Privileg verdanken, einen revolutionären Angriff in Blut ertränkt und dann das Proletariat in die Hände der Nazis geworfen zu haben. Und es ist eine sozialdemokratische Illusion, der Macht der Multinationalen jene der politischen Institutionen gegenüberzustellen, eine Illusion, die Negri mit den linken Statistikern der Le Monde Diplomatique teilt. Wenn beide den “wilden Kapitalismus”, die “Steuerparadiese”, die “Diktatur der Marktes” so oft verurteilen, dann ist das, weil sie eine neue politische Ordnung wollen, eine neue Regierung der Globalisierung, einen weiteren New Deal. In diesem Sinne ist der Vorschlag für ein universales Bürgerschaftseinkommen zu lesen. Somit haben die weniger “dialektischen” Negrianer keine Skrupel, diese Forderung offen, als ein Wiederbeleben des Kapitalismus zu präsentieren.

Trotz zwei Jahrzehnten schwerer sozialer Konflikte gelang es dem Kapitalismus mit der Zerlegung der Produktionszentren und deren Verteilung über das Territorium und mit der völligen Unterwerfung der Wissenschaft durch die Macht, die revolutionäre Bedrohung durch einen Prozess zu überlisten, der Ende der 1970er Jahre seine Vollendung erreichte. Diese Eroberung des gesamten sozialen Raumes entspricht, als die letzte zu überschreitende Grenze, dem Eintritt des Kapitals in den menschlichen Körper durch die Beherrschung des Lebensprozesses der Spezies selbst: Die Nekrotechnologie ist das jüngste Beispiel seines Wunschtraumes von einer vollständig künstlichen Welt. Doch für Negri aber ist all dies der Ausdruck der Kreativität der Multitude. Die totale Unterwerfung der Wissenschaft durch das Kapital, das Investieren in Dienstleistungen, das Wissen und die Kommunikation (die Geburt der “menschlichen Ressourcen” laut Managersprache) drücken für ihn das “Frau-Werden” der Arbeit aus, d.h., die Produkivkraft der Körper und der Sensibilität. In der Epoche der “immateriellen Arbeit” sind die Produktionsmittel, die die Multitude für sich als allgemeines Eigentum sichern muss, die Gehirne. In diesem Sinne demokratisiert die Technologie die Gesellschaft zunehmends, da das Wissen, das sich der Kapitalismus auf sein eigenes Konto leitet, jeglichen Lohnbereich übersteigt. Tatsächlich entspricht das der eigentlichen Seinsbedingung des Menschen. Die Forderung nach einem garantierten Mindesteinkommen bedeutet also folgendes: wenn uns das Kapital jeden Moment produzieren lässt, dann sollte es uns auch bezahlen, wenn wir nicht als Lohnarbeiter angestellt sind, und wir werden ihm durch unseren Konsum Geld einbringen.

Die Schlussfolgerungen von Negri und seinen Kollegen sind die genaue Umkehrung der Vorstellung von jenen, die bereits in den Siebzigern verfochten, dass die Revolution durch den Körper geht, dass die proletarischen Lebensbedingungen immer universaler sind, und dass das tägliche Leben der wahre Ort des Klassenkrieges sind. Das Ziel der Rekuperateure ist immer dasselbe. In den 70ern sprachen sie von Sabotage und Klassenkrieg, um ihren Platz an der Sonne zu erobern; heute schlagen sie die Errichtung von Bürgerlisten vor, die Übereinkunft mit den Parteien, den Eintritt in die Institutionen. Ihr Jargon und ihre linguistische Akrobatik zeigen, dass die marxistische Dialektik jeglicher Heldentat fähig ist; indem sie von Che Guevara zu Massimo Cacciari6, von den Bauern in Chiapas bis zu den kleinen venetischen Betrieben springt, rechtfertigt sie heute Verrat, genauso wie sie gestern Dissoziation theoretisierte. Im Übrigen sind, wie sie selbst erkennen, weder die Ideen, noch die Methoden, wichtig, sondern „das endgültige Machtwort“.

Für die “ungehorsamen” Theoretiker sind die politischen Institutionen Geiseln des multinationalen Kapitals, bloße Registrierungskammern für globale, wirtschaftliche Prozesse. Von der Atomkraft bis zur Kybernetik, von der Untersuchung neuer Materialien zum genetischem Ingenieurswesen, von der Elektronik zur Telekommunikation ist in Wahrheit die Entwicklung der technologischen Macht – die materielle Basis für die Sache, die als Globalisierung definiert wird – in Wirklichkeit mit der Fusion des industriellen und wissenschaftlichen Apparates mit dem Militärapparat verknüpft. Wie könnte ein globaler Markt ohne den Luftraumsektor, ohne die Hochgeschwindigkeitszüge, ohne die Verbindungen durch Glasfaserkabel, ohne die Häfen und Flugplätze existieren? Fügen wir dem die fundamentale Rolle der Kriegsoperationen, den stetigen Datenaustausch zwischen Banken, Versicherungen, Medizin-, und Polizeisystemen, die staatliche Verwaltung der Umweltverschmutzung und die immer dichtere Überwachung hinzu, und man wird begreifen, dass es eine Mystifizierung ist, vom Verfall des Staates zu sprechen. Was sich verändert hat, ist schlichtwegs eine bestimme Form des Staates.

Im Unterschied zu anderen Sozialdemokraten ist für Negri die Verteidigung des “sozialen” Nationalstaates nicht mehr möglich, da es sich um eine politische Verfassung handelt, die nunmehr veraltet ist. Das aber eröffnet eine noch ehrgeizigere Perspektive: die europäische Demokratie. Auf der einen Seite, stellt sich die Macht tatsächlich dem Problem, wie sie die sozialen Spannungen befrieden kann, die durch die Krise der repräsentativen Politik verursacht wurden. Auf der anderen Seite suchen die “Disobbedienti” nach neuen Wegen, um die Institutionen demokratischer zu machen, womit die Bewegungen zunehmends institutionalisiert werden. Hier die mögliche Entgegnung: „Wer hat also Interesse an einem politisch vereinten Europa? Wer ist das europäische Subjekt? Es sind jene Bevölkerungen und jene sozialen Schichten, die eine absolute Demokratie auf dem Niveau des Empires errichten wollen. Was sie vorschlagen ist ein Gegen-Empire. […] Das neue europäische Subjekt verweigert demnach nicht die Globalisierung, sondern errichtet vielmehr das politische Europa, als einen Ort, von wo in der Globalisierung gegen die Globalisierung gesprochen werden kann, sich selbst (ausgehend vom europäischen Raum) als Gegenmacht bezüglich der kapitalistischen Hegemonie des Empires bezeichnend.“ (von Politisches Europa: Gründe für eine Notwendigkeit, herausgegeben von H. Friese, A. Negri, P. Wagner, 2002).

Wir sind am Ende angelangt. Unter einem dichten Rauchvorhang von Slogans und beeindruckenden Phrasen, unter einem Jargon, der flirtet und auch terrorisiert, wird hier ein Programm definiert, das schlicht für das Kapital und großartig für die Menge ist. Versuchen wir zusammenzufassen. Dank eines garantierten Grundeinkommens könnten die Armen in der Produktion von Reichtum und in der Reproduktion des Alltagslebens flexibel sein und so die Wirtschaft ankurbeln; Dank des Allgemeineigentums der neuen Produktionsmittel (des Verstandes), kann das “immaterielle Proletariat mit einem zapatistischen Marsch der intellektuellen Arbeitskraft durch Europa beginnen”. Dank neuer, universaler Bürgerrechte kann die herrschende Macht die Krise des Nationalstaates überwinden und die Ausgebeuteten sozial einbeziehen. Die Bosse wissen es nicht, aber, endlich freigestellt sich selbst zu entwickeln, werden die neuen Produktionsmittel tatsächlich das verwirklichen, was sie schon jetzt potentiell beinhalten: den Kommunismus. Man muss bloss mit bornierten Kapitalisten rechnen, Reaktionären und Neoliberalen (kurzum mit der “schlechten” Globalisierung). All dies scheint eigens entworfen zu sein, um das zu bestätigen, was Walter Benjamin vor mehr als siebzig Jahren, einige Wochen nach dem Nicht-Angriffspakt zwischen Stalin und Hitler, festgestellt hat: „Es gibt nichts, was die deutsche Arbeiterschaft in dem Grade korrumpiert hat, wie die Meinung sie schwimme mit dem Strom. Die technische Entwicklung galt ihr als das Gefälle des Stromes, mit dem sie zu schwimmen meinte.“

Aber die durch die Strömung aufgewühlten Gewässer verbergen gefährliche Fallen, worauf selbst Negri hinweist: „Jetzt befinden wir uns in einer imperialen Verfassung. worin sich Monarchie und Aristokratie gegenseitig kämpfen, aber die plebejischen Versammlungen fehlen. Das führt zu einer Situation der Ungleichheit, da die imperiale Form nur auf friedliche Weise existieren kann, wenn diese drei Elemente untereinander ausgeglichen sind“ (aus MicroMega, Mai 2001). In einem Wort: Liebe Senatoren, Rom ist in Gefahr. Ohne “Dialektik” und sozialen Bewegungen und Institutionen, sind die Regierungen “nicht legitim” und somit unsicher. Wie schon erst Titus Livius und dann Machiavelli wunderbar aufgezeigt haben, diente die Institution des plebejischen Tribunals dazu, die fortwährende Ausdehnung des römischen Imperiums mit der Illusion auszugleichen, das Volk nehme an der Politik teil. Aber die berühmte Legende von Menenius Agrippa der sich an die meuternden Plebejer wandte und mit ihnen sagt, dass Rom nur dank ihrer am Leben sei, sowie auch ein Körper nur dank seiner Gliedmaßen lebe, droht tatsächlich ein Ende zu nehmen. Das Empire scheint diese Armen, die es produziert, anscheinend immer weniger zu gebrauchen und lässt sie in den Reservaten des Warenparadieses zu Millionen verfaulen. Andererseits könnten die Plebejer so gefährlich wie eine Horde Barbaren werden und von den Hügeln in die Stadt herunterkommen, aber mit den schlimmsten Absichten. Für die unruhigen und unvernünftigen Ausgebeuteten könnte die Mediation der neuen Manager so hassenswert sein, wie die Macht im Amt. und so wirkungslos wie eine Lehrstunde in Bürgerlichkeit für jemanden, der bereits seine Füße auf den Tisch legte. Eine Polizei, wenn auch in weißen Overalls könnte nicht ausreichend sein.


Warten auf die Barbaren

Worauf warten wir. versammelt auf dem Marktplatz?

Auf die Barbaren, die heute kommen.

Warum solche Untätigkeit im Senat?

Warum sitzen die Senatoren da,

ohne Gesetze zu machen?

Weil die Barbaren heute kommen.

Welche Gesetze sollten

die Senatoren jetzt machen?

Wenn die Barbaren kommen,

werden diese Gesetze machen.

Warum ist unser Kaiser

so früh auf gestanden?

Warum sitzt er mit der Krone,

am größten Tor der Stadt

hoch auf seinem Thron?

Weil die Barbaren heute kommen,

und der Kaiser wartet,

um ihren Anführer zu empfangen.

Er will ihm sogar eine Urkunde überreichen,

worauf viele Titel,

und Namen geschrieben sind.

Warum tragen unsere zwei Konsuln und die Prätoren

heute ihre roten, bestickten Togen?

Warum tragen sie Armbänder

mit so vielen Amethysten

und Ringe mit funkelnden Smaragden?

Warum tragen sie heute die wertvollen Amtsstube,

fein gemeißelt, mit Silber und Gold?

Weil die Barbaren heute erscheinen, und solche Dinge blenden die Barbaren.

Warum kommen die besten Redner nicht,

um wie üblich ihre Reden zu halten?

Weil heute die Barbaren erscheinen,

und vor solcher Beredtheit langweilen sie sich.

Warum jetzt plötzlich diese Unruhe und Verwirrung?

(Oh, wie ernst die Gesichter geworden sind.)

Warum leeren sich

die Straßen und Plätze so schnell,

und warum gehen alle so nachdenklich nach Hause?

Weil die Nacht gekommen ist

und die Barbaren doch nicht erschienen sind.

Einige Leute sind von der Grenze gekommen

und haben berichtet,

es gäbe sie nicht mehr, die Barbaren.

Und nun, was sollen wir ohne Barbaren tun?

Diese Menschen waren immerhin eine Lösung.

Constantino Kavafis


Der Traum von der Erschaffung eines Weltimperiums findet sich nicht nur in der antiken Geschichte wieder: er ist das logische Resultat aller Aktivitäten der Macht, und er ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Obwohl sie viele Veränderungen durchmachte, verknüpft sich die Vision der Weltherrschaft mit dem Aufkommen neuer sozialer Bedingungen und ist nie vom politischen Horizont verschwunden…“ Rudolf Rocker

Es dauerte nicht lange und die Knechtschaft, der die Untertanen Roms unterworfen waren, weitete sich auf die Römer selbst aus […]. Es gab keinen Weg der Knechtschaft zu entkommen, und diejenigen, die Bürger genannt wurden, waren bereit, auf die Knie zu fallen, noch ehe sie einen Meister hatten. […] In Rom war es nicht der Imperator als Mann, vor dem sich jeder beugte, sondern das Imperium selbst; und die Stärke des Imperiums bestand aus dem Mechanismus einer sehr zentralisierten, perfekt organisierten Administration, aus einem großen, äusserst disziplinierten, stehendem Heer, aus einem Kontrollsystem, das sich in alle Richtungen ausweitete. Mit anderen Worten, der Staat, nicht der Herrscher, war die Quelle der Macht.“ Simone Weil

Ein einziges Gesetz, das von Rom diktiert wurde, herrschte im Reich. Und dieses Reich war keineswegs ein Verband von Bürgern; er war nichts als eine Herde Untertanen. Bis auf unsere Zeit bewundern Juristen und Autoritätsschwärmer die Einheit dieses Reiches, den einheitlichen Geist seiner Gesetze, die Schönheit (so sagen sie) und die Harmonie dieser Organisation.“ Pjotr Kropotkin

Empire

Ein Albtraum plagt die Diener des Empires – der Albtraum dessen möglichen Zusammenbruchs. All die auf der Welt verstreuten Höflinge, politischen Berühmtheiten und Generäle, administrativen Delegierten und Werbefachleute, Journalisten und Intellektuelle fragen sich, wie diese fürchterliche Bedrohung abgewendet werden kann.

Das Empire ist überall präsent, aber es regiert nirgends. Seine militärische Unbesiegbarkeit schimmert in der Sonne und blendet die unterwürfigen Bewunderer. Aber seine Fundamente sind verfault. Die soziale Ordnung innerhalb dessen Grenzen wird kontinuierlich in Frage gestellt. 1989 wurde der Fall der Berliner Mauer als symbolischer Akt präsentiert, der das Ende des “Kalten Krieges” zwischen den beiden entgegengesetzten Supermächten bestätigte, die Morgendämmerung einer neuen Ära des Friedens und der Stabilität. Die Vereinheitlichung des Planeten in einem einzigen Lebensmodell, dem privaten, kapitalistischen Modell sollte die definitive Verbannung jeglicher Konflikte mit sich bringen. Man könnte sagen, dass gewissermaßen genau das Gegenteil passiert ist. Noch nie hat man in der modernen Geschichte so viele gewalttätige Konflikte gesehen, die die Welt in Blut tränkten, wie nach 1989. Wenn die verschiedenen Armeen bis dahin in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft waren, so sind sie heute in ständiger Mobilisierung. Die militärischen Kräfte verbringen ihre Zeit nicht mehr mit Übungen, sondern damit, im Feld zu kämpfen. Der kalte Krieg ist zum heißen, an manchen Orten kochenden Krieg geworden und generalisiert sich. Nur dass das Massaker, das der Staat diktiert, heute nicht mehr länger Krieg genannt wird, sondern Polizeioperation. Indem sich das Empire nach allen Seiten ausgeweitet hat, hat es keine äußeren Feinde mehr, gegen die es sich verteidigen muss, sondern nur noch innere Feinde, die es zu kontrollieren und zu unterdrücken gilt. Es existiert kein Draußen mehr, wie uns die Diener des Empires gerne in Erinnerung rufen, es existiert nur noch ein Drinnen. Aber dieses Drinnen ist buchstäblich am explodieren.

Um Platz zu schaffen, hat das Empire das alte Modell des Nationalstaates hinweggefegt. Aber wie kann man ganze Bevölkerungen, die bisher mit dem Klebstoff der Volksidentität zusammengehalten und gezähmt wurden, welche aber, wie etwa bei den Serben und Kosovaren oder den Israelis und Palästinensern, nicht mehr existiert, davon überzeugen, dass es stattdessen nur noch Subjekte gibt, die über den Gehorsam einem einzigen sozialen System gegenüber ähnlich gemacht werden? Auf diese Weise entzündet und erneuert das Empire grausame Bürgerkriege im Moment seines Triumphes.

Um sich zu konsolidieren, hat das Empire die politische und wirtschaftliche Macht, die Macht der Wissenschaft und die des Militärs, in einem einzigen Apparat fusioniert. Aber wie kann es ohne spezifische politische Aktivität handeln, die unentbehrlich ist, um das eigene Gleichgewicht zu halten, – die Mediation, die vor allem Mäßigung ist ohne auf die zügellose Suche nach dem maximalen Profit zu gehen. Darum entfesselt das Empire im Moment seines Triumphes starke soziale Spannungen.

Um sich zu verwurzeln hat das Empire überall die Religion des Geldes aufgezwungen. Aber wie ist es denkbar, dass die Transzendenz der Traditionen und Riten von Jahrtausenden, nachdem sie jeden Bereich des sozialen Lebens von Grund auf durchtränkt und der Existenz von Milionen von Ergebenen Bedeutung gegeben haben, ihren Platz für die Immanenz der Waren verlassen könnte, ohne Rebellionen zu entfesseln. Das heilige Buch des Christentums, die Bibel selbst, erinnert an die Wut von Christus über die Anwesenheit der Kaufleute im Tempel und an deren gewaltsame Entfernung: „In der Schrift steht: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein, Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle“ (Mt 21,13) Im Augenblick seines Triumphes, also ruft das Imperium religiösen Fundamentalismus hervor.

Wir sehen uns einer paradoxen Situation gegenübergestellt. Auf der einen Seite ist es dem Reich des Kapitals wohl gelungen, die absolute Herrschaft zu erobern, Okzident und Orient unter einer gemeinsamen Flagge zu vereinen, und jede Vision der menschlichen Existenz, die nicht auf den Gesetzen der Wirtschaft aufbaut zu annullieren; auf der anderen Seite aber, mit all seiner erlangten Macht, mit seinen überall zum Schutz der Profite verstreuten Prätorianern, demonstriert der Kapitalismus, dass er die Dinge nicht im Geringsten unter Kontrolle hat. Das Empire wird gefürchtet, aber nicht geliebt. Es wird ertragen, nicht gewählt. Es besitzt Stärke, nicht Konsens. Wenn es die mögliche Bedrohung seines Kollapses abwenden will, kann es nur einen Weg gehen: den, dass die Menschen es nicht aufgezwungen, sondern mit ihrer Zustimmung akzeptieren, dass es als richtig, als notwendig, als unvermeidbar erkannt wird.

Aber wie könnte es dem Empire – synonym mit Gesellschaftsordnung auf Gewaltakte und der Arroganz basierend, Ursache für die Grausamkeit und das Leiden – gelingen seine Subjekte7 dazu zu bewegen, es zu lieben? Es erzwingt Kontrolle mit Waffengewalt. Es erreicht Konsens mit schmeichelnden Worten. Wenn das Empire den Subjekten seine Argumente einflößen will, damit sie diese akzeptieren und würdigen, so muss es den Trick ausspielen, nach der Hilfe von Abgesandten zu greifen. Diejenigen, die in der Kunst der Schmeichelei glanzen, sind bestimmt nicht unter den Schlaueren, da sie schnell als das demaskiert würden, was sie wirklich sind – Diener unter Dienenden. Nein, eine derart komplexe und delikate Aufgabe kann nur von denjenigen ausgeführt werden, die es verstehen, die Grenzen der imperialen Ordnung aufzuzeigen. Bissige Beobachtungen auf Kosten des Imperiums faszinierten die widerspenstigen Subjekte schon immer, die von den Abgesandten in eine fiktive Komplizenschaft verwickelt werden und dabei nicht erkennen, dass die Kritik der Unvollkommenheit für die Erreichung der Vollkommenheit arbeitet, indem sie das Empire transformiert – von etwas, das wir los werden müssen, zu etwas, das wir korrigieren müssen, ohne welches wir aber nicht leben können.

Um die Dringlichkeit der Restrukturierungsarbeiten aufzuzeigen und die nötigen Vergrößerungen des imperialen Bauwerks, werden die Abgesandten immer zahlreicher. Zwei von ihnen. Michael Hardt und Antonio Negri, haben kürzlich ein Buch veröffentlicht, das zunehmend an Erfolg gewinnt. Indem sie sich mit ihrem Universitätsjargon in Szene setzen, um die Subjekte ihrer eigenen Ignoranz zu unterwerfen, die übliche abgestandene und stumpfe, einschüchternde Waffe des intellektuellen Terrorismus, legen diese beiden Professoren auf der Suche nach Anerkennung den Finger auf die vielen wunden Punkte des Empires, mit dem Versuch ihrem Leser gleichzeitig zu erklären, warum sie wirklich nicht umhin können es zu akzeptieren. Der Titel dieses Meisterwerks des Dissents ist eine Hommage an den eigenen geliebten Elternteil: das Empire.

SCHWEREN HERZENS

Wie kann man eine Bedingung von Enteignung, von Entfremdung und von Ausbeutung akzeptabel machen, ohne ein Gefühl von Wut und Rebellion hervorzurufen? Die Antwort ist nur scheinbar unmöglich. Es genügt den Glauben einzuflößen, dass das, was sie durchmachen unvermeidbar ist, diktiert von einer tragischen, sowie fatalen Notwendigkeit. Das Einflüßen der herrschenden Werte bildet genaugenommen die Basis der sozialen Reproduktion. Étienne De La Boétie, mit seinem unsterblichen Diskurs der freiwilligen Knechtschaft weist darauf hin, wie der Umstand, dass die Macht weniger, die von vielen blind akzeptiert wird, zurückverfolgt werden kann zu coutume, dessen Bedeutung zwischen geschichtlich-traditionellem Brauch und psychologischer Angewohnheit schwankt: Es verweist auf einen Prozess der Anpassung an die Gesellschaftsform, in der sich das menschliche Wesen eingefügt wiederfindet, ein Prozess der darin endet, einen großen Teil seines Verhaltens zu bestimmen. Der Hauptgrund warum Menschen ihre Unterwerfung unter die Macht akzeptieren, ist, weil sie als Diener geboren und aufgezogen werden. “Es ist trotzdem wahr – argumentiert La Boétie -, dass der Mensch am Anfang schweren Herzens dient, von einer höheren Macht dazu gezwungen; aber diejenigen, die später kommen, diejenigen, die die Freiheit niemals gesehen haben und nicht einmal etwas derartiges kennen, dienen ohne jegliches Bedauern und machen das freiwillig, was ihre Eltern unter Zwang gemacht haben. Und so sind die Menschen, die mit dem Joch um ihren Hals geboren werden, in Knechtschaft ernährt und erzogen, ohne ihre Augen auch nur ein wenig vor sich selbst zu heben, zufrieden, so zu leben wie sie geboren wurden, ohne sich gute und richtige Dinge vorstellen zu können, außer denen, die direkt vor ihnen liegen, und sie halten die Bedingungen, in die sie hinein geboren werden für natürlich.“ Das bedeutet, wir können uns des Fehlens unserer Freiheit nur bewusst werden, wenn wir die Möglichkeit hatten, sie zu erfahren oder von ihrer Existenz zu wissen. Die Erfahrung des Gefängnisses ist nur dann ein Drama, wenn wir sie mit einer Erfahrung von Freiheit vergleichen können, der wir im Augenblick unserer Gefangennahme entrissen wurden, wie sehr diese auch überwacht und konditioniert gewesen sein mag. Aus dem profunden Unterschied der zwischen diesen beiden gelebten Erfahrungen liegt, entspringt unser Verlangen nach Flucht und Revolte. Aber wenn wir in einem Gefängnis geboren und aufgewachsen sind, wenn die Mauern eines Gefängnisses unseren gesamten Horizont bildeten, all unsere Traume ausfüllten, all unsere Handlungen bestimmten, wie könnten wir eine Freiheit verlangen, von der wir niemals wussten? Weil die Gefangenschaft unsere einzige und gewohnte Lebensbedingung war, würden wir sie vielleicht als natürlich bezeichnen und sie schlussendlich guten Willens akzeptieren. Oder sogar denken, wie Orwell gewarnt hat, dass Sklaverei Freiheit ist.

Das Empire gründet, wie jede andere Form der Herrschaft, seine eigene Kontinuität darauf, dass es die Macht, die es ausübt, als natürlich annimmt. Die Kritik am Empire als solche, in ihrer Totalität und nicht in ihren einzelnen Aspekten, wird als Form von Wahnsinn oder Abweichung dargestellt. Aber diese Objektivierung der Herrschaft erfordert weitere Unterstützung, solider und überzeugender, und über die gewohnte hinausgehend. Wie La Boétie erinnert: „Es gibt keinen noch so sorgenfreien und unbekümmerten Erben, dass er nicht doch manchmal einen Blick ins Familienregister wirft, um zu sehen, ob er sich aller Rechte der Nachfolgerschaft erfreuen kann, oder ob es stattdessen einige Machenschaften gegen ihn oder seine Vorfahren gibt.“ Gewohnheit alleine genügt nicht. Einige könnten sich schlussendlich langweilen und diesen individuellen, psychologischen Mechanismus aufgeben. Deswegen ist es notwendig die “Familienregister” zu frisieren, mittels eines kollektiven historischen Mechanismus, in einer Form, dass ihre Lektüre ein eindeutiges und definitives Ergebnis für alle verordnet. Aber wie?

Es ist leicht zu verstehen, dass eine totale Zensur unserer Rechte, oder der Ausschluss auch nur irgendeiner Person von den Registern zum exklusiven Nutzen dessen, der die Macht innehat, zumindest verdächtig erscheinen würde und eine rasende Reaktion provozieren könnte: und wir, wer sind wir? Wenn uns nichts gegeben wird, nehmen wir uns alles! Es ist intelligenter, anstatt uns in das Vermächtnis einzubeziehen, uns zu integrieren und uns die Verantwortung dafür, was mit uns geschieht, zuzuschreiben, uns mit dem Ersuchen um Partizipation an den Familienereignissen in solch einer Form in die Irre zu führen, die uns die uns umgebende Realität, nicht als etwas wahrnehmen lässt, das uns beherrscht, dem wir uns unterwerfen müssen, sondern als ein Produkt, nach dem wir resolut verlangen und zu dem wir mit unserer Aktivität einen direkten Beitrag leisten und das demnach uns gehört. Wenn „der Staat sich darauf vorbereitet zu töten, nennt er sich Vaterland“, wie Dürrenmatt sagte, „dann ist das, weil er will, dass seine “Bürger” kämpfen und dabei denken, dass sie das für sich selbst tun, ohne zu bemerken, dass sie „für die Tresorräume der Banken“ sterben[“] (Anatole France). In gleicher Weise ist das der Grund, warum die Bosse es einen Betrieb nennen, wenn sie sich anschicken, Profit zu machen, denn sie wollen, dass ihre “Angestellten” in dem Glauben arbeiten, sie täten es für sich selbst, ohne zu bemerken, dass sie ausschließlich zum Nutzen des Bosses ausgebeutet werden. Der Gehorsam wird absolut vor jedem Zweifel bewahrt, wenn er nicht mehr länger als Zwang oder als vererbter Fehler gesehen wird, sondern als Ausdruck eines sozialen Willens.

In dieser Hinsicht schämen sich die beiden Abgesandten des Empires nicht, zu bestätigen, dass wenn „man mit Hegel kokettieren wollte, man sagen könnte, dass das Empire an sich, aber nicht für sich gut ist“. In Wahrheit ist ihre Beziehung zum Vater der Dialektik nicht nur schlichtes Kokketieren; es ist eine echte Liebesgeschichte. Ihre Analyse des Empires wird konform zur hegelianischen Dialektik ausgeführt. Das ist kein Zufall. Hegel war überzeugt davon, dass seine eigene Philosophie den Zeitgeist repräsentierte, in dem sie entstanden war. Durch und dank der Überlegenheit seiner Philosophie gegenüber den Philosophien der Vergangenheit, war er der Überzeugung und hatte den Antrieb und die Pflicht, zu beweisen, dass die Gesellschaft, der sie entsprang (d.h. die historische Realität des Preußischen Staates) den Gipfel aller vorhergehenden Zivilisationen darstellte. Vorsichtig betrachtet ist es derselbe Ehrgeiz, der die beiden Abgesandten in Bezug auf das Empire bewegt.

Eine Eigenheit von Hegel, weswegen sich die scharfsinnigsten Funktionäre der Herrschaft mit Anerkennung an ihn erinnern sollten, die aus seinem Verständnis besteht, dass Einheit – zu der jede Form von Macht strebt – unverwundbar erscheinen würde, wenn sie, anstatt sich auf dem Ausschluss der Vielfalt aufzubauen – d.h., der Opposition – ihre Verwirklichung in der Assimilierung derselben fände. Mit anderen Worten, konkrete Einigkeit könnte für Hegel durch die Versöhnung von Unterschieden erreicht werden und nicht durch deren Vernichtung. Nur durch die Unterschiede zwischen der Vielfalt der Dinge und durch deren Konflikte können konkrete, dauerhafte Dinge erreicht werden. Daher entspringt für Hegel die Einheit in Wahrheit dem fortdauernden Kampf zwischen der Vielfalt der Dinge, die sie ausmachen. Seine Lüge hat sich manifestiert: wenn diese Einheit nicht die Vielfalt unterdrückt, dann begreift sie das auch nicht, da sie darauf beschränkt ist, sie zu domestizieren, um sie in den Dienst der ursprünglichen These zu stellen. Das ist die Bedeutung der Dialektik, der Hegel die Aufgabe anvertraut, die intimsten Vorgänge der Wirklichkeit zu enthüllen. In der dialektischen Entwicklung bildet die Bestätigung eines Konzeptes die These; deren Negation bildet die Antithese. Durch den Konflikt zwischen These und Antithese wird die Synthese geboren, welche These und Antithese in eine höhere Einheit aufnimmt, in der beide wie unterschiedliche Momente wahrgenommen werden. Aber auf bestimmte Weise repräsentiert die Synthese eine Wiederkehr zur These und ist tatsächlich eine Sache der Wiederkehr, angereichert durch all die Dinge, die durch die Antithese beigesteuert wurden. Es erscheint klar, dass die pure Existenz von zwei Gegenteilen nicht genug ist, um eine dialektische Beziehung zu erzeugen. Um etwas solches zu erreichen, wird etwas mehr benötigt: Es bedarf der Mediation zwischen den beiden Gegenteilen. Um zwischen zwei Gegenteilen zu einer Mediation zu kommen, muss man deren Irreduzibilität wegnehmen, man muss sie verbinden und eine Kommunikationsbrücke zwischen ihnen aufbauen. Es bedeutet, diese durch Versöhnung zu befrieden, aber zum Vorteil einer bestimmten Seite – derjenigen die von Anfang an die Stärkere war.

Nach Hegel war die Dialektik nicht nur „die Natur des Gedankens selbst“. Die Identität des Rationalen und des Wirklichen verfechtend, interpretierte er die Dialektik auch als das Gesetz der Wirklichkeit. Jegliche Realität bewege sich dialektisch, nach einem objektiven Mechanismus. Auf derartige Weise, dass das, was ist zur selben Zeit das, was sein muss darstellt, d.h. es ist eine Selbst-Rechtfertigung in all ihren Erscheinungsformen, die daher “notwendig” sind, in dem Sinn, dass sie nichts anderes sein können, als das, was sie sind. Für Hegel heißt, sich etwas zu widersetzen, das etwas anderes zur Realität darstellt, die Vernunft zu Gunsten des Selbst-Interesses oder individueller Willkür aufzugeben, etwas, das grenzenlos wahnsinnig ist, da seiner Meinung nach nur das Rationale real ist. In den Getrieben dieses deterministischen Mechanismus, wird die Geschichte zur Verwirklichung einer vorherbestimmten Ebene, und der Staat wird nichts weniger als die Inkarnation des Weltgeistes – eine Art Offenbarung Gottes auf Erden.

Das was Hegel, ein braver Untergebener des preußischen Staates, niemals in Betracht zieht, ist die konkrete Möglichkeit einer völlig autonomen Opposition, souverän, unkompromittierbar – eine Vielfalt, die sich in keinerlei Synthese hineinziehen lässt.

Man muss sehen, dass Hegel ein sehr guter Abgesandter des Empires war. Seine Anerkennung der Rolle, die für die Opposition in der Produktion der Realität entwickelt wurde, machte ihn der Linken sympathisch. Seine Synthese, die Gegensätze zum Nutzen der ursprünglichen These, d.h., der bestehenden vermittelte, machte ihn der Rechten sympathisch. Dieser fröhliche, bourgeoise Mann unterrichtete an der Universität Berlin mit der gnädigen Erlaubnis des Königs, ohne es je zu versäumen, den Geburtstag des Falles der Bastille mit einer Flasche Wein zu feiern. Übrig bleibt die Tatsache, dass die interne Dynamik der Dialektik, wie er sie sich ausdachte, untrennbar vom ideologischen Vorsatz der Rechtfertigung des Status Quo ist – es genügt an die ironische Beobachtung von Bataille zu denken, nach der „es nicht die romantische Poesie, sondern der “obligatorische Militärdienst” ist, der die Wiederkehr zum gewöhnlichen Leben zu garantieren schien, ohne den seiner Meinung nach kein Wissen möglich war.“ Die hegelianische Überwindung ist nichts anderes als eine Bewegung der Konservierung, der Bestätigung und Ratifizierung der Vergangenheit. Kurz gesagt, Hegel war ein wichtiger Philosoph der Rekuperation: Die Macht wird stärker wenn sie, anstatt sich im eigenen Schloss einzusperren und Dissidenten umzubringen – nur dazu fähig mit blinder Intoleranz den sozialen Hass zu schüren -, die innovativen Ideen aufnimmt und diese teilweise, nach angemessener Sterilisierung, auch in die Tat umsetzt, mit dem Ziel, die eigene Legitimation zu verstärken.

Wie wir sehen werden, sind Hardt und Negri skrupellose Jünger von Hegel. Aber ihre Analyse holt sich auch von anderen Denkern Inspiration, von einigen derer, die als Subversive in die Geschichte eingegangen sind, obwohl die Anstrengung, die Notwendigkeit von Autorität und die Ordnung, die sie aufzwingt, zu rechtfertigen, in ihrer Arbeit offensichtlich ist. Hegels berühmtester Schüler, dieser Marx, der so überzeugt war, dass „die Bourgeoisie eine ungemein revolutionäre Funktion in der Geschichte hatte,“ ist ein weiterer konstanter Referenzpunkt für die beiden Abgesandten des Empires, besonders in der Ausarbeitung von politischen Perspektiven. Tatsächlich verficht Marx, der die gesamte Menschheitsgeschichte im Licht des philosophischen Mechanismus der hegelianischen Determination interpretiert, das fortschrittliche Wachstum des Kapitalismus offen als den einzigen Weg um den Kommunismus zu erreichen: „die Entwicklung der Großindustrie entzieht unter den Füßen der Bourgeoisie also genau das Terrain, auf dem es die Produkte produziert und sich diese selbst aneignet. Vor allem produziert es die Totengräber. Sein Verfall und der Sieg des Proletariats sind gleichermaßen unvermeidbar.“

Für Marx und für seinen Spezi Engels stellte die Revolution nicht die Negation der Zivilisation des Kapitals dar, eine Bruchstelle ihres tödlichen Fortschritts, sondern vielmehr ihr glückliches Endergebnis. Mit der Gewissheit, dass der Triumph der Bourgeoisie, den Triumph des Proletariats automatisch provozieren würde, endete er damit, die Entwicklung des Kapitalismus zu stützen und gegen diejenigen zu kämpfen, die sich ihm widersetzten. Diese Form des getarnten Fatalismus brachte ihn dazu, einige reaktionäre Positionen zu übernehmen, zum Beispiel, sich den Sieg Preußens im Krieg gegen Frankreich, aus der Überzeugung heraus zu wünschen, dass das Fundament des deutschen Reiches unter Bismarck die politische und ökonomische Zentralisierung von Deutschland bewirken würde, ein Faktor, der aus seiner Sicht das Anbrechen des sozialistischen Advents gebracht hätte. Weiters drängte ihn seine Idee der sozialen Transformation als Erfüllung, anstatt als Bruch, dazu, die Notwendigkeit zu befürworten, Mittel und Wege des proletarischen Kampfes nach dem Vorbild der Gegner zu formen, dabei philosophierend, dass die Arbeiter sich mithilfe einer politischen Partei organisieren müssten, um die Staatsmacht zu erobern.

Von diesem Gesichtspunkt aus ist die Analyse der beiden Abgesandten strikt marxistisch. Und angesichts der Natur ihrer Mission, könnten sie sicherlich nicht ohne die kostbaren Vorschläge des Beraters des Prinzen auskommen, des “demokratischen Machiavell”, der als Vater der modernen Politik, nämlich der Staatsräson bezeichnet wird, ein Experte darin, das Volk zu täuschen und in Ketten zu halten. Sie singen seine Lobgesänge, wobei sie es unterlassen, an seine Maxime zu erinnern, nach der da „nichts eitler und unverschämter ist, als die Menge“, sogar ein Theologe, wie Spinoza, der nach Häresie riecht, erweist sich als nützlich für sie, sowohl wegen seiner philosophischen Überlegungen über den Begriff der Macht, als auch wegen seiner theologisch-politischen Überlegungen über die Beziehung zwischen Demokratie und Menge. Das Familienportrait wird durch die Philosophen vervollständigt, die als Post-Strukturalisten bekannt wurden, jene französischen Denker, die, um die Gesellschaft gegen die Subversion zu verteidigen, die durch den Tod Gottes verursacht wurde – eine Subversion, die im Mai ’68, in deren Land eine Form annahm, indem sie sich als größter Wildcat-Streik der Geschichte konkretisiert – in allen Bereichen den Tod des Menschen ankündigten, mit dem Ziel, Resignation zu verbreiten und aus dem Individuum einen schlichten Klumpen aus sozialen, politischen, technischen und sprachlichen Vorrichtungen und Praktiken zu machen. Der Einfluss Deleuze’s und Guatarri’s, “Wunsch- Maschinen”, ist besonders stark. Überraschend ist eine gewisse unfreiwillige Aufrichtigkeit der beiden Abgesandten, was die wahre Natur ihrer eigenen Mission betrifft, wenn sie uns einladen, in Auseinandersetzung mit einer möglichen sozialen Transformation, die alte Metapher des revolutionären Maulwurfs zu Gunsten von jener der Schlange aufzugeben. In der Tat erhärten sie den Verdacht, indem sie erklären: „Nun, wir furchten, dass Marx’ alter Maulwurf gestorben ist. Uns scheint, als ob im gegenwärtigen Übergang zum Empire die unendlichen Windungen der Schlange das Gängesystem des Maulwurfs ersetzt haben“. Der Maulwurf hat seine Schuldigkeit getan. Seine Ausrottung in der Sphäre der politischen Zoologie wird durch seine Erblindung verursacht werden, die ihn immun für Kalkulation macht. Und dennoch, wenn dieses Tier Sympathie erweckt, dann ist das genau deshalb, weil es der Intrigen unfähig ist. Ausschließlich mit Sturheit bewaffnet und von Intuition geleitet, fahrt der Maulwurf fort zu graben, ohne jemals seinen Mut zu verlieren, in der Hoffnung am rechten Ort aufzutauchen. Die Schlange ist ein völlig anderes Tier. Sie gräbt nicht, sie kriecht. Sie bewegt sich “wellenartig” fort, von rechts nach links, von links nach rechts (das Bild des Opportunismus). Überdies ist sie seit der Zeit von Adam und Eva für ihre gespaltene Zunge (Symbol der Lüge) bekannt. Sie repräsentiert somit bestenfalls die gespaltene Natur der beiden Abgesandten und deren vermutlichen Väter, Verlorene mit Ränzchen auf der Schulter und mit breitem Lächeln für die Subjekte, insofern Letztere vorhaben, solche zu bleiben.

GEHT AN DIE ARBEIT!

Ziel der beiden Abgesandten ist es, die Subjekte, die sie als “Menge” definieren – ein neutraler Ausdruck quantitativer Art, geprägt von einigen Gelehrten in der Vergangenheit, nützlich um der Verlegenheit zu entgehen, eine qualitative Definition der Seiten zu gebrauchen -, davon zu überzeugen, dass, obwohl es wahr ist, dass das Empire viele Fehler aufweist, es ebenso wahr ist, dass dessen Existenz die Frucht einer rechten und unvermeidbaren Notwendigkeit ist. Dass, wenn das Empire das Eine ist, das die Vielen repräsentiert, dies nur ist, weil es sie in einer exakten arithmetischen Summe ausdrückt, nicht weil es sie in seinem Inneren vernichtet. Dass dessen Funktionieren nichts ist, worunter die Menge jetzt leidet, sondern etwas, was diese selbst bestimmt hat, absichtlich oder nicht. Mit einem Wort, dass der Wille des Empires in der Tat den Begierden der Menge durchaus nicht entgegengesetzt ist, sondern, dass er im Gegenteil deren Ausdruck und Verwirklichung ist, wenn auch mangelhaft. Es gibt also keinerlei Grund, dessen Zerstörung zu wollen. Genau das!

Aber betrachten wir, wie die beiden Abgesandten die Kritik von Etienne De La Boétie liquidieren. Sie sind sich bewusst, dass „wenn der Chef Sie auf dem Gang grüßt, eine Subjektivität entsteht. Die materiellen Praktiken, mit denen das Subjekt im Kontext einer Institution zu tun hat (sei es, sich zum Gebet hinzuknien oder Hunderte von Windeln zu wechseln), sind die Produktionsprozesse von Subjektivität“ und, dass „man deshalb die verschiedenen Institutionen der modernen Gesellschaft als Archipel von Subjektivitätsfabriken betrachten sollte“. Aber in deren alltäglichen Handlungen, deren seriellen Wiederholungen, deren tödlichen Angewohnheiten, die sie von der Geburt bis zum Tod begleiten, Tag für Tag, ohne uns einen Augenblick von Autonomie zu geben, denunzieren die beiden Abgesandten genaugenommen den Reproduktionsprozess des Existierenden in seiner sozialen Teilung nicht gänzlich, das heißt, das was die Einzigartigkeit des Individuums zerstört, sondern sie begrüßen das, was seine Subjektivität erschafft. Welch außergewöhnliche, mystifizierende Kraft des Wortes! Die Doppeldeutigkeit wird durch die Verwendung des Konzeptes der “Subjektivität“ erschaffen, was sie offensichtlich dem der “Individualität” vorziehen. In sich gesehen, sind die Beobachtungen der beiden Abgesandten richtig, aber die Bedeutung, die sie daraus ableiten ist völlig verzerrt, da die Subjekte dazu gebracht werden, diese “Fabriken der Subjektivität” mit wohlwollenden Augen zu betrachten. Aber was ist im Grunde schlecht daran? Ist nicht die Subjektivität „die Qualität von demjenigen der subjektiv ist?“ Und ist Subjektivität vielleicht nicht “das, was relativ zum Subjekt ist, das, was aus einem Weg des Fühlens, Denkens und Entscheidens selbst zu dem Individuum als solchem kommt”? Jedes beliebige Wörterbuch ist in der Lage, das ohne Unsicherheit zu bezeugen, aber lasst uns mit unserer Untersuchung bis zum Ende tortfahren. Was ist das Subjekt? Das Subjekt ist „die Person oder Sache, die in Betracht gezogen wird,“ aber es ist auch „jemand der an einem unterhalb liegenden Platz ist, untenstehend, unterwürfig, unterstellt.“ Diese Begriffe haben tatsächlich eine einzige Wurzel, sie stammen alle vom lateinischen subjectus, Partizip Perfekt von subicere, unterwerfen. Zu bestätigen, dass Subjektivität relativ zum Individuum ist, bedeutet, Unterwerfung an sich als natürlich darzustellen, somit ein historisches Ereignis in eine biologische Tatsache zu verwandeln. Die Subjektivität drückt demnach jemandes Qualität aus, der unten, untenstehend, unterworfen, unterstellt ist. Und was ist die Qualität von jemandem der unterworfen ist, wenn nicht die zu gehorchen, etwas das man viel eher machen wird, wenn man denkt, dass das in der Natur des Individuums als solches liegt? Genau wie im umgekehrten Sinne die Überredungskunst der Rhetorik es möglich macht, die Subjekte in diesen “Fabriken der Subjektivität” zur Arbeit, d.h. zur Dienerschaft zu drängen, statt dass sie diese in die Luft jagen.

Eine Fabrik ist natürlich produktiver, wenn bei den Arbeiter-Subjekten Disziplin herrscht: aber da gibt es ein Problem. Die Subjekte haben viel zu oft den hässlichen Fehler, die Disziplin als eine Form der Domestizierung zu betrachten. Das ist der Grund warum sie im Verlauf der Geschichte versuchten ihr auf allen Wegen auszuweichen oder sie zu durchbrechen. „Warum also dann?“ fragen die beiden Abgesandten und sind überzeugt: „Disziplin ist nicht eine äußere Stimme, die über uns stehend uns unser Handeln diktiert, uns überwölbt, wie Hobbes sagen würde, sondern Disziplin ist eher eine Art innerer Antrieb, der von unserem Willen ununterscheidbar, unserer Subjektivität immanent und ihr also untrennbar verbunden ist.“ Es ist unleugbar, dass Disziplin von unserer eigenen Subjektivität nicht zu trennen ist, wie wir gerade gesehen haben, Subjektivität unbestreitbar Unterwerfung aufzeigt. Aber es ist die Behauptung, dass des Sklaven strenggläubige Befolgung der Regeln des Meisters nicht so sehr aus Angst vor der Peitsche verursacht wird, als „durch einen inneren Zwang der ununterscheidbar von unserem Willen ist“, die die Herren Hardt und Negri nicht unterstützen können, ohne zuzugeben, auf welcher Seite der Barrikaden sie gefunden werden können: auf der Seite der Sklaventreiber. Ihre ganze historische Rekonstruktion der Geburt und der Entwicklung des Empires geht in dieselbe Richtung. Der Sklave verlangt nach seinen eigenen Ketten und erschafft sie selbst. Die Subjekte verlangen nach dem Empire und sie erschaffen es. Dessen Bildung ist unvermeidbar, weil sie das biologische Ergebnis der menschlichen Natur und zeitgleich das dialektische Ergebnis der Menschheitsgeschichte ausdrückt.

Die Beschäftigung damit, den imperialen Determinismus zu legitimieren, manifestiert sich auch in der nervtötenden mechanischen Sprache, die die beiden Abgesandten verwenden. Sie sind letzten Endes davon überzeugt, dass der Mensch hinter dem Getriebe verschwindet, dass die Autonomie dem Automatismus nachgeben muss und die Fantasie vor dem Funktionieren kapitulieren muss. Was ist das Empire? „Das Empire erscheint in Gestalt einer High-Tech-Maschine“, oder um es klarer auszudrücken, „das Empire bildet das ontologische Gewebe“. Was sind die Subjekte, die “Menge”? „Die Menge benutzt nicht nur Maschinen zur Produktion, sondern wird auch selbst zunehmend zu einer Art Maschine, da die Produktionsmittel immer stärker in die Köpfe und Körper der Menge integriert sind“. Was ist das Begehren? Das Begehren wird als ein “ontologischer Motor” definiert. Was ist die Sprache? Unweigerlich kommt die Antwort: „…wobei wir mit Sprache

Intelligenzmaschinen meinen, die ständig durch die Affekte und die subjektiven Leidenschaften erneuert werden“. Das sind nur einige Beispiele der technischen – und, als solche, vor allem – Sprache, die diesen Text ausfüllt.

Aber die Evolution der Zivilisation wie einen Mechanismus einer Megamaschine zu präsentieren ist nicht ausreichend. So ausgedrückt, rechtfertigt man die Resignation im Angesicht der sozialen Verschmutzung die sie produziert, aber die Wut, schlicht und einfach zum Getriebe zu werden, neutralisiert es nicht. Die beiden Abgesandten müssen sich daher etwas mehr Mühe geben. Sie müssen dem Subjekt verständlich machen, dass „in Wahrheit nämlich wir die Herren dieser Welt sind, weil unser Begehren und unsere Arbeit sie fortwährend neu erschaffen“, und dass wir folglich wenig haben, worüber wir uns beschweren müssen. Wir, die Herren der Welt?

DIE KEHRSEITE DER MEDAILLE

In unserer unaussprechbaren Ignoranz dachten wir, dass es das Bestreben einer jeden Macht war, sich bis zu dem Punkt hin zu verdichten und auszudehnen, an dem sie wahre und leibhaftige imperiale Bedeutung annimmt. Die letzte Realisierung hängt jedoch von den Beziehungen der existierenden Kräfte ab. Und natürlich kann ein solches Ziel nur über das Wissen darüber erreicht werden, wie eine notwendige Druckwelle erzeugt werden kann, um die eigenen Gegner zu zerschlagen. Im Gegenteil erklären die beiden Abgesandten dazu: „Die Menge rief das Empire ins Leben“, denn „der Klassenkampf treibt den Nationalstaat in Richtung seiner Abschaffung, überschreitet so die von ihm aufgerichteten Grenzen und zwingt dergestalt Analyse und Konflikt gleichermaßen auf das Niveau der Konstitution des Empire“.

Wir dachten Arbeit wäre nur innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft gleichbedeutend mit menschlicher Aktivität, ein bisschen so wie Tiere in Gefangenschaft gleichbedeutend sind mit Natur, nur eben in einem Zoo. Eine entschiedenermaßen abstoßende Gleichung, ausgenommen für jene, die denken, „Arbeit macht frei,“ wie es die Nazis an den Eingängen der Konzentrationslager verkündeten, oder für die, die meinen, dass die Gitterstäbe eines Käfigs dazu dienen, die Tiere vor den Gefahren von draußen zu schützen. Im Gegensatz dazu zögern die beiden Abgesandten nicht dahingehend zu argumentieren: „Die lebendige Arbeit […] ist das Vehikel der Möglichkeit, Arbeit […] erscheint nun als allgemeine gesellschaftliche Tätigkeit. Arbeit ist, verglichen mit der bestehenden Ordnung und ihren Reproduklionsregeln, produktiver Exzess. Dieser Exzess ist […] Folge eines kollektiven Emanzipationsprozesses […]“. Grund für ihre Behauptung: „Die neue Phänomenologie der Arbeit der Menge erweist diese Arbeit als schöpferische Tätigkeit, die mit Hilfe von Kooperation jedes Hindernis überwindet und die Welt ständig neu erschafft“.

Wir dachten, die Identifizierung des menschlichen Lebens mit der Produktion von Waren wäre eine der geschmacklosesten Lügen der Propaganda, die unfähig anderes zu ersinnen als ihre Wirtschaftsbilanzen. Das ist ein ähnlicher Betrug, wie derjenige der Poesie zu einer Inspirationsquelle für die Werbung reduziert hat. Im Gegensatz dazu informieren uns die beiden Abgesandten, dass „das Begehren zu existieren und das Begehren zu produzieren ein und dieselbe Sache sind“.

Wir dachten, dass die durch die großen Multinationalen eroberte Hegemonie über internationales ökonomisches und politisches Leben, mit der konsequenten Umwandlung der Welt in ein riesiges Einkaufszentrum, die Homogenisierung aller Lebensweisen sowie das Verschwinden aller Einzigartigkeit gebracht hat. Wie ein bekannter amerikanischer Journalist aufzeigte, die heutige Wahl liegt zwischen Coca Cola und Pepsi. Gegenteilig dazu machen uns die beiden Abgesandten darauf aufmerksam, dass „Statt eindimensional zu sein, war der Restrukturierungs- und Konzentrationsprozess des Kommandos über die Produktion ein Explodieren unzähliger verschiedener produktiver Systeme. Der Prozess, die Einheit des Weltmarkts herzustellen, vollzog sich durch Vielfalt und Streuung“.

Wir dachten dass die Erpressung, der sich die Subjekte unterziehen müssen – arbeiten um zu überleben oder vor Hunger zu verrecken -, das Element war, das Millionen von Menschen dazu gezwungen hat, den Ort ihrer Geburt auf der Suche nach einem Happen Brot aufzugeben. Niemand ist so schwachsinnig, durch die Not verursachte Auswanderung mit dem Abenteuergeist zu verwechseln, der aus dem Überfluss geboren wurde. Im Gegenteil, die beiden Abgesandten halten fest, dass Entwurzelung und Mobilität „eine machtvolle Form des Klassenkampfes in der imperialen Postmoderne“ darstellen, denn „mittels Zirkulation macht sich die Menge den Raum wieder zu eigen und konstituiert sich als handelndes Subjekt“.

Wir dachten, dass für mehr als ein halbes Jahrhundert der technologische Fortschritt durch die Forschung in militärischen Versuchslaboratorien aufrechterhalten und nur in zweiter Linie auch für zivile Zwecke ausgewertet wurde. Dadurch ist das Empire in der Lage seinen eigenen Kriegsapparat zu verstärken, die soziale Kontrolle zu perfektionieren und die wirtschaftlichen Profite zu maximieren. Im Gegenteil, die beiden Abgesandten sind davon überzeugt, dass nur Kämpfe „das Kapital dazu zwingen, das technologische Niveau ständig zu erhöhen und damit die Arbeitsprozesse zu verändern. Die Kämpfe nötigen das Kapital ununterbrochen, die Produktionsverhältnisse zu reformieren und die Herrschaftsverhältnisse zu transformieren“.

Wir dachten das Internet verkörpert eine Art neue Welt für das Empire, auf der einen Seite die Erfindung eines noch zu kolonisierenden Universums und auf der anderen Seite einen Weg um den internen sozialen Druck zu mildern. Im elektronischen Limbo navigierend, können die Subjekte im Austausch mit einem realen Gehorsam, eine virtuelle Freiheit genießen. Im Gegensatz dazu sind die beiden Abgesandten dazu bewegt zu bemerken, dass „indem sie ihre eigenen schöpferischen Energien ausdrückt, die immaterielle Arbeit das Potenzial für eine Art von spontanem und elementarem Kommunismus bereitstellt“.

Wir dachten, dass es dem Empire durch die Informatik gelungen war, eine reduzierte Sprache aufzuzwingen, die auf einer technologischen Notwendigkeit und nicht auf dem Reichtum ihrer Bedeutung basiert. Zum Verzicht gezwungen, sich an einem realen Ort, in direkter Kommunikation zu treffen, ersetzt durch einen virtuellen Ort, mit vermittelter Kommunikation, sind die Subjekte nicht mehr langer in der Lage, zu diskutieren und Ideen oder Emotionen auszudrücken, mit all ihren unberechenbaren Nuancen, sondern nur kalte Daten und Ziffern auszutauschen. Im Gegensatz dazu sind die beiden Abgesandten glücklich darüber, dass „wir heute Teil einer radikaleren und grundsätzlicheren Gemeinschaftlichkeit sind, als sie jemals in der Geschichte des Kapitalismus zu erfahren war. Tatsache ist, dass wir an einer produktiven Well teilhaben, die sich aus Kommunikation und gesellschaftlichen Netzwerken, aus zwischenmenschlichen Dienstleistungen und gemeinsamen Sprachen zusammensetzt. Unsere ökonomische und soziale Wirklichkeit ist weniger durch materielle Gegenstände, die hergestellt und konsumiert werden, als durch gemeinsam produzierte Dienstleistungen und Beziehungen geprägt. Produzieren bedeutet zunehmend, Kooperation, Kommunikation und Gemeinsamkeiten herzustellen“.

Wir dachten, dass die Biotechnologie den Gipfel des Triumphes des Kapitals über die Natur repräsentiert, das Eindringen der ökonomischen Motive in das Innere des organischen Körpers. Hinter den Versprechen der Gesundheit und des ewigen Glücks durchdrang (aber in anmaßender Weise schon am Eingang) der Vorschlag, das menschliche Dasein genetisch umzuprogrammieren, um die Unterschiede zu Gunsten der herrschenden Normalität zu unterdrücken. Im Gegensatz dazu tun die beiden Abgesandten nichts als zu dieser neuen Eroberung zu applaudieren, denn „Biomacht – ein Horizont der Hybridisierung des Natürlichen und des Künstlichen, von Bedürfnissen und Maschinen, von Begehren und der kollektiven Organisation des Ökonomischen und des Gesellschaftlichen – muss sich, um bestehen zu können, fortwährend re-generieren“.

Wie viele andere unpassende Gedanken können noch ausgedrückt werden? Wenn von mehr als von einer Seite bemerkt wurde, wie Marx, trotz seiner Kritik, eine gewisse Bewunderung für das Wirken der Bourgeoisie nicht verbergen konnte, zeigen die beiden Abgesandten ihrerseits all ihren frenetischen Enthusiasmus für die Welt, die durch den planetaren Triumph der Herrschaft des Kapitals geboren wurde, den sie uns als den planetaren Triumph der Kraft der Subjekte verkaufen wollen: „Kann man sich die Landwirtschaft und das Dienstleistungsgewerbe in den USA ohne Arbeitsmigranten aus Mexiko vorstellen? Oder die arabische Ölförderung ohne Palästinenser und Pakistanis? Mehr noch: Wo wären die großen innovativen Bereiche immaterieller Produktion, vom Design bis zur Mode, von der Elektronik bis zur Naturwissenschaft, in Europa, in den USA und in Asien, ohne die “Illegale Arbeit” der großen Massen, die vom strahlenden Horizont des kapitalistischen Wohlstands und der Freiheit angezogen werden? Nicht einmal die Größe der ägyptischen Pyramiden konnte eine stichhaltige Rechtfertigung für die entsetzlichen Leiden liefern, die Sklaven bei deren Errichtung ertragen mussten, die diese bauen mussten, malen wir uns das Szenario aus, in dem transgener Mais, Ölfelder, Modeschauen, oder der Mikrochip diese Rechtfertigung sein könnten!

Aber eine letzte Zuckung wird uns zugestanden. Wir dachten dass im Laufe der Geschichte die Subjekte, im Angesicht großer imperialer Macht und der prätorianischen Arroganz, ständig nur wenige Alternativen hatten: zu gehorchen oder zu rebellieren. In den Momenten in denen sie gehorchen, machen die Subjekte nichts anderes, als das Empire zu reproduzieren und dessen Stabilität zu garantieren. Denn es ist nur in den Momenten der Revolte gegen die Ordnung des Empires, dass wir aufhören, Subjekte zu sein und uns als freie Individuen bestimmen, und in denen wir den Himmel unserer Sehnsüchte erstürmen. Das wissen die beiden Abgesandten gut, aber sie wissen auch, dass ihre Aufgabe es in Wahrheit ist, Revolte in den Dienst des Empires zu stellen. Es geht darum, Hegels unvergessene Lektion in die Praxis umzusetzen. Es sind dieselben Abgesandten die einräumen, dass „das Empire seine Grenzen nicht befestigt, um andere fern zu halten, sondern dass es die anderen wie ein riesiger Schlund in seine friedfertige Ordnung zieht”. Demnach lehrt uns die Dialektik, dass das Empire und seine verfaulte8 Ordnung die These ist; die Antithese sind die Subjekte, die “Multitude”, und ihr Kampf; die Synthese ist die Vermittlung, die Überwindung der Widersprüche, die in Wahrheit die Rückkehr zur These verbirgt: die Ordnung des Empires angereichert durch die vom Kampf der Subjekte ausgedrückte Kreativität. Ein Schema, das nicht sehr weit entfernt liegt von Marx’ Interpretation der Diener-Meister Dialektik, die man im Ursprung seines Konzeptes für den Klassenkampf finden kann.

So interpretiert, ist es möglich, dass der lange Weg zur Formierung des Existierenden von den Subjekten nicht mehr länger als Domestizierung wahrgenommen wird, sondern vielmehr als Befreiung. Das, was ist – das zur selben Zeit auch das, was sein muss, ist – darf nicht mehr als Misere gesehen werden, sondern als Reichtum. In Anbetracht dessen, dass „die Menge die wahre Produktivkraft der sozialen Welt ist, während das Empire ein Beuteapparat ist, der von der Lebenskraft der Menge lebt“, muss man daraus folgern, dass „die Weigerung, sich ausbeuten zu lassen – oder genauer: Widerstand, Sabotage, Ungehorsam, Aufruhr und Revolution – die treibende Kraft der Wirklichkeit bilden, in der wir leben, und zugleich deren lebendige Opposition sind“. Die letzte Schlussfolgerung einer solchen Begründung ergibt sich von selbst: „Tatsächlich erfindet das Proletariat die gesellschaftlichen Formen und die Formen der Produktion, die das Kapital für die Zukunft zu übernehmen gezwungen ist.“ Kurz gesagt, es ist nicht das Empire durch die Ausübung der Macht, sondern es sind die Subjekte mit ihrem Kampf gegen die Macht des Empires, welche die sie umgebende Welt erschaffen. Dank ihres dialektischen Vorgehens stürzen die beiden Abgesandten die Realität und versuchen die Niederlagen der Subjekte als Siege zu betrachten. So gesehen ist das Paradies nahe.

DIE KÖPFE DES ADLERS

Wie dem auch sei, es ist wahr, dass Hardt und Negri, auf diese Weise manchmal in einige bedeutende Widersprüche stolpern. Es ist nicht immer einfach, die Subjekte davon zu überzeugen, dass die „Organisation der Massengewerkschaften, die Einrichtung des Wohlfahrtstaats und der sozialdemokratische Reformismus allesamt Folge der Kräfteverhältnisse waren, die der Massenarbeiter bestimmte, und der Überdeterminierung, die diese Alternative der kapitalistischen Entwicklung aufzwang“, wobei sie früher behaupten, dass „gegen die verbreitete Ansicht, wonach das Proletariat in den USA schwach ist, weil es im Vergleich zu Europa und anderswo weniger in Partei und Gewerkschaft organisiert ist, wir es vielleicht gerade aus diesen Gründen als stark ansehen sollten“.

Warum hatte das Proletariat jemals seine Formen der Repräsentation dem Kapital aufzwingen müssen, wenn es davon ausgeht, dass seine Stärke ohne diese größer ist? Beginnend mit der Überlegung, dass Gewerkschaften und Parteien von der Macht aufgrund der Kämpfe, die von den Subjekten geführt wurden, zugestanden werden, versuchen die beiden Abgesandten dies so zu interpretieren, als hätten dieselben Kämpfe diese absichtlich aufgezwungen. Des Scheins zum Trotz, handelt es sich durchaus nicht um dieselbe Sache. Im ersten Fall ist die Repräsentation der Institutionen ein Sieg der Macht, ein Weg, um die Kampfkraft der Rebellen zu bezwingen; Im zweiten Fall handelt es sich um eine Eroberung der Rebellen, die ihre Ziele durch Kämpfe erreicht haben. Aber wenn das Proletariat ohne Gewerkschaften und Parteien stärker ist, wie das Hardt und Negri anerkennen, wem nützt es dann, sie zu institutionalisieren? Offensichtlich dem, der sie zugestanden hat, das heißt der Macht, die auf diese Weise die wahre, mediationslose, durch Rebellion gebildete Bedrohung aufhält.

Die erste Gewerkschaft tauchte erst in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts auf. Jegliche Idee des Klassenkampfes, der Subversion der kapitalistischen Ordnung, war ihr völlig fremd, da es ihr einziger Zweck war, die Interessen der Arbeiter mit denen der Bosse zu vereinbaren. Indem sie Arbeiter auf der Ebene der Kämpfe für spezifische Forderungen organisiert und versucht die Ausbeutung zu limitieren, um eine Verteilung der Produktion, die weniger nachteilig für die Arbeiter ist, zu erreichen, kämpft die Gewerkschaft um Durchsetzung von Lohnerhöhungen, Reduzierung von Arbeitsstunden, Garantien gegen die Willkür, und so weiter. Mit anderen Worten, die Gewerkschaft zielt im besten Fall darauf ab, die Güter neu zu verteilen, ohne aber die Natur der sozialen Ordnung selbst direkt in Frage zu stellen. Ihre Funktion besteht darin, Korrektiven für die Entwicklung des Kapitalismus vorzunehmen. Sein grenzenloser Durst nach Profit macht ihn kurzsichtig bei der Beurteilung möglicher sozialer Auswirkungen, die sie durch ihre Wahl provoziert. Genau darum ist die Natur der Gewerkschaft immanent reformistisch. Jeglicher ökonomische Kampf der innerhalb der Linien der kapitalistischen Gesellschaft geführt wird, erlaubt den Arbeitern nichts weiter, als solche zu bleiben und ihre Sklaverei beizubehalten.

Die Tonlage ändert sich nicht wenn man die Funktion der Partei untersucht, deren Ursprung, der dem der Gewerkschaft ein paar Jahre vorausgeht. Beide gehen aus der Periode der Bestätigung der bürgerlichen Klasse hervor. In England, dem Land der ältesten parlamentarischen Tradition, erschienen die Parteien mit dem Reform Act von 1832, der das Stimmrecht erweiterte. Er erlaubte dem Berufsstand der Industriellen und Wirtschaftsleute des Landes zusammen mit der Aristokratie an den Fragen der öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen; zu wessen Nachteil, braucht nicht erwähnt zu werden. Die wahre Funktion der Partei erschien in sogar noch makroskopischerer Form in Deutschland, wo diese nach den sozialen Unruhen von 1848 das erste Mal aufkam. Das bedeutet, dass die Parteien aus der Niederlage der Revolution geboren worden waren, nicht aus deren Sieg. Es war die Angst vor einer neuen Erhebung der Massen, die den Staat dazu veranlasste, die Kette seiner eigenen Subjekte zu lockern, indem er die repräsentative Institution “bewilligte”.

Aber unabhängig davon, wie viel sie verlängert sein mag, unabhängig davon, wie viel ,,mehr an Bewegung“ sie erlaubt, eine Kette bleibt eine Kette. Die deutsche Geschichte zeigt noch immer, wie der sozialdemokratische Reformismus selbst eigentlich dazu verbreitet wurde, um einer revolutionären Lösung der sozialen Frage zuvorzukommen: Die Ermordung Rosa Luxemburgs wurde von den Schergen des Sozialdemokraten Noske durchgeführt, der durch die Unterdrückung der Räterevolution den Weg für Hitlers Eroberung der Macht ebnete.

Die beiden Abgesandten beginnen mit einer Feststellung, die als richtig bezeichnet werden kann, aber einmal mehr stellen sie deren Bedeutung auf den Kopf. Mit der Behauptung, dass die Wirklichkeit, die uns umgibt, die ganze Welt, in der wir leben, eingehüllt in den Mantel des grauen Konformismus, das unauslöschliche Zeichen der sozialen Kämpfe trägt, stellen sie ein perfektes Argument auf. Aber was sie nicht erwähnen ist, dass dieses Zeichen nur im Negativen existiert. Wir sind umgeben von den Ruinen unserer Niederlagen, nicht von den Monumenten unserer Siege.

Ein Beispiel für alle. Zweifellos waren es die revolutionären Bewegungen von 1848, die die französische Regierung dazu drängten, den Architekten Hausmann mit der Neugestaltung der Stadtplanung von Paris zu beauftragen, aber es ist ebenso wahr, dass der große Boulevard der heute von hingerissenen Touristen bereist wird, nicht für das “Nomadentum der Menge” geplant wurde, sondern vielmehr für die Bewegung der Truppen und deren Kanonen, um die eventuellen neuen Krawalle unterdrücken zu können!

Es stimmt, dass die illegalen Aktivitäten der Subjekte die Anwendung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung stimulieren, aber unsere Strassen sind übersät mit Videokameras um uns weiter sozial zu kontrollieren, und sicherlich nicht um die „maschinelle Gemeinschaft“ auszudrücken, die vom Menschen mit der Technik erreicht wurde. Rebellion treibt die Herrschaft dazu, die Welt ständig umzuformen, aber das Endergebnis dieser Restrukturierung korrespondiert immer mit den Interessen derer, die regieren, nie derer die rebellieren.

Wenn die beiden Abgesandten auf der einen Seite die Kämpfe der Subjekte verherrlichen, während sie auf der anderen Seite dabei bleiben, dass deren Ziele durch das Empire selbstverwirklicht werden, so wollen sie auf diese Weise eine notwendige Abhängigkeit erschaffen, eine unauflösbare Bindung zwischen den Subjekten und dem Empire. Sogar die organischen Metaphern, die sie verwenden, sind bezeichnend für diesen Zweck: „Das Wappentier des österreichisch – ungarischen Reichs, ein Adler mit zwei Köpfen, wäre für die gegenwärtige Form des Empires auf den ersten Blick eine angemessene Darstellung. Doch während im älteren Wappen beide Köpfe nach außen schauten, als Symbol der relativen Selbstständigkeit und des friedlichen Miteinanders der verschiedenen Territorien, müssten in diesem Fall die beiden Köpfe sich nach innen wenden und einer den anderen angreifen“. So als ob man sagen würde, die Wünsche sind unterschiedlich, der Körper ist ein und derselbe. Die imperiale, soziale Struktur antwortet somit nicht nur auf die Existenz der herrschenden Klasse, sondern auch auf die Beherrschten. Das Empire – mit seiner Armee, seiner Polizei, seinen Gerichten, seinen Gefängnissen, seinen Fabriken, seinen Einkaufszentren, seinem Fernsehen, seinen Autobahnen,…- ist sowohl vom Imperator erwünscht als auch von den Subjekten. Es handelt sich nur um ein Problem des Kopfes. Einmal in dieses Konzept eingeführt, lernen die Subjekte, dass es der Zweck ihrer Kämpfe ist, dem Empire das Beste zu bringen, indem sie sich entscheiden dem richtigen Kopf zu folgen und so den Rest des Körpers unverändert zu lassen.

Die interne Analyse von Hardt und Negri zielt darauf ab, jeglichen Raum für autonome Revolte auszuschließen, die darauf gerichtet ist, auch den Körper des Empires zu zerstören. Es ist möglich, dass die beiden Abgesandten es nicht einmal in Erwägung ziehen, um nur keine gefährlichen Geister zu erwecken. Wenn sie das Territorium des Empires als “glatte Welt” beschreiben, dann machen sie nichts anderes, als das Gegenteil zu bestätigen, wie Benjamin das in seiner Zeit angemerkt hat: „Zelebrierung oder Verteidigung streben nach Verschleierung des revolutionären Moments des Geschichtsverlaufs. In ihrem Herzen steht die Fabrikation einer Kontinuität. Sie verleiht nur denjenigen Elementen der Arbeit einen Wert, die bereits eingetreten sind, um an deren posthumen Einfluss Teil zu haben. Ihnen entflüchten die Punkte, an denen die Tradition unterbrochen wird, und somit die Unebenheiten und Spitzen, die jenen einen Halt bieten, die sich jenseits dieser Punkte begeben wollen.“

DIE KORREKTUREN DER FREIHEIT

Das Empire hat recht. Das Empire ist notwendig. Aber leider ist das Empire nicht perfekt. Dessen gewaltiges Potential wird sowohl durch das Überleben von Dogmas aus der Vergangenheit gezügelt, von denen sich loszulösen es einige imperiale Funktionäre nicht geschafft haben, als auch durch die Opposition, die kompromisslos von jenen Subjekten weitergetragen wird, die mit größter Bestimmtheit verweigern, so etwas zu sein.

Der Exzess oder die Abwesenheit des Willens der Macht sind die beiden Hürden, die für denjenigen entfernt werden müssen, der ausschließlich Augen für ein gerechtes Gleichgewicht der Macht hat: „Die erste liegt in der überragenden Macht der bürgerlichen Metaphysik und hier besonders der weit verbreiteten Illusion, der kapitalistische Markt und das kapitalistische Produktionsregime seien ewig und unüberwindlich. […] Das zweite Hindernis sind die zahllosen theoretischen Positionen, die außer blinder Anarchie keine Alternative zur gegenwärtigen Herrschaftsform sehen und deshalb an einem Mystizismus der Beschränkung teilhaben. Aus dieser ideologischen Perspektive lässt sich das Leiden am Dasein nicht artikulieren, es kann nicht bewusst werden und nicht zu einem revolutionären Standpunkt führen. Diese theoretische Position hat nichts anderes als eine zynische Haltung und quietistische Praktiken zur Folge. Die Illusion von der Natürlichkeit des Kapitalismus und die Radikalität der Beschränkung stehen in der Tat in einer komplementären Beziehung zueinander. Ihre Komplizenschaft zeigt sich in einer erschöpfenden Machtlosigkeit“.

Es ist der Kampf gegen diese angeblich nebeneinander bestehenden Formen der Ohnmacht, bezichtigt von nichts weniger als einer mysteriös befreienden Erfahrung durch Arbeit zu verhindern, welchen die beiden Abgesandten den Subjekten vorschlagen, die zwar sicherlich gegen das Empire kämpfen sollen (d.h. gegen die Funktionäre die es per se lieben), dafür aber auch für die Gunst des Empires (d.h. gegen die Subjekte die es per se hassen).

Zur Lösung dieses Problems wird Marx’ Beitrag fundamental. So wie Marx behauptet, dass die von der Bourgeoisie gewünschte Entwicklung der Industrie das Proletariat zum Sieg führen würde, so behaupten Hardt und Negri auf gleiche Weise, dass die Entwicklung des Empires zum Sieg der “Menge” fuhren wird: „Die Teleologie der Menge ist theurgisch: Sie besteht in der Möglichkeit, die Technologien und die Produktion so auszurichten, dass die Menge darin Glück erfährt und ihre eigene Macht verstärkt. Es gibt für die Menge keinen Grund, ausserhalb ihrer eigenen Geschichte und ausserhalb ihrer gegenwärtigen Produktionsmacht nach den Mitteln zu suchen, mit deren Hilfe sie sich als politisches Subjekt konstituiert“. Das ist der Grund, warum der beste Weg das Empire zu bekämpfen, paradoxerweise darin liegt, dessen Wachstum zu begünstigen. Genaugenommen behaupten die beiden Abgesandten, sich der Tatsache sicher zu sein, dass: „der Übergang zum Empire und die damit verbundenen Globalisierungsprozesse neue Möglichkeiten der Befreiung bieten. Globalisierung ist selbstverständlich nicht ein Ding für sich, und die vielgestaltigen Prozesse, die wir als Globalisierung identifizieren, sind weder einheitlich noch eindeutig. Die politische Herausforderung, so unsere Behauptung, besteht nicht einfach darin, gegen diese Prozesse Widerstand zu leisten, sondern sie umzugestalten und in Richtung auf andere Ziele zu lenken. Im schöpferischen Vermögen der Multitude, der Menge, die das Empire trägt, liegt gleichermaßen die Fähigkeit, ein Gegen-Empire aufzubauen, den weltweiten Strömen und Austauschverhältnissen eine andere politische Gestalt zu geben. Die Kämpfe gegen das Empire, Angriff und Subversion ebenso wie der Aufbau einer wirklichen Alternative werden sich auf dem imperialen Terrain selbst abspielen – tatsächlich haben diese neuen Kämpfe bereits begonnen. In diesen und zahlreichen weiteren Kämpfen wird die Menge neue Formen der Demokratie und eine neue konstituierende Macht entwickeln, die uns eines Tages durch und über das Empire hinaus bringen wird“.

Um das Empire zu überwinden, müssen wir daher durch es hindurchgehen. Mehr als dessen Entwicklungen zu widerstehen, geht es um dessen Reorganisierung, möglicherweise indem eine solche Aufgabe den richtigen Personen anvertraut wird! Dessen Gestaltung ist ein positives Ereignis, weil es allen unendliche Möglichkeiten bietet. Der Gedanke anders zu handeln, einen totalen Bruch mit dem imperialen Universum zu erreichen, ist eine Illusion, die aus der Ohnmacht geboren ist. „die einzige den Kämpfen offen stehende Strategie ist die einer konstituierenden Gegenmacht, die aus dem Innern des Empire kommt“, knallen es die beiden Abgesandten ohne allzu große Fantasie auf den Tisch. Wer erkennt die Noten dieses Liedes nicht wieder? Es plagiiert letzten Endes den düsteren Refrain des Marxismus-Leninismus: Die Gegenmacht der Multitude in Opposition zur imperialen Macht, Gegen-Empire in Opposition zum Empire. Gegen-Globalisierung der Globalisierung entgegengesetzt. Und doch, wer kann ignorieren, wie die wahnsinnige Überzeugung, wonach der bourgeoise Staat bekämpft und durch einen proletarischen Staat ersetzt werden muss, zu nichts anderem führte, als zur Bildung von besonders abstoßenden totalitären Regimes, in denen Gerichte Farce- Prozesse vollzogen, Soldaten an Erschießungskommandos teilnahmen, die Polizisten die Gulags mit Dissidenten füllten, die führende Klasse eine groteske Bürokratie erschuf und die Bevölkerung unter furchtbarer Unterdrückung und Elend litt?

Aber die beiden Abgesandten halten sich nicht mit solchen Bagatellen auf, mit Vertrauen in die Fähigkeiten des imperialen Modells, die durch die “Menge” ausgedrückten Unterschiede in seinem Inneren zu vereinen, ohne diese zu vereinheitlichen. Es genügt die richtige verfassungsmäßige Form zu haben. Es ist kein Zufall, wenn die hauptsächliche Wut die ihnen zu schaffen macht, ist: „Was heißt es heute, republikanisch zu sein?“ Der unfassbare Umstand ist, dass sie jeden, der es beabsichtigt das Empire zu bekämpfen, auf diese Frage als fundamental und dringend hinweisen. Die Antwort, die sie darauf geben, erlaubt keine Widerrede: „Heutzutage ein Republikaner zu sein, bedeutet zuallererst, innerhalb zu kämpfen und gegen das Empire auf dessen hybriden und modularen Terrains aufzubauen. Und hierbei sollten wir entgegen allen Moralismen und allen Positionen der Ressentiments und der Nostalgie hinzufügen, dass dieses imperiale Terrain größere Möglichkeiten für Kreation und Befreiung bietet. In ihrem Willen, dagegen zu sein, und ihrem Verlangen nach Befreiung, muss sich die Menge durch das Empire durchschieben, um an der anderen Seite herauszukommen“. Beachte, dass der einzige Weg, um an der anderen Seite des Empires herauszukommen, der ist, es zu durchqueren!

Sonst greifen die beiden Abgesandten diskreterweise regelmäßig zu den Texten von Deleuze und Guatarri, die da behaupten, dass, anstatt der kapitalistischen Globalisierung Widerstand zu leisten, man ihren Gang beschleunigen muss. „Aber was ist der revolutionäre Weg?“ – fragen sie – „Gibt es denn einen?“, „sich vom Weltmarkt zurückziehen?“, „Oder vielleicht in die andere Richtung gehen?“. Hardt und Negri steigern die Dosis: „Das Empire lässt sich nur dann wirksam bekämpfen, wenn man ihm auf gleicher Ebene begegnet und die Prozesse, die es charakterisieren, über deren augenblickliche Grenzen hinaustreibt. Wir müssen diese Herausforderung annehmen und lernen, global zu denken und zu handeln“.

Aus der Nähe betrachtet ähnelt diese ihre weitsichtige Erwartung sehr derer der Leninisten, die einen Schwur darauf ablegen, dass die von der Partei ausgeübte Diktatur provisorischer Natur wäre, sowie darauf dass der Untergang des Staates unmittelbar bevor steht (selbstverständlich nicht, bevor dieser in ihrem Besitz ist). Es genügte, das richtige kommunistische Programm zu haben. In Wahrheit wird, einmal auf den Geschmack gekommen, keine herrschende Klasse jemals freiwillig auf die Macht und all die enormen Privilegien, die damit verbunden sind, verzichten. Kein Staat wird sich jemals selbst in Eigeninitiative auslöschen, gleichermaßen wird kein Imperium jemals die multiplen Unterschiede, die innerhalb seiner eigenen Grenzen präsent sind, zum Ausdruck bringen und respektieren. Es wird sie höchstens aufsaugen und zermahlen können wie ein Moloch, nur um sie später in Form eines Ersatzes wieder auszuspucken (wie das Wirtschaftsimperium von McDonalds es bis zu einem gewissen Grad tut, mit seinen verschieden Franchiseunternehmen rund um die Welt, wo es zusammen mit dem Hamburger, für den es traurigerweise berühmt ist, typische Gerichte präsentiert, die mit den einheimischen Gerichten nichts als den Namen mit denen sie angeboten werden, gemein haben).

Das Empire ist nicht inklusiv, es ist exklusiv. Auch die Geschichte des Imperiums par excellence, die des römischen Imperiums, ist diesbezüglich bedeutend. Den eroberten Territorien wurde keine Autonomie zugestanden. Der Fremde, auch wenn sein Dorf unter römischer Herrschaft war, wurde eines jeden Rechts in Rom beraubt. Es genügt daran zu denken, dass in der antiken römischen Sprache die beiden Konzepte von Fremder und Feind mit nur einem Wort bezeichnet wurden: hostis. Die Überzeugung, das römische Reich hätte sich nur für die ökonomische Ausbeutung seiner unterworfenen Völker interessiert und sei bei deren Behandlung von einer kosmopolitischen Idee geleitet gewesen, ist völlig falsch. Nach und nach, sobald die prätorianischen Divisionen militärische und politische Unterwerfung ausweiteten, wurde auch die Romanisierung der besetzten Gebiete mit unerbittlicher Energie durchgeführt. Das römische Reich war nichts als ein Staat, ein Staat mit der Intention eine gigantische Zentralisierung jedweder sozialer Energie zu bilden. Und die Unterschiede durch Repression oder Homogenisierung aufzuheben, ist Teil der Logik eines jeden Staates, einer jeden Macht, die notwendigerweise nach allgemeiner Vereinheitlichung streben muss, um zu überleben. Was die repräsentierte Idee auch sein mag, was die soziale Struktur in der sie sich manifestiert, welche Individuen oder Gruppen sie auch in jeder Epoche und in jedem sozialen Kontext ausführen mögen, Macht ist immer synonym mit Ausbeutung und Unterdrückung. Sie kann nicht zeitgleich von allen Individuen und ohne Unterschiede ausgeübt werden, gleich und unter Bedingungen von völliger Gegenseitigkeit. Macht ist also die entscheidende Kraft, konzentriert in den Händen einiger Weniger, ausgeführt und geschützt durch bewaffnete Kräfte. Ob diese nun wenige sind oder viele, fähig oder unfähig, letzten Endes werden sie ihren eigenen Willen anderen aufzwingen und ihre Interessen überall durchsetzen; sie werden schließlich zu Unterdrückern werden.

Dieser Aspekt ist dermaßen sichtbar in jeglicher Epoche und in jeglicher menschlichen Zusammenkunft, dass die beiden Abgesandten sich wohlweislich hüten, ihn nicht zu ignorieren. Im Gegenteil, sie ziehen es vor dem Problem direkt entgegenzutreten, aber auf ihre eigene Weise: „Im Verlauf der Souveränitätskonstituierung auf der Ebene der Immanenz kommt es zu einer Endlichkeitserfahrung, die sich aus der konfliktualen und pluralen Natur der Menge als solcher ergibt. Das neue Prinzip der Souveränität scheint somit seine eigene interne Grenze zu erzeugen. Um zu verhindern, dass diese Hindernisse die Ordnung zerstören und das Projekt völlig aushöhlen, muss die souveräne Macht auf die Ausübung von Kontrolle vertrauen. Mit anderen Worten: Auf den ersten Moment der Bestätigung folgt eine dialektische Negation der konstituierenden Macht der Menge, welche die teleologische Ausrichtung des Souveränitätsprojekts bewahrt. Sind wir damit an einen kritischen Punkt bei der Ausarbeitung des neuen Begriffs gekommen? Kehrt die Transzendenz, die man zunächst bei der Bestimmung des Machtursprungs verweigert hat, bei der Machtausübung durchs Hintertürchen wieder zurück, wenn die Menge als endlich gedacht wird und somit spezielle Korrektur- und Kontrollinstrumente erforderlich werden?“

Für die verliebten Augen der beiden Abgesandten “scheint” die virtuose Ausübung von Macht auf ein unüberwindbares Hindernis zu stoßen: die „konfliktuelle und plurale Natur“ der Menge. Unfähig mit dieser Freiheit zusammenzuleben, die in jedem Moment ihre Arbeit zu zerstören droht, “muss” die Macht sie korrigieren und kontrollieren. Eine unvermeidbare Notwendigkeit, aber eine, die “vielleicht” ihrer jungfräulichen Aufrichtigkeit widerspricht. Da sie aus diesem Teufelskreis nicht durch einen Kraftakt aussteigen wollen, werden die beiden Abgesandten dazu gezwungen, sich an einen Glaubensakt zu halten. Mit großem Paukenschlag konvertieren sie, nachdem sie ein bisschen darauf herumgekaut haben, zur alten Illusion einer amerikanischen Konstitution ohne Autorität, eine technisch-juridische Lösung für die “inneren Grenzen” der Macht. „Dass es dazu kommt, ist eine ständige Gefahr, doch nachdem man diese internen Grenzen erkannt hat, öffnet sich der neue amerikanische Souveränitätsbegriff außerordentlich kraftvoll nach außen hin, gerade so, als wolle er den Gedanken an Kontrolle und das Reflexionsmoment aus der eigenen Verfassung verbannen“. Eine fürwahr erstaunliche Schlussfolgerung wenn man an das Schicksal der Native Americans denkt, die Indianerstämme, die ausgelöscht wurden, weil ihre Lebensweise mit der der jungen Vereinigten Staaten inkompatibel war. Deren Genozid, der von den beiden Abgesandten als “eine düstere Affäre” abgetan wird, stellt das beste Beispiel der Fähigkeit eines willkürlichen Stücks Papier dar, die Begierden der “Menge” willkommen zu heißen, auszudrücken und zu garantieren.

Es ist klar, dass die im menschlichen Geist vorhandene, unendliche Vielfalt durch keinerlei Ausformung der Macht jemals angetrieben. entwickelt und geschützt werden kann. Der Zufall liebt es nicht, sich auf eine Uniform genäht zu sehen. Die Fantasie stirbt, sobald ein rechtlicher Kodex auf sie angewandt wird. Auch all die Besorgtheit, die Vorsicht, die Nachsicht die durch einen hypothetischen Gegenmacht-Meister der Toleranz verfügbar werden, sind nur Fernsehgeschwätz oder akademische Spekulationen. Niemand kann noch länger vorgeben zu ignorieren, dass trotz all ihrer vermeintlichen besten Intentionen, die Gegenmacht weiterhin darin endet, ihre Rebellen zu liquidieren – sie auf dem Platz in Paris zu guillotinieren, sie wie Rebhühner von den Bastionen von Kronstadt abzuschneiden, sie in den Straßen von Barcelona zu erschießen (oder sie in den Gassen von Genua an die Polizei zu verraten). Maßlosigkeit kann in keinerlei Messeinheit enthalten sein9, unabhängig davon wie großzügig sie auch erscheinen mag. Aus diesem Grund wird das Empire zerstört werden. Nicht reorganisiert, reorientiert, redefiniert, umgewandelt, sondern bis in sein Fundament vernichtet. Auf ihre Weise müssen sich auch die beiden Abgesandten mit dem Moment des imperialen Verfalls und dessen Kollaps konfrontieren. An diesem Punkt angekommen, zwingt uns die Verwendung des imperialen Konzepts selbst, uns mit denen zu einigen, die für das Ende des berühmtesten Imperiums der Geschichte verantwortlich sind: das römische Reich.

Es wird Zeit, über die Barbaren zu sprechen.

Den jungen Leuten wird die Anwendung von Gewalt vorgeworfen. Aber befinden wir uns vielleicht nicht selbst in einem endlosen Zustand der Gewalt? Angesichts der Tatsache, dass wir in einem Gefängnis geboren und aufgezogen werden, bemerken wir nicht länger, dass wir uns im Gefängnis befinden, mit den Händen und den Füßen gefesselt und einem Knebel im Mund. Was ist das, das du als legalen Status bezeichnest? Ein Gesetz, das aus der großen Masse der Bürger eine versklavte Herde macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unwichtigen und verdorbenen Minderheit zu befriedigen?“ Georg Büchner

In der Zivilisation vegetiere ich; Ich bin weder glücklich, noch frei; warum sollte ich also wünschen, dass diese tödliche Ordnung konserviert wird? Es gibt nichts mehr länger zu konservieren was die Erde erdulden muss“ Ernst Coeurderoy

Wir haben nicht alles zerstört, wenn wir nicht auch die Ruinen zerstören“ Alfred Jarry

BARBAREN

Die Stunden des Empires sind gezählt. Hardt und Negri hegen an diesem Punkt keinen Zweifel, sie halten die Gewissheit hoch, dass „eine neue Horde von Nomaden, eine neue Rasse von Barbaren kommen, ins Empire einfallen und es evakuieren wird“. Ist die frohe Botschaft einmal verkündet, bleibt nur noch, die eine Sache wieder vorzuschlagen, die Nietzsche schon formuliert hatte; wo sind die Barbaren? Eine fundamentale Frage, auf die es unmöglich ist, eine Antwort zu geben, wenn man nicht zuerst eine andere Frage in den Raum stellt; wer sind die Barbaren?

An dieser Stelle wird es notwendig das Konzept des Barbaren zu vertiefen, dessen Definition mehr als nur eine Bedeutung enthält. Etymologisch bezeichnet dieser Ausdruck den Fremden der aus einem anderen Land kam und der sich, da er der Sprache der polis nicht mächtig war, nur stammelnd ausdrücken konnte. Historisch gesehen, bezeichnet es ein Individuum, das durch seine blinde, zerstörerische Gewalt, durch seine wilde Rohheit charakterisiert wird. Der Barbar ist derjenige, der die Sprache des Stadt-Staates nicht spricht und derjenige der in Raserei tobt. Auf den ersten Blick ist es nicht leicht zu verstehen, wie diese Doppelinterpretation, die unlogisch erscheint, in einem Wort vereint existieren kann. Warum sollte einer, der unsere Sprache nicht spricht, jemals ein brutaler Wilder sein? Warum würde einer, der zu grausamster Gewalt greift, nicht fähig sein sich mit denselben Worten wie wir auszudrücken?

In Wahrheit existiert ein profunder Zusammenhang zwischen dem Fehlen einer gemeinsamen Sprache und der Manifestation eines unerklärlichen gewalttätigen Benehmens, innerhalb einer Gesellschaft erlaubt eine gemeinsame Sprache den Beteiligten, sich zu kennen, die Unterschiede zu schlichten, einen Einklang miteinander zu finden. Im Konfliktfall ermöglicht sie allen Gegnern zwischen Freund und Feind zu unterscheiden und schränkt die Anwendung von Gewalt ein. Ohne diese Möglichkeit sich zu verständigen, gibt es keinen Platz für die Mediation, sondern nur für unkontrollierte Gewalt. Die entgegengesetzten Kräfte können nur heruntersteigen, um Abmachungen zu treffen, wenn sie miteinander kommunizieren können. In einer Situation, in der sie sich bekämpfen, erzeugt die Möglichkeit zum Dialog eine Grenze für ihre Gewalt, sie bestimmt eine Schwelle, die nicht überschritten wird, um zukünftige Verhandlungen nicht zunichte zu machen. Aber ohne diese gemeinsame Sprache, ohne die konkrete Möglichkeit, etwas von der anderen Seite zu kennen, was eine wesentliche Prämisse darstellt, um herauszufinden, was die Interessen der Widersacher harmonisieren könnte, bleibt nichts anderes übrig als bis zum letzten Tropfen Blut zu kämpfen.

Im Erkennen der barbarischen Charakterzüge, die die jüngsten sozialen Kämpfe ausmachen, durchdringt die Analyse der beiden Abgesandten des Empire eine bestimmte Sorge über ihre mögliche Entwicklung. Hinter den formalen Schmeicheleien wird der Versuch offensichtlich, die Barbaren zu zivilisieren, ihnen die Sprache der polis – des Empires beizubringen; mit dem Ziel die alles verwüstende und vor allem unkontrollierte Gewalt abzuwenden. Hardt und Negri sind sich dessen bewusst, dass „Kämpfe in anderen Teilen der Welt, selbst unsere eigenen Kämpfe eine unverständliche fremde Sprache zu sprechen scheinen“, und dass diese daher barbarisch sind. Und darin sehen sie alles andere als Positives.

Da sie unfähig sind, das subversive Potential einer solchen Fremdartigkeit anzuerkennen, ziehen sie es vor, zu denunzieren, dass „diese Kämpfe darüber hinaus nicht nur daran scheitern, mit anderen Zusammenhängen zu kommunizieren, sondern es ihnen sogar an lokaler Kommunikation mangelt. Dort wo sie entstehen, sind sie oft nur von kurzer Dauer, und sie vergehen mit einem Schlag“. Die Unfähigkeit zur Kommunikation der Barbaren, der berüchtigte “Autismus” der modernen Aufständischen, der solch einen Tintenfluss verursacht hat, ausgehend von der journalistischen und soziologischen Meute, wird letzten Endes zu einem gefährlichen Phänomen, nicht so sehr für das Empire, als für die Barbaren selbst, insofern als es ihren Aktionen nicht erlaubt, sich in Zeit und Raum weiter auszubreiten. Aber wäre dies der Grund, der die beiden Abgesandten dazu drängen könnte, die Notwendigkeit zu stützen, „eine neue gemeinsame Sprache zu finden“, deren Verwirklichung als „eine wichtige politische Aufgabe“ definiert wird? Oder ist der eigentliche Grund nicht, dass es „vielleicht gerade daran liegt, dass all diese Kämpfe keine Kommunikation finden können und deshalb eine horizontale Weitergabe in Form eines Zyklus blockiert ist, dass sie gezwungen sind, in einer vertikalen Bewegung sofort die globale Ebene zu berühren“, eine gefährliche Sache, denn: „Je weiter das Kapital seine globalen Produktions- und Kontrollnetzwerke ausdehnt, desto mächtiger kann jeder einzelne Punkt der Revolte werden“.

Auf den Boden der Tatsachen gebracht, würden die Kämpfe sich nicht auf solch unkontrollierte Weise manifestieren, das heißt, wären sie nicht so irrekuperierbar, wie sie unkommunizierbar sind, dann könnten sie sich auf quantitativer Ebene ausbreiten, obwohl sie dann qualitativ weniger bedeutend wären. Hier werden die wirklichen Interessen der beiden Abgesandten greifbar: besser Kämpfe mit niedriger Konfliktualität verbreiten, das endlose Elend Forderungen zu stellen, als Kämpfe mit radikalen Eigenschaften und hoher Konfliktualität zu unterstützen. Indem sie den Barbaren die Sprache des Empires beibringen (das nur imstande ist, sich durch Konzepte wie Staat, Partei, Verfassung, Politik, Produktivität, Arbeit, Demokratie, und Verfall auszudrücken) laden die beiden Abgesandten diese tatsächlich dazu ein, die Kämpfe horizontal zu multiplizieren, aber nur weil sie wissen, dass einmal zivilisiert, diese Kämpfe auf vertikaler Ebene verarmen würden. Sie wollen die Quantität der Kämpfe erhöhen, im Bewusstsein darüber, dass dies zum Schaden ihrer Qualität geschehen wird, in treuer Beobachtung eines inflexiblen Gesetzes des Kapitalismus.

Nehmen wir die konkreten Beispiele, die von Hardt und Negri vorgelegt werden. Wenn die Vereinheitlichung der Märkte zugunsten einer freien Zirkulation der Waren jede Barriere überwunden hat, dann muss sie auch alle Grenzen zugunsten einer freien Zirkulation der Arbeiter zerschlagen. Nichts desto trotz kennt der “Nomadismus der Menge” eine Hürde sehr genau: das Überqueren der Grenzen kann auf alle Fälle einfacher werden, aber was soll man der Polizei antworten, die einen nach den Dokumenten fragt, wenn man einmal am Ziel angekommen ist? So wird „Weltbürgerschaft“ definiert als „ein erster Baustein zu einem politischen Programm der globalen Menge“. Sobald einmal jeder von uns Aufenthaltspapiere hat, das heißt, sobald wir als Bürger- Subjekte des Empires anerkannt sind, „sollen alle in dem Land, in dem sie leben und arbeiten, die vollen staatsbürgerlichen Rechte genießen (können)“. Wir dürfen genaugenommen nicht vergessen, dass auch für die beiden Abgesandten, wie auch für die Nazis, es die Arbeit ist, die frei macht, und es guter Zugang zur Arbeit ist, der nach Anerkennung von universalen Statuten verlangt: „Denn diese Forderung besteht in der Postmoderne auf dem grundlegenden modernen Verfassungsprinzip, das Recht und Arbeit miteinander verknüpft und damit dem Arbeiter, der Kapital erschafft, die Staatsbürgerschaft zuerkennt“. In den Kämpfen der irregulären Arbeiter und der Sans-Papiers, die arbeiten und fordern legalisiert zu werden, sehen Hardt und Negri die gerechte Forderung nach Kompensation, die dem Sklaven zusteht, der den Befehlen seines Meisters gehorsam folgt. Wenn Unterwerfung von Zustimmung begleitet wird, verdient sie die Staatsbürgerschaft. Das was ihrer Anschauung gänzlich fremd ist, ist die Möglichkeit, dass der Sklave gegen die Befehle rebelliert und versucht die Ketten, die ihn fesseln, zu sprengen. Ausweispapiere fallen ohne weiteres in die Kategorie von Ketten. Die beiden Abgesandten hüten sich davor, zu erwähnen, dass die Bewegungsfreiheit auf zwei völlig entgegengesetzte Weisen erreicht werden kann. Die erste ist die, nach der sie streben, nämlich diejenigen, die Dokumente für alle vorsieht (sogar voll versehen mit Fingerabdrücken!). Die zweite ist diejenige, die die beiden nicht in Erwägung ziehen und die überhaupt keine Dokumente vorsieht. Die erste Hypothese erfordert die Modernisierung der Bürokratie des Empires, die zweite verlangt nach seiner Zerstörung. Entweder wir regeln alles vor der Polizei, oder wir machen allen Regeln und aller Polizei ein Ende.

Dieser Diskurs lässt sich auf andere Schlachtrosse der beiden Abgesandten anwenden, das des Sozialeinkommens und des garantierten Grundeinkommens für alle. „Und da die staatsbürgerlichen Rechte allen zustehen, können wir dieses garantierte Einkommen als Bürgereinkommen bezeichnen, das jedem als Mitglied der Gesellschaft zusteht“, schlagen Hardt und Negri vor, in der armselig versteckten Hoffnung, dass das Subjekt durch eine soziale Belohnung zufriedengestellt wird, die es sich durch seinen bloßen Konsens verdient, unabhängig von der ausgeführten Tätigkeit – dass die Subjekte somit aufhören, als diejenigen, die vom Empire unterdrückt sind, zu revoltieren und als Mitglieder der Gesellschaft an die Arbeit gehen. Im Gegensatz zu denen, die hartnäckig darauf bestehen, zu denken, dass der Kommunismus eine Welt ohne Geld sein könnte, halten die beiden Abgesandten entgegen, dass sie unvermeidbar die Form einer Welt von Lohnempfängern annehmen muss, soll heißen, die Form einer kapitalistischen Welt. Diese ihre absolute Unfähigkeit, sich die menschliche Existenz außerhalb des Orbits der imperialen Institutionen vorzustellen, ist nicht unbedeutend: wer mit dem Empire kommunizieren will, muss lernen wie das Empire zu sprechen, wer wie das Empire spricht, endet darin w ie das Empire zu denken.

DIE UNZULÄNGLICHKEIT DES NEIN

Die Bekehrung der Barbaren spielt sich auf allen Ebenen ab. Nicht nur, dass sie die Sprache des Empires lernen müssen, sie müssen auch auf ihre Gewalt verzichten. Aber wenn es relativ leicht ist, sie davon zu überzeugen, in die Schule zu gehen – es reicht, ihnen einen quantitativen Sprung zu versprechen: mit welcher Begründung könnte man diejenigen dazu auffordern, ihre Schwerter niederzulegen, die die Anwendung von Gewalt als Tugend bezeichnen? Durch das Spielchen eines rhetorischen Tricks, der den rostfreien Mythos des Widerstandes umdreht. Indem sie einen antifaschistischen Partisanen zitieren, erinnern die beiden Abgesandten daran, dass „Widerstand aus Desertion entsteht“. Gestärkt durch diese historische Wahrheit, behaupten Hardt und Negri, dass „während im Zeitalter der Disziplin Sabotage als die Grundform von Widerstand galt, es im Zeitalter imperialer Kontrolle die Desertion ist. Während Dagegen-Sein in der Moderne oftmals bedeutete, dass sich die Kräfte unmittelbar und/oder dialektisch gegenüberstanden, dürfte Dagegen-Sein in der Postmoderne am wirkungsvollsten sein, wenn man diagonal oder quer steht. Die Schlachten gegen das Empire lassen sich vielleicht durch Sich-Entziehen und Abfallen gewinnen. Diese Desertion verfugt über keinen Ort; sie ist die Evakuierung der Orte der Macht“.

So oft sie auch all ihr Repertoire als Wortmanipulatoren zur Schau stellen, der Trick, den sie diesmal benutzen, ist viel zu schäbig. Der Widerstand wird in der Desertion geboren, aber er ist nicht die Desertion. Desertion bringt nur eine Nicht-Partizipation mit sich, eine Nicht-Kollaboration mit den Projekten des Feindes. Widerstand hingegen ist direkte Intervention, ein Frontalzusammenstoß mit dem Feind. Man könnte höchstens sagen, dass die Desertion eine Form von passivem Widerstand, während der Partisanenkampf eine Form von aktivem Widerstand darstellt. Wer sich bewusst wird, dass er in einer nicht tolerierbaren sozialen Situation lebt, in einer Welt, die auf den Reichtum von wenigen und auf dem Elend von vielen aufbaut, wer sich nicht mehr für die Gräuel verantwortlich fühlen will, die jeden Tag begangen werden, kann aufhören, seinen eigenen Beitrag zur Fortführung des Bestehenden zu liefern. Beispielsweise können sie nicht mehr zur Wahl gehen oder die Waren der großen Multinationalen nicht mehr kaufen. Aber diese Wahl, wie sehr man die dahinterliegenden Intentionen auch wertschätzen mag, ist völlig unzulänglich, weil sie für sich gesehen nicht fähig ist, konkret die soziale Ordnung in Frage zu stellen, und sie endet in einer ziemlich eingeschränkten Verweigerungshaltung. Sie beruhigt die Schuldgefühle des eigenen Gewissens, aber sie verändert die umliegende Wirklichkeit nicht. Um den Feind zu stoppen, reicht es nicht aus, den Dienst zu verweigern, oder sich der Zusammenarbeit zu enthalten. Es ist notwendig mehr zu tun, es ist notwendig, den Feind anzugreifen und mit der Absicht ihn zu zerstören, zuzuschlagen.

Indem sie die Desertion auf Kosten der Sabotage unterstützen, tun die beiden Abgesandten nichts anderes, als das Empire zu unterstützen. Genauso wie der Nationalsozialismus trotz seiner Deserteure weiterhin Italien besetzte und unterdrückte, fährt das Empire fort, den gesamten Planeten trotz seiner Deserteure zu besetzen und zu unterdrücken. All diese Rhetorik über den Widerstand durch Desertion verfolgt auf ungeschickte Weise ein einziges Ziel, nämlich die Wut der Subjekte zu befrieden, indem sie ihnen das Sicherheitsventil anbietet, auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit des direkten Angriffs auf das Empire zu verzichten. Durch diese Scharlatanslist werden die Barbaren dazu eingeladen, sich nicht die Entschlossenheit der Deserteure als Beispiel zu nehmen, welche sie zu aktivem Widerstand geführt hätte, sondern deren anfängliches Verhalten, was heißen soll, die Geste, für die die Deserteure berühmt geworden sind, nachzuahmen: die Waffen niederzuwerfen und den Kampf zu verweigern.

Es ist offensichtlich, dass, nachdem Hardt und Negri einmal die imperiale Metapher verwendet hatten, sie nichts anderes tun konnten, als das Herannahen der “neuen Barbaren” zu erwarten. Schlimm genug, dass diese Barbaren einfach aufhören solche zu sein: Ja zu einer verständlichen Sprache, Nein zur Gewalt. Letzteres ist nicht länger zweckdienlich: auf der einen Seite wird „imperiale Korruption […] bereits durch die Produktivität von Körpern, durch Kooperation und dadurch, dass die Menge die Produktivität nach ihren Vorstellungen gestaltet, unterhöhlt. Das einzige Ereignis, auf das wir noch immer warten, ist dasjenige der Errichtung oder genauer: der revolutionären Erhebung einer mächtigen Organisation“; während auf der anderen Seite, „Militante kreativen Widerstand leisten gegen die imperiale Befehlsgewalt. Anders ausgedrückt: Widerstand ist unmittelbar mit einer konstitutiven Investition im biopolitischen Bereich und zur Formierung eines kooperativen Apparates in Produktion und Gemeinschaft verbunden“. Aus Angst missverstanden zu werden, sind die beiden Abgesandten dazu gezwungen, sich mit einer bestimmten Klarheit zu erläutern: Genaugenommen hoffen sie nicht auf das Herannahen der barbarischen Horde, sondern auf das einer starken Organisation von Militanten! Sie mögen diejenigen nicht, die wie wild kämpfen, sondern lieber die, die produktiv arbeiten! Sie verlangen nicht danach, dass man seinen Leidenschaften folgt, sondern dass man seine Pflichten erfüllt! Sie wollen nicht, dass man an seinen Feinden ein Gemetzel anrichtet, sondern dass man kreativen Widerstand leistet!

Hardt und Negri wissen das Empire in einem solchen Maß zu schätzen, sie sind so sehr geformt von dessen Werten, in solcher Verehrung für dessen Organisation, gehorsam gegenüber dessen Normen, so assimiliert an dessen Technologie, so gewöhnt an dessen Sprache, dass sie den Schluss ziehen, dass Militanz „nur noch ein Innen kennt, eine lebendige und unvermeidliche Beteiligung an den gesellschaftlichen Strukturen, die sich nicht mehr transzendieren lassen“. Hier stehen wir nun zum x-ten Mal vor einer dialektischen Akrobatik. Während sie den Subjekten schallende Aufrufe zuwerfen, damit sich diese auf die Straße des Exodus begeben, bestätigen sie oft, dass innerhalb des Empire kein anderswo existiert, kein Außen in Bezug auf ein Innen.

Aber wenn das Empire überall ist, wenn die Grenzen, die sein Territorium definieren, nicht mehr existieren, wo könnte dieses Gelobte Land, zu dem der Exodus der “Menge” geführt werden sollte, jemals gefunden werden? Gibt es auf diesem Planeten eine Freizone, einen Ort der unbedeckt bleibt von der Logik des Profits und der Macht? Unglücklicherweise besteht die Welt aus einem Stück, und sie steht gänzlich unter der Herrschaft des Empires. In dessen Innerem wird keine grundlegende Alternative geduldet. Es ist unserem Dasein allerhöchstens gewahrt, es uns nicht nehmen zu lassen, uns an dessen Ordnung anzupassen, etwas das unserer Auslöschung gleichkommt – das ruhige Leben in Resignation. Es ist allerhöchstens möglich auf eine Weise zu leben, die weniger schlecht ist, indem man sich in einen seiner Risse einfügt. Das ist der Grund, warum jeder, der zu leben wünscht, d.h. für sich selbst Inhalt und Form seiner Tage auf dieser Erde zu bestimmen, nur eine Karte auszuspielen hat. Noch vor der unentbehrlichen und grundlegenden Bedingung für jedes Experimentieren mit wirklicher Freiheit, ist der Aufstand gegen das Empire eine Frage der Würde.

VÖLLIG GRUNDLOS

Heute kampieren die Barbaren nicht mehr vor den Toren der Stadt. Sie befinden sich bereits in ihrem Inneren, weil sie darin geboren wurden. Die kalte Erde des Nordens oder die kahle Steppe des Ostens, die den Ursprung ihrer Invasionen darstellten, existieren nicht mehr. Wir müssen erkennen, dass die Barbaren nun aus den Rängen der imperialen Subjekte selbst kommen. Mit anderen Worten, die Barbaren sind überall. Für Ohren, die an die Sprache der polis gewöhnt sind, ist es leicht, sie zu erkennen, weil sie sich stammelnd ausdrücken. Aber man darf sich vom unverständlichem Gebrabbel ihrer Stimmen nicht täuschen lassen, wir brauchen diejenigen ohne Sprache nicht zu verwechseln mit jenen, die eine andere Sprache sprechen.

Genaugenommen wurden viele Barbaren einer erkennbaren Sprache beraubt, durch die Unterdrückung des eigenen individuellen Bewußtseins zu Analphabeten gemacht, eine Konsequenz des Auslöschens der Bedeutung die vom Empire verursacht wird. Wenn man nicht weiß, wie man sprechen soll, dann weil man nicht weiß, was man sagen soll, und umgekehrt. Und man weiß nicht, was und wie man sprechen soll, weil alles banalisiert wurde, reduziert zu einem bloßen Symbol, zu einem Schein. Als eine der größten Resourcen der Revolte, als strahlende Energiequelle geschätzt, ist Bedeutung im Verlauf der letzten Jahrzehnte in einem Prozess der Erosion, in jedem Bereich des Wissens zertrümmert, pulverisiert und zerkrümelt worden, ausgelöst von einer Schar Funktionäre des Empires (zum Beispiel jenen der Schule der französischen Strukturalisten, die den beiden Abgesandten so lieb sind). Ideen, die zur Umsetzung in Taten anspornten und auf solche hindeuteten, wurden ausradiert und durch Meinungen ersetzt, die konservative Betrachtungsweisen kommentieren und diese noch festnageln. Dort wo zuvor ein Dschungel voller Gefahren war, weil wild und üppig, wurde nun eine Wüste erschaffen. Was sagen und was tun inmitten einer Wüste? Der Worte beraubt mit denen man seiner Wut über das erfahrene Leiden Ausdruck verleihen kann, der Hoffnung beraubt, mit der man die emotionale Beklemmung, die das alltägliche Leben verwüstet, überwinden kann, der Träume beraubt, zu denen man greifen kann, um die Wiederholung des Bestehenden wegzuwischen, werden viele Subjekte barbarisch in ihren Gesten. Wenn die Zunge einmal paralysiert ist, sind es die Hände, die zittern, um sich der Frustration zu entledigen. Seiner Ausdrucksform verwehrt, stellt sich der innere Trieb zur Lebensfreude auf den Kopf und wird zu dessen Gegenteil, zum Todestrieb. Die Gewalt explodiert und da sie bedeutungslos ist, äußert sie sich in blinder und wütender Form gegen alles und jeden und kehrt jede soziale Beziehung um. Dort wo kein Bürgerkrieg stattfindet, werden Steine von Straßenüberführungen geworfen, oder Morde an Eltern, Freunden oder Nachbarn begangen. Es ist keine Revolution, nicht einmal Revolte; es ist generalisiertes Schlachten, das von den Subjekten begangen wird, die barbarisch gemacht worden sind, durch die Wunden, die ihrer Haut von einer bedeutungslosen Welt täglich zugefügt werden, weil diese dazu gezwungen ist, nur eine einzige Bedeutung zu haben. Diese trostlose und verzweifelte Gewalt ist dem Empire lästig, wird es doch in dessen Anmaßung gestört, totale Ruhe zu gewährleisten, aber darüber macht es sich keine Sorgen. An sich führt das zu nichts anderem, als dazu, die Forderung nach mehr öffentlicher Ordnung zu nähren und zu rechtfertigen. Und doch, wie leicht sie auch vereinnahmbar sein mag, ist sie einmal an der Oberfläche aufgetaucht, zeigt sie all die Unruhe, die sich in der Tiefe dieser Gesellschaft regt, all die Prekarität des imperialen Einflusses auf die Umstände der modernen Welt.

Und trotzdem gibt es Barbaren anderer Art. Sie sind Barbaren insofern sie sich den Befehlen widersetzen, sicher nicht insofern es ihnen an Bewusstsein fehlt. Wenn sich ihre Sprache als düster, lästig und stammelnd erweist, ist das weil sie das imperiale Verb nicht bis ins Unendliche konjugieren. Das sind all diejenigen Barbaren, die sich bewusst weigern, den institutioneilen Weg zu gehen. Sie haben andere Pfade zu beschreiten, andere Welten zu entdecken und andere Existenzen zu leben. Der Virtualität – die als Vorspiegelung beabsichtigt ist – der Technologie, die in sterilen Laboratorien geboren wird, setzen sie eine Virtualität entgegen – die als Möglichkeit verstanden wird – als Sehnsucht, die durch Herzschläge geboren wird. Um dieser Sehnsucht Form und Substanz zu geben, um die Virtualität in eine Wirklichkeit zu verwandeln, müssen sie dem Empire die Zeit und den Raum zu deren Verwirklichung mit Gewalt entreißen. Das heißt, es muss ihnen gelingen zu einem vollständigen Bruch mit dem Empire zu kommen.

Auch diese Barbaren sind gewalttätig. Aber ihre Gewalt ist in Bezug auf die, die sie trifft, nicht blind, sondern sie richtet sich gegen die imperiale Ursache. Diese Barbaren sprechen und verstehen die Sprache der polis nicht, sie wollen sie auch nicht lernen. Sie brauchen die sozialen Strukturen des Empires nicht, die amerikanische Verfassung, die bestehenden Produktionsmittel, Ausweispapiere oder die Sozialhilfe von denen die beiden Abgesandten so viel halten. Sie haben nichts, worum sie die imperialen Funktionäre bitten und sie haben ihnen nichts anzubieten. Die kompromit[t]ierende Politik ist im Bezug auf sie von Beginn an ein Fehlschlag, und das nicht wegen eines lächerlichen ideologischen Prozesses, sondern wegen einer völligen Unzulänglichkeit für diese Welt. Diese Barbaren wissen nur, dass sie, um ihre eigenen Sehnsüchte, was diese auch sein mögen, zu verwirklichen, zuerst die Hindernisse, auf die sie auf ihrem Weg stoßen, beseitigen müssen. Sie haben keine Zeit, sich zu fragen, wie „der Kapitalismus auf wundersame Weise gesund und die Akkumulation kräftig wie nie ist“, womit sich die beiden Abgesandten lustigerweise aufhalten, verwirrt darüber, dass die Geschichte es verweigert, von den geölten Mechanismen einer Maschine unterstützt, zu funktionieren. Das „Rätsel der anhaltenden Gesundheit des Kapitals“ schafft es nicht, diese Barbaren so sehr zu begeistern wie die Dringlichkeit von dessen Tod. Deswegen sind sie bereit dafür, die Metropolen mit ihren Banken, ihren Einkaufszentren, ihren polizeilich orientierten Stadtplanungen jeden Moment in Schutt und Asche zu legen, individuell oder kollektiv, bei hellem Tageslicht oder im Dunkel der Nacht. Wenn sie keinen einzigen Grund haben, das zu tun, dann ist das, weil sie alle Gründe der Welt haben.

Im Gegensatz zu den unglücklichen Subjekten, die zu glücklichen Subjekten werden wollen, hat die Möglichkeit einer anderen Welt für diese Barbaren keine Bedeutung. Sie ziehen es vor zu kämpfen, weil sie denken, dass eine völlig andere Welt möglich ist. Sie wissen, dass „eine andere Welt“ so sein wird wie „ein anderer Tag“ die leere und langweilige Wiederholung dessen, was ihm vorausging. Aber eine völlig andere Welt ist eine gänzlich unbekannte Welt, um zu träumen, zu erschaffen und zu entdecken. Geboren und unter dem imperialen Joch aufgezogen, ohne jemals die Möglichkeit gehabt zu haben, mit radikal anderen Formen des Lebens zu experimentieren, ist es nicht möglich, sich diese Welt anders vorzustellen, als in negativen Begriffen, wie eine Welt ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Technologie, und ohne die unzähligen Gräuel, die von der kapitalistischen Zivilisation produziert werden.

Unfähig eine Welt zu entwerfen, die ohne Meister funktioniert, denen zu dienen wäre, interpretieren die beiden Abgesandten das Fehlen von solchen als Mangel. Es ist ihre lächerliche Überzeugung, das Empire wäre das Schicksal der Menschheit, das sie sagen lässt: „Diese Verweigerung ist ohne Zweifel der Beginn einer Befreiungspolitik aber sie ist eben nur der Anfang.“ […] Auch politisch gesehen führt die Verweigerung als solche (von Arbeit, Autorität und freiwilliger Knechtschaft) lediglich in eine Art gesellschaftlichen Selbstmord. Wie Spinoza sagte: Wenn man lediglich den tyrannischen Kopf vom Gesellschaftskörper abtrennt, hat man nichts als die verstümmelte Leiche der Gesellschaft“.

Der Tyrann ist der Kopf, die Ursache die anführt; die Subjekte sind die Muskeln, die arbeitende Kraft. Statt Spinoza hätten die beiden Abgesandten die Patrizier des alten Rom zitieren sollen, die die Plebejer, die im Begriff standen, zu rebellieren, darüber informierten, dass wenn die Subjekte aufbegehren und den Tyrannen töten, sie damit Selbstmord begehen, weil es ohne jemanden der Befehle erteilt, kein Leben geben kann.

Die ewige Lüge, die jede Ausübung der Macht aufrecht erhält, findet in Hardt und Negri zwei glühende Anhänger, die für die Behauptung zur Verfügung stehen, dass die Verweigerung der Autorität Selbstmord sei und Anarchismus eine Form von Ohnmacht. In Wirklichkeit ist es, wie es viele Male und von vielen Seiten skizziert worden ist, die Zerstörung, die die Tür zur Erschaffung öffnet; bloßes Verweigern tut nichts anderes als den Boden fruchtbar zu machen für erneute Bestätigung. Im Gegensatz zur Denkweise der beiden Abgesandten ist der Tyrann – und jede Machtstruktur ist tyrannisch – nicht der Kopf des sozialen Körpers, sondern der Parasit, der den Organismus vergiftet. Ihn zu töten ist ein Akt der Befreiung. Die revolutionären Pariser Klubs litten nicht unter der Enthauptung von König Louis XVI, wie auch die russischen Arbeiter-Räte nicht unter dem Fall von Zar Nicholas II litten. Im Gegenteil, es ist die Liquidierung der Macht, d.h. der aufständische Kontext, der alte Gewohnheiten niedergeworfen und neue Energien freigesetzt hat, die deren Geburt und Verbreitung erlaubt hat. Und die Wiedereinführung der Macht, in Jakobinischer und Bolschewistischer Form, ist es, was wirklich in die Sackgasse und die soziale Regeneration ins Verderben geführt und das, was unbekannt ist, in das, was Staat ist, zurückgeholt hat.

Wer nicht mit mir und wie ich spricht, hat nichts zu sagen. Wer nicht mit mir und wie ich handelt, ist krank vor Ohnmacht. Wer auch immer nicht mit mir und wie ich lebt, hat das Verlangen, Selbstmord zu begehen. Das ist die Lehre, die das Empire unter seinen Feinden unter Zuhilfenahme der Münder der beiden Abgesandten aussät. Aber die Barbaren sind taub für derartige, alberne Warnungen, ihre Ohren sind nur sensibel für Stimmen die sie zum Angriff auf das Empire aufrufen, zum Tabula Rasa des Existierenden. Deren Wut flößt sogar vielen Feinden des Empires Terror ein, die es in der Tat zu besiegen wünschen, aber mit guten Manieren. Wie brave Zivilisierte teilen sie den Dissent, aber nicht den Hass; verstehen sie die Entrüstung, aber nicht den Zorn; sie stossen Protest-Slogans aus, aber kein Kriegsgeschrei; sie sind bereit Speichel zu vergießen, aber kein Blut. Auch sie, soviel ist klar, wollen das Ende des Empires, aber sie warten darauf, dass das spontan passiert, wie ein Naturphänomen. Angestoßen durch die Gewissheit, dass das Empire ernsthaft krank ist, hoffen seine am besten (aus)gebildeten Feinde, dass ein Kollaps die Menschheit so bald wie möglich von dessen sperriger Präsenz befreit. Außerdem kann niemand leugnen, dass es viel weniger gefährlich ist, die Freiheit infolge der ruhigen Abreise des Meisters zu erlangen, wie ein glückliches Erbe, statt sie im Kampf zu erobern. Diese unbestreitbare Wahrnehmung trägt sie ans Flussbett, um dort in der Erwartung zu sitzen, die von der Strömung getragenen Kadaver ihrer Feinde vorbei treiben zu sehen.

Die barbarische Natur, die diese sanfte Geduld nicht kennt, ist sehr verschieden davon. Genaugenommen sind die Barbaren davon überzeugt, dass es vergeblich ist, auf den Tod des Empires zu warten, der vor allem vielleicht gar nicht so nahe bevorsteht, wie das dessen zivile Feinde wünschen. Außerdem lasst uns das davon ausgehen, dass im Moment seines Kollapses alles, aber auch wirklich alles, unter seinen Trümmern begraben wird. Worauf also warten? Ist es nicht besser sich auf die Suche zu begeben, auf die Suche nach dem Feind, und alles zu tun, um sich seiner zu entledigen? Diese barbarische Bestimmtheit erweckt Gräuel. Die beiden Abgesandten sind entsetzt, die Identifizierung des Feindes ist ihnen gemäss „die erste Frage der politischen Philosophie“, und als solche kann sie sich nicht mit Barbaren auseinandersetzen, die mit ihrer Rohheit höchstens dazu fähig sind, sich „in solch paradoxen Zirkelbewegungen“ zu bewegen.

Aber die anständig erzogenen Feinde des Empires sind ebenso entsetzt. Daran gewöhnt, den ganzen Tag in Erwartung damit zu verbringen, mit dem Leben anzufangen, verwechseln sie die barbarische Unmittelbarkeit mit Blutrünstigkeit. Und wie könnte es anders sein? Sie sind völlig unfähig zu verstehen, wofür die Barbaren kämpfen, schließlich ist für ihre Ohren deren Sprache nicht verständlich. Zu kindlich ist deren Geschrei, deren Dreistigkeit zu unbegründet. Vor den Barbaren fühlen sie sich so ohnmächtig, wie ein Erwachsener in der Hand von tobenden Kindern. In der Tat war für die alten Griechen der Barbar einem Kind ziemlich ähnlich, während im Russischen die beiden Konzepte mit dem selben Vokabel ausgedrückt werden (und denken wir ans Lateinische infans, infantis, das buchstäblich nicht sprechend bedeutet). Nun, das, was denjenigen, die nicht sprechen – den Stammelnden – am meisten vorgeworfen wird, ist das Fehlen von Seriosität, von Sinnhaftigkeit und von Reife. Für Barbaren, wie für Kinder, deren Natur noch nicht völlig domestiziert ist, beginnt Freiheit nicht mit der Ausarbeitung eines idealen Programms, sondern mit dem unverwechselbaren Geräusch von zerbrechenden Scherben. Das ist es, wogegen sich diejenigen protestierend erheben, die wie Lenin denken, dass der Extremismus nichts als eine “Kinderkrankheit” ist. Gegen die senile Krankheit der Politik bestätigen die Barbaren, dass die Freiheit das dringendste und Schrecken erregendste Bedürfnis der menschlichen Natur ist. Und die zügellose Freiheit verfügt über all die Produkte dieser Welt, über all die Objekte – um diese wie Spielsachen zu behandeln.

Aber die Kinder der Göttin der Begründung erlauben keine soziale Transformation von etwas, das nicht auf der Erbauung des Wohls der Allgemeinheit basiert. Es handelt sich entweder um die Frage der Rückkehr zu einer mystischen Vergangenheit (die primitivistische Illusion) oder um die Erfüllung einer leuchtenden Zukunft (die messianische Illusion). Sofern es die Barbaren betrifft, lieben diese weder nostalgische Seufzer, noch Architekturdiplome. Das, was ist wird nicht zerstört im Namen von dem, was war, oder von dem, was sein wird, sondern um endlich all dem Leben zu geben, was sein könnte, in seinen unermesslichen Möglichkeiten, hier und jetzt. Sofort.

UM DEM EIN ENDE ZU BEREITEN

Es ist vergeblich, zu versuchen derjenigen das Sprechen beizubringen, die keine Zunge hat. Es ist vergeblich vor gutturalen Lauten und gedankenlosen Gesten zu erschrecken. Es ist vergeblich jemandem Mediation vorzuschlagen, der das Unmögliche will. Es ist vergeblich jemanden um Freiheit anzuflehen, der Sklaverei aufzwingt. Überlassen wir die Pädagogik den beiden Abgesandten, zusammen mit ihrem polizeilichen und missionarischen Geist. Auf dass sich die Barbaren entfesseln. Auf dass sie ihre Schwerter schleifen, auf dass sie ihre Äxte schwingen, auf dass sie auf ihre Feinde ohne Barmherzigkeit einschlagen. Auf dass Hass an die Stelle von Toleranz tritt, auf dass Raserei an die Stelle von Resignation tritt, auf dass Beleidigungen an die Stelle von Respekt treten. Auf dass die barbarischen Horden in Angriff gehen, autonom, auf eine Art und Weise, über die sie selbst entscheiden, und auf dass nach ihrer Durchreise kein Parlament, kein Kreditinstitut, kein Supermarkt, keine Kaserne, keine Fabrik mehr entsteht. Im Angesicht des Betons, der emporsteigt, um den Himmel anzugreifen, und der Verschmutzung, die ihn zum Verfaulen bringt, kann man mit Déjaque wohl sagen, dass es „nicht die Finsternis ist, die die Barbaren dieses Mal der Menschheit bringen, sondern das Licht“.

Die Zerstörung des Empires könnte nur schwerlich die üblichen Formen der sozialen Revolution annehmen, so wie wir sie aus den Geschichtsbüchern kennen (die Eroberung des Winterpalasts. die populäre Reaktion auf einen Putsch, der generalisierte wilde Streik).

Es gibt keine noblen Ideen mehr, die fähig wären, die groben proletarischen Massen zu bewegen, es gibt keine süßen Utopien mehr, bereit, von ihren Geliebten befruchtet zu werden, es gibt keine radikalen Theorien mehr, die nur darauf warten in die Praxis umgesetzt zu werden. All das ist versunken, weggeschwemmt vom imperialen Schlamm. Es gibt nur den Ekel, die Verzweiflung, den Widerwillen, unsere eigene Existenz durch das Blut, das von der Macht vergossen wird, und den Schlamm, der von der Macht ausgeschüttet wird, fort zu schleppen. Und was doch inmitten dieses selben Blutes und Schlammes geboren werden kann, ist der Wille, verwirrt in manchen, und klarer in anderen, dem Empire und seiner tödlichen Ordnung ein und für alle Mal ein Ende zu bereiten.

Dann geschah es, dass ich alles Leiden, alle Vergangenheit, alle Schrecken und Qualen, die sich in meinem Körper eingegraben hatten, in den Wind schleuderte, als ob sie anderen Epochen angehört hätten, ich überliess mich unbeschwert den geträumten Abenteuern und sah schon im Fieber der Vorstellung eine andere Welt, verschieden von der, in der ich lebte, eine die ich wünschte, eine Welt, verschieden von der, in der die Menschen gelebt haben, und wir waren viele, die sie erträumten. Und die Zeit verging wie im Flug und die Ermüdungen ergriffen meinen Körper nicht, meine Begeisterung verdoppelte sich und liess mich tollkühn werden und liess mich bei Tagesanbruch zur Erkundung aufbrechen um den Feind zu entdecken und . . . alles, um das Leben zu verändern; um diesem Leben, welches uns gehört, einen anderen Rhythmus zu geben; damit die Menschen, und ich mit ihnen, Brüder sein könnten; damit die Freude aus unserer Brust keimt und zumindest einmal auf der Erde wächst…“ Ein Unkontrollierter der Eisenkolonne, März 1937. Spanien

ANHANG – Eine biogarphische Notiz zu Antonio Negri

(bereitgestellt von den Autoren von Barbari für diejenigen die nicht mit ihm vertraut sind)

Antonio Negri wurde am I. August 1933 in Padua, Italien geboren, der Kulturhauptstadt der traditionell bigotten, kleinbürgerlichen Region von Veneto. Als inbrünstig Glaubender entdeckte der junge Toni Negri Militanz als er Teil der religiösen Jugendorganisation “Katholische Aktion” wurde. Die 50er in Italien waren die Jahre der Wiedereinführung der Wirtschaft des Landes, ein gewaltiges kapitalistisches Phänomen, das für immer in den Augen und im Herzen Negris verblieb; jenes Negri, der, nachdem er Gott durch Marx ersetzt hatte, das Umfeld der neuen Linken zu frequentieren begann. In den 60ern nahm Toni Negri aktiv Teil an der Ausarbeitung des Operaismo, als Herausgeber von zuerst “Quaderni rossi” (“Rote Studienbücher”) und später “Classe Operaia” (“Arbeiterklasse”). Was ist Operaismo? Es ist die Ideologie, derzufolge die Fabrik das Zentrum des Klassenkampfes ist und die Arbeiter die einzigen Erschaffer der Revolution sind, weil sie mit deren Kampf das Kapital dazu drängen sich in eine befreiende Richtung zu entwickeln. Die Operaisten zielen auf Parteien und Gewerkschaften ab, aber letztere werden nicht so sehr kritisiert als getadelt dafür, dass sie nicht effektiv ausführen, was eigentlich ihre Pflicht wäre. Wie für alle Formen des Kampfes, die sich ausserhalb der Fabriksumgebung abspielen, werden diese entweder verdammt oder brüskiert. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass keiner der vielen Intellektuellen, die dem Operaismus Leben einhauchten, üblicherweise aus der Sozialistischen und Kommunistischen Partei Flüchtende, je einen einzigen Tag in der Fabrik gearbeitet haben. Negri, zum Beispiel, zog es bei weitem vor die “Doktrin des Staates” an der Universität von Padua zu unterrichten und das fragwürdige Vergnügen des Fließbandes den Proletariern zu überlassen. Die operaistische Strategie, jenseits der Phraseologie, die zeitweise extremistisch ist, bestand aus dem Verlangen „einen positiven Mechanismus der kapitalistischen Entwicklung wieder in Bewegung zu setzen“ innerhalb dessen „die Forderungen einer stärkeren Arbeitermacht ins Spiel zu bringen“ durch „den revolutionären Gebrauch des Reformismus“.

1969 war Negri einer der Mitbegründer der “Arbeitermacht”, eine Organisation, die die übliche Rechtfertigung für das Bestehende mit einem ausgesprochen hegemonialen Ziel über den Rest der Bewegung kombinierte, was sich in der Verdammung des Spontanismus im Namen einer effizienteren Zentralisierung der Kämpfe kristallisierte („um in Handlungen die Hegemonie der Arbeiterkämpfe über die studentischen und proletarischen Kämpfe sicherzustellen […], um die Massenarbeiterkämpfe zu planen, zu führen und zu leiten“). “Arbeitermacht“ löste sich 1973 auf, ohne es zustandegebracht zu haben irgendetwas zu leiten und aus ihrer Asche wurde der politische Raum, bekannt als “Arbeiterautonomie” (“Autonomia Operaia”) geboren, die auch von den leninistischen Geistern, der Eroberung der Macht gehetzt wurde. Wir sind am Anfang der 1970er, als die revolutionäre Bewegung als Ganzes ein Problem der Gewalt darzustellen beginnt. Toni Negri verherrlicht in seinen Büchern die Figur des “kriminellen Arbeiters”, rechtfertigt den Rückgriff auf Sabotage und den bewaffneten Kampf, aber immer innerhalb einer marxistisch-leninistischen Vision des sozialen Konfliktes. In Negri ist eine bedingungslose Akzeptanz und Rechtfertigung des Kapitalismus immer präsent, denn wie er in seinem, 1977 erschienen Buch schrieb, „wird Kommunismus zu allererst vom Kapital als Produktionsbedingung aufgezwungen […] nur der Aufbau des Kapitalismus kann uns wahrhafte revolutionäre Bedingungen geben“, eine Identifizierung, die seiner Meinung nach zu extremen Konsequenzen gebracht werden muss: „die fortgeschrittenste kapitalistische Form, die Form der Fabrik, wird zur Arbeiterorganisation selbst gebracht.“ Aber obwohl seine theoretische Produktion ziemlich profitabel ist, kann nicht gesagt werden, dass diese einem gleich großen, praktischen Einfluss entspricht. Die tausenden Revolutionäre die an dem bewaffneten Angriff gegen den Staat teilnahmen, ein Angriff, der seinen Höhepunkt um 1977-78 erreichte, wussten nicht, was sie mit den philosophischen Analysen des Paduaner Professors anfangen sollten.

Der Amtsrichter seiner Stadt jedoch, Guido Calogero nahm sie sehr wohl ernst, nach welchem Negri der wahre Führer der Roten Brigaden gewesen wäre. Eine schlicht und einfach absurde Hypothese, aber eine die nichts desto trotz gut zu den Bedürfnissen des Staates passte: um einen Teil der Bewegung – den offensichtlichsten – ins Rampenlicht zu bringen, mit dem Ziel die Bewegung in ihrer Ganzheit zum Schweigen zu bringen. Im Bereich der Aktionen der Roten Brigaden, die bereits geschehen waren, deren Taten einen solchen Medienaufschrei auslösten, als ob es darum ginge, die tausenden kleinen Aktionen des Angriffs, die in jenen Jahren ausgeführt wurden, zu verbergen. Warum nicht dieselbe Operation im Bereich der Ideen wiederholen, unter Verwendung des hochklingenden Namens des Paduaner Professors? Und vor allem, warum nicht die beiden Aspekte verbinden? Demnach beginnt die juridische Odyssee von Toni Negri am 7. April 1979, als er gemeinsam mit Dutzenden anderen Militanten im Zuge einer Polizeirazzia gegen das Umfeld der Arbeiterautonomie verhaftet wird. Die Anklage lautet auf subversive Assoziation und bewaffnete Bande, aber im Laufe weniger Monate, multipliziert sich die Anklage gegen Negri zu dem Punkt hin, dass sie bewaffneten Aufstand gegen die Mächte des Staates, Geiselnahme und Mord am Christlich Demokratischen Führer, Aldo Moro, und 17 andere Morde (Anklagen, von welchen er im Laufe der folgenden Jahre entlastet wurde) einschließt. Das ist die Zeit, in der die “Geständnisse” von Reuigen und die speziellen Gesetze, die vom Innenminister Cossiga gewünscht waren, die Gefängnisse mit tausenden Militanten füllen, und starke soziale Spannungen entzünden.

Im Dezember 1980 bricht eine Revolte im Gefängnis von Trani aus, wo Negri gefangengehalten wird. Als Opfer der Mediendarstellung, als der “raffinierte Lehrer”, wird Negri mit der Anklage belastet, einer der Anstifter gewesen zu sein (fünf Jahre später – am Ende der Verhandlung wird er entlastet). In Wahrheit, nebst dem Vorsatz, weiter Bücher zu schreiben, ist Negri viel interessierter daran, den Staat zu verfestigen, als an Subversion. In seinen Schriften beginnt er die verwirrende Hypothese der Dissoziation auszuarbeiten. Jeglicher Würde beraubt, an den schlimmsten Opportunismus angepasst, schlagt Negri dem Staat vor, dass er denjenigen politischen Gefangenen juridische Vorteile zugestehen soll, die die Anwendung von Gewalt öffentlich verwerfen und erklären, dass der Krieg gegen den Staat objektiv beendet ist. Es braucht nicht betont zu werden, dass in Bezug auf jene Gefangenen, die ihre Entscheidungen nicht verstoßen, der Staat gerechtfertigt wäre, die eiserne Faust anzuwenden.

Negris Ideen beginnen in den Gefängnissen um sich zu greifen, die ferne Illusion einer Freiheit, die durch die Aufgabe erreicht werden könnte, findet seine Anhänger. 1982 wird ein Dokument verbreitet, das von 51 politischen Gefangenen unterzeichnet ist, in dem die Epoche der bewaffneten Revolte gegen den Staat für beendet erklärt wird, das erste einer langen Reihe. Im Februar 1983, beginnt die Verhandlung gegen Negri und die anderen Angeklagten, die während der Razzia am 7. April 1979 verhaftet worden waren. Die Radikale Partei, die vom Gezeter der Verhandlung profitiert – die die “aufrichtigen demokratischen” bourgeoisen Schönredner der Nicht-Gewalttätigen und des Pazifismus repräsentiert – macht Negri den Vorschlag, er solle für ein Amt auf ihrer Liste bei den kommenden Wahlen kandidieren. Würde er gewählt, ergäbe das seine Freiheit wegen der parlamentarischen Immunität. Negri erklärt, die Kandidatur zu akzeptieren, und verspricht den Radikalen, auf keinen Fall ins Ausland zu flüchten. Am 26. Juni in die Kammer der Abgeordneten gewählt, wird Negri am 8. Juli aus dem Gefängnis entlassen. Seine Entlassung provoziert die Reaktion der konservativen politischen Kräfte, die den Sommer hindurch daran arbeiten, die Abstimmung über die Abschaffung von Toni Negris parlamentarischer Immunität am 20. September zu erwirken. Am 19. September, dem Vorabend der Abstimmung, flüchtet Negri nach Frankreich. Am nächsten Tag nimmt ihm das Parlament seine Immunität, durch eine Wahl 300 zu 293. Am 26. September endet die “April-7” Verhandlung mit der Verurteilung Negris.

Man kann nicht behaupten, dass Negri das harte Leben des Exils in Frankreich lange Zeit durchmachen musste. Als Universitätsprofessor von internationaler Bekanntheit, wurde er bereits im November 1983 als ausländisches Mitglied des Rates des internationalen College der Philosophie ernannt. Von 1983 bis 1997 unterrichtete Toni Negri an der Universität von Paris-VIII und an der Höheren Schule in der rue d’Ulm. In der Zwischenzeit akzeptierte der italienische Staat seinen Vorschlag und verabschiedete ein Gesetz, das die Dissoziation belohnen sollte. Darüber hinaus führte er im Auftrag einiger Ministerien und anderer französischer Regierungsinstitutionen Forschungen durch. In dieser Zeit veröffentlichte Negri verschiedene Bücher und entdeckte seine Bezüge zu den französischen post-strukturalistischen Intellektuellen, mit welchen er zum Beispiel die Leugnung der individuellen Autonomie teilt. Zu den Interventionen dieser Jahre gehört sein Festhalten an der Forderung nach Amnestie, was das Ende der Kämpfe der 70er beschließt; seine Sympathie für die neue Partei der Liga (rassistische Partei, Verteidiger der Interessen von kleinen und mittleren Wirtschaftstreibenden, nicht zufällig in Veneto gegründet) und seine öffentliche Versöhnung mit dem früheren Innenminister Cossiga, dem Hauptverantwortlichen für die Repression der Bewegung der 1970er.

Am 1. Juli 1997 kehrt Toni Negri freiwillig nach Italien zurück und wird im römischen Gefängnis in Rebibbia eingesperrt, wo er seine Strafe absitzen muss, zu der er verurteilt worden war (merklich reduziert durch zwei Generalamnestien, die 1986 und 1988 zugestanden wurden). Im Juli 1998, bekam Negri Außenarbeit bei einer Genossenschaft für Freiwilligenarbeit, in Verbindung mit der Wohlfahrt; Im August 1999 wird er teil-entlassen (er geht am Morgen aus dem Gefängnis und kehrt am Abend zurück).

2000 kehrt Negri zurück ins Rampenlicht mit der Veröffentlichung des Buches Empire, geschrieben in Zusammenarbeit mit Michael Hardt, das enormen Erfolg verbuchen konnte. In Italien, wo sein Name hässliche Erinnerungen erweckt und deshalb einer redaktionellen Industrie zum Opfer fiel, die der konservativsten politischen Macht unterworfen ist, wird sein Buch erst 2002 veröffentlicht. Toni Negri ist heute der politische Bezugspunkt der Disobbedienti (vormalige Tute Bianche – Weiße Overalls), deren Sprache, obwohl manchmal extrem, sie nichts desto trotz nicht daran gehindert hatte, sich vollständig an der institutionalisierten Linken zu beteiligen.


1das ist eine Parallele zu den Ansichten vieler Neo- Rassisten, die ihre Ideologie auf „Kultur“ und „Ethnizität“ aufbauen, statt auf „Hautfarbe“ und „Blut“. – Anm. engl. Übersetzer

2Eine lingua franca ist eine hybride Sprache, wie sie sich oft an Plätzen des internationalen Handels, wie etwa Hafenstädte entwickelt, um Kommunikation zu ermöglichen.Anm. engl. Übersetzer

3eine internationale Steuer auf Währungspekulation.Anm. engl. Übersetzer

4Ya Basta!, die Tute Bianche und die Disobbedientialle Negri’schen „Radikale“ – haben diese Funktion in einer Vielzahl von Demonstrationen in Italien erfüllt, indem sie diejenigen, die Banken, multinationale Unternehmen, etc. angriffen, bei den Bullen denunzierten. – Anm. engl. Übersetzer

5das italienische Wort potenza kann als Macht, Gewalt, Kraft, Herrschaft oder ImperiumEmpire übersetzt werden.Anm. engl. Übersetzer

6ein linker Politiker, früher in der kommunistischen Partei Italiens, jetzt Teil der Linken Demokratischen Partei, die von den Tute Bianche bis zu den Faschisten mit allen spricht. – Amn. engl. Übersetzer

Massimo Cacciari war einer der Mitglieder von Potere operaio, die nach der Auflösung der linken Organisation in die KP zurückgekehrt waren. Als Philosoph, der das „Denken in der Krise“ (linker Heideggerismus) zum Ausdruck brachte, verfolgte er alle Entwicklungen in der Partei während der großen Repression in den 1980er Jahren. Mitte der 1990er Jahre, während er eine Debatte mit der Neuen Rechten eröffnete, wurde er in der reformistischen Strömung der ehemaligen KP zum Bürgermeister von Venedig gewählt. In dieser Zeit schlug er Wahlabkommen mit den „Autonomen“ im Nordosten Italiens vor. (A.d.Ü., aus der italienischen Ausgabe)

7das italienische Wort sudditi hat gleichzeitig die Bedeutung Subjekte, sowie Untertanen. In diesem Text findet sich einige Male das Wortspiel zwischen den beiden Bedeutungen wieder.Amn. deut. Übersetzer

8im Italienischen gibt es hier ein Wortspiel, „immondo“ ist das italienische Wort für „verfault“, „mondo“ ist das italienische Wort für „Welt“.Anm. engl. Übersetzer

9im Italienischen gibt es hier ein Wortspiel; „Masslosigkeit“ bedeutet auf italienisch „dismisura“ und „messen“ bedeutet „misura“, dass laut Wörterbuch auch „Grenze“ oder „Standard/Norm“ bedeuten kann. Anm. engl. Übersetzer

This entry was posted in Kritik am Reformismus, Kritik an der (radikalen) Linke des Kapitals, Kritik an der Postmoderne/Postmodernismus, Kritik an Toni Negri, Texte. Bookmark the permalink.